
1. März 2021
Die Versprechen der Anti-Aging-Industrie
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Antifaltencremes und Kollagenampullen versprechen glatte Haut in kurzer Zeit. Seriöse wissenschaftliche Belege hierfür gibt es jedoch kaum. Besser wäre, dem Patienten zu raten, seinen Lebensstil zu ändern.
Glaubt man der Kosmetikindustrie, lassen sich Falten im Gesicht offenbar ganz einfach „glattbügeln“. Und zwar mit Coenzym Q, Hyaluron, Kollagen oder Vitaminen, die in Cremes, Ölen oder Trinkampullen enthalten sind. Doch seriöse wissenschaftliche Belege hierfür gibt es kaum. „Ich ärgere mich immer wieder über die pseudowissenschaftlichen Informationen der Hersteller in der Werbung“, sagt Dr. Myriam Wyss, ärztliche Leiterin der Ästhetik- und Laserzentrum Zürichsee AG in Meilen. „Für Kosmetika gilt zwar seit 2017 ein gesetzlicher Täuschungsschutz, aber der wird anscheinend sehr breit aufgefasst.“ Antifaltencremes sind ein lukratives Geschäft. Im Jahr 2018 wurde weltweit mit Anti-Aging-Produkten ein Umsatz von knapp 39 Milliarden Dollar erzielt. Die Hälfte davon betraf Hautpflegeprodukte. Pro Jahr steigt der Umsatz um rund 6%; im Jahr 2026 sollen es bereits 60 Milliarden Dollar sein (Abb. 1).1
Doppelblinde randomisierte Studien, wie sie für Medikamententests üblich sind, finden sich für Anti-Aging-Produkte kaum. Hierfür würde sich eine Gruppe von Teilnehmern nach dem Zufallsprinzip mit Antifaltencreme behandeln und eine Vergleichsgruppe mit einer normalen Creme. Weder Proband noch Untersucher dürften wissen, welche Creme benutzt wurde. Als Wirkstoffe setzen die Hersteller Dutzende von Substanzen ein. Aber nur für eine Handvoll von ihnen sind Effekte in doppelblinden randomisierten Studien nachgewiesen worden. Eine Übersicht über die Evidenzlage geben die Leitlinie der Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. „Dermokosmetika gegen Hautalterung“ von 20172 und eine gerade erschienene Übersichtsarbeit von Dr. Lau-rence Imhof und Dr. Deborah Leuthard aus der Klinik für Dermatologie im Universitätsspital Zürich.3 Die Autorinnen analysierten 59 Studien, in denen diverse Wirkstoffe untersucht wurden. In einer ausführlichen Tabelle haben die Autorinnen die Studien aufgeführt mit Studiendesign, Fallzahlen und Wirksamkeit – sehr hilfreich, um sich einen Überblick zu verschaffen. Das Fazit der beiden Dermatologinnen: „Scientific evidence is still scarce for many topical antiaging products.“ Am meisten Daten liegen zu den Vitaminen A, B3 und C vor sowie zu Hyaluronsäure. Die Vitamine sollen antioxidativ wirken und so freie Radikale abfangen, die durch UV-Strahlen oder Rauchen entstehen und die Haut rascher altern lassen. Hyaluronsäure ist ein körpereigener Zucker, der der Haut Festigkeit und Elastizität verleiht. Mit zunehmendem Alter produziert die Haut weniger Hyaluronsäure – deshalb die Idee, sie als Anti-Aging-Substanz einzusetzen. In den Studien minderten die Substanzen nach einer Behandlungsdauer von Wochen oder Monaten kleine Falten, die Haut war teilweise nicht mehr so rau und es ließen sich mitunter mehr elastische Fasern und Kollagen in der Haut nachweisen, das der Haut Stabilität verleiht.
Schlechte Studienqualität
Man muss jedoch die Studien kritisch lesen. Oftmals wurden nur wenige Teilnehmer untersucht, was die Aussagekraft beschränkt. Eine weitere Fehlerquelle ist, wenn Faltentiefe, Rauigkeit der Haut und Hautbeschaffenheit mit einem Profilometer gemessen wurden. Diese Geräte tasten die Haut mit einer Diamantnadel oder berührungslos mittels Laser ab und erstellen ein Oberflächenprofil im Mikrometerbereich. Zeigen sich hier Unterschiede zwischen einer Haut, die mit Anti-Aging-Creme behandelt wurde, und einer, die mit normaler Creme behandelt wurde, heißt das noch lange nicht, dass das auch von außen sichtbar ist.
Zu anderen Anti-Aging-Substanzen gibt es noch weniger valide Daten. Es klingt zwar vielversprechend, dass Vitamin E den Kollagenabbau hemmt und die Bildung freier Radikale bremst. Aber wenn das nur in menschlichen Zellen im Labor gezeigt wurde, muss das in menschlicher Haut nicht so sein. Und wenn Cremes mit Phytohormonen und Pflanzenstoffen wie Resveratrol oder Bakuchiol in Studien mit Menschen Falten glätteten und die Haut elastischer machten, aber keine Vergleichsgruppe mit normaler Creme behandelt wurde, ist auch hier die Aussagekraft beschränkt.
Viel Werbung gemacht wird für Coenzym Q10, einen weiteren körpereigenen Radikalfänger,der wichtig ist für die Energiegewinnung in den Zellen. In einer der einschlägigen Studien erhöhte eine Coenzym-Q10-Creme die Menge an Q10 in der Haut und die Konzentration des Q10-Stoffwechselprodukts stieg an.4 Auffällig an der Studie ist, dass alle 24 Autoren von der Beiersdorf AG in Hamburg kommen, welche Produkte mit Q10 herstellt. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, so der Hersteller, dass das Enzym von der Haut aufgenommen und zur Energiegewinnung genutzt werde. Doch ob das dann auch im Vergleich zu einer Placebocreme in einer glatteren Haut resultiert, ist nicht bewiesen.
Genauso gut wie Gummibären?
Hochgelobt werden seit einiger Zeit außerdem Ampullen mit Kollagen. Einmal täglich getrunken, sollensie die Haut von innen straffen. Auf den ersten Blick scheint das zu funktionieren. In einer Metaanalyse aus elf randomisierten Studien mit insgesamt 805 Teilnehmern5 glätteten die Ampullen Falten, machten die Haut elastischer und erhöhten die Feuchtigkeit. Doch auch diese Analyse birgt Fehlerquellen. In den einzelnen Studien wurden verschiedene Kollagenpräparate in unterschiedlichen Konzentrationen untersucht. Das Kollagen stammte vom Schwein, vom Rind oder vom Fisch, und es wurden zu den Ampullen diverse andere Anti-Aging-Stoffe dazugegeben, etwa Vitamine oder Radikalfänger. So ist nicht klar, ob die Effekte wirklich durch Kollagen zustande gekommen sind, und wenn ja, durch welches. Man kann vermutlich genausogut Schweinesülze oder Gummibären essen – die enthalten auch viel Kollagen. Die Hersteller lassen indes offenbarkeinerlei Kritik an ihren Produkten zu. Ärzte, die sich kritisch äußern, werden verklagt – auch wenn die Wissenschaft klar für ihre Kritik spricht. Die Ampullen suggerieren zudem, dass das Kollagen 1:1 in die Haut gelangt. Die sogenannten „Kollagen-Drinks“ enthalten aber überhaupt kein Kollagen, sondern nur Aminosäuren und Kurzpeptide, die aus Schlachttieren gewonnen worden sind. Am Ende ist es wahrscheinlich egal, ob das Schweine- oder Rinderkollagen bereits zerlegt als Aminosäure und Kurzpeptid mit einem „Kollagen-Drink“ aufgenommen wird oder direkt als Schweine- oder Kalbshaxe gegessen wird. Wie sich jeder noch aus der Vorklinik erinnert: Kurzpeptide und Aminosäuren – egal ob aus Kollagenampullen oder Fleisch – werden ins Blut aufgenommen und dort eingesetzt, wo der Körper sie braucht. Zum Beispiel, um diverse Proteine herzustellen: Blutgerinnungsfaktoren, Enzyme, Keratin in Haaren oder Nägeln oder eben auch Kollagen. Noch mehr an der Wirkung der Anti-Aging-Substanzen lässt eine Studie von Forschern aus New York aus dem Jahr 2019 zweifeln.6 In 20 randomisierten Studien mit Kosmetika gegen vorzeitige Hautalterung berichteten die Autoren so über ihre Ergebnisse, dass diese in einem positiveren Licht erschienen und den Leser in die Irre führten. Zum Beispiel dadurch, dass sie über Zwischenergebnisse berichteten, die positiver waren als das Endergebnis. Oder indem sie von einer einzelnen Verbesserung darauf schlossen, dass sich vieles gebessert habe.
Sie werde häufig von Patienten gefragt, was sie von Anti-Aging-Produkten halte, erzählt Dr. Daniela Kleeman, Dermatologin in der Hirslanden-Klinik mit eigener Praxis in Zürich. „Das sind immer öfter schon junge Frauen und zunehmend auch Männer“, sagt sie. „Auch wenn das erst einmal kein Patient hören will: Möchte man wirklich bis ins hohe Alter eine junge Haut haben, sollte man seinen Lebensstil überdenken.“ Es ist nämlich gut belegt, dass zu viele Sonnenbäder und Rauchen die Haut vorzeitig altern lassen. Doch sich teure Cremes oder Ampullen zu kaufen ist viel einfacher, als lieb gewonnene Gewohnheiten zu ändern.
Bericht:
Dr. Felicitas Witte