Pulmonale Nebenwirkungen von Immuncheckpoint-Inhibitoren

Immuncheckpoint-Inhibitoren: im Kampf gegen den Krebs häufig Freund, selten aber auch einmal Feind. Wenn das Boostern des Immunsystems zu einem Problem für die Lunge wird.

Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) sind monoklonale Antikörper, die gegen die immunsuppressiven Oberflächenmoleküle CTLA-4 (Ipilimumab), PD-1 (Nivolumab) oder PD-L1 (Pembrolizumab) gerichtet sind, eine Aktivierung der T-Zellen zur Tumorbekämpfung induzieren und einen immer wichtigeren Stellenwert in der onkologischen Therapie von soliden Tumoren erlangt haben. Seit den ersten hervorragenden Resultaten in der Behandlung des metastasierten Melanoms in den 80er-Jahren haben zahlreiche weitere Studien eine längere Überlebenszeit in vielen anderen Indikationen belegt, was die Anzahl an behandelten Patienten kontinuierlich steigen lässt. Anders als bei Radio- und Chemotherapien, die einen zytotoxischen Effekt direkt nach der Gabe aufweisen, verstärken ICI die spontan auftretenden Anti-Tumor-Immunreaktionen. Ihre Nebenwirkungen treten somit häufig später auf und dauern viel länger als übliche Chemotherapie-bedingte Nebenwirkungen.

Spektrum, Grad und Häufigkeit von ICI-Nebenwirkungen

Immuncheckpoint-Inhibitoren induzieren häufig autoimmune Nebenwirkungen (irAE), die jedes Organsystem betreffen können.1 Der Schweregrad der Nebenwirkungen wird anhand der vom «National Cancer Institut» (NCI) vorgeschlagenen «Common Terminology Criteria for Adverse Events» (CTCAE) mit Grad 1 bis 5 eingestuft.2 Die Grade 1 bis 2 entsprechen leichten bis moderaten, Grad 3 potenziell schwerwiegenden, Grad 4 lebensbedrohlichen und Grad 5 zum Tode führenden Nebenwirkungen (s. auch Tab.1). Durch Immuncheckpoint-Inhibitoren bedingte irAE sind meist leicht, können aber auch schwerwiegend sein und sogar das Leben der Behandelten gefährden. Besonders gefürchtete irAE sind die immunbedingten kardialen Nebenwirkungen, die Pneumonitiden und Nephritiden.1 Dermatologische (Inzidenz 8–35%), gastrointestinale (8–27%) und endokrinologische (2–7%) irAE vom Grad <2 treten relativ häufig auf.3 Die Inzidenz für die ICI-bedingte interstitielle Lungenerkrankung (ILD) beträgt 2,7% (alle Grade) respektive 0,8% (Grad ≥3). Die ICI-ILD-Inzidenz liegt bei Anti-PD-1-Therapien etwas höher als bei Anti-CTLA-4-Inhibition, ebenfalls etwas höher bei Vorliegen eines Lungenkarzinoms (insbesondere Plattenepithelkarzinom) versus andere Tumorarten und eindeutig höher (6,6%) und mit potenziell schwerem Verlauf im Falle einer ICI-Kombinationstherapie.4 ICI-ILD tritt bei Patienten mit vorheriger Thoraxbestrahlung häufiger auf als bei denjenigen ohne Bestrahlung (6,0% vs. 2,6%).5 Vorbestehende chronische Lungenerkrankungen könnten eine schwere Manifestation begünstigen. Insbesondere bei vorbestehender ILD zeigt sich ein deutlich erhöhtes Risiko, eine manifeste ICI-ILD zu entwickeln.6

Evaluation vor Beginn der ICI-Therapie und bei Verdacht auf ICI-ILD

Angesichts der relativen Seltenheit der Lungentoxizität werden in den aktuellen Leitlinien Lungenfunktionsprüfung und 6-Minuten-Gehtest vor der Behandlung mit ICI nur für Personen mit vorbestehenden Lungenerkrankungen empfohlen.7 Wir empfehlen die Durchführung einer Röntgenaufnahme des Thorax sowie einer Spirometrie und die Bestimmung der Diffusionskapazität (sehr sensible Parameter für interstitielle Veränderungen) vor Beginn der ICI-Therapie bei allen Patienten, aber speziell bei solchen mit respiratorischen Symptomen oder einer vorbestehenden Lungenerkrankung sowie bei geplanter ICI-Kombinationstherapie.

Eine leichtgradige ICI-ILD kann asymptomatisch verlaufen. Mit zunehmendem Schweregrad treten häufig eher unspezifische Symptome wie Dyspnoe (53%), Husten (35%), Fieber (12%) und Brustschmerzen (7%) auf.8 Die mediane Zeit bis zum Auftreten von Symptomen liegt bei 2,8 Monaten. Hochgradige ICI-ILD treten früher auf als leichtgradige, und an Lungenkarzinom Erkrankte entwickeln die ICI-ILD früher als Patienten mit metastasiertem Melanom.

Bei klinischem Verdacht auf eine ICI-ILD sollten eine CT-Untersuchung des Thorax veranlasst und häufige Differenzialdiagnosen aktiv ausgeschlossen werden. Eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage zum Ausschluss eines Infekts wird häufig veranlasst, nur sehr selten werden transbronchiale Biopsien durchgeführt. Histologisch lassen sich hier verschiedene Muster erkennen: eine zelluläre interstitielle Pneumonie, eine organisierende Pneumonie, eine diffuse alveoläre Schädigung oder minimale nicht spezifische Veränderungen.9 Bei Verdacht auf eine kardiale Komponente sollte eine kardiale Evaluation veranlasst werden (Abb.1).

Radiologisch sind verschiedene Manifestationsmuster («Pattern») beschrieben: organisierende Pneumonie (19–65,5%), nicht spezifische interstitielle Pneumonie (NSIP) (15–37%) und exogen allergische Alveolitis (10–22%).4 Eine seltene Manifestation ist eine hyperkapnische respiratorische Insuffizienz durch Myositis-bedingte Zwerchfellparese.9

Behandlung und Prognose der ICI-ILD

Bei neu aufgetretenen respiratorischen Beschwerden und möglicher ICI-ILD sollten die ICI-Therapie pausiert und umgehend diagnostische Schritte eingeleitet werden. Meistens lässt sich anhand der Kombination aus kürzlich begonnener ICI-Therapie, typischen radiologischen Manifestationen und dem Ausschluss anderer möglicher Differenzialdiagnosen die Diagnose einer ICI-ILD relativ einfach stellen. Kombinationen aus Infekt, ICI-ILD, Strahlenpneumonie und Tumorprogression sind möglich und erfordern zusätzliche diagnostische Schritte und vor allem eine spezifische Therapie.

Es gibt keine validierten Empfehlungen für die ICI-ILD-Behandlung; das Patientenmanagement richtet sich nach klinischen Erfahrungen sowie Leitlinien der ESMO und ASCO.7,10

Tabelle1 zeigt eine Zusammenfassung des Vorgehens, die aus der Kombination der derzeitigen publizierten Leitlinien mit der aktuellen pneumologischen Literatur entstanden ist. Aus pneumologischer Sicht betrachten wir es als besonders hilfreich, wenn neben dem klinischen und radiologischen Verlauf auch die Lungenfunktionsprüfung Eingang findet.

Bei asymptomatischen Patienten ohne respiratorische Vorerkrankungen und mit einem Befall des Lungenparenchyms von <25% wird die ICI-Therapie meist für einige Tage ausgesetzt und erst unter Kontrolle von klinischen, radiologischen und Lungenfunktions-Parametern wieder eingeführt.

Bei Patienten mit vorbestehendem signifikantem Lungenemphysem, Fibrose oder anderen interstitiellen Lungenerkrankungen wird meistens bis zur Besserung der radiologischen Abnormalitäten mit der ICI-Therapie gewartet. Bei symptomatischen Patienten wird die ICI-Therapie abgesetzt und eine systemische Steroidtherapie eingeleitet. Die Dosis und Verabreichungsform wird je nach Schweregrad der Manifestation, Geschwindigkeit des Auftretens und den Komorbiditäten angepasst.

Das Ansprechen auf die eingeleitete Therapie sollte nach 48 bis 72 Stunden erfolgen, bei steroidrefraktären Fällen sollte –nach Ausschluss nicht behandelter Differenzialdiagnosen– eine Verstärkung der immunsuppressiven Therapie in Betracht gezogen werden. Die meisten und besten Daten sind zurzeit für Infliximab und Tocilizumab vorhanden.7

ICI-Reexposition und Vorschlag für prophylaktische Strategien

Nach Abklingen der Symptomatik und bei fortbestehender onkologischer Therapieindikation taucht die Frage nach der Wiedereinführung der ICI-Behandlung auf. Bei 7–15% der mit ICI Behandelten wurde in den Zulassungsstudien die ICI-Therapie wegen behandlungsbedürftiger irAE permanent abgesetzt, die Anzahl steigt auf 22–34% unter Kombinationstherapie mit Ipilimumab und Nivolumab.11 Eine Reexposition kann ein Rezidiv der ICI-ILD verursachen, diese ist allerdings meistens weniger ausgeprägt und beherrschbar. Eine Reexposition ist in den aktuellen Leitlinien bei Patienten mit einem initialen Grad 2 oder einer leichten Manifestation erlaubt. Dies sollte allerdings unter strengster Kontrolle stattfinden. Bei Patienten mit schwerer ICI-ILD wird von einer Reexposition stets abgeraten. In einzelnen Fällen und bei deutlicher onkologischer Progression nach Absetzen der Therapie kann bei vorherigem Grad 3 der ICI-ILD eine Reexposition unter strengster klinischer Kontrolle in Erwägung gezogen werden. In der Tat deuten verschiedene Studien darauf hin, dass die Mortalität durch Tumorprogression viel höher ist als diejenige durch Nebenwirkungen der ICI-Therapie.12 Die Wiedereinführung der ICI nach dem Auftreten schwerer irAE wird in folgenden Szenarien für möglich gehalten:11 ein Klassenwechsel von einer Anti-PD-(L)1-Therapie zu einer Anti-CTLA-4-Therapie oder umgekehrt (falls die Indikation zur Therapie für beide Medikamentenklassen gegeben ist), eine erneute Behandlung mit der gleichen Wirkstoffklasse oder dem gleichen Molekül nach vollständigem Abklingen der irAE, eine Wiedereinführung mit zusätzlicher Gabe einer sekundären immunsuppressiven Therapie. Dies sind allerdings personalisierte Strategien, die von einem erfahrenen multidisziplinären Team diskutiert werden sollten.

Allgemeine Empfehlungen und Hinweise

Die ICI-Therapie hat die Prognose von vielen Patientinnen und Patienten mit soliden Tumoren deutlich verbessert. Aufgrund von neuen Indikationen und Strategien werden immer mehr Betroffene einer ICI-Therapie ausgesetzt.

Mögliche irAE sollten von allen beteiligten Versorgern erkannt werden. Eine strukturierte Evaluation all derer, die eine ICI-Therapie erhalten werden, ist empfehlenswert. Diese richtet sich nach den möglichen irAE, den vorbestehenden Erkrankungen und den Therapieoptionen der irAE.

Weiter empfehlen sich die Bildung multidisziplinärer Teams mit Beteiligten aus allen Spezialgebieten, die mit der Evaluation und Behandlung von irAE vertraut sind, sowie das Erstellen von Protokollen.◼

◾0715

Verdankung:

Ein grosser Dank geht an Dr. med. Patrizia Frösch und Dr. med. Sándor Györik-Lora für die wissenschaftliche Revision des Artikels und alle Kolleginnen und Kollegen der «Immunotoxizitätsgruppe» vom Ente Ospedaliero Cantonale.

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Entgeltliche Einschaltung

Mit freundlicher Unterstützung durch XXXXXXX

Fachkurzinformation siehe Seite XXXX | FREIGABENUMMERXXXX

Neue Atemwegsbeschwerden während der Behandlung mit ICI (Husten, Atemnot,auskultatorisches Knistern)

Element not implemented: <article-left-content-boxes>Element not implemented: <quotes>Element not implemented: <author>M. Bernasconi, Bellinzona

© Maurizio Bernasconi

Hochauflösende CT

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Keine neuen persistierenden Läsionen

Symptomatische Behandlung

Fortführen der Immuntherapie

CT-Kontrolle nach 3 Wochen besprechen

Ätiologische Behandlung

Fortführen der Immuntherapie besprechen

CT-Kontrolle besprechen

Differenzial-diagnose

Neue persistierende Läsionen

Ausschluss von Differenzialdiagnosen (mikrobiologische Tests, Bronchoskopie, Herzuntersuchung)

Starker Verdacht auf medikamentöse Pneumonie

Behandlung nach Schweregrad

Abb. 1: Evaluationsalgorithmus bei Verdacht auf eine durch Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) induzierte interstitielle Pneumopathie (adaptiert nach Delaunay et al., 2018)9

Abb. 2: CT-Thorax eines Patienten mit einem metastasierenden Ösophaguskarzinom mit einer durch Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) induzierten interstitiellen Pneumopathie Grad 2 vom Typ organisierende Pneumonie; Symptomenentwicklung 10 Wochen nach Beginn der ICI-Therapie. A) CT vor der ICI-Therapie; B) 12 Wochen nach ICI-Beginn; C) 8 Wochen nach Absetzen der ICI-Therapie und Beginn der systemischen Steroidtherapie

Tab. 1: Graduierung, Evaluation und Behandlung der durch Immuncheckpoint-Inhibitoren induzierten interstitiellen Pneumopathie

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