
DFP-Literatur: Gefäßgesundheit, „healthy aging“ und Prävention
Ganzheitliche Betreuung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen
Die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Apparates zu erhalten ist ein umfassendes und ganzheitliches Thema. Im Folgenden wird ein Bogen zwischen aktueller Literatur und Guidelines sowie der täglichen Praxis mit Wünschen, Tipps und Vorurteilen gespannt.
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Im ganzheitlichen Management erfolgt eine thematische Beschränkung auf die Atherosklerose und ihre Manifestationen in den Stromgebieten Gehirn, Herz, Aorta und periphere Gefäße. Im Wesentlichen spielen die Trias richtige Ernährung, regelmäßige körperliche Bewegung und das Erreichen eines psychischen Gleichgewichtes in der Prävention nach wie vor die wichtigste Rolle. Die Wege zur Gefäßgesundheit sind vielfältig und gepflastert mit zahlreichen Stolpersteinen. Dabei die spielt fehlende Compliance bzw. Adhärenz bei Lebensstilmaßnahmen sogar eine noch größere Rolle, als die Einnahme von Medikamenten.
Kardiovaskuläre Prävention: Definitionen und Fakten
Unter einem Risiko versteht man ganz allgemein die Beschreibung eines Ereignisses mit der Möglichkeit negativer Auswirkungen. Beim Risikomanagement handelt es sich um den planvollen Umgang mit dem individuellen Risiko, der Quantifizierung, Steuerung und Begrenzung des Risikos. Bei den sogenannten Risikofaktoren liegt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit vor, eine bestimmte Krankheit zu erwerben, wenn bestimmte physiologische oder anatomische Eigenschaften, eine genetische Prädisposition und/oder Umweltkonstellationen vorliegen.
Die Erkenntnisse zu den kardiovaskulären Risikofaktoren basieren auf den Ergebnissen der legendären Framingham-Studie, die 1948 in der Kleinstadt Framingham an der Ostküste der USA nahe Boston initiiert wurde. Dahinter standen Versicherungsunternehmen, die Personen identifizieren wollten, bei denen eine erhöhte Morbidität und Mortalität vorliegen (und die damit höhere Kosten verursachen könnten). Die kardiovaskuläre Prophylaxe umfasst Maßnahmen zur Vorbeugung von Herz-Gefäß-Krankheiten, während unter der kardiovaskulären Prävention vorbeugende Maßnahmen verstanden werden, um unerwünschte Ereignisse wie Myokardinfarkt, apoplektischen Insult, Aortenaneurysma oder -dissektion und periphere Gefäßverschlüsse zu vermeiden.
Die Primärprävention bezeichnet die Lebensphase bis zum ersten kardiovaskulären Event, während die Sekundärprävention ab diesem Zeitpunkt definiert wird (Abb. 1). Manche Richtlinien unterscheiden zwischen Primärprävention (ohne jeden Hinweis auf arteriosklerotische Ablagerungen, keine Hypertonie und kein Diabetes mellitus) von einer Sekundärprävention (Zeichen der Atherosklerose, ausgeprägtes Risikoprofil), während die Phase nach einem Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall als Tertiärprävention gesehen wird. Kardiovaskuläre Risikofaktoren spielen in jeder Lebens- beziehungsweise Krankheitsphase bedeutsame Rollen (Abb. 1). Somit sind alle präventiven Maßnahmen zu jedem Zeitpunkt sinnvoll und verbessern Lebensqualität und Prognose der betroffenen Menschen.

Die Original-Framingham-Daten, für alle Gefäßgebiete geltend, wurden in der internationalen und viel größer angelegten INTER-HEART-Studie nochmals abgesichert (Abb. 2, 3). Seither besteht kein Zweifel über die Bedeutung der kardiovaskulären Hauptrisikofaktoren, wobei in INTER-HEART die Reihenfolge der Wichtigkeit festgelegt wurde. Aus den Framingham-Ergebnissen wurden jeweils ein 10-Jahres-Myokardinfarkt- (mit 6 Faktoren: Geschlecht, Alter, Rauchen, systolischer Blutdruck, Gesamt-Cholesterin, HDL-Cholesterin) und ein 10-Jahres-Apoplexie-Risikoscore (mit 8 Faktoren: Geschlecht, Alter, systolischer Blutdruck, Diabetes, Rauchen, koronare Herzkrankheit, Vorhofflimmern, linksventrikuläre Hypertrophie) entwickelt. Beide wurden erst jüngst wieder validiert.


Nicht nur global existiert eine unterschiedliche Verteilung von Risikofaktoren (Menschen in Japan, Grönland, Afrika versus Europa, USA). Auch in Österreich haben Menschen im Osten des Landes durchschnittlich mehr exogene Risikofaktoren mit den Folgen einer früheren Manifestation einer Atherosklerose und einer erhöhten Mortalität (versus jene aus dem Westen). Veränderungen der Wohnsituation bewirken entsprechende Veränderungen des individuellen Lebensstils, es kommt zur Modifikation des Risikofaktor-Profils und zu einer Beeinflussung von Morbidität und Mortalität. Wie erst kürzlich publiziert spielen dabei auch weitere Faktoren wie die Luftverschmutzung (Reduktion der Lebenserwartung 2,2 Jahre), die Außentemperatur (besonders empfindlich: Personen mit Diabetes mellitus und/oder Dyslipidämie), chronische Schmerzen und die Schlafdauer (optimale Zeit 6–8 Stunden, J-Kurve!) eine Rolle. Zur vertiefenden Lektüre empfiehlt sich eine aktuelle Zusammenstellung im European Heart Journal 2019 von Lüscher TF et al.
Tabelle 1 zeigt eine kurze Zusammenfassung der Risikofaktor-Beeinflussung und Risikoreduktion, wobei bei Verbesserung des individuellen Risikoprofils kombinierte Effekte auftreten können.
Interessant ist die Tatsache, dass die Verteilung der Atherosklerose in den drei Haupt-Gefäßgebieten individuell unterschiedlich ist, bei einer primär manifesten peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) besteht jedoch eine 60%ige Wahrscheinlichkeit für einen signifikanten koronaren Befall (Abb. 4). Pathophysiologisch liegen ähnliche Mechanismen für die Atherogenese vor. Dazu gehören Genpolymorphismen, die Endothelzelldysfunktion und der Vasospasmus, die chronische Inflammation und die Atherothrombose sowie die Plaque-Formation an Prädilektionsstellen mit einem Wechselspiel aus Plaque-Ruptur und -Stabilisierung. Aber auch Unterschiede können detektiert werden (sogenanntes Myokardinfarkt-Paradoxon): Für jedes Stromgebiet existieren Hauptrisikofaktoren (Herz: Cholesterin-Erhöhung, Gehirn: arterielle Hypertonie, Gefäße: Zigarettenrauchen). Die Perfusion erfolgt im Gehirn früh-, in den Gefäßen spätsystolisch, während das Herz überwiegend diastolisch durchblutet wird. Auch die Morphologie ist hinsichtlich Kaliber und Tortuosität verschieden. Koronararterien stellen als einzige Schlagadern funktionelle Endarterien dar. Außerdem muss auf die Komplexität des Schlaganfalls (u.a. Unterscheidung Ischämie vs. Blutung) hingewiesen werden.


Summa summarum müssen alle Gefäßregionen mit einer interdisziplinären, ganzheitlichen Betrachtungsweise berücksichtigt werden. Die Atherogenese ist ein chronisch-rezidivierender, progredienter Prozess, am besten skizziert in der sogenannten Braunwald-Kaskade (Abb. 5). Mit höchster Wahrscheinlich steht am Beginn der Arteriosklerose-Entwicklung die endotheliale Dysfunktion. Mit zunehmender Einlagerung von diversen Zellen, Cholesterinpartikeln und Fibrosierung spielt die erhöhte Gefäßsteifigkeit eine wichtige Rolle („Man ist so alt wie seine Gefäße“).
Der Mensch mit oder ohne atherosklerotische Herz-Gefäß-Krankheit steht im Spannungsfeld von zahlreichen Einflussgrößen, die sowohl positive (z.B. staatliche/politische Maßnahmen zur Reduktion des Zigaretten- und Salzkonsums, Initiierung von Sportprogrammen), als auch negative Auswirkungen (z.B. intensive Werbung für Alkohol und Süßigkeiten, die kontroverse Statin-Diskussion in Gesundheitskanälen) auf den Krankheitsverlauf haben können (Abb. 6).


Risikofaktoren
Im Folgenden wird auf die einzelnen Risikofaktoren entsprechend der Reihenfolge, die in der INTER-HEART-Studie festgelegt wurde, eingegangen. Zudem werden Maßnahmen zur Risikoreduktion und die jeweiligen Zielwerte zusammengefasst.
Dyslipidämie (Apo B (LDL-C)/Apo A (HDL)
In der Primärprävention sollte ein Gesamtcholesterin von <200mg/dl und ein LDL-Cholesterin-Wert von <100mg/dl angestrebt werden (Sekundärprävention LDL-C <70mg/dl). Obwohl wissenschaftlich nachgewiesen ist, wie gefährlich eine Fettstoffwechselstörung ist, und dass sie mit Statinen erfolgreich behandelt werden kann, stehen viele Patienten, aber auch zahlreiche Ärzte der Therapie skeptisch gegenüber. Das Konzept „the lower, the better“ konnte durch alle kontrollierten klinischen Studien, nicht nur für Statine, sondern auch für Lebensstilmaßnahmen, den Cholesterinabsorptions-Hemmer Ezetimib und PCSK9-Hemmer nachgewiesen werden. In der Sekundärprävention sollten – nach neuesten Empfehlungen – sogar Werte <55mg/dl angestrebt werden, um eine Plaque-Reduktion zu ermöglichen.
Zigarettenrauchen
In den oben erwähnten epidemiologischen Studien wurden auch Personen, die pro Tag weniger als fünf Zigaretten rauchen, als Nicht-Raucher eingestuft. Zigarren-, Zigarillo- und Pfeifenrauchen wurde ebenso wenig berücksichtigt, wie Shisha- oder E-Zigarettenkonsum sowie das Passivrauchen (schwer quantifizierbar). Aufgrund des Suchtpotenzials ist die bloße Reduktion des Zigarettenkonsums vielfach keine geeignete Maßnahme zur guten Compliance. Zum Entwöhnen vom Rauchen werden viele Therapieansätze angeboten, die Rückfallrate bleibt jedoch hoch. Aus medizinischer Sicht sind vom Staat angeordnete Raucherschutz-Maßnahmen sowie Rauchverbote zu unterstützen.
Diabetes mellitus
Anzustreben ist ein HbA1c-Wert von <6,5%. Dies gilt für Personen, bei denen bislang keine Zuckerkrankheit diagnostiziert wurde. Vielfach besteht bei Personen mit metabolischem Syndrom eine pathologische Glukosetoleranz, die durch einen Glukose-Belastungstest abgeklärt werden sollte. Im Vordergrund der nicht-medikamentösen Therapie stehen Lebensstilmaßnahmen, wie sie auch für Nicht-Diabetiker gelten.
Arterielle Hypertonie
Der Zielblutdruck hat sich in den internationalen Fachgesellschaften in den letzten Jahren mehrmals geändert. Zuletzt wurde als normaler Blutdruck ein Wert von <120/80mmHg definiert, bei bestehender arterieller Hypertonie ein Zielwert von <140/90mmHg. Mit zunehmendem (Hypertonie-)Alter steigt der systolische Blutdruck bei gleichzeitiger Reduktion des diastolischen Werts. Die Amplitude, der sogenannte Pulsdruck, wird stetig größer und spiegelt die vermehrte Gefäßsteifigkeit wider, die auch separat bestimmt werden kann. Für die Graduierung einer Hypertonie gilt jeweils der höhere gemessene systolische oder diastolische Wert. Ein Bluthochdruck wird von vielen Betroffenen ignoriert, so sind nach wie vor nur ein Drittel aller Hypertoniker mit ihrer Blutdruck-senkenden Therapie im Zielbereich (mittlerer 24-h-Blutdruck < 135/85, Selbstmessung: weniger als 7 von 30 Messungen >140/90mmHg).
(Abdominelle) Adipositas
Hinsichtlich des Körpergewichts hat neben dem Body-Mass-Index (BMI <25) vor allem der Bauchumfang – gemessen jeweils an derselben Stelle – eine zentrale Bedeutung. Die Richtwerte liegen bei Männern <94cm, bei Frauen <80cm. Man weiß, dass die Fettverteilung (schlechter: „Apfeltyp“, besser: „Birnentyp“) von prognostischer Bedeutung für atherosklerotische Folgekrankheiten ist. Andererseits gibt es auch den „gesunden Dicken“, der körperlich fit ist und keine weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren aufweist. Übergewicht und Bewegungsmangel gelten als die Risikofaktoren, die derzeit weiter im Steigen begriffen sind. Die Verantwortung dafür ist teilweise auch in den Werbemaßnahmen der Lebensmittelindustrie zu finden, in der Vielfalt der Angebote etwas zu essen und in der parallel dazu zunehmenden Einschränkung unseres Bewegungsumfangs.
Psychosozialer Stress
Von zentraler Bedeutung für die Gefäßgesundheit ist das Erzielen des psychischen Gleichgewichts – ein Leben in Harmonie mit Familie, mit Freunden und in Gemeinschaften. Psychologen zeigen immer wieder auf, dass die Basis unseres „ungesunden“ Lebensstils in unserer Psyche liegt, dabei spielen neben dem Stressverhalten (Typ-D-Stressmuster) auch Depression und Vereinsamung entscheidende Rollen. Der Verlust eines Lebenspartners oder des Berufs lässt nicht nur das Risiko für Suizidalität deutlich ansteigen, sondern auch für Herzinfarkt und Schlaganfall durch die mögliche stressinduzierte Plaque-Ruptur.
Maßnahmen zur individuellen Reduktion des kardiovaskulären Risikos
Wie eingangs erwähnt, hat eine adäquate Compliance bei Lebensstilmaßnahmen offenbar eine noch größere Bedeutung, als die medikamentöse Therapie.
Psychologische Betreuung
Im Bereich der Lebensstilmodifikation kann die klinisch-psychologische Behandlung Hilfe anbieten. Viele Faktoren, zum Beispiel psychische Ausgeglichenheit, Entspannung, Sport, gute Sozialkontakte, Rauchstopp, gesunde Ernährung etc. sind den Menschen in ihrer Bedeutung hinlänglich bekannt. Aber der Weg, dieses Wissen auch in den persönlichen Alltag zu integrieren und regelmäßig umzusetzen, stellt immer noch eine der größten Hürden für einen gesunden Lebensstil dar. Wer hat sich nicht schon einmal zu Neujahr vorgenommen: „Im neuen Jahr wird alles anders!“ und ist dann genau daran gescheitert?
Psychologische Strategien können helfen, dass es mit den guten Vorsätzen klappt. Im Rahmen eines psychologischen Coachings wird individuell, bedürfnisorientiert und auf die Lebensumstände zugeschnitten mit den betroffenen Personen gearbeitet. So kann ein erster Schritt darin bestehen, bereits vorhandene Ressourcen und Veränderungspotenzial festzustellen. Danach ist es wichtig zu selektieren und nicht alle Veränderungsmaßnahmen gleichzeitig zu starten. Zuviel des Guten kann sich ins Gegenteil wandeln und mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Wurde der Bereich identifiziert, in dem der Patient bereits über Veränderungspotenzial und hohe Motivation verfügt, wird dort begonnen und nicht bei der schwierigsten Herausforderung. Mit einem bereits vertrauten Thema anzufangen, verspricht rasche erste Erfolge, die zum Weitermachen motivieren. Parallel dazu lernt der Patient, seine körperlichen und emotionalen Signale besser zu verstehen und darauf zu hören (z.B. erkennt man rascher, dass man eine Pause benötigt und geht nicht wiederholt über seine Grenzen). Zudem wird immer wieder hinterfragt, ob sich der Betroffene mit den Veränderungen in seinem Alltag wohl fühlt. Eine Verhaltensveränderung lässt sich nicht so einfach von heute auf morgen bewerkstelligen. Es benötigt viele kleine Teilschritte, um das neue Verhalten langfristig und erfolgreich in sein Leben zu integrieren. Ist das erste Teilziel geschafft, sollte man sich dafür eine zuvor definierte Belohnung gönnen. Imaginationen vom bereits erreichten Zielzustand helfen, dieses Ziel auch wirklich zu erreichen. In Form von Selbstverbalisationen lernen die Betroffenen, sich Mut für die Veränderung zu machen und an der Sache dran zu bleiben. Manchmal hilft es auch, sich eine andere Person, die in einer Verhaltensveränderung bereits erfolgreich war, als Vorbild zu nehmen. Ein Tagebuch über alle erfolgten Schritte zu führen, kann ebenso dabei helfen, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Sollte es dennoch zu „Rückfällen“ in frühere Verhaltensmuster kommen, so werden die Ursachen dafür gemeinsam mit den Patienten eruiert und es wird an einer alternativen Herangehensweise gearbeitet.
Ein Rückfall bedeutet keinesfalls Versagen!
Mit Unterstützung der Psychologie wird eine Lebensstilmodifikation gerade bei solchen Patienten eher möglich, bei denen der Allgemeinmediziner mit Schwierigkeiten in der Umsetzung rechnet.
Gemüse- und Obstverzehr
Der tägliche Verzehr von Gemüse, Salat und Obst sollte angestrebt werden, dabei ist auf die Qualität der Speisen zu achten. Fallstricke sind dabei zahlreich, so können etwa gebackene Champignons mit Sauce Tartare sowie Kartoffel- und Mayonnaise-Salat keineswegs einer kalorienarmen Kost zugerechnet werden, auch wenn es sich dabei um Gemüse handelt.
Wichtig ist es, dass Obst und Gemüse in den täglichen Ernährungsplan einbezogen und nicht zusätzlich konsumiert werden. Obst als Snack ist als Kalorienbombe vergleichbar mit Süßigkeiten. Mythen und Fakten aus der Sicht der Ernährungsmedizin und Diätologie sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Bewegung
Regelmäßige Bewegung ist sehr wichtig, wenn man die Risikofaktoren von kardiovaskulären Erkrankungen eindämmen möchte. Ausdauertraining sollte dabei stets mit Kraftübungen im Verhältnis von 2/3 zu 1/3 kombiniert werden. Regelmäßige moderate Bewegung führt zu einer Verringerung der Blutdruck-, Blutzucker- und Blutfettwerte und trägt positiv zur Durchblutung bei. Ebenso kommt es zu einem schnelleren Zellaustausch und Ausscheiden von Stoffwechselprodukten durch körperliche Betätigung. Sport und Bewegung kann alleine und/oder in der Gruppe betrieben werden und trägt dazu bei, Stress zu reduzieren. Sport ist eine Pause vom Alltag und hilft herausfordernde Aufgaben auch ohne ein Zurückgreifen auf Alkohol, Zigarettenrauchen oder andere kurzfristig dämpfende Mittel zu meistern.
Bewegung ist nicht gleichzusetzen mit sportlicher Aktivität. Es geht auch um die Aktivität im Alltag, am besten quantifizierbar mit einem Schrittzähler. Internationale Empfehlungen sprechen sich für 30 Minuten Bewegung täglich an zumindest fünf Tagen pro Woche und bei mäßiger Anstrengung aus. Eine US-Studie fand anhand dieser Empfehlungen heraus, dass dies mit mindestens 8000 Schritten pro Tag bzw. 50 000 Schritten pro Woche erreicht wird. Wer also 8000 Schritte pro Tag macht, kann als aktiv bezeichnet werden. Es spricht aber nichts dagegen sich mehr zu bewegen und 10 000 Schritte zu machen. Zunächst sollte man erheben, wieviel man sich aktuell bewegt und dies weiter steigern. Man kann anfänglich durchaus kleinere Ziele haben, etwa 1000 Schritte am Tag zu gehen (entspricht etwa 500 Meter). Sinnvoll ist es auch, dies in den Alltag einzubauen, indem man zum Beispiel auf den Lift verzichtet, eine Station früher vom Bus aussteigt, weiter weg vom Büro parkt oder eine „g’sunde Runde“ in der Mittagpause um das Gebäude geht. Hält man sich an die Empfehlungen reduziert man sein Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen um 20%.
In Tabelle 3 werden Mythen und Fakten aus der Sicht der Physiotherapie und Sportwissenschaft kurz und knapp dargestellt.
Alkohol
Ein wenig Alkohol täglich scheint sich günstig auf die Gefäßgesundheit auszuwirken. In Österreich wird jedoch statistisch gesehen das Dreifache der in den Leitlinien empfohlenen täglichen Alkoholmenge konsumiert (Jahresverbrauch eines Österreichers im Durchschnitt: mehr als 100 Liter Bier, 40 Liter Wein, 5 Liter Hochprozentiges). Wie viele Messgrößen in der Medizin (Blutdruck, Blutzucker, Puls) weist auch der Alkoholkonsum eine J-Kurve hinsichtlich der kardiovaskulären Ereignisse auf, wobei strikter Verzicht auf Alkohol möglicherweise ein Hinweis auf ein zuvor bestehendes Suchtpotenzial ist. Von präventiver Seite besteht die Empfehlung zum täglichen Konsum von 1/8 Liter Wein, bevorzugt von in Barrique gereiftem Rotwein. Auf die Kalorienmenge muss hingewiesen werden.
Stellenwert von Pharmaka in der kardiovaskulären Prävention
In der Primärprävention (ohne Hinweis auf einen atherosklerotischen Befall) werden nach wie vor keine Arzneimittel empfohlen. Gerade die in den USA großzügig verwendete Acetylsalicylsäure (ASS) zeigte in Studien und Metaanalysen, dass sie bei kaum erkennbarer Wirkung auf kardiovaskuläre Endpunkte die Blutungsneigung signifikant steigerte. Antihypertensiva, Lipidsenker (bevorzugt Statine) und Antidiabetika sollen bedarfsorientiert eingesetzt werden. Wichtig ist es, auf die Interaktion von zahlreichen Nahrungsmitteln, beispielsweise Grapefruit, Johanneskraut, Jostabeere, mit Medikamenten zu achten und die Patienten entsprechend aufzuklären. Für die Cholesterinsenkung bieten sich alternativ Nahrungsergänzungsmittel (z.B. rotes Reismehl, Berberitze, Bergamotte) an, auch wenn dazu keine klinischen Endpunkt-Studien vorliegen.
Zur Verbesserung der Patienten-Adhärenz (nur 50% der Verordnungen werden noch nach einem Jahr wie ursprünglich verschrieben eingenommen) empfehlen die aktuellen Leitlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft Kombinationspräparate, sogenannte Polypills. Sie enthalten ein oder mehrere Antihypertensiva (z.B. ACE-Hemmer), einen Cholesterinsenker (meist ein Statin) und ASS in verschiedenen, individuell steuerbaren Dosierungen.
Kasuistiken
Anhand von 4 Fallberichten werden im Weiteren konkrete praktische Empfehlungen entsprechend den Leitlinien und den persönlichen Erfahrungen der Autoren gegeben.
Fall 1:
Mann mittleren Alters mit metabolischem Syndrom und Wunsch eines intensivierten Trainingsprogramms

Der Patient hat in den letzten Monaten eine langwierige Scheidung durchlebt und möchte nun sein Leben hinsichtlich seines Risikoprofils verändern. Ihm ist bewusst, dass er leicht übergewichtig ist (BMI 26,8) und sich wenig bewegt. Die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio hatte jedoch keine Steigerung hinsichtlich des körperlichen Trainings gebracht.
Zunächst sollte der kardiovaskuläre Status des Mannes erfasst werden: Anamnese, Status präsens, Risikofaktor-Profil, Laboruntersuchung, EKG, ambulantes Blutdruckmonitoring oder Blutdruckselbstmessung. Ein Belastungs-EKG sollte einerseits zum Ausschluss des Ischämie-Risikos, andererseits zur Bestimmung der Trainingsherzfrequenz absolviert werden. Die Anschaffung einer modernen Pulsuhr (ohne Brustgurt) unterstützt die tägliche Bewegung und das vorgeschlagene Trainingsprogramm. Empfehlenswert ist das Einbeziehen eines Sportwissenschaftlers und möglicherweise eines Psychologen, um als therapeutisches Team eine einheitliche Empfehlung der therapeutischen Maßnahmen zu geben. Wichtig ist es, das Programm an den Tagesablauf des beruflich aktiven Menschen anzupassen und realistische Ziele zu definieren. Für die Umstellung des Lebensstils braucht es nicht nur Disziplin, sondern auch ein gewisses Maß an Egoismus, um konsequent die Zielvorgaben zu erreichen. Die aktive Teilnahme an Sportveranstaltungen (z.B. Volksläufe, Hobby-Radrennen) kann diesbezüglich unterstützend wirken, ist aber nicht für jeden Menschen eine geeignete Option.
Fall 2:
Diabetikerin mit Übergewicht zur Lebensstilberatung

Bei der Hausfrau ist seit etwa 8 Jahren ein Diabetes mellitus Typ 2 bekannt. Anfangs diätetisch eingestellt, erhielt sie zunächst Metformin bis zu 2 x 1000mg pro Tag. Nun präsentiert sie sich übergewichtig (BMI 34,3) mit einem aktuellen HbA1c-Wert von 9,5%. Vordringliches Ziel ist es, das kardiovaskuläre Risikoprofil in punkto Lebensstil positiv zu verändern und parallel dazu die Blutzucker-senkende Therapie zu verbessern. Es sollte mittelfristig doch ein HbA1c-Wert von <7,0% angestrebt werden. Bei der klinischen Untersuchung fiel eine bislang nicht entdeckte arterielle Hypertonie auf, im Echo zeigten sich Zeichen der diastolischen Funktionsstörung. Aufgrund dessen wurde entsprechend der aktuellen Diabetesrichtlinien auf Empagliflozin in der (Fix-)Kombination mit Metformin umgestellt, die additive Gabe von Insulin wurde der Frau in Aussicht gestellt. Hier wäre noch vor der Insulintherapie der Einsatz von GLP1-Rezeptoragoniesten zu bevorzugen, weil für sie kardiovaskuläre Endpunktstudien, auch in der Primärprävention, vorliegen. Da Empagliflozin auch blutdrucksenkend wirkt, sollte der Blutdruck zunächst überwacht werden. Auf die vermehrte Diurese und verstärkte Neigung zu urogenitalen Infektionen bei Frauen muss hingewiesen werden. Hinsichtlich Ernährung und Bewegung sollte ein therapeutisches Team zusammengestellt werden (Physiotherapie, Sportwissenschaft, Psychologie gemeinsam mit Allgemeinmediziner und Diabetologen), um ein an die Diabetikerin adaptiertes Programm zu entwickeln, welches auch umsetzbar ist. Das Essen sollte auf drei Tellergerichte pro Tag reduziert werden, vor allem hinsichtlich vermehrten Obstkonsums muss auf die möglichen Auswirkungen hingewiesen werden. Eine langsame schrittweise Reduktion des Gewichts (1kg pro Monat) sollte anhaltende Effekte auf alle Stoffwechselparameter erzielen. Beim Lipidprofil muss bei Diabetikern auch bei nur gering erhöhten LDL-Cholesterin-Werten großzügig eine Statin-Gabe erfolgen (Zielwert <70mg/dl).
Fall 3:
Manager mit Palpitationen nach Alkoholgenuss

Bei diesem schlanken Mann (BMI 23,8) mit großem beruflichem Stress bestehen seit mehreren Monaten unterschiedlich lang dauernde Phasen von unruhigem Herzschlag, teils auch als Herzrasen empfunden. Diese treten vor allem in Ruhe und/oder nach einem opulentem Mahl mit vermehrtem Alkoholgenuss auf. Bisher konnten die Arrhythmien nicht mittels EKG dokumentiert werden. Eine kardiovaskuläre Exploration mittels Belastungs-EKG und Echokardiographie zum Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit, eines Vitium cordis oder einer Kardiomyopathie sollte erfolgen, die Dokumentation des gemessenen Blutdrucks erscheint notwendig. Für die EKG-Dokumentation bieten sich ein Event-Rekorder oder invasiv der Loop-Rekorder an. Die Wahrscheinlichkeit eines paroxysmalen Vorhofflimmerns ist sehr hoch (aufgrund des CHA2DS2-VAsc-Scores von 0 besteht keinerlei Indikation für eine Antikoagulation). Folgendes sollte befolgt werden: ausreichend Trinken (circa 2-3 Liter täglich), tägliche Gabe von Kalium (1/2 Banane, 1 Rippe 70% Schokolade oder eine Handvoll Nüsse), täglich Magnesium, außerdem die Unterweisung im Valsalva-Manöver (am effektivsten: Hinlegen, Beine hoch, gegen zugehaltene Nase pressen), regelmäßiges Ausdauertraining aber Meiden von Überlastung, Meiden von gelegentlichen Alkoholübergenuss sowie Entspannungsmaßnahmen (Atemübungen, Joga etc.).
Fall 4:
Junger Mann mit Adipositas per magna zur Gesundheitsberatung

Der arbeitslose junge Mann war stets übergewichtig; beide Eltern und der Bruder zeigen ebenfalls eine deutliche Adipositas. Nun sucht er Rat wie er das ständige Gewicht-Zunehmen in den Griff bekommt (derzeitiger BMI 42,3 = morbide Adipositas). Am Beginn der Beratung stehen stets die genaue Anamnese und die Statuserhebung. Ein Routine-Labor soll Auffälligkeiten in den Leber-, Nieren- und Stoffwechselparametern, dem Blutbild und den Elektrolyten sowie im Hormonstatus (v.a. Schilddrüse, Testosteron) aufdecken. Die Analyse der Essgewohnheiten und des Bewegungsumfangs muss der nächste Teil der Exploration sein. Zu diesem Zeitpunkt sollte bereits die Beiziehung eines Psychologen und Physiotherapeuten/Sportwissenschaftlers diskutiert werden. Gemeinsam sollte dann ein individuelles Programm gestartet werden (Konkordanz). Wichtig ist es vor allem die definierten Ziele nicht zu hoch anzusetzen. Auch eine Beratung bezüglich eines Aufenthalts in einem spezifischen Rehabilitationszentrum und der Möglichkeit bariatrischer Operationen sollten erwogen werden.
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