14. Juni 2021
Dermatologie
Chronische Urtikaria bei pädiatrischen Patienten
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Die chronische Urtikaria ist bei Kindern und Jugendlichen eine durchaus nicht seltene Erkrankung – ein bis zwei Prozent aller Kinder sind betroffen.1 Die gute Nachricht ist: Es gibt gute Behandlungsoptionen, wie Prof. Dr. Marcus Maurer von der Charité in Berlin bei einem Webinar erklärte.
Die chronische Urtikaria (cU) ist definiert durch eine Dauer von mehr als sechs Wochen. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern gibt es zwei Formen der cU, nämlich die spontane (csU) und die (z.B. durch Kälte oder Licht) induzierte Form.2
Die typischen Symptome der Urtikaria sind einerseits Quaddeln, die sich durch oft extrem starken Juckreiz auszeichnen, andererseits Angioödeme.2 „Angioödeme werden sowohl in ihrer Ausprägung als auch, was das Ausmaß der dadurch entstehenden Beeinträchtigung betrifft, häufig unterschätzt“, warnte Prof. Dr. Marcus Maurer, Forschungsdirektor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, bei einem Webinar.
Differenzialdiagnosen, Epidemiologie und Verlauf
Es gibt eine Reihe von Differenzialdiagnosen der cU, unter anderem autoinflammatorische Syndrome und das hereditäre Angioödem. Die cU kann in jedem Lebensalter auftreten.2 „Allerdings ist die Erkrankung bei pädiatrischen Patienten häufiger, Angioödeme treten seltener auf, und das Ansprechen auf die Therapie ist besser“, erklärte Maurer.
Die Prävalenz der cU liegt in Europa, über alle Altersgruppen gemittelt, bei ca. 0,5 bis 1%.1 Die Inzidenz der cU steigt weltweit an.3 Im Erwachsenenalter sind Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer, im Kindesalter gibt es die Geschlechtsprädilektion nicht.1 „Die Krankheitsdauer der csU bei Kindern kann viele Jahre betragen“, fuhr Maurer fort. Nach drei bis fünf Jahren ist ca. die Hälfte der Fälle von cU abgeheilt.4, 5
Beeinträchtigte Lebensqualität
Die chronische spontane Urtikaria beeinträchtigt die Lebensqualität in jedem Lebensalter stark.2, 6 Daten, die bei Erwachsenen mittels des Dermatology Life Quality Index (DLQI) erhoben wurden, zeigten, dass Juckreiz und chronische Urtikaria Hautkrankheiten sind, welche die Lebensqualität mit am stärksten einschränken.6 Im Hinblick auf pädiatrische Patienten zeigten Daten, dass Urtikaria eine schlimmere Beeinträchtigung der Lebensqualität darstellt als Enuresis, Epilepsie oder Psoriasis; Asthma bronchiale und Urtikaria liegen in dieser Untersuchung etwa gleichauf.7
Pathophysiologie und Diagnostik
Pathophysiologisch ist zu beachten, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, welche die Degranulation von Mastzellen modulieren. Dazu gehören Stress, Nahrungsmittel, Medikamente und bakterielle und virale Infektionen.8 Laut der aktuell gültigen internationalen Leitlinie sollte man bei Verdacht auf csU drei Dinge tun: Differenzialdiagnosen ausschließen, schwere Entzündung ausschließen und schließlich feststellen, wie aktiv und wie schlimm die Erkrankung ist und ob sie kontrolliert ist.2
Die Differenzialdiagnostik wurde bereits angesprochen: Zum Ausschluss einer schweren Entzündung genügt die Erhebung von Entzündungsparametern wie Blutsenkung und CRP sowie Differenzialblutbild.2
Für die Bestimmung von Aktivität, Beeinträchtigung durch die Erkrankung und Ausmaß der Krankheitskontrolle gibt es validierte Tests, sowohl für die csU als auch für Angioödem-Erkrankungen. Der sogenannte Urtikaria-Kontrolltest (UCT) gibt Auskunft über das Ausmaß der Krankheitskontrolle bei cU-Patienten und ist mit dem Beantworten von vier Fragen relativ einfach durchzuführen (Abb. 1). Im UCT sind maximal 16 (4x4) Punkte erreichbar, was maximale, also komplette Krankheitskontrolle bedeutet. Je niedriger der Punktewert, desto schlechter die Kontrolle. Ab 12 Punkten darf man von einer gut kontrollierten Erkrankung sprechen.9
Therapie der chronischen spontanen Urtikaria
„Das Therapieziel besteht darin, Patienten vor den Symptomen ihrer Erkrankung, Quaddeln und Angioödemen, zu schützen. Wichtig dabei ist: In der Langzeittherapie von Patienten mit csU kommt einer Therapie bei Bedarf kein Platz zu, hier geht es immer um eine regelmäßige Prophylaxe!“, betonte Maurer.
„Eine strikt kausale Therapie ist bei diesen Formen der Autoimmunität derzeit noch nicht möglich. Auch eine Vermeidung der Auslöser ist oft nicht praktikabel. Was bleibt, ist eine Therapie, die auf die Mastzellen und ihre Mediatoren wirkt“, stellte Maurer fest.
Dabei sollten zwei Therapieprinzipien beachtet werden:2
-
Die Erkrankung soll so lange behandelt werden, bis sie abheilt.
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So viel Therapie wie nötig, so wenig wie möglich.
Man beginnt mit einer Standarddosis eines nicht sedierenden Antihistaminikums der zweiten Generation (1 Tablette am Tag). Wenn nach zwei bis vier Wochen weiterhin Symptome auftreten, sollte die Antihistaminikadosis erhöht werden (bis zum Vierfachen möglich). Ist auch das nicht ausreichend, so folgt als Stufe 3 die zusätzliche Verabreichung von Omalizumab. Omalizumab ist in der Indikation csU ab 12 Jahren zugelassen (bei Asthma bronchiale ab 6 Jahren).2
Wenn auch das nicht funktioniert, so sollte der Patient in ein Spezialzentrum überwiesen werden, zum Beispiel ein Urticaria Center of Reference and Excellence (UCARE). Die weiteren Therapieschritte, wie z.B. der Einsatz von Cyclosporin, sollten dort erfolgen.2
„Wichtig ist, dass orale Kortikosteroide gelegentlich bei akuter Urtikaria zum Einsatz kommen können; bei chronischer spontaner Urtikaria haben sie aber, vor allem als Erstlinientherapie, nichts verloren“, mahnte Maurer. „Auch sedierende Antihistaminika der ersten Generation sollten vor allem bei pädiatrischen Patienten vermieden werden. Wenn eine Schlafstörung im Rahmen einer csU besteht, so ist sie durch den Juckreiz bedingt und sistiert von selbst, sobald dieser suffizient behandelt wird.“
Insgesamt funktioniert eine Therapie mit Antihistaminika der zweiten Generation bei pädiatrischen Patienten mit csU besser als im Erwachsenenalter; dennoch ist auch bei adäquater Dosiserhöhung ein Therapieerfolg bei weniger als 50% der Patienten zu erwarten.10
„Die Therapie mit Omalizumab funktioniert in der Regel sehr gut und kann auch über Jahre gegeben werden“, betonte Maurer abschließend.
Bericht
Dr. Norbert Hasenöhrl
Quelle:
„Jucken, Quaddeln, Schwellungen – Urtikaria bei Kindern und Jugendlichen richtig behandeln“,
Literatur:
Forschungsdirektor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Charité Universitätsmedizin Berlin