
Alternativen zur prophylaktischen Mastektomie: eine umfassende Analyse
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, MD, MPH
Leiter Brustgesundheitszentrum
Klinische Abteilung für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie
Universitätsklinik für Frauenheilkunde Medizinische Universität Wien
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die prophylaktische Mastektomie (PM) gilt als eine der effektivsten präventiven Maßnahmen zur Reduzierung des Brustkrebsrisikos bei Frauen mit einer genetischen Prädisposition, insbesondere bei Träger:innen von Mutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen.
Mutationen in den BRCA-Genen erhöhen das Risiko für Brustkrebs signifikant. Viele betroffene Frauen entscheiden sich aufgrund der hohen Inzidenz für eine Mastektomie, um das Risiko einer Krebserkrankung zu minimieren. Allerdings kann es bei dieser Option der Risikoreduktion gerade bei Frauen mit Risikofaktoren wie z.B Nikotinabusus und bei Diabetiker:innen vermehrt zu Komplikationen kommen. Auch wird das kosmetische Ergebnis der risikoreduzierenden Operation nicht immer den Wünschen und Vorstellungen der betroffenen Frauen gerecht. Trotz der Effizienz dieses Verfahrens gibt es daher zunehmend Interesse an alternativen präventiven und therapeutischen Strategien. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Alternativen zur prophylaktischen Mastektomie und bewertet ihre Effektivität und praktischen Aspekte.
Überwachung und Früherkennung
Die engmaschige Überwachung gilt als eine der häufigsten Alternativen zur prophylaktischen Mastektomie. Sie umfasst regelmäßig durchgeführte diagnostische Verfahren, wie zum Beispiel Mammografie, Magnetresonanztomografie und Ultraschalluntersuchung:
-
Mammografie: Obwohl die Mammografie als weniger sensitiv für junge Frauen mit dichterem Brustgewebe gilt, bleibt sie ein wichtiger Bestandteil der Brustkrebserkennung. Für Frauen mit BRCA-Mutationen wird empfohlen, die Mammografie ab dem 30. Lebensjahr jährlich durchzuführen, da neben der reduzierten Sensitivität bei jungen Frauen auch die kumulative Strahlenbelastung über die Lebenszeit hinweg berücksichtigt werden muss.
-
Magnetresonanztomografie (MRT): Die Brust-MRT hat sich als besonders effektiv in der Erkennung von Brustkrebs bei Frauen mit erhöhtem Risiko erwiesen. Sie bietet eine höhere Sensitivität im Vergleich zur Mammografie und stellt die wichtigste Früherkennungsmodalität bei Träger:innen der BRCA1- und BRCA2-Mutation dar. Sie sollte ab dem 25. Lebensjahr begonnen werden. Die ESMO Guidelines empfehlen aufgrund der Gefahr von Intervallkarzinomen und wegen der typischerweise hohen Wachstumstendenz von BRCA1-assoziierten Tumoren eine halbjährliche MRT-Untersuchung, bei BRCA2-Mutation ist eine jährliche MRT-Kontrolle ausreichend.
-
Ultraschalluntersuchung: Der Ultraschall wird vor allem als die Mammografie ergänzende Methode genutzt, besonders bei jüngeren Frauen, bei denen Mammografien aufgrund des dichten Brustgewebes weniger zuverlässig sind. Allerdings stellt Ultraschall keine Alternative zur MRT-Untersuchung dar.
Die Herausforderung dieser alternativen Methoden besteht darin, dass trotz einer intensiven Überwachung das Risiko einer Tumorerkennung zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der Krebs bereits metastasiert hat, nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Dies führt bei vielen betroffenen Frauen zu einer höheren psychischen Belastung und zu Entscheidungsunsicherheit.
Chemoprävention
Eine weitere Alternative zur prophylaktischen Mastektomie ist die Chemoprävention. Diese Strategie zielt darauf ab, das Brustkrebsrisiko durch Medikamente zu verringern, die die hormonelle Aktivität im Körper beeinflussen. Zwei Medikamente, die häufig in der Chemoprävention bei BRCA-Mutationsträger:innen verwendet werden, sind Tamoxifen und Raloxifen:
-
Tamoxifen: Tamoxifen ist ein selektiver Estrogenrezeptor-Modulator (SERM), der das Risiko für hormonabhängigen Brustkrebs senken kann. Bei Frauen mit BRCA2-Mutationen wurde eine Risikoreduktion durch die Einnahme von Tamoxifen gezeigt. Die Anwendung ist jedoch auf Frauen mit hormonempfindlichen Tumoren beschränkt. Die vorliegenden Daten für eine primäre Prävention lassen zwar eine Wirksamkeit sowohl bei der primären Vorbeugung von HR+ als auch HR– Karzinomen vermuten, allerdings stammen die vorliegenden Daten aus Kohortenstudien und die Datenqualität ist demgemäß eingeschränkt. In der sekundären Prävention von kontralateralen Karzinomen scheint Tamoxifen jedoch gut zu wirken und wird auch deutlich häufiger eingesetzt.
-
Raloxifen: Ein weiteres Medikament, das in Studien zur Prävention von Brustkrebs bei Hochrisikogruppen untersucht wurde, ist Raloxifen. Es wirkt ähnlich wie Tamoxifen, hat jedoch möglicherweise weniger Nebenwirkungen und birgt eine geringere Thrombosegefahr. Die vorliegende Datenlage ist jedoch deutlich schwächer.
Alternativen zur prophylaktischen Mastektomie umfassen die regelmäßige Überwachung, Chemoprävention, Salpingo-Oophorektomie und Änderungen des Lebensstils
Obwohl Chemoprävention eine attraktive Option darstellt, gibt es bei ihr eigene Herausforderungen, wie Nebenwirkungen (zum Beispiel Hitzewallungen, Blutgerinnungsstörungen) und eine unvollständige Effektivität, insbesondere bei Frauen mit BRCA1-Mutationen. Zudem erfordert die langfristige Einnahme dieser Medikamente eine kontinuierliche ärztliche Überwachung. Derzeit läuft eine Präventionsstudie, die den Einsatz von Denosumab, einem gut eingeführten Osteoporosemedikament, bei BRCA1-Mutation untersucht. Experimentelle Daten und vorliegende Studien bei BRCA1-Mutationsträger:innen deuten auf einen starken Präventionseffekt nicht nur hinsichtlich Mammakarzinomen, sondern auch bei Ovarialkarzinomen hin. Die Studie BRCA-P hat bereits die Randomisierungsphase abgeschlossen, die Mutationsträger:innen laufen derzeit unter der Therapie.
Salpingo-Oophorektomie
Die Entfernung der Eierstöcke (Salpingo-Oophorektomie, Ovariektomie) ist eine bewährte Methode zur Reduktion des Risikos von Eierstockkrebs. Bei BRCA-Mutationsträger:innen wurde zunächst ebenfalls ein protektiver Effekt postuliert, mehrere in der Folge durchgeführte Studien konnten diesen Schutzeffekt jedoch nicht bestätigen. Allerdings scheint die Salpingo-Oophorektomie gerade bei Träger:innen der BRCA2-Mutation dann zu einem Rückgang des Brustkrebsrisikos zu führen, wenn sie vor den Wechseljahren durchgeführt wird, da sie den hormonellen Einfluss auf das Brustgewebe verringert.
Risikoreduzierende Maßnahmenin der Lebensweise
Lebensstiländerungen sind eine weitere nichtinvasive Möglichkeit, das Brustkrebsrisiko zu reduzieren, wenngleich die Effektivität im Vergleich zu den oben genannten medizinischen und chirurgischen Interventionen geringer ist. Zu den empfohlenen Maßnahmen gehören Änderungen bei der Ernährung, der körperlichen Aktivität und beim Alkohol- und Nikotinkonsum:
-
Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit einer Vielzahl an Obst- und Gemüsesorten, die reich an Antioxidanzien sind, könnte dazu beitragen, das Risiko von Brustkrebs zu verringern. Einige Studien haben gezeigt, dass eine Reduktion von Fett in der Ernährung auch einen gewissen Schutz bieten kann.
-
Körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung und das Aufrechterhalten eines gesunden Körpergewichts sind ebenfalls mit einem verringerten Risiko für Brustkrebs in Verbindung gebracht worden.
-
Vermeidung von Alkohol und Nikotin: Der Konsum von Alkohol wurde mit einem höheren Brustkrebsrisiko assoziiert, weshalb eine Reduktion oder der Verzicht auf Alkohol als präventive Maßnahme empfohlen werden.
Obwohl diese Änderungen zu einer allgemeinen Gesundheitsförderung beitragen können, bieten sie keinen direkten, nachgewiesenen Schutz vor Brustkrebs bei Vorliegen einer BRCA-Mutation.
Psychosoziale Unterstützungund Entscheidungshilfen
Ein oft unterschätzter Aspekt in der Prävention von Brustkrebs bei BRCA-Mutationsträger:innen ist die psychosoziale Unterstützung. Die Entscheidung, ob eine prophylaktische Mastektomie oder eine andere Option gewählt wird, ist komplex und kann zu erheblichen emotionalen und psychischen Belastungen führen. Psychosoziale Beratung, genetische Beratung und der Austausch mit anderen betroffenen Frauen können dabei helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und die damit verbundenen emotionalen Herausforderungen zu bewältigen.
Fazit
Die prophylaktische Mastektomie bleibt eine der effektivsten Strategien zur Reduzierung des Brustkrebsrisikos bei Frauen mit BRCA-Mutationen. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Alternativen, die entweder allein oder in Kombination mit anderen Maßnahmen eingesetzt werden können, um das Risiko zu senken. Diese Alternativen umfassen die regelmäßige Überwachung, Chemoprävention, Salpingo-Oophorektomie und Änderungen des Lebensstils.
Jede dieser Optionen bietet unterschiedliche Vor- und Nachteile, die individuell abgewogen werden müssen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Patient:innen, Gynäkolog:innen, Onkolog:innen und anderen Fachkräften ist entscheidend, um eine optimale, personalisierte Entscheidung zu treffen und die Lebensqualität der betroffenen Frauen zu gewährleisten.
Literatur:
beim Verfasser
Das könnte Sie auch interessieren:
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
ASH 2020 – Highlights zu den aggressiven Lymphomen
Highlight-Themen der virtuellen ASH-Jahrestagung im Dezember 2020 waren an erster Stelle die Immunonkologika in all ihren Variationen, aber auch Beispiele für innovative Sequenztherapien ...
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...