
18. Dezember 2019
EASD-Highlights
Innovationen in der Insulintherapie und Insulinisierung von Patienten
Eine Reihe von Programmschwerpunkten des diesjährigen 55. Kongresses der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Barcelona war aktuellen Entwicklungen in der Insulintherapie gewidmet, einschließlich der Vorstellung von Daten zur Insulinpumpentherapie und zum Einsatz von Glukosesensoren. Die Themenbereiche umfassten dabei insbesondere neue Studienergebnisse zu den Basalinsulinanaloga der zweiten Generation, Insulin Degludec und Insulin Glargin U300, zu ultrakurz wirksamen Insulinanaloga sowie zur Kombination von Insulin mit GLP-1-Analoga.
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Insulin und Hypoglykämierisiko
Im Hinblick auf den großen klinischen Stellenwert behandelte eine Sitzung das Thema "Reduktion des Hypoglykämierisikos bei Insulintherapie". Athena Philis-Tsimikas vom Scripps Whittier Diabetes Institute in La Jolla, CA, USA, fasste in einem Übersichtsreferat die Vorteile von Insulin Degludec und Insulin Glargin U300 hinsichtlich des Hypoglykämierisikos gegenüber den herkömmlichen lang wirksamen Insulinanaloga Insulin Detemir und Insulin Glargin U100 zusammen.1
Kohlenhydratanteil falsch eingeschätzt
Für den Therapieerfolg und vor allem auch in Bezug auf das Hypoglykämierisiko ist eine korrekte Berechnung des Kohlenhydratanteils in der Mahlzeit wichtig. Die europäische Untersuchung Hypo-RESOLVE (Hypoglycemia-Redefining SOLutions for better liVEs) konnte erheben, dass fehlerhafte Kohlenhydrateinschätzungen durch die Diabetiker bei größeren Mahlzeiten häufiger sind als bei kleineren, wie Frühstück oder Snacks.2
CONCLUDE-Studie
In der CONCLUDE-Studie3, 4 wurde die Hypoglykämierate von 1609 Patienten mit Typ-2-Diabetes unter Insulin Degludec U200 und Insulin Glargin U300 verglichen. Beide Basalinsulinanaloga der zweiten Generation konnten eine effektive Reduktion des HbA1c-Wertes von 8,5% auf 7,0% bewirken. Hinsichtlich des Gesamthypoglykämierisikos zeigte sich während des Beobachtungszeitraums (in der 36-wöchigen Erhaltungsphase nach einer initialen Dosistitrationsphase) kein signifikanter Unterschied in Bezug auf den Endpunkt schwere oder durch Blutzuckermessungen dokumentierte Hypoglykämien. In Subanalysen zu den sekundären Endpunkten fand sich zwischen Insulin Degludec U200 und Insulin Glargin U300 ein Unterschied in der Häufigkeit symptomatischer nächtlicher Hypoglykämien (17,8 % vs. 24,8 %) sowie von Hypoglykämien, die Fremdhilfe notwendig machten (0,5 % vs. 2,7 %).
Die CONCLUDE-Studie weist damit in einigen Ergebnissen eine Übereinstimmung mit der 2018 publizierten BRIGHT-Studie5 auf. Auch an dieser Studie nahmen Patienten mit Typ-2-Diabetes teil. Insgesamt war die Hypoglykämierate bei den insulinnaiven Diabetikern gering und es zeigte sich dabei kein Unterschied zwischen Insulin Glargin U300 und Insulin Degludec. In der Titrationsphase war die Hypoglykämierate in dieser Studie unter Insulin Glargin U300 geringer als unter Insulin Degludec.
ReFLeCT-Studie
In einer Posterpräsentation erfolgte die Darstellung der Ergebnisse der ReFLeCT-Studie.6, 7 In dieser multinationalen Beobachtungsstudie konnte aufgezeigt werden, dass bei einem Wechsel von Basalinsulinpräparaten auf Insulin Degludec bei 556 Patienten mit Typ-1-Diabetes und bei 611 Patienten mit Typ-2-Diabetes eine Reduktion des Hypoglykämierisikos zu beobachten war.
Für die klinische Praxis zeigen Insulin Degludec und Insulin Glargin U300 hinsichtlich des Hypoglykämierisikos deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichem Basalinsulin bzw. Insulin Levemir und Insulin Glargin U100. Um mögliche Unterschiede zwischen den beiden Basalinsulinanaloga der zweiten Generation noch detaillierter zu analysieren, wird der Einsatz kontinuierlicher Glukosebestimmungen in weiteren Studien diskutiert.
DUAL-VIII-Studie
Die Effektivität und Sicherheit unterschiedlicher Varianten einer Therapieerweiterung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes untersuchte die DUAL-VIII-Studie.8 Die Teilnehmer waren dabei 1022 Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem Nichterreichen der glykämischen Zielwerte unter oralen Antidiabetika. Die Erweiterung der Therapie erfolgte durch eine Kombination von Insulin Degludec/Liraglutid im Vergleich zur Standardtherapie mit Insulin Glargin U100, beide Varianten in Form einer Injektion einmal täglich. Die primäre Fragestellung der Studie bezog sich dabei auf das Zeitintervall bis zur Indikation für eine weitere Therapieergänzung. Die Kombination von Insulin Degludec/Liraglutid erwies sich während der 104-wöchigen Studie hinsichtlich der Stabilität der Blutzuckerkontrolle als vorteilhaft im Vergleich zu Insulin Glargin U100.
Limitationen der Insulintherapie
In einer weiteren Sitzung über Grenzen in der Insulintherapie war ein Schwerpunkt ultrakurz wirksamen Insulinanaloga gewidmet. Eine multizentrische Studie9 untersuchte die Effektivität und Sicherheit des ultrarasch wirksamen Insulin Aspart (Faster Aspart) im Vergleich zu herkömmlichem Insulin Aspart in Kombination mit Insulin Degludec bei erwachsenen Patienten mit Typ-2-Diabetes mit oder ohne Metformintherapie. Diese 16-wöchige Studie, an der 1091 Patienten teilnahmen, war doppelblind als "treat-to-target trial" konzipiert. Die Auswertungen zeigten eine Non-Inferiorität zwischen Faster Aspart und Aspart hinsichtlich der HbA1c-Reduktion sowie eine deutlichere Reduktion der Blutzuckerwerte 1h postprandial durch Faster Aspart bei einer niedrigeren Rate an schweren und durch Blutzuckermessungen erfassten Hypoglykämien. Eine Therapie mit Faster Aspart könnte somit bei Nichterreichen der glykämischen Zielwerte unter Basis-Bolus-Therapie mit den bisher verfügbaren kurz wirksamen Insulinanaloga von Vorteil sein.
PRONTO-T1D-Studie
Auch für ultrarasch wirksames Insulin Lispro wurde eine effektivere Kontrolle der posptprandialen Blutzuckerwerte bei Typ-1-Diabetikern im Vergleich zu Insulin Lispro im Rahmen der PRONTO-T1D-Studie10 erhoben.
Insulin kombiniert mit SGLT-2-Hemmern
Ein rezenter Diskussionsschwerpunkt in der Diabetologie betrifft den Einsatz der SGLT-2-Inhibitoren bei Patienten mit Typ-1-Diabetes. Im Rahmen der EASD-Tagung wurden die möglichen Vorteile, aber vor allem auch die Sicherheitsaspekte dieser Therapie bei Patienten mit Typ-1-Diabetes behandelt. Vorteilhafte Effekte einer Kombination der Insulintherapie mit SGLT-2-Inhibitoren betreffen die postprandiale Blutzuckerkontrolle ohne Zunahme des Hypoglykämierisikos, günstige Gewichtseffekte und bei Hypertonus eine Reduktion der Blutdruckwerte. Diskutiert wurden auch mögliche günstige kardiovaskuläre Auswirkungen bei Typ-1-Diabetes. Von hohem klinischem Stellenwert ist jedoch die Gefahr der Entwicklung einer normoglykämischen Ketoazidose. Detaillierte Informationen für Patienten sowie das Diabetes- und Betreuungsteam und regelmäßige Kontrollen sind deshalb unabdingbar. Ein umfassender internationaler Konsensus zu diesem Themenbereich wurde kürzlich publiziert.11
Insulin und GLP-1-Rezeptoragonisten
Eine weitere klinisch relevante Studienpräsentation12 bezog sich auf den Erhalt der Insulinsekretion bei neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes bei Kombination von Insulin mit GLP-1-Rezeptoragonisten. An dieser Studie nahmen 63 erwachsene Typ-1-Diabetiker teil, bei denen die Diagnose des Typ-1-Diabetes innerhalb der letzten 6 Wochen vor Einschluss in die Studie erfolgt war. Zu den Teilnahmekriterien zählten der Nachweis eines C-Peptid-Wertes von zumindest 200pmol/l und ein BMI von zumindest 20kg/m2. Die Patienten erhielten Liraglutid 1,8mg einmal täglich versus Placebo zusätzlich zur Insulintherapie. Nach einem Jahr waren die C-Peptid-Werte unter Liraglutid um 44 % höher als unter Placebo, der Insulinbedarf und das Hypoglykämierisiko waren niedriger.
COMISAIR-Studie
Die COMISAIR-Studie13 untersuchte den Effekt einer kontinuierlichen Glukosebestimmung durch Glukosesensormessungen gegenüber kapillären Blutzuckerbestimmungen bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und einer funktionellen Insulintherapie mit Pen oder Pumpe. Dabei zeigte sich für die Glukosesensorunterstützung ein über den Studienzeitraum von 3 Jahren anhaltend günstiger Effekt hinsichtlich der glykämischen Kontrolle.
Fazit
Insgesamt zeigten die Präsentationen zur Insulintherapie, einschließlich der Beiträge in den Firmensymposien, hohe klinische Relevanz.
Quelle:
EASD-Kongress 2019, 16.–20. 9. 2019, Barcelona
Literatur:
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Philis-Tsimikas A: Reducing hypoglycaemia in patients treated with insulin. EASD-Kongress 2019; Session S16
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Roversi C: Identification of factors influencing the carb-counting error in the type 1 diabetes management. EASD 2019; Abstract # 15; https://hypo-resolve.eu/; https://cordis.europa.eu/news/rcn/129361_en.html
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Philis-Tsimikas A et al.: J Diabetes Sci Technol 2019; 13: 489-506
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Philis-Tsimikas A: CONCLUDE: a trial COmparing the efficacy aNd safety of insulin degLUDEc and insulin glargine 300 units/mL in subjects with type 2 diabetes mellitus inadequately treated with basal insulin and oral antidiabetic drugs. EASD 2019; Oral Presentation S38.2
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Rosenstock J et al.: More similarities than differences testing insulin glargine 300 units/ml versus insulin degludec 100 units/ml in insulin-naive type 2 diabetes: the randomized head-to-head BRIGHT trial. Diabetes Care 2018; 41: 2147-54
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Feher M: Hypoglycaemia, irrespective of the definition used, is reduced when switching to insulin degludec from other basal insulins in routine clinical care: the ReFLeCT study. EASD 2019; ePoster #793
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Fadinin GF et al.: Switching to degludec from other basal insulins is associated with reduced hypoglycemia rates: a prospective study. J Clin Endocrinol Metab 2019 Aug 9. pii: jc.2019-01021. doi: 10.1210/jc.2019-01021. [Epub ahead of print]
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Aroda V: DUAL VIII: longer time to intensification with insulin degludec/liraglutide (IDegLira) vs insulin glargine in a 104-week randomised trial mirroring clinical practice. EASD 2019; Oral Presentation # 186
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Efficacy and safety of fast-acting insulin aspart compared with insulin aspart, both with insulin degludec with or without metformin, in adults with type 2 diabetes. EASD 2019; Oral Presentation # 17
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Dahl D: Ultra rapid lispro (URLi) improves postprandial glucose (PPG) control vs lispro in type 1 diabetes: PRONTO-T1D study. EASD 2019; Oral Presentation # 181
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Danne T et al.: International Consensus on Risk management of diabetic ketoacidosis in patients with type 1 diabetes treated with sodium-glucose cotransporter (SGLT) inhibitors. Diabetes Care 2019; 42(6): 1147-54
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Dejgaard TF: Liraglutide preserved insulin secretion in adults with newly diagnosed type 1 diabetes: the NewLira trial. EASD 2019; Oral Presentation # 145
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Soupal J: For type 1 diabetes, real-time CGM is more important than insulin delivery method: 3 years of follow-up in the COMISAIR study. EASD 2019; Oral Presentation # 40