Die Bedeutung der endokrinen Therapie für Patientinnen im klinischen Alltag
Autor:
Prim. Dr. Arik Galid
Abteilungsvorstand Gynäkologie Hanusch-Krankenhaus
Koordinator Brustzentrum Hanusch-Krankenhaus
Gastprofessor an der Medizinischen Universität Wien
E-Mail: arik@galid.at
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Die Behandlung des metastasierten hormonsensiblen HER2-negativen Mammakarzinoms hat sich zwischenzeitlich zur „Königsdisziplin“ der Brustkrebstherapien entwickelt. Eine Vielzahl neuer Substanzen und entsprechend komplexe Behandlungsalgorithmen ermöglichen unseren Patientinnen zahlreiche neue Therapieoptionen.
Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau, wobei die hormonsensible HER2-negative Gruppe den größten Patientinnenanteil ausmacht. Mit der Einführung der CDK4/6-Hemmer vor nicht einmal 10 Jahren fand ein Paradigmenwechsel in der Behandlung ebensolcher Patientinnen im metastasierten Setting statt. Der Grundgedanke, die endokrine Therapie auszuschöpfen und die Chemotherapie so weit wie möglich im Behandlungsalgorithmus nach hinten zu verschieben, erreichte eine neue Dimension. Mit der Einführung von neuen Substanzen, welche anhand von neuen Biomarkern zielgerichtet eingesetzt werden können, geht diese Reise innovativ weiter.
Tumorbiologie und Biomarker
Neben den klassischen Tumormerkmalen wie Östrogenrezeptor, Progesteronrezeptor, HER2-Status und Ki 67 finden neue Biomarker Eingang in die Therapieabläufe des metastasierten Brustkrebses. Mit der Einführung neuer Substanzklassen ist die Bestimmung von PIK3CA, PTEN, AKT1 und ESR1 unerlässlich geworden. Während PIK3CA, PTEN und AKT1 bei Vorhandensein de facto zu jedem Zeitpunkt am Tumor nachgewiesen werden können, entwickeln ca. 40% aller metastasierten Brustkrebspatientinnen erst im Laufe ihrer fortschreitenden Erkrankung eine ESR1-Mutation, im Sinne einer Treibermutation, welche bei jedem Progress idealerweise an frischem Tumormaterial oder mittels einer Liquid Biopsy gesucht werden sollte.1
Endokrine Resistenz – eine Zuordnung
Wenn Patientinnen mit einem hormonsensiblen HER2-negativen Mammakarzinom, trotz initial guter Ausgangsprognose, metastasieren, stellt sich zu Behandlungsbeginn die Frage der Einordnung der endokrinen Resistenz. Als primäre endokrine Resistenz erachtet man ein Rezidiv innerhalb der ersten zwei Jahre einer adjuvanten antihormonellen Therapie (AHT) oder innerhalb der ersten 6 Monate einer endokrinen First-Line-Therapie im metastasierten Setting. Von einer sekundären endokrinen Resistenz spricht man bei einem Rezidiv nach zwei Jahren adjuvanter AHT oder innerhalb von zwölf Monaten nach abgeschlossener adjuvanter AHT oder einer Progression nach mehr als sechs Monaten einer First-Line-Therapie im metastasierten Setting. Kann man das Wiederauftreten der Erkrankung einem der beiden Szenarien zuordnen, hilft es bei der Auswahl der Testung bzw. der Festlegung der Substanzklasse.2
Primäre endokrine Resistenz
Patientinnen mit Fortschreiten einer Erkrankung im Sinne einer primären endokrinen Resistenz sollten bereits sehr früh auf eine PIK3CA-Mutation getestet werden. Bei Nachweis dieser Mutation wird seit 2025 die Gabe von Inavolisib/Palbociclib und Fulvestrant empfohlen. Sollte Inavolisib kontraindiziert oder nicht verfügbar sein, wird die Gabe von Fulvestrant in Kombination mit einem CDK4/6-Hemmer empfohlen. Bei Patientinnen ohne nachgewiesene PIK3CA-Mutation wird ebenfalls die Gabe von Fulvestrant in Kombination mit einem CDK 4/6-Hemmer empfohlen.3
Sekundäre endokrine Resistenz
Patientinnen, welche in dieses „Rezidivmuster“ hineinfallen, werden anhand der exprimierten Biomarker behandelt:
-
PIK3CA, PTEN und AKT1: Capivasertib und Fulvestrant
-
PIK3CA: alternativ zu Capivasertib mit Alpelisib und Fulvestrant
-
ESR1-Mutation: Elacestrant
-
BRCA1/2-Mutation oder PALB2: PARP-Inhibitor
-
Ohne Nachweis: Switch der AHT bzw. des CDK4/6-Hemmers, Everolimus mit AHT oder alternativ Fulvestrant mono3
Aber was kommt danach?
Erfahren diese Patientinnen einen neuerlichen Progress und ist eine ESR1-Mutation nach wie vor nicht nachgewiesen, wird in weiterer Folge zwischen Chemotherapie-naiv und Chemotherapie-vortherapiert unterschieden.
Folgende therapeutische Konsequenzen ergeben sich daraus:
Chemotherapie-naiv:
-
HER2 low oder ultralow: Trastuzumab-Deruxtecan
-
Taxan oder Capecitabin in Kombination mit Bevacizumab
Chemotherapie-vorbehandelt:
-
HER2 low: Trastuzumab-Deruxtecan
-
Sacituzumab-Govitecan
-
Datopotamab-Deruxtecan3
PIK3CA- und ESR1-Co-Mutation – welches Medikament?
Das simultane Auftreten einer PIK3CA- und ESR1-Mutation im Krankheitsverlauf ist ein seltenes Ereignis. Die Frage, welche Medikation im Rahmen dieser Konstellation zu geben ist, können wir anhand der aktuellen Studienlage nicht beantworten. Nachdem die ESR1-Mutation zu jedem Progress bestimmt werden sollte, da sie im Sinne einer „Treibermutation“ auch erst im Verlauf einer metastasierten Brustkrebserkrankung auftreten kann, bleibt zu überdenken, ob nicht diese momentan als Target verwendet werden sollte, wenn sie tatsächlich mal auftritt. Hinweise auf einen entsprechenden Therapieerfolg in dieser Konstellation geben uns die Subgruppenanalysen aus der EMERALD-Studie. Für eine klare Therapieempfehlung steht uns derzeit keine eindeutige Evidenz zur Verfügung.4
Progressionsfreies Überleben (PFS) und Vortherapien
Unabhängig von der Substanzklasse, kann man bei allen hormonsensiblen HER2-negativen Patientinnen im metastasierten Setting beobachten, dass das mediane PFS nach Vortherapie mit einem CDK4/6-Hemmer deutlich verkürzt ist im Vergleich zu den entsprechenden Zulassungsstudien. Ein solcher Vergleich ist natürlich in Ermangelung von Head-to-Head-Studien wissenschaftlich nicht zulässig, soll uns aber den Eindruck vermitteln, welche onkologisch wertvolle Arbeit CDK4/6-Hemmer im First-Line-metastasierten Setting leisten (Abb. 1).
Abb. 1:Die PFS-Dauer ist bei Patient:innen mit vorheriger CDK4/6-Inhibitortherapie konsistent kürzer. ET = endokrine Therapie
Zusammenfassung
Die Behandlung von Brustkrebspatientinnen wird zunehmend individueller und komplexer. So wie das Endometriumkarzinom bei gynäkologischen Patientinnen hat sich auch die Behandlung des hormonempfindlichen HER2-negativen Mammakarzinoms rasant weiterentwickelt und sich als eine Art „Königsdisziplin“ herauskristallisiert. Klassische Tumormerkmale wie der HER2-Status werden neu aufgerollt bzw. noch differenzierter bestimmt. Neue biologische Targets wie PIK3CA, PTEN, AKT1 und ESR1 geben uns auch die Möglichkeit, neue zielgerichtete Therapien einzusetzen. Das Thema Chemotherapie rückt im Zeitalter dieser zielgerichteten Therapien und ADCs immer weiter nach hinten und gibt uns auch die Möglichkeit, Patientinnen möglichst lang auf der endokrinen Schiene zu halten. Die Vielzahl neuer Substanzen erfordert im klinischen Alltag oft einen zusätzlichen Zeitaufwand in puncto Bewilligung, aber auch in Hinblick auf ein neues adaptiertes Nebenwirkungsmanagement. All dies ist natürlich mit erheblichen Kosten verbunden, welche vom Gesundheitssystem getragen werden müssen. Umso wichtiger ist es hier, diese Biomarker zu nutzen, um noch zielgerichteter zu behandeln. Therapien nach dem Motto „One size fits all“ sind immer weniger relevant.
Literatur:
1 Afzal S: Front Mol Biosci 2022; 9: 783450 2 Higgins MJ, Stearns V: Curr Oncol Rep 2010; 12(1): 7-15 3 ESMO Guidelines Metastatic Breast Cancer 4 Bardia et al.: ElaceClin Cancer Res 2024; 30(9): 4299-4309 5 Orserdu (elacestrant) SmPC, January 2025 6 Bidard FC et al.: J Clin Oncol 2022; 40(28): 3246-56 7 Johnston SR et al.: Lancet Oncol 2013; 14(10): 989-98 8 Rozenblit M et al.: BreastCancer Res 2021; 23(1): 14 9 Afinitor (everolimus). SmPC 2022 10 Baselga J et al.: N Engl J Med 2012; 366(6): 520-29 11 Kalinsky K et al.: J Clin Oncol 2024; 42(17_suppl): LBA1001 12 Slamon DJ et al.: N Engl J Med 2020 ;382: 514-24 13 Rugo HS et al.: Lancet Oncol 2021; 22(4): 489-98 14 Chia S et al.: J Clin Oncol 2023; 41(suppl 16; abstr 1078) 15 Piqray (alpelisib). SmPC 2024 16 Andre F et al.: N Engl J Med 2019; 380: 1929-40 17 Oliveira M et al.: Ann Oncol.2023; 8(1suppl_4): 101223-101223 (poster187O) 18 Turner NC et al.: N Engl J Med 2023; 388: 2058-70
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