2. Oktober 2020
Indikationen in der Nuklearkardiologie außerhalb der KHK-Diagnostik
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Neben der KHK-Diagnostik haben sich in den letzten Jahren neue nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden etabliert, welche mittlerweile eine wesentliche Rolle im Management von Patienten der Kardiologie darstellen und routinemäßig eingesetzt werden. Hier wäre zum einen die Knochenszintigrafie bei Verdacht auf eine kardiale Amyloidose mit [99mTc] radiomarkierten Phosphonaten, zum anderen die 2-[18F]fluoro-2-deoxy-D-glucose(2-[18F]FDG)-Positronentomografie (PET) bei Verdacht auf kardiale Mitbeteiligung entzündlicher Erkrankungen zu nennen.
Diagnostik von Amyloidose
Die Amyloidose ist gekennzeichnet durch intra- und extrazelluläre Ablagerungen von unlöslichen Protein-Fibrillen, den kongophilen Amyloidfibrillen (β-Fibrillen), die systemisch oder lokalisiert erfolgen. Die häufigsten Formen der Amyloidose sind die Leichtketten-Amyloidose (AL-Amyloidose), die Amyloid-Amyloidose (AA-Amyloidose), die Wildtyp-Transthyretin-Amyloidose (wtATTR-Amyloidose) sowie die erbliche Transthyretin-Amyloidose (mATTR-Amyloidose).
Transthyretin (TTR) ist ein Transportprotein für Thyroxin und Retinol A, das hauptsächlich in der Leber, aber in geringerem Maße auchim Choroidplexus und in der Retina produziert wird. Die mATTR wird verursacht durch Mutationen, die zu einer Destabilisierung des TTR-Proteins führen. Aber auch bei der wtATTR besitzt das normale TTR ein inhärentes, wenn auch geringes Potenzial, Amyloidfibrillen zu bilden.
Für die Diagnose der kardialen Amyloidose werden üblicherweise verschiedene Modalitäten verwendet, die vom EKG, der Echokardiografie bis zur parametrischen Bildgebung in der kardialen Magnetresonanz (CMR) und der Biopsie reichen. Trotz der beschriebenen hohen Sensitivitäten und Spezifitäten der verschiedenen CMR- und Echokardiografie-Ansätze zur Diagnosesicherung einer Herz-Amyloidose sind diese nicht invasiven Techniken zur Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten der Amyloidose wenig bis nicht geeignet.1 In jüngster Zeit wurden allerdings mehrere Arzneimittel zur Therapie der ATTR entwickelt, sodass die Differenzierung der ATTR zu den anderen Amyloidoseformen an Wichtigkeit gewonnen hat.
Studien haben gezeigt, dass Radiopharmaka (z.B. Tracer), welche dem Formenkreis der radioaktiv markierten Phosphonate zugeordnet werden, wie etwa 99mTc-3,3-Diphosphono-1,2-Propanodicarbonsäure (99mTc-DPD), eine starke Affinität zu TTR- Amyloidfibrillen im Herzen haben. Der genaue Mechanismus der Bindung ist nicht zur Gänze geklärt, eine hohe Dichte an Mikrokalzifikationen der ATTR scheint jedoch eine wichtige Rolle zu spielen.2, 3 So konnte dokumentiert werden, dass die Knochenszintigrafie unter zusätzlicher Verwendung von Immunhistochemie als Referenztechnik eine sehr hohe Genauigkeit zur Unterscheidung von kardialer TTR- und AL-Amyloidose besitzt.4
In Abwesenheit von im Blut messbaren monoklonalen Proteinen kann daher eine kardiale ATTR-Amyloidose diagnostiziert werden, ohne dass eine zusätzliche Histologie erforderlich ist, indem visuelle Quantifizierungstechniken wie der Perugini-Score angewendet werden. Hierbei handelt es sich um ein visuelles 4-Punkte-Bewertungssystem, das von der Traceraufnahme im Herzen unter Mitbeurteilung der Tracerbindung im Knochen abhängt.5
Im Einzelnen sind die vier Grade dabei definiert (Abb. 1):
Grad 0: fehlende Herzaufnahme und normale Knochenaufnahme;
Grad 1: leichte Herzaufnahme geringer als die Knochenaufnahme;
Grad 2: geringe Herzaufnahme bei verminderter Knochenaufnahme;
Grad 3: starke Herzaufnahme mit milder bis fehlender Knochenaufnahme.
Außerdem dürfte sich die Knochenszintigrafie mit radiomarkierten Phosphonaten zur Früherkennung einer kardialen TTR-Amyloidose eignen, zu einem Zeitpunkt, zu dem andere Bildgebungen wie die CMR und die Echokardiografie noch unauffällig sind.6
Diagnostik von entzündlichen Erkrankungen
Die Diagnostik von entzündlichen Erkrankungen mithilfe von 2-[18F]FDG-PET ist ein weiteres, mittlerweile häufig angewendetes bildgebendes Verfahren. Ausgelöst durch unterschiedliche Stimuli wie Krankenhauserreger, mechanische, thermische, allergische oder Autoimmun-Prozesse wird eine komplexe Immunantwort durch das Zusammenspiel verschiedenster Zelltypen wie Makrophagen, Lymphozyten, Fibroblasten, Endozellen induziert, welche alle als primäre Energiequelle Glukose nutzen. Als ein Surrogat von Glukose erlaubt das Radiopharmakon2-[18F]FDG somit, entzündliche Prozesse im Körper darzustellen.
Sarkoidose
Die Sarkoidose, als eine systemische, granulomatöse Entzündung, deren Ätiologie bis dato nicht geklärt ist, befällt typischerweise Lunge und thorakale Lymphknoten. Eine Herzbeteiligung wird je nach Fachliteratur inbis zu 25% der Fälle suspiziert und wird darüber hinaus als eine der häufigsten Todesursachen der Sarkoidose diskutiert.7 Die 2-[18F]FDG-PET kann wesentlich zur Diagnostik einer extrathorakalen und auch möglichen myokardialen Mitbeteiligung nach einer entsprechenden Vorbereitung für dieses Untersuchungsverfahren beitragen (Abb. 2). Um die physiologische Aufnahme des Radiopharmakons im Myokard zu reduzieren, ist allerdings eine sogenannte „Lowcarb“-Diät streng einzuhalten: Diese beinhaltet eine hohe Fett- und niedrige Kohlenhydratzufuhr über 18–24 Stunden vor der Untersuchung, gefolgt von einer 12-Stunden-Nahrungskarenz plus einer Gabe von unfraktioniertem Heparin (10–50IU/kg) 15 Minuten vor der Tracerapplikation.8 Auch wenn es nur wenige Studien gibt, welche 2-[18F]FDG-PET und kardiale MRT mit Late-Gadolinium-Enhancement-Sequenzen, einem weiteren bedeutenden Verfahren zur Diagnosesicherung einer kardialen Sarkoidose, vergleichen, so dürfte das nuklearmedizinische Verfahren vor allem seinen Stellenwert in der Frühphase der Erkrankung haben, in der mehr die entzündliche als die fibrotische Komponente vorherrscht.9 Die PET kann zusätzlich mit einer Perfusionsmyokard-Bildgebung kombiniert werden, um die Erkrankung stadienmäßig besser einzuordnen.10
Infektiöse Endokarditis
In den Guidelines der European Society of Cardiology zum Management der infektiösen Endokarditis 2015 wurden 2-[18F]FDG-PET oder Single-Photonen-Emissions-Tomografie (SPECT) mit radioaktiv markierten Leukozyten als neues „major criterion“ bei Klappenprothesen-Endokarditis eingeführt.11 Bei klinischem Verdacht auf Endokarditis einer naiven Klappe, aber negativer transösophagealer Echokardiografie (TEE) und CT-Angiografie sind diese Untersuchungen ebenfalls sinnvoll. Bei letzterer Indikation besteht der Benefit vor allem in einer deutlichen Verringerung des Verdachts auf eine infektiöse Endokarditis (IE) und einer zuverlässigen kategorischen Zuordnung „sichere IE“ versus „IE ausgeschlossen“.11 Auch bei diesen Fragestellungen muss der myokardiale Glukosestoffwechsel vor der 2-[18F]FDG-PET durch eine spezielle Vorbereitung mittels „Lowcarb“-Diät wie bereits weiter oben beschrieben unterdrückt werden. Für Klappenprothesen konnte gezeigt werden, dass sich die Sensitivität der 2-[18F]FDG-PET vor allem unter Einbeziehung der Duke-Kriterien von 52–70% auf 91–97% erhöht, ohne Beeinträchtigung der Spezifität von ca. 90%.12–14Rezent wurde in einer weiteren Studie beobachtet, dass neben der guten diagnostischen Performance die 2-[18F]FDG-Speicherintensität an der Klappenprothese prädiktiv ist für schwere kardiale oder neue embolische Ereignisse innerhalb des ersten Jahres nach einer IE.15 Typisch für eine IE sind fokale Traceranreicherungen in der Klappenebene, welche sowohl auf schwächungskorrigierten als auch unkorrigierten PET-Bildern erkennbar sein müssen, um falsch positive Befunde zu vermeiden. Findet sich der Traceruptake nur auf den attenuationskorrigierten Bildern, so muss primär von einer artefaktbedingt verstärkten Tracerspeicherung ausgegangen werden (Abb. 3). Neben dem Tracerverteilungsmuster ist aber auch die Speicherintensität des Radiopharmakons zu bewerten, welche in der Regel höher als die Tracerspeicherung in der Leber sein sollte. Bei weiterbestehender Unklarheit hinsichtlich einer möglichen IE können radioaktiv markierte Leukozyten szintigrafisch eingesetzt werden, welche zwar spezifischer, jedoch verglichen mit
[18F]FDG weniger sensitiv für eine Infektion sind.16 Diese schlechtere Sensitivität könnte in Zukunft durch neuartige SPECT-Systeme mit Cadmium-Zink-Telluride-Detektoren verbessert werden, indem die Bildqualität durch eine höhere zeitliche und räumliche Auflösung gegenüber der Standard-SPECT gesteigert wird.17,18 Durch eine bessere Energieauflösung kann hier mit zwei verschiedenen Isotopen zeitgleich untersucht werden.19 So erlaubt eine gleichzeitige Bildgebung mit Indium-markierten Leukozyten und einem myokardialen Perfusionstracer wie 99Tc-Setamibi eine genauere Lokalisation von Entzündungsherden verglichen mit der planaren Diagnostik oder der Standard-SPECT.20
Weitere Infektionen
Neben einer gezielten und meist EKG-getriggerten PET-Herzbildgebung ist die zusätzlich durchgeführte Ganzkörpertechnik zur Detektion von Streuherden oder Abszessbildungen wesentlich für das weitere therapeutische Management und chirurgische Vorgehen. Gerade bei fraglichen nativen Klappeninfektionen, wo die Datenlage zur 2-[18F]FDG-PET betreffend die Entzündung direkt an der Klappe noch unsicher ist, hat vor allem die Ganzkörperkomponente ihre Bedeutung. So konnte aufgezeigt werden, dass bei rund 75% der Patienten mit IE zusätzliche Infektionsherde mittels der 2-[18F]FDG-PET in anderen Organen gefunden und durch entsprechende therapeutische Maßnahmen die Inzidenz einer neuerlichen Klappeninfektion um das 2-Fache gesenkt werden konnte.21 Weitere Indikationen für eine 2-[18F]FDG-PET stellen vermutete Infektionen von Schrittmacherelektroden oder deren Implantationsstelle unter der Haut dar.22 Obwohl die 2-[18F]FDG-PET eine wesentliche Rolle in der Diagnostik entzündlicher Erkrankungen und für das weitere Patientenmanagement spielt, stellt das nichtspezifische Verhalten dieses Tracers mit Anreicherung in neutrophilen Zellen oder Makrophagen, die man vor allem auch bei sterilen Infektionen beobachtet, oft eine Herausforderung bzw. auch eine Limitation in der Befundung dar.23 Daher sollte eine 2-[18F]FDG-PET innerhalb der ersten 3 Monate nach einer chirurgischen Klappen- bzw. Device-Implantation eher nicht durchgeführt werden.