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CCC-TRIO 2025

Krebsforschung 2025 zwischen Fortschritt und Herausforderung

Die translationale Krebsforschung ist heute mehr denn je durch bahnbrechende Errungenschaften, aber auch neue Herausforderungen geprägt. Im Rahmen des diesjährigen „CCC-TRIO“-Symposiums des Comprehensive Cancer Center (CCC) Vienna gaben renommierte Top-Experten wie Prof. Douglas Hanahan, Lausanne, undProf. Thomas Powles, London, Einblick in ihre Forschung.

Keypoints

  • Die Inzidenz von Krebs bei jungen Erwachsenen (25–49 Jahre) nimmt weltweit aufgrund verschiedener Ursachen zu.

  • Neurologische Signalwege können das Tumorverhalten maßgeblich beeinflussen. Präklinische Studien zeigen interessante immunmodulatorische Effekte von FMRP, trizyklischen Antidepressiva und IL1RAP-Inhibitoren.

  • Zirkulierende Tumor-DNA könnte einen vielversprechenden prognostischen und prädiktiven Biomarker für die Behandlung onkologischer Erkrankungen darstellen.

Steigende Inzidenz von Malignomen unter Jungen

In den letzten Jahrzehnten ist es zu einem merklichen Anstieg von onkologischen Erkrankungen aller Arten unter jungen Erwachsenen gekommen, eröffnete Dr. Freddie Bray, International Agency for Research on Cancer, Lyon, Frankreich, seine Ausführungen. Die Frage, ob es sich dabei um ein globales Phänomen handle, ist allerdings nicht leicht zu beantworten, da qualitativ hochwertige Daten in der Regel nur aus Industrieländern zur Verfügung stehen.1 Gegenwärtig beträgt der Anteil der Menschen, die zwischen 25 und 49 Jahren eine Krebsdiagnose erhalten haben, in Österreich 2,8%.2

Die möglichen Ursachen des Phänomens sind vielfältig. Ob die steigende Inzidenz mit einer erhöhten Exposition gegenüber Risikofaktoren nach 1970 oder den Fortschritten bei Screening und Diagnostik assoziiert ist, bleibt bis heute unklar. Laut Bray handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Kombination verschiedener Faktoren.3

Sung et al. verdeutlichten am Beispiel des Kolorektalkarzinoms die Vielfalt der möglichen Ursachen für einen frühen Krankheitsbeginn anhand einer Auswertung der WHO-IARC(„International Agency for Research on Cancer“)-Datenbank „Incidence in Five Continents Plus“.4

Maßnahmen gegen diese besorgniserregende Entwicklung erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gesundheitsbehörden, der Allgemeinbevölkerung und medizinischen Fachkräften, schloss Bray.5

Neueste Erkenntnisse in der Krebs-Neurowissenschaft

Heute besteht kein Zweifel, dass das neurologische System mit der Entwicklung von Tumoren assoziiert ist, erklärte Prof. Dr. Douglas Hanahan – weltweit einer der meistzitierten Autoren in der onkologischen Grundlagenforschung und derzeit an der École polytechnique fédérale de Lausanne tätig sowie Leiter des Schweizerischen Instituts für Experimentelle Krebsforschung. Beispielsweise können der Widerstand gegen Zelltod und die Aufrechterhaltung der Proliferation durch neurologische Prozesse beeinflusst werden.6

Diese Zusammenhänge eröffneten laut Hanahan interessante Forschungsgebiete. So wurde anhand von Untersuchungen an polymorphen genetischen Kontrollmechanismen bei pankreatischer neuroendokriner Karzinogese erkannt, dass es aufgrund von glutamatstimulierten NMDA-Rezeptorsignalen zu einer Hochregulierung des RNA-bindenden FMR-Proteins kommt.7

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D. Hanahan, Lausanne

Interessant ist, dass immunsupprimierte Wildtyp- und FMRP-Knockout-Mäuse ähnliche Überlebensdaten und Tumorlasten aufwiesen. In immunkompetenten Modellen führte jedoch der Knockout des FMRP zu signifikant längeren Überlebenszeiten (p=0,0027) und geringeren Tumorlasten (p=0,0039). Tatsächlich produzieren FMRP-exprimierende Krebszellen das Chemokin IL-33, welches regulatorische T-Zellen induziert, sowie tumorsezernierte PROS1-Liganden und Exosomen, die tumorfördernde Makrophagen auslösen. Im Gegensatz dazu werden CCL7 in FMRP-KO-Krebszellen hochreguliert und unterstützen so die Rekrutierung und Aktivierung von T-Zellen.7

Neue Immuntherapie bei therapierefraktären Glioblastomen

Für die Behandlung von Glioblastomen sind gegen VEGF-A gerichtete monoklonale Antikörper zugelassen, zeigen aber in klinischen Studien keinen Überlebensvorteil. Diese Arzneimittel normalisieren die angiogene Gefäßstruktur und ermöglichen die Bildung von Hochendothelvenolen für den Austritt von T-Zellen.8

Interessanterweise wurden bei der Behandlung von chronisch depressiven Patient:innen mit trizyklischen Antidepressiva reduzierte Inzidenzen von Glioblastomen beobachtet.9 Diese Arzneimittel induzieren eine immunstimulierende Autophagie und rekrutieren so CD8+-Zellen. Außerdem hemmen sie die Histaminrezeptor-Signalübertragung in immunsuppressiven M2-ähnlichen tumorassoziierten Makrophagen und führen so zu deren Umprogrammierung, wodurch die T-Zell-Immunität unterstützt wird.8

Hanahan et al. evaluierten, ob eine Kombination der beiden Wirkmechanismen zu einem therapeutischen Effekt in therapierefraktären Glioblastomen führen könnte. Tatsächlich zeigte die Kombination statistisch signifikant höhere Überlebensraten im Vergleich zur Kontrollgruppe in Mäusen mit Lentivirus-stimuliertem Glioblastom (p<0,0001). Erweitert man die Behandlung um einen PD-L1-Inhibitor, verdoppelt sich der Überlebensvorteil sogar.8

Umgehung systemischer Immunsuppression durch Anti-IL1RAP

Tumoren, welche die HPV16-Onkogene E7 und E6 exprimieren, sollten aufgrund ihrer neoantigenen Natur ideale Ziele für die Immuntherapie darstellen, so Hanahan. Allerdings zeigte das therapeutische E7-Onkoprotein-Vakzin in Mausmodellen keine Wirksamkeit bei der Behandlung von De-novo-Plattenepithelkarzinomen der Haut. Dieser interessante Umstand resultiert aus einer systemischen Immunsuppression in der Milz, den Lymphknoten und im Knochenmark in frühen Phasen der Karzinogenese.10

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T. Powles, London

Hanahan et al. identifizierten drei Interleukine (IL-1α, IL-33 und IL-36β), die potenziell für diese systemische Immunsuppression verantwortlich sind. Die Interleukine haben zwar verschiedene Zielrezeptoren, teilen sich aber einen Korezeptor (IL1RAP), welcher für die Weiterleitung der Signalkaskaden essenziell ist.10

Eine Behandlung mit einem IL1RAP-Inhibitor hemmte das Tumorwachstum in H16sc-IS1-tumortragenden Mäusen und reduzierte die systemische Immunsuppression. Nach einer Kombination des E7-Onkoprotein-Vakzins und des IL1RAP-Inhibitors konnten im Mausmodell signifikante Reduktionen im Tumorwachstum verzeichnet werden (p<0,05).10

Die Auswahl des richtigen Targets

Die Behandlung von Malignomen mit zielgerichteten Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten lieferte, bis auf einige wenige Ausnahmen, enttäuschende Ergebnisse, berichtete Prof. Dr. Thomas Powles, Director of Barts Cancer Centre, London. Verantwortlich sind wohl die Heterogenität und Komplexität von Tumoren sowie deren Eigenschaft, einzigartige evolutionäre Veränderungen während der Behandlung zu zeigen.

Auch die großen Hoffnungen, die in die Immunonkologie gelegt wurden, konnten bis dato noch nicht erfüllt werden, sagte Powles. Initial wurde PD-(L)1 als Biomarkerfür die Wirksamkeit von Immun-Checkpoint-Inhibitoren identifiziert. PD-(L)1-positive Patient:innen, die mit einem solchen Inhibitor behandelt wurden, wiesen ein längeres Überleben auf als historische Vergleichsgruppen, die mit Chemotherapie behandelt wurden. Klinische Studien, welche die Wirksamkeit von Immun-Checkpoint-Inhibitoren und Chemotherapie vergleichen, lieferten jedoch häufig negative Ergebnisse.11 Powles ermahnte, die Fehler aus vorangegangenen Studien nicht zu wiederholen, stattdessen neue Hypothesen zu generieren und neue prognostische und prädiktive Biomarker zu identifizieren.

Zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) umgeht das Problem der Tumorheterogenität bis zu einem gewissen Grad und könnte damit einen zukunftsträchtigen Biomarker darstellen. So wiesen in einer Studie von Powles et al. 57% der Patient:innen mit Blasenkarzinom im Frühstadium positive ctDNA-Titer auf. Nach einer neoadjuvanten Therapie sank der Anteil auf 22% und erreichte nach einer radikalen Zystektomie 9%. Patient:innen, bei denen nach der neoadjuvanten Therapie keine ctDNA mehr nachgewiesen werden konnte, wiesen unter Durvalumab ein 68%ige Reduktion des Risikos für ein Ereignis im Vergleich zu Patient:innen mit persistierenden ctDNA-Titern auf (HR: 0,32; 95% CI: 0,22–0,47), schloss Powles.12

„CCC-TRIO 2025 – Translational Research In Oncology“, Symposium des Comprehensive Cancer Center (CCC) Vienna, 12.–13. Juni 2025, Wien

1 Zhao J et al.: Global trends in incidence, death, burden and risk factors of early-onset cancer from 1990 to 2019. BMJ Oncol 2023; 2(1): e49 2 https://gco.iarc.who.int/en ; zuletzt abgerufen am 29. Juli 2025 3 Owens L et al.: Trends in young-onset cancer incidence: a modeling perspective. J Natl Cancer Inst 2025; 117(7): 1350-59 4 Sung H et al.: Colorectal cancer incidence trends in younger versus older adults: an analysis of population-based cancer registry data. Lancet Oncol 2025; 26(1): 51-63 5 Ugai T et al.: Is early-onset cancer an emerging global epidemic? Current evidence and future implications. Nat Rev Clin Oncol 2022; 19(10): 656-73 6 Hanahan D et al.: Cancer hallmarks intersect with neuroscience in the tumor microenvironment. Cancer Cell 2023; 41(3): 573-80 7 Zeng Q et al.: Aberrant hyperexpression of the RNA binding protein FMRP in tumors mediates immune evasion. Science 2022; 378(6621): eabl7207 8 Chryplewicz A et al.: Cancer cell autophagy, reprogrammed macrophages, and remodeled vasculature in glioblastoma triggers tumor immunity. Cancer Cell 2022; 40(10): 1111-27.e9 9 Walker AJ et al.: Tricyclic antidepressants and the incidence of certain cancers: astudy using the GPRD. Br J Cancer 2011; 104(1): 193-7 10 Lecointre M et al.: HPV16-expressing tumors release multiple IL1 ligands to orchestrate systemic immunosuppression whose disruption enables efficacy of a therapeutic vaccine. Cancer Discov 2025; 15(7): 1458-83 11 Powles T et al.: Atezolizumab versus chemotherapy in patients with platinum-treated locally advanced or metastatic urothelial carcinoma (IMvigor211): a multicentre, open-label, phase 3 randomised controlled trial. Lancet 2017; 391(10122): 748-57 12 Powles T et al.: Circulating tumor DNA (ctDNA) in patients with muscle-invasive bladder cancer (MIBC) who received perioperative durvalumab (D) in NIAGARA. J Clin Oncol 2025; 43(16_suppl): 4503

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