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20. Februar 2020

Das neue Regierungsprogramm

Was dürfen wir erwarten?

Der Gesundheit wird im Regierungsprogramm von Türkis-Grün ein eigenes Kapitel gewidmet. Nach einer allgemein gehaltenen Präambel werden die kommenden Schwerpunkte der geplanten Regierungsarbeit schlagwortartig und damit wenig aussagekräftig skizziert.

Mag. Markus Lechner
Mag. Markus Lechner

Ausbau der flächendeckenden wohnortnahen Versorgung

Dieses Ziel soll erreicht werden, indem die Bundeszielsteuerungskommission aufgewertet wird, um sektorübergreifende Maßnahmen zu stärken. Wie die "gesamthafte Weiterentwicklung und Verbesserung der Gesundheitsversorgung über den intra- und extramuralen Bereich zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung" inhaltlich erfolgen soll, wird nicht näher ausgeführt. Das System der Primärversorgungszentren, gleichzeitig aber auch ärztliche Kooperationsmodelle sollen ausgeweitet werden. Sowohl Telemedizin als auch die telefonische Erstberatung 1450 sollen bestmöglich umgesetzt werden. Der Arzt für Allgemeinmedizin soll zum "Facharzt für Allgemeinmedizin" aufgewertet und damit der Beruf attraktiver werden. Welche weiteren Maßnahmen die flächendeckende wohnortnahe Versorgung sicherstellen sollen, bleibt unklar: Keine Rede ist im Regierungsprogramm von einem Bürokratieabbau im gesamten Gesundheitssystem, keine Rede von einer Stärkung des niedergelassenen Kassenbereichs durch Erhöhung der Kassenhonorare auf ein angemessenes Niveau. Ob eine Ausweitung der ärztlichen Kooperationsmodelle und die Einführung des "Facharztes für Allgemeinmedizin" die flächendeckende landmedizinische Versorgung sicherstellen können, darf bezweifelt werden. Gerade der Ausbau der Primärversorgungszentren wird Millionen Euro verschlingen, die für die Stärkung der Landmedizin fehlen werden. Außer der Aufwertung zum "Facharzt für Allgemeinmedizin" finden sich keine Anreize für Jungmediziner, den Beruf des typischen Hausarztes auf dem Land zu ergreifen.

Prävention und Gesundheitsförderung

"Frühe Hilfen" – was immer man darunter verstehen mag –, Schulärzte und das System an School und Public Nurses sollen aufgewertet und ausgebaut werden (ob damit das klassische Landarztsystem nicht weiter ausgehöhlt wird?).

Eine Impfpflicht ist nicht vorgesehen, lediglich eine verstärkte Aufklärung im Rahmen des bis zum 18. Lebensjahr auszuweitenden Mutter-Kind-Passes und ein weiteres "Forcieren" von Impfungen. Finanzielle und sachliche Anreizsysteme für gesundheitsfördernde Maßnahmen sollen geschaffen werden, Selbsthilfegruppen gestärkt, überhaupt soll es ein – inhaltlich nicht näher ausgeführtes – "population health management" geben. Vorsorgeprogramme sollen evidenzbasiert modernisiert werden (sollten sie das nicht schon heute sein?). Nur in einem Punkt wird das Regierungsprogramm konkret: Bis 2024 soll der Bedarf an Sachleistungen im psychischen Bereich gedeckt sein.

Die Versorgung im Gesundheitsbereich soll hochqualitativ sein

Dazu beitragen sollen eine Ärzteausbildung "neu" (schon wieder?) mit Fokus Allgemeinmedizin sowie eine Ausweitung der Studienplätze samt Evaluierung der Zugangsbestimmungen zu Universitäten samt Stipendienplätzen mit der Verpflichtung, mehrere Jahre nach dem Studium in Österreich den ärztlichen Beruf auszuüben. Eine Facharztoffensive – wie immer diese aussieht – soll den Bedarf an Kinder- und Augenärzten sowie an Psychiatern decken. Die Arbeitsfelder von nicht medizinischem Personal sollen ausgeweitet werden.

Lag bisher die Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich bei den Ärztekammern, soll dies in Hinkunft durch unabhängige Organisationen erfolgen. Dies wird noch mehr Bürokratie und noch mehr Kosten als bisher verursachen.

Resümee

Viele Schlagworte ohne nähere inhaltliche Konkretisierung enttäuschen die Erwartungshaltung derjenigen, die das Regierungsprogramm gelesen haben.

Der dringend notwendige Bürokratieabbau wird mit keinem Wort erwähnt. Anstatt Ärzte das tun zu lassen, was sie gelernt haben, nämlich zu heilen (und nicht das System zu verwalten), sollen medizinische Tätigkeiten noch weiter als bisher an nicht medizinisches Personal delegiert werden. Dies wird wohl zu keiner Qualitätssteigerung führen.

Die Landmedizin soll gestärkt werden, das Wie bleibt aber weitgehend offen. Abgesehen von einigen wenigen Schlagworten werden keine Konzepte angeboten. Die dringend gebotene angemessene Honorierung der kassenvertragsärztlichen Tätigkeit wird mit keinem Wort erwähnt; diese wäre jedoch Grundvoraussetzung für die Stärkung und Aufrechterhaltung der Landmedizin. Insbesondere der Ausbau von Primärversorgungszentren konterkariert das Landarztsystem, weil ein gravierender Wettbewerbsnachteil für Landärzte entsteht. Das Wort "Hausapotheke" wird im Regierungsprogramm vergeblich gesucht.