
DFP-Literatur
Mitbringsel aus dem Urlaub - Exotische Reiseerkrankungen
Die korrekte Diagnose von Reisekrankheiten kann bisweilen knifflig werden. Häufig ist Fieber das erste Anzeichen und der Grund für den Arztbesuch. Doch nicht immer erweist sich die Symptomatik als Folge einer Infektion am Urlaubsort, wie Dr. Avelino Kuran, Wien, anhand von spannenden Fallbeispielen erläuterte.
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Beim Auftreten von Fieber bei Reiserückkehrern sollte man sofort an Malaria denken: „Sie ist die häufigste Ursache dafür, vor allem dann, wenn der Patient in Subsahara-Afrika unterwegs war“, erklärte Dr. Avelino Kuran, Wien, zu Beginn seines abwechslungsreichen Onlinevortrages für ALLGEMEINE+ TV.
Differenzialdiagnosen bei Fieber
Fieberschübe im Abstand von 48 Stunden sprechen für eine Malaria tertiana (Plasmodium ovale oder Plasmodium vivax). Bei der Malaria quartana (Plasmodium malariae) treten die Fieberschübe in längeren Abständen auf (72 Stunden). Eine Malaria tropica (Plasmodium falciparum) sollte dennoch immer ausgeschlossen werden, da diese Form lebensbedrohlich sein kann. Der Hintergrund: Bei der Malaria tropica können alle Erythrozyten im Blut befallen werden, während P. ovale und P. vivax (Malaria tertiana) ausschließlich die jungen Erythrozyten (Retikulozyten) infizieren, die 1 bis 2% des Erythrozytenpools ausmachen. Das bedeutet, der Anteil der mit den Parasiten befallenen Zellen im Blut beträgt bei Malaria tertiana maximal 2%.
Typisch für die Malaria ist die Thrombozytopenie (Tab. 1), niedrige Thrombozyten- und Leukozytenzahlen weisen wiederum auf Dengue-Fieber hin. Eine Eosinophilie spricht für eine parasitäre Erkrankung. Die Melioidose ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die vorwiegend in Südostasien und Australien auftritt, typisches Anzeichen dafür ist eine granulomatöse Entzündung (v.a. Parotisabszess).
Weitere Hinweise für die Diagnose
Bezüglich der möglichen Expositionen während des Auslandsaufenthalts sollten zudem folgende Faktoren bei der Anamnese genau hinterfragt werden:
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Sexualkontakte: HIV, Syphilis, HepatitisB, Gonorrhö, Affenpocken etc.
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Blut, Körperflüssigkeiten (Tattoo, Spritzen etc.): HIV, Hepatitis B und C
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Insektenstiche: Malaria, Dengue, Gelbfieber, Chikungunya, Rickettsiosen, Zika-Virus etc.
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Süßwasser: Schistosomiasis, Leptospirose
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Multiresistente gramnegative Darmkeime (Indien)
Fazit
Wichtig ist neben der geografischen Anamnese und möglichen Kontakten auch die Berücksichtigung der Inkubationszeit. Dadurch lassen sich die möglichen Differenzialdiagnosen schon sehr gut einschränken. „Die schweren, potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen treten innerhalb von drei Monaten auf, wobei Malaria, viszerale Leishmaniose und der Amöben-Abzess die wenigen Ausnahmen bilden“, so Kuran. Umso wichtiger ist der Hinweis auf die Prophylaxemöglichkeiten: Tabelle 2 listet die empfohlenen Reiseimpfungen auf.
Bericht:
Mag. Andrea Fallent
Besonderer Dank gilt Dr. Moritz Platzer, Klinik Favoriten, der Fall 6 zur Verfügung gestellt hat.
Quelle:
„Mitbringsel aus dem Urlaub – und wie man diese vorbeugen kann“, Vortrag von Dr. Avelino Kuran, Wien, beim Sendetermin 2 von ALLGEMEINE+ TV am 11.6.2022;
Kasuistiken – reisemedizinische Fragestellungen
FALL 1:
Fieber und Durchfall
Der Patient:
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29 a
-
Fieber und Diarrhö seit 5 Tagen
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in den ersten 4 Tagen Fieber unregelmäßig, ab Tag 5: Fieberzyklus alle 48 h
-
Rückkehr aus Kamerun (Subsahara-Afrika) vor 9 Monaten nach einem Aufenthalt von 12 Monaten, dort mehrfach Malaria tropica (behandelt)
-
Labor:
- Hb 13
- Thrombozyten 84 G/l
- Leukozyten 4 G/l
- Bilirubin 2
- CRP 50 mg/l -
Thoraxröntgen: unauffällig
-
Sonografie: Splenomegalie
Zur Anamnese: Der Patient denkt nach neun Monaten eventuell nicht mehr an eine Reisekrankheit.
Diagnostische Abklärung: Fieberschübe im Abstand von 48 Stunden nach ein paar Tagen sprechen für eine Malaria tertiana (Plasmodium ovale, Plasmodium vivax). Bei der Malaria quartana (Plasmodium malariae) würden die Fieberschübe in längeren Abständen auftreten (72 Stunden). Eine Malaria tropica sollte dennoch ausgeschlossen werden (lebensbedrohlich!). Die viszerale Leishmaniose würde passen, allerdings stellt Kamerun kein Hochrisikogebiet für diese Parasitose dar.
Diagnose: Blutausstrich und PCR-Test bestätigten eine Malaria tertiana mit Plasmodium ovale. Der Zerfall von Erythrozyten alle 48 Stunden führt zu den Fieberschüben.
Therapeutisches Vorgehen: Der Patient erhielt Hydroxychloroquin, Initialdosis 4x200mg, dann nach sechs bis acht Stunden 2x200mg sowie 2x200mg an den folgenden zwei Tagen (Gesamtdosis 2g). Anschließend nach Ausschluss von G6PD-Mangel: Primaquin 14 Tage p.o. (Rücksprache mit Tropenmediziner angeraten!).
Gut zu wissen: Bei der Malaria tertiana kann die Inkubationszeit sehr viel länger sein als bei den anderen Malariaformen.
FALL 2:
Fieber mit Hämolyse
Der Patient:
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31 a
-
unregelmäßiges Fieber seit 4 Tagen
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Nigeriaaufenthalt von 4.–29.5.
-
Laborwerte:
- Hb 14
- Thrombozyten 21 G/l
- Leukozyten 5 G/l
- Bilirubin 2,8
- LDH 350
- CRP 200 mg/l
Zur Anamnese: Bei Heimatbesuchen („visiting friends and family“) sollte davon ausgegangen werden, dass die Reisevorbereitungen anders ausgesehen haben als bei einem Touristen: Höchstwahrscheinlich wurde keine Chemoprophylaxe gegen Malaria eingenommen. Weiters fällt in diesem Fall der Kontakt zu Einheimischen naturgemäß viel enger aus als bei einer üblichen Urlaubsreise.
Diagnostische Abklärung: Nach einer Rückkehr aus den Tropen sollte die primäre Überlegung sein: Gibt es ein mögliches passendes lebensbedrohliches Krankheitsbild? Im konkreten Fall muss daher vorrangig eine Malariaerkrankung ausgeschlossen werden (Hämolyse, Thrombozytopenie, Subsahara-Afrika). Eine mögliche Infektion mit Covid-19 sollte ebenso abgeklärt werden – trotz Fehlens von Atemwegssymptomen. Weiters kommen Typhus und eventuell auch eine Ansteckung mit Influenza infrage.
Diagnose: Der Malaria-Schnelltest fiel positiv aus. Der Blutausstrich wies einen Befall mit Plasmodium falciparum nach. Die Malaria tropica war in diesem Fall aufgrund der geringen Parasitendichte (1%) allerdings als „unkompliziert“ einzustufen, weiters waren soweit keine Organschäden aufgetreten.
Therapeutisches Vorgehen: Die Therapie der unkomplizierten Malaria ist einfach. Um Resistenzen zu vermeiden, werden zwei Wirkstoffe kombiniert, in diesem Fall wurden Artemether und Lumefantrin p.o. (mit fettiger Nahrung) über drei Tage eingenommen.
Gut zu wissen: Die Chemoprophylaxe mit Doxycyclin (100mg 1x tgl.) ist günstig und in dieser Dosis selten phototoxisch (je nach Hauttyp bis zu 3%), Hauterscheinungen sollten ärztlich abgeklärt werden. Die Kombination Atovaquon/Proguanil ist am besten verträglich, aber teuer.
FALL 3:
Tierbiss und Amnesie
Die Patientin:
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66 a
-
starke Schmerzen in der Flanke
-
hatte schon Nierensteine
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Rückkehr aus Mexiko vor 17 Tagen, Aufenthalt für 6 Wochen
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Exposition: Tierbiss (Affe) vor 6 Wochen in die Hand beim Füttern
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keine Tollwutimpfung
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Labor:
- Leukozyten 14 G/l
- CRP 60 mg/l -
PCR: SARS-CoV-2-positiv
-
Harn: Nitrit-positive Leukozyturie
Anamnese: Die Patientin wurde von ihrem Ehemann in die Notaufnahme gebracht, da sie sich an „nichts mehr erinnern“ konnte, nachdem sie sechs Stunden zuvor Schmerzen in der rechten Flanke verspürt hatte.
Therapeutisches Vorgehen: In diesem Fall muss an eine Postexpositionsprophylaxe für Tollwut (Impfung plus Hyperimmunglobulin) gedacht werden. Die Inkubationszeit bei Tollwut beträgt im Mittel 45 Tage, es werden sogar Fälle beschrieben, in denen sie ein Jahr oder länger dauert. Erst wenn erste tollwuttypische Symptome auftreten, wirkt die Prophylaxe nicht mehr. In diesem Fall waren die neurologischen Symptome nicht typisch für Tollwut.
Diagnose: Die neurologische Untersuchung ergab eine transiente globale Amnesie ohne Hinweis auf eine zusätzliche neurologische Pathologie. Im Ultraschall zeigte sich eine Nephrolithiasis rechts.
Gut zu wissen: Bei Reisen in Regionen mit Tollwutexpositionsrisiko ist eine präexpositionelle Prophylaxe angeraten. Für „last minute traveler“ stehen verkürzte Impfschemata zur Verfügung (Grundimmunisierung Tag 0 und 7).
FALL 4:
Fieber mit Exanthem
Der Patient:
-
34 a
-
Fieber und Exanthem seit 3 Tagen
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Myalgien
-
Reiseanamnese: Südafrika, 4 Wochen für Safari, Surfen; Zeckenstich bei Safari
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Labor:
- Hb 14
- Leukozyten 2 G/l
- Thrombozyten 81 G/l
- GOT 260
- GPT 220
- CRP 70mg/l -
Malaria-Schnelltest: negativ
-
Dengue-Schnelltest: negativ
Anamnese: Die Rötung weist eine dunkle, zentrale Verfärbung auf (Eschar).
Diagnostische Abklärung: Die Reiseanamnese mit Zeckenstich, Laborwerte und Rötung mit zentraler Nekrose sind eindeutige Hinweise auf eine Rickettsiose, in diesem Fall für das afrikanische Zeckenbissfieber („African tick bite fever“, ATBF; Rickettsia africae). Nach Rückkehr aus Subsahara-Afrika sind routinemäßig auch Malaria- und Dengue-Schnelltests indiziert.
Diagnose: Der Nachweis für das Vorliegen von afrikanischem Zeckenbissfieber gelingt mit einem PCR-Test.
Therapeutisches Vorgehen: Der Patient erhielt Doxycyclin 100mg 2xtgl. für 7 Tage. Eine Besserung des Exanthems und der Symptomatik wurde innerhalb von 72 Stunden beobachtet.
Gut zu wissen: Zwar sind nur rund 2% aller Reiserückkehrer mit Fieber von einer Rickettsiose betroffen, unter den hospitalisierten Patienten sind es aber gut 20%. Als Vektoren der Bakterien dienen Zecken, Flöhe, Milben, Läuse. Die Inkubationszeit beträgt 4 bis 14 Tage.
FALL 5:
Fieber und Kopfschmerzen
Die Patientin:
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69 a
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Fieber, Kopfschmerzen ab 20.4.
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Ghana-Aufenthalt vom 15.3.–10.4.
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Grunderkrankung: arterielle Hypertonie
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unregelmäßige Einnahme von Doxycyclin als Malaria-Chemoprophylaxe
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Labor:
- Hb 13
- Thrombozyten 510 G/l
- Leukozyten 16 G/l
- CRP 180mg/l
Anamnese: Bei Fieber nach einem Aufenthalt in Subsahara-Afrika sollte man an Malaria denken. Die erweiterte Anamnese ergab: keine Sexualkontakte, kein Schwimmen im Süßwasser, keine Milchprodukte.
Diagnostische Abklärung: Der Malaria-Schnelltest, Blutausstrich und SARS-CoV-2-PCR-Test waren negativ, das Thoraxröntgen war unauffällig. Die Blutkulturen und der Harn fielen ebenfalls negativ aus, die Behandlung mit Ceftriaxon brachte keine Besserung. Am Tag 4 des stationären Aufenthalts trat ein eingeschränkter Visus am rechten Auge auf.
Diagnose: Der Visusverlust spricht für eine Arteriitis temporalis, die sich dann auch bestätigt hat.
Gut zu wissen: Reiseanamnese ist wichtig, aber nicht alles.
FALL 6:
Urogenitale Ulzerationen
Der Patient:
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34 a
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Südamerikaner, lebt in Wien
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seit 18.5.: Fieber, Kopfschmerzen, Myalgien
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seit 22.5.: inguinale Lymphknotenvergrößerung, schmerzhafte Ulzerationen am Penis (Abb. 1)
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Hintergrund: MSM, HIV-positiv, Viruslast unter Nachweisgrenze (Bictegravir/Emtricitabin/Tenofovir)
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sexueller Kontakt mit Mann von 10.–15.5.
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generalisierte pustulöse Effloreszenzen
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Laborwerte bringen keine relevanten Hinweise (leicht erhöht: Leukozyten, Hämoglobin, CRP).
Diagnostische Abklärung: In diesem Fall müssen alle relevanten sexuell übertragbaren Krankheiten in Betracht gezogen werden – wie z.B. Syphilis, HIV, Gonorrhö, Lymphogranuloma venerum, Donovanose, Ulcus molle, Herpes genitalis. Eine weitere wichtigste Differenzialdiagnose wären Varizellen.
Diagnose: Nachdem die meisten relevanten Erkrankungen ausgeschlossen wurden, erhielt der Patient die Nachricht seines Sexualpartners, dass bei ihm Affenpocken nachgewiesen worden waren. Die Verdachtsdiagnose wurde mittels PCR-Test bestätigt.
Therapeutisches Vorgehen: Bis zum Ausschluss anderer Erkrankungen bzw. bis zur Diagnose wurde der Patient sicherheitshalber fünf Tage lang mit Doxycyclin gegen Syphilis behandelt. Die Therapie der Affenpocken besteht aus einer symptomatischen Analgesie (NSAR, Lidocain lokal), Flüssigkeit und Antipruritika (Kutimix, Antihistaminika). Das Medikament Tecovirimat ist seit 2022 für die Behandlung von Pocken, Affenpocken und Kuhpocken zugelassen.
Gut zu wissen: Die Lymphknoten können schmerzhaft sein, sind aber in erster Linie eindrucksvoll geschwollen. Die Läsionen können schmerzhaft sein und durch bakterielle Superinfektion zu einer Sepsis führen. Schwerere Verläufe sind v.a. bei Immunsuppression möglich. Zur Risikogruppe zählen MSM (Männer, die mit männlichen Partnern Sex haben). In Österreich wurden 132 Fälle gemeldet (Stand 1.8.2022). Die Pockenimpfung schützt vor Ansteckung, ein neuer Impfstoff wurde kürzlich zugelassen.