Diäten über alles?
Welcher Patient mit Erkrankung des Verdauungstraktes braucht wirklich eine Diät?
In den letzten Jahren ist der Wunsch der Menschen nach gesunden und heilenden Diäten deutlich größer geworden. Allerdings ist nur bei einer geringen Zahl der gastrointestinalen Erkrankungen (GI-Erkrankungen) die Wirksamkeit bzw. die Notwendigkeit dieser speziellen Ernährungsweisen wissenschaftlich nachgewiesen.
Entsprechend der Literatur kann man die Diätenrelevanz verschiedener GI-Erkrankungen grob in drei Gruppen einteilen (Tab.1).
Zöliakie
Bei der Zöliakie kommt es unter einer strikten glutenfreien Diät zum klinischen Ansprechen und Abheilen der Duodenalschleimhaut.1 Während die spezifischen Antikörper wie IgA-TTG („tissue transglutaminase“) und -EMA („endomysial antibodies“) meist innerhalb von 3 bis 6 Monaten schwinden, kann die mukosale Normalisierung auch über 2 Jahre (40%) dauern. Die nicht immer vorhandenen Bauchsymptome (nur bei 40% der Diagnosen) – sonst stumme Zöliakie – vergehen beim Erwachsenen in wenigen Wochen bei strikter glutenfreier Diät. Bei Nichteinhalten der Diät kann es zu Komplikationen, wie Mangelzuständen bis zu osteoporotischen Frakturen, Aborti und vor allem intestinalen Lymphomen, kommen. Das erhöhte Risiko für intestinale Malignome und Lymphome ist letztendlich das stärkste Argument für die strikte lebenslange glutenfreie Diät, da die Mortalität nach neuesten Studien in den ersten zwei Jahren unter glutenfreier Diät deutlich zurückgeht.2
Kurzdarmsyndrom
Es gibt verschiedene Typen des Kurzdarmsyndroms je nach vorangegangener Operation: Jejunostomie, Jejunum-Kolonanastomose, Jejunum-Ileum-Kolonanastomose. Hier gilt besonders für die Jejunostomie mit<100cm Restjejunum eine Gefährdung für eine intestinale Insuffizienz ohne Adaptationsfähigkeit. Bei all diesen Operationen ist bei einem Restdünndarm <2m auf eine genaue „Kurzdarmdiät“ zu achten, wobei insbesondere hyperosmolare Zuckerlösungen zu meiden sind, da diese einen Nettoverlust an Flüssigkeit nach sich ziehen können und eher kleine, hochkalorische Mahlzeiten anzuraten sind.3 Die Diät richtet sich auch sehr nach der Phase, in der sich der Kurzdarmpatient gerade postoperativ befindet: Hier sind die hypersekretorische Phase (bis 3 Monate postoperativ), die adaptive Phase, die Stabilisierungs- oder die Insuffizienzphase zu berücksichtigen. Aufgrund der Seltenheit und den sehr verschiedenen individuellen Situationen gibt es keine Vergleichsstudien der Diäten, deren Sinn aber pathophysiologisch begründet ist. Eine Beratung durch eine Diätologin ist nahezu immer verpflichtend.
Intoleranzen
Laktosemalabsorption
Die Laktosemalabsorption (50-g-Laktose-H2-Test, LCT-Gentest) ist eigentlich keine Erkrankung, sondern eine genetisch autosomal-rezessiv vererbte Veranlagung (in Österreich bei ca. 25% der Bevölkerung). Viele Betroffene verspüren nach der Aufnahme von stark laktosehältigen Nahrungsmitteln (>15g) aber nur geringe Beschwerden, wie Blähungen, Bauchschmerzen und Diarrhö. Andere leiden hier vermehrt, wahrscheinlich durch die spezielle viszerale Hypersensitivität aufgrund eines Reizdarmsyndroms (RDS). Diese werden allerdings auch durch alleiniges Meiden der Laktose nicht beschwerdefrei, kleine Verbesserungen sind jedoch möglich. Der Nachweis der Laktosemalabsorption allein – oder eher das Auftreten von Symptomen beim Test – korreliert nicht gut mit dem Ansprechen auf eine laktosefreie Diät.4
Fruktosemalabsorption
Die Häufigkeit der Fruktosemalabsorption in der Bevölkerung (25-g-Fruktose-H2-Test; leider kein Gentest verfügbar) dürfte, je nach Kollektiv, zwischen 10 und 40% liegen. Es gilt hier Ähnliches wie bei der Laktoseintoleranz, und zwar dass RDS-Patienten durch alleinige Diät nicht beschwerdefrei werden. Besonders nach Umstellung auf gesunde, obstreiche Kost, wie Äpfel, Birnen, Mangos, Wassermelonen und auch Honig, können Symptome verstärkt auftreten.
Nahrungsmittelallergien
Diese sind im Erwachsenenalter deutlich seltener als im Kindesalter (ca. bei 2% bis 10%) und können teilweise durch den Prick- und IgE-Rast-Test für ausgewählte Nahrungsmittel bestätigt oder mit Mikrochipanalysen genauer spezifiziert werden. Am häufigsten sind dann Nuss-, Fisch- und Milchallergien.5 Je nach Symptomatik – vom oralen Allergiesyndrom über GI-Symptome bis zur Anaphylaxie – sind die Diäten lockerer bis strikter einzuhalten.
Eosinophile Ösophagitis
Sie wird bei 0,5–1/1000 Personen durch Biopsien aus dem Ösophagus diagnostiziert und kontrolliert.
Wenngleich es bei vielen unter Diät zu keiner Remission kommt, so zeigt eine empirisch oder durch IgE-Test gefundene Diät eine starke Symptom- und Befundverbesserung, meist durch eine „6-food elimination diet“ (6-FED) ) ohne Milch, Weizen, Ei, Soja, Nüsse und Fisch. Diese kann evtl. auch auf eine 4- oder 2-FED reduziert werden. Daneben wird die orale Budesonidtherapie – nach primärer Protonenpumpeninhibitorentherapie – aber immer mehr zum Standard.6
Reizdarmsyndrom (RDS)
Obwohl die meisten Patienten mit RDS nach einer heilenden Diät suchen, sind Therapieerfolge selbst nach nachgewiesener Nahrungsmittelmalabsorption/-intoleranz (z.B. Laktose-, Fruktosemalabsorption) durch Diät selten, sondern treten eher nur bei Symptomen während des H2-Tests ein. Auch bei RDS besteht sicher ein Zusammenhang mit dem jeweiligen Darmmikrobiom, weshalb Diäten natürlich einen Einfluss auf Verlauf und Symptome haben. Die meisten positiven Daten gibt es hier für die FODMAP(„fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols“)-freie/-arme Diät, die auch bei Patienten mit CED- und RDS-Symptomen hilfreich sein kann. Insbesondere Blähungen und Flatulenz können hier verbessert werden.7
Funktionelle Dyspepsie (FD)
Patienten mit FD oder auch funktionellen Oberbauchbeschwerden suchen ebenso nach wirksamen Diäten und es zeigt sich in neueren Studien, dass auch hier die spärlich vorhandene Flora im oberen GI-Trakt von Bedeutung ist. Indikationen für Diäten gibt es hier wenig, außer beim PDS („postprandial distress syndrome“), wenn vermehrt Beschwerden nach fettreichen Mahlzeiten beschrieben werden.8
„Gastroesophageal reflux disease“ (GERD)
Hier gibt es wenig Evidenz für den Erfolg von Diäten, obwohl oft empfohlen. Sinnvoll sind meist eine Gewichtsabnahme oder eher kohlenhydratarme Mahlzeiten, da ohne Berücksichtigung dieser Faktoren mehr Reflux provoziert werden kann.9
Pankreatitis
Üblicherweise müssen Patienten mit Pankreatitis heutzutage keine fettarme Diät mehr einhalten, da es sonst zu Malnutrition und Mangelzuständen kommen könnte. Nur bei nicht kontrollierbarer Steatorrhö mit Symptomen trotz Enzymsubstitution kann dies selten nötig sein.10
Status post Cholezystektomie
Trotz früherer Empfehlungen gibt es keine Studien, die für eine fettarme Diät nach einer Cholezystektomie sprechen.11
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Bei M.Crohn und Colitis ulcerosa zeigt sich in den letzten Jahren ein immer stärkerer Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Entzündung (Genetik, Antibiotika, Stuhltransplantation oder evtl. auch Biofilme). Das Mikrobiom der Erkrankten weist eine geringe Diversität auf und ist in der Zusammensetzung anders als im Vergleich zu gesunden Personen. Es gibt wenige Hinweise auf große Erfolge einer Prä-/Probiotikatherapie, aber eine Änderung der Diät führt schon nach wenigen Tagen zur Veränderung des Darmmikrobioms, was Teilerfolge hier erklärt. Spezielle Flüssigdiäten sind im Kindesalter noch immer integrativer Bestandteil des Therapiearmamentariums, bei Erwachsenen aber unbeliebt. Levine et al. zeigten in einigen Studien, dass eine sogenannte CDED („Crohn’s disease exclusion diet“) mit und ohne begleitende Flüssigdiät13 bei CED eine Entzündungsreduktion bringt – begleitet von Mikrobiomveränderung (Tab.2).12 Bei Colitis ulcerosa wirkte die Diät sogar besser als die fäkale Mikrobiomtransplantation (Remission bei 40% vs. 12%). Die Diätempfehlungen sind aber derzeit eher im Wandel.
Divertikulitis
Hier liegt eine bakterielle Genese, insbesondere beim lokal veränderten Mikrobiom in Divertikeln oder bei septischen Komplikationen, klar auf der Hand. Die Studien zu langfristigen, ballaststoffreichen Diäten sind widersprüchlich.14 Wennhier eine ballstoffreiche Diät gewünscht wird, dann sollten eher Früchte und „Körner“ als Gemüse eingenommen werden.15◼
◾0224
Entgeltliche Einschaltung
Mit freundlicher Unterstützung durch XXXXXXX
Fachkurzinformation siehe Seite XXXX | FREIGABENUMMERXXXX
Tab. 1:Diäten bei GI-Erkrankungen
© iStockphoto.com/marilyna
Tab. 2:Crohn’s disease exclusion diet (CDED)