
Riskante Kombination: Diabetes und Covid-19
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Diabetespatienten sind im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 einem besonders hohen Risiko ausgesetzt. Dies gilt insbesondere für Typ-1-Diabetes mit schlechter glykämischer Kontrolle. Experten rufen daher dazu auf, diesen modifizierbaren Risikofaktor in Zeiten der Pandemie zu optimieren.
Deutlich höheres Risiko
Laut einer kürzlich in „Lancet Diabetes & Endocrinology“ publizierten Arbeit litten rund 30% der 24000 an Covid-19 gestorbenen Briten unter Diabetes. Zum Vergleich: Die Prävalenz von Typ-1-Diabetes liegt im UK bei 0,4%, jene von Typ-2-Diabetes bei 4,6%. Zum Teil lässt sich bei Menschen mit Typ-2-Diabetes die hohe Sterblichkeit im Fall einer Covid-19-Erkrankung durch gemeinsame Risikofaktoren wie Alter und Adipositas bzw. durch Komorbiditäten wie kardiovaskuläre oder renale Erkrankungen erklären. Doch eine hinsichtlich Komorbiditäten und sozialer Faktoren adjustierte Analyse ergab für Typ-1-Diabetes im Vergleich zur Normalbevölkerung eine Erhöhung des Mortalitätsrisikos um den Faktor 2,86 und für Typ-2-Diabetes um 1,8.1
Daten dokumentieren ungünstige Outcomes
Angesichts dieser Daten widmete die European Association for the Study of Diabetes (EASD) im Rahmen ihres jährlichen Kongresses eine ganze Session dem Thema „Covid-19 und Diabetes“. Zu besprechen gab es genug. Seit Beginn der Pandemie ergibt eine Suche auf PubMed zum Thema „COVID-19 and diabetes“ mehr als 1800 Publikationen. „Viele dieser Publikationen dokumentieren eine enge Assoziation zwischen hohen Blutzuckerspiegeln und ungünstigen Outcomes wie mechanischer Beatmung, Behandlung auf der Intensivstation und Tod“, kommentiert Prof. Dr. Juliana Chan von der Chinese University of Hong Kong. Da schlechte glykämische Kontrolle zu systemischer Inflammation, eingeschränkter Immunabwehr und oft auch einer suboptimalen Kreislaufsituation führt, besteht bei schweren (Infektions-)Krankheiten ein generell erhöhtes Risiko. Hinzu kommt, dass der Stress der akuten Erkrankung auch zur metabolischen Entgleisung mit unkontrollierbarem Blutzuckeranstieg und Multiorganversagen führen kann. Daraus leitet sich jedoch eine klare Botschaft ab, so Chan: Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes sind in der aktuellen Situation dazu aufgerufen, besonders sorgfältig auf ihre Blutzuckereinstellung zu achten. Im Gegensatz zu beispielsweise Übergewicht sei die glykämische Kontrolle nämlich ein Risikofaktor, der sich kurzfristig modifizieren lässt. In besonderem Maß gilt dies für Typ-1-Diabetes, zumal eine Analyse der britischen Daten zeigt, dass Typ-1-Diabetes nur bei unzureichender Kontrolle zu einem erhöhten Risiko führt, während ein gut kontrollierter Typ-1-Diabetes das Mortalitätsrisiko bei einer Covid-19-Erkrankung nicht erhöht.2
Medikamente und Therapieformen
Ob bestimmte Diabetesmedikamente oder therapeutische Strategien besonders günstige oder ungünstige Auswirkungen auf die Prognose einer Covid-19-Erkrankung haben, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen, so Prof. Dr. Daniel Drucker vom Lunenfeld Tanenbaum Research Institute am Mt. Sinai Hospital in Toronto. Metformin hat zwar antiinflammatorische Effekte, ist jedoch auch mit einem erhöhten Risiko für diabetische Ketoazidose assoziiert. Fallserien zeigen keinen Einfluss von Metformin im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung, Fälle von DKA sind jedoch dokumentiert. Drucker warnt vor hysterischen Reaktionen, rät aber bei hospitalisierten Patienten mit sich verschlechternder Nierenfunktion zur Vorsicht.
Bemerkenswerterweise benützen Coronaviren Enzyme, die auch im Management von Diabetespatienten eine Rolle spielen, und zwar als Rezeptoren. Während das MERS-Virus an DPP-4 andockt, nützt SARS-CoV-2 den ACE-2-Rezeptor als Pforte in die Zelle. Daraus ergeben sich mechanistische Hintergründe für eine besondere Vulnerabilität von Diabetikern gegenüber Covid-19, zumal ACE-2 auch eine wichtige Rolle für Insulinsekretion und Insulinwirkung in der Peripherie spielt. Angesichts dieser Wirkungen drängt sich die Frage auf, ob Covid-19 direkt auf das Pankreas wirken und möglicherweise Diabetes verursachen kann. Einige entsprechende Fallberichte liegen vor, die Frage nach einem kausalen Zusammenhang bleibt offen. Drucker hält diesen für unwahrscheinlich, da die Betazelle, soweit man heute weiß, keine ACE-2-Rezeptoren exprimiert. Diese finden sich zwar im Pankreas, dort allerdings im duktalen Epithel, auf das sie auch beschränkt bleiben. Das letzte Wort sei in dieser Frage allerdings noch nicht gesprochen, so Drucker.
Quellen: Chan J: Overview on COVID-19 in persons with diabetes: What is the evidence? Presented at EASD 2020: Session COVID-19 and diabetes: S12
Drucker D: Do shared pathways have therapeutic implications? Presented at EASD 2020. Presented at EASD 2020: Session COVID-19 and diabetes: S12
Literatur:
1 Barron E et al.: Associations of type 1 and type 2 diabetes with COVID-19-related mortality in England: a whole-population study. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8: 813-22
2 2 Holman N et al.: Risk factors for COVID-19-related mortality in people with type 1 and type 2 diabetes in England: a population-based cohort study. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8(10): 823-33
Das könnte Sie auch interessieren:
Neue Studiendaten zu Typ-2-Diabetes und Lebensstil
Dass gesunde Ernährung und Bewegung das Diabetesrisiko sowie verschiedene Risiken von Patienten mit Diabetes senken, ist seit Langem bekannt. Und das Detailwissen zur Bedeutung von ...
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...
Liraglutid - Hoffnung auf Betazellprotektion
Mit der Kombination eines Immunmodulators mit dem GLP-1-Analogon Liraglutid konnte in einer Population von Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes der Verlust an Betazellen ...