
29. August 2021
Medizinisch unterstützte Fortpflanzung
Zulässigkeit und Grenzen
Im Folgenden soll Allgemeinmedizinern ein kurzer Überblick über die österreichische Rechtslage zur Zulässigkeit und zu den Grenzen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung gegeben werden. Dies ist ein äußerst komplexer Rechtsbereich, mit dem Allgemeinmediziner immer wieder in der täglichen Praxis konfrontiert sind (wobei sie in weiterer Folge ihre Patienten an spezialisierte Kliniken oder Zentren, allenfalls auch im Ausland, verweisen). Die Regelungen finden sich im Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG).
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Medizinisch unterstützte Fortpflanzung
§1 FMedG definiert medizinisch unterstützte Fortpflanzung als „die Anwendung medizinischer Methoden zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr“ und zählt als Methoden beispielsweise auf:
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„das Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau,
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die Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau,
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das Einbringen von entwicklungsfähigen Zellen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau,
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das Einbringen von Eizellen oder von Eizellen mit Samen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau“.
Zulässigkeit der medizinisch unterstützten Fortpflanzung
Eine solche ist nach §2 FMedG nur in einer aufrechten Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder in einer Lebensgemeinschaft zulässig. Darüber hinaus auch nur dann, wenn
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„nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung alle anderen möglichen und den Ehegatten oder Lebensgefährten zumutbaren Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr erfolglos gewesen oder aussichtslos sind oder
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ein Geschlechtsverkehr zur Herbeiführung einer Schwangerschaft den Ehegatten oder Lebensgefährten wegen der ernsten Gefahr der Übertragung einer schweren Infektionskrankheit auf Dauer nicht zumutbar ist oder
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eine Schwangerschaft bei einer von zwei miteinander in eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft lebenden Frauen herbeigeführt werden soll oder
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sie zum Zweck einer zulässigen Präimplantationsdiagnostik vorgenommen werden muss“.
Vor einer künstlichen Befruchtung müssen daher alle zumutbaren Methoden zur Herbeiführung oder Erhöhung der Empfängnisfähigkeit, etwa hormonelle Behandlungen, entweder erfolglos oder aussichtslos gewesen sein. Ob die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der medizinischen unterstützten Fortpflanzung vorliegen, hat der die Behandlung vornehmende Arzt zu beurteilen.
Entnahme und Aufbewahrung entnommener Zellen
Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe dürfen auch für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirken, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann (§2b Abs.1 FMedG).
Verwendung von entnommenen Zellen
Es dürfen nur die Eizellen und der Samen der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten verwendet werden. Der Samen einer dritten Person darf ausnahmsweise dann verwendet werden, wenn der des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist oder eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung in einer eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft von zwei Frauen vorgenommen werden soll. Die Eizellen einer dritten Person dürfen ausnahmsweise dann verwendet werden, wenn die der Frau, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, nicht fortpflanzungsfähig sind und diese Frau zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§3 FMedG).
Präimplantationsdiagnostik
Das FMedG regelt auch die Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik und definiert diese als „jede Methode zur genetischen Untersuchung entwicklungsfähiger Zellen vor deren Einbringen in den Körper einer Frau sowie zur genetischen Untersuchung anderer nach Abschluss der Befruchtung der Eizelle entstehender Zellen“.
Die Präimplantationsdiagnostik ist nur zum Ausschluss genetischer Dispositionen für das Versagen von Versuchen der künstlichen Befruchtung und von Tot- und Fehlgeburten zulässig, und – hier interessierend – dann, wenn zu befürchten ist, dass „auf Grund der genetischen Disposition zumindest eines Elternteils die ernste Gefahr besteht, dass es zu einer Fehl- oder Totgeburt oder zu einer Erbkrankheit des Kindes kommt“ (§2a Abs.1 Z 3 FMedG).
International umstritten ist, beim Vorliegen welcher Erbkrankheiten die Präimplantationsdiagnostik zulässig ist, bei welchen Erbkrankheiten also bereits vor der Einsetzung einer befruchteten Eizelle die genetische Untersuchung und folglich eine eugenische Selektion erfolgen können und dürfen, also nur „gesunde“ befruchtete Eizellen implantiert werden. Auch das Geschlecht eines Kindes könnte so selektiert werden.
Nach österreichischem Verständnis liegt eine die Präimplantationsdiagnostik rechtfertigende Erbkrankheit nur in folgenden, ganz eng gezogenen Grenzen vor (§2a Abs.3 FMedG): wenn nämlich das Kind während der Schwangerschaft oder nach der Geburt derart erkrankt, dass es
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„nur durch den ständigen Einsatz moderner Medizintechnik oder den ständigen Einsatz anderer, seine Lebensführung stark beeinträchtigender medizinischer oder pflegerischer Hilfsmittel am Leben erhalten werden kann oder
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schwerste Hirnschädigungen aufweist oder
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auf Dauer an nicht wirksam behandelbaren schwersten Schmerzen leiden wird und darüber hinaus die Ursache dieser Krankheit nicht behandelt werden kann“.
Zur Bestimmung des Geschlechts ist die Präimplantationsdiagnostik nur zulässig, wenn die Erbkrankheit geschlechtsabhängig ist.
In anderen Ländern gelten andere Regelungen mit durchaus weiter gefassten Zulässigkeitsvoraussetzungen, sodass man Paare, die eine in Österreich nicht erlaubte eugenische Selektion wünschen, dorthin verweisen kann.
Aufklärung und Zustimmung
Zudem kennt das FMedG umfangreiche Aufklärungs- und Zustimmungspflichten. So muss etwa die Zustimmung zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung bei Lebensgefährten oder bei Verwendung von Samen oder Eizellen von dritten Personen sogar in Form eines Notariatsaktes erfolgen.