20. Mai 2021
Bariatrische Operation
Präoperative Abklärung und Komplikationen aus internistischer Sicht
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Das Wichtigste bei der internistischen Abklärung vor einer bariatrischen Operation ist, dass eine solche überhaupt stattfindet. Große Studien anhand von Versicherungsdaten zeigen, dass nicht einmal bei 25% der Patienten mit einer geplanten bariatrischen Operation präoperative Werte für Eisen und Vitamin D vorliegen.1
Guidelines und Indikationen
Die Guidelines sind sehr eindeutig:2 Die präoperative Abklärung dient der Überprüfung der Indikation zur bariatrischen Operation und dem Ausschluss schwerer Komorbiditäten sowie wichtiger Kontraindikationen. Außerdem sollen Erkrankungen ausgeschlossen werden, deren Symptom die Adipositas ist. Zusätzlich notwendig ist eine präoperative Abklärung, um eine optimale Operationsvorbereitung zu gewährleisten und um bereits präoperativ mögliche postoperative Komplikationen zu vermeiden. Generell gilt auch bei geplanter bariatrischer Operation, wie immer in der Therapie der Adipositas, dass eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Diätologen, Psychologen, Chirurgen und Endokrinologen unbedingt erforderlich ist.
Eine Indikation zur bariatrischen Operation liegt vor:
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bei allen Menschen zwischen 18 und 65 Jahren mit einem BMI >40kg/m2
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bei Menschen zwischen 18 und 65 Jahren mit einem BMI >35kg/m2, bei denen eine zusätzliche Erkrankung vorliegt, für die die Verbesserung der Adipositas eine Besserung bringen könnte (Tab. 1)
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In bestimmten Fällen kann bariatrische Chirurgie auch bei einem BMI von 30-35kg/m2 durchgeführt werden (cave: fehlende Langzeitdaten).
BMI, Leberfasten und Übernahme durch die Versicherung
Eine bedeutende Frage in der präoperativen Abklärung ist die nach dem BMI. Hier sind die Leitlinien sehr klar: Der BMI kann ein aktueller oder auch ein vergangener Wert sein, sofern er gut dokumentiert wurde. Gemäß den Leitlinien müssen sich also Patienten nicht fürchten, dass aufgrund einer Gewichtsabnahme vor der Operation die Kosten nicht mehr vom Versicherungsträger übernommen werden, da die Voraussetzung fehlt. Im Gegenteil, eine präoperative Gewichtsabnahme ist mit einer höheren Compliance assoziiert und insofern als positives Zeichen zu werten. Auch wenn die Leitlinien hier sehr klar sind, so kommt es doch bei diesem Punkt in der Realität immer wieder zu Schwierigkeiten.
Zusammengefasst ist aber die präoperative Gewichtsabnahme etwas Positives und bei Patienten mit schwerer Steatosis hepatis sogar notwendig, um für den Chirurgen das Operationsfeld zu vergrößern. Dieses sogenannte „Leberfasten“ wird vor einer Operation durchgeführt und führt zu einer deutlichen Verkleinerung des linken Leberlappens und so zu einer Reduktion von OP-Komplikationen. Es wäre kontraproduktiv, wenn zum Beispiel eine durch Leberfasten bedingte Gewichtsreduktion zu einer Ablehnung führen würde.
In welchem Ausmaß profitieren Patienten von einer Operation?
Aufgrund zahlreicher – auch randomisierter – Studien, die den Benefit von bariatrischen Operationen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes bewiesen haben, findet sich die bariatrische oder auch metabolische Chirurgie seit 2018 auch in den Leitlinien der Amerikanischen Diabetesgesellschaft zur Behandlung von Menschen mit Diabetes und Adipositas.3
Zur Überraschung von vielen gibt es einen Benefit für Menschen mit Typ-2-Diabetes und metabolischer Chirurgie nicht nur bei Menschen mit kurzer Diabetesdauer, sondern auch bei Menschen mit bereits längerer Diabetesdauer.4 In randomisierten Studien lag diese im Mittel bei 8 Jahren, bereits 44% der Studienteilnehmer hatten zu Beginn der Studie eine Insulintherapie.4
Der Begriff „metabolische Chirurgie“ wird sehr gerne verwendet, wenn für die Operation die Behandlung von metabolischen Erkrankungen im Vordergrund steht (zumindest bei der ärztlichen Entscheidung). Wichtig ist hierbei immer wieder festzuhalten, dass diese Operationen aufgrund der Pathophysiologie von Diabetes mellitus im besten Fall zu einer Diabetesremission, aber nicht zu einer Heilung führen können. Allerdings sind natürlich eine Diabetesremission oder aber auch die Rückkehr zur alleinigen oralen antidiabetischen Therapie für die betroffenen Patienten bereits ein enormer Erfolg.
In Zeiten zunehmender Ressourcenverknappung ist es für zuweisende Kollegen wichtig zu wissen, welche Patienten aus medizinischer Sicht den größten Benefit von einer solchen Operation zu erwarten haben. Auch hier gibt es sehr verlässliche Daten aus der SOS-Studie, die gezeigt haben, dass Patienten, die ein Nüchterninsulin ≥17µU/l haben, durch eine Operation einen wesentlich größeren Benefit aus kardiovaskulärer Sicht haben als Patienten mit einem niedrigeren Spiegel.5Die „number needed to treat“ (NNT), um ein kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern, liegt bei Patienten mit Nüchterninsulin ≥17µU/L bei 21, für Patienten mit geringerem Nüchterninsulin bei 173. Nüchterninsulin wäre also ein guter Parameter für die Patientenselektion. Im klinischen Alltag ist es (leider) viel zu häufig so, dass dies gar nicht so im Vordergrund steht – aus verschiedensten Gründen. In weiterer Folge konnte die SOS-Studie auch beweisen, dass die Diabetesinzidenz bei Menschen nach bariatrischer Operation je nach OP-Methode um 75–88% geringer ist als in der Kontrollgruppe.6
Differenzierte Entscheidungen Schlüssel zum Erfolg
Wie bereits anfangs erwähnt, ist der wichtigste Punkt der präoperativen Abklärung, dass eine Abklärung stattfindet. In den internationalen Leitlinien gibt es nützliche Checklisten, mit denen man sich behelfen kann (Tab. 2).7
Wenn man die präoperative Abklärung ernst nimmt, dann ist diese relativ umfangreich, sie hat aber großen Einfluss auf die Entscheidung, welche Operationsmethode sinnvoll ist.
Zum Beispiel profitieren Menschen, die kontinuierlich sehr viel Süßes essen im Gegensatz zu jenen, die dies in einzelnen großen Portionen tun, besonders von einer Magenbypass-Operation. Wenn aber gleichzeitig präoperativ eine Eisenmangelanämie festgestellt wird, wäre ich sehr zurückhaltend mit der Magenbypass-Operation und würde in diesem Fall eher eine Sleeve-Gastrektomie in Erwägung ziehen. Wenn auch noch eine Refluxösophagitis vorliegt, muss man die Entscheidung erneut überdenken.
Interdisziplinarität und Zertifizierung von Zentren
Hervorzuheben ist hierbei nochmals die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit Diätologen und Psychologen, da auch die Ergebnisse von deren Gutachten immer einen Einfluss auf die Wahl der OP-Methode haben sollten, und nicht nur die medizinischen Fakten alleine. Die zahlreichen Termine, die Patienten präoperativ zu absolvieren haben, sind zugleich auch eine Art Compliance-Test, denn die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten, die nicht einmal präoperativ ihre Kontrolltermine einhalten können, diese postoperativ einhalten, ist gering. Fehlende Adhärenz ist eine Kontraindikation für eine bariatrische Operation – solche Patienten sollten nicht operiert werden. Da für einen erfolgreichen bariatrischen Eingriff die Kooperation vieler verschiedener Disziplinen notwendig ist, ist es erforderlich, dass diese Eingriffe an – im besten Fall zertifizierten – Zentren durchgeführt werden.