
Eisenmangel
Erkennen, abklären und therapieren
Patienten mit Eisenmangel sind häufig in der allgemeinmedizinischen Praxis anzutreffen. Je nach Patientenprofil, Labor und Anamnese ist eine unterschiedlich intensive Abklärung indiziert. Eine Eisentherapie reduziert unter anderem die mit Eisenmangel verbundene chronische Müdigkeit und verbessert damit die Lebensqualität, wie Doz. Dr. Bernhard Angermayr, St. Pölten, beim ALLGEMEINE+ Herbstquartett in Wien berichtete.
Eisenmangel kann eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen haben, so Doz. Dr. Bernhard Angermayr, St. Pölten. Infrage kommen eisenarme Ernährung, Magen-Darm-Erkrankungen mit verminderter Eisenresorption oder Eisenverlust, Medikamente, die die Eisenresorption im Gastrointestinaltrakt behindern (wie zum Beispiel Protonenpumpeninhibitoren), sowie der Zustand nach einer bariatrischen Chirurgie. Weiters reduzieren Adipositas und Inflammationen in jeder Form die Eisenaufnahme. Eisenmangel kann auch die Folge eines erhöhten Eisenbedarfs sein. Dies ist beispielsweise in der Schwangerschaft, bei häufigem Sport, im Wachstum oder bei chronischen Krankheiten der Fall. Weiters geht Eisen durch Blutverlust verloren. Dies kann durch Unfälle, Operationen oder, am häufigsten, durch die Menstruation geschehen.
Blutspenden als Ursache eines Eisenmangels
Eine weitere mögliche Ursache von Blutverlust ist Blutspenden, wie Angermayr am Beispiel eines gesunden und sportlichen Patienten erläuterte, der mit dem Symptom Müdigkeit in die Ordination kam. Das Labor zeigte einen Eisenmangel mit 23μg/l Ferritin, das Hämoglobin lag mit 14,4g/dl an der Untergrenze des Normalbereichs für Männer. Die Anamnese ergab, dass der sehr sportliche Mann fünfmal im Jahr Blutspenden ging. Dies in Kombination mit dem sonst guten Allgemeinzustand des Patienten bewog Angermayr dazu, ohne weitere Abklärung eine Therapie mit parenteralem Eisen zu beginnen, unter der die Müdigkeit innerhalb weniger Wochen vollständig verschwand. Dem Patienten wurde empfohlen, mit dem Blutspenden aufzuhören; sein Ferritin blieb auch nach Ende der Therapie dauerhaft im Normalbereich. Angermayr: „Fragen Sie immer nach dem Blutspenden, besonders bei Polizisten oder Soldaten, die sehr konkret aufgefordert werden, da oftmals hinzugehen.“
Eisen vs. Ferritin
Eine verbindliche Definition von Eisenmangel gibt es nicht. Angermayr wies auch auf die Schwäche einer Eisenbestimmung aus dem Serum hin, die keinerlei Aussagekraft besitzt, aber dennoch immer wieder durchgeführt werde. Der entscheidende Wert ist das Speicherprotein Ferritin, für das unterschiedliche Grenzwerte angegeben werden. Eisenmangel besteht zumindest bei einem Ferritinwert unter 30μg/l, bei chronischen Erkrankungen sollte das Ferritin jedoch jenseits der 100μg/l liegen. In manchen Empfehlungen spricht man erst ab 40μg/l von einem Wert im Normalbereich.
Eisenmangel bei prämenopausalen Frauen besonders häufig
Besteht ein Eisenmangel, so sind prämenopausale Frauen in Abgrenzung zu allen anderen als separate Patientengruppe zu betrachten. In dieser Population besteht zu rund 30% Eisenmangel und zu rund 10%eine Eisenmangelanämie. Hauptursache sowohl für den Eisenmangel als auch für die Anämie ist die Menstruation. Sollte der Eisenmangel allerdings in Kombination mit gastrointestinalen Beschwerden, auffälligen Laborbefunden oder anamnestischen Hinweisen auf eine Erkrankung des Gastrointestinaltrakts auftreten, ist eine weiterführende Abklärung indiziert. Angermayr: „Der erste Schritt ist der Ausschluss einer Zöliakie.“ Für die Zöliakiediagnostik ist auch eine Bestimmung des Gesamt-IgA wichtig, da es sich bei den Transglutaminase-Antikörpern um IgA handelt und ein (relativ häufiger) IgA-Mangel daher eine Zöliakie verschleiern kann. Weitere mögliche Ursachen eines Eisenmangels sind Blutungen in den Magen oder den Darm, beispielsweise infolge einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Die weiterführende Diagnostik wird daher zunächst in einer Gastroskopie bestehen. Ist diese unauffällig, so ist zur weiteren Abklärung eine Koloskopie indiziert. Calprotectin aus dem Stuhl liefert einen sicheren Hinweis auf ein entzündliches Geschehen im Verdauungstrakt.
Außerhalb der Population der prämenopausalen Frauen erfordert ein Eisenmangel eine umfassendere Abklärung, so Angermayr. Das bedeutet vollständiges Labor und komplette endoskopische Abklärung des Gastrointestinaltraktes mit Gastroskopie plus Duodenalbiopsien sowie Ileokoloskopie mit Stufenbiopsie, um eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung ausschließen zu können. Ebenso müssen Nieren und Leberwerte bestimmt werden. Auch sehr hohe Ferritinwerte sind problematisch, da Ferritin aus untergehenden Leberzellen freigesetzt wird und so ein Hinweis auf eine Schädigung der Leber infolge einer Entzündung oder Alkoholabusus sein kann.
Eisenmangel in Österreich
Wie die Behandlung des Eisenmangels in Österreich läuft, soll eine nichtinterventionelle Studie zeigen, die im niedergelassenen Bereich, in Praxen, in denen Eisenmangel behandelt wird, durchgeführt wurde. Die Einschlusskriterien waren ein Eisenmangel, der in irgendeiner Weise (oral oder intravenös) behandelt werden sollte, ein Patientenalter über 12 Jahre sowie das Patienteneinverständnis. Ausschlusskriterien waren eine Kontraindikation gegenüber der Therapie, eine Lebenserwartung von weniger als einem Jahr sowie eine Eisentherapie in den vergangenen drei Monaten. Alle in Österreich zugelassenen Präparate konnten eingesetzt werden, die Beobachtung erfolgte über ein Jahr. Schließlich wurden zu 95% Frauen in die Studie eingeschlossen, das Durchschnittsalter lag bei 36 Jahren, die rund 300 Patienten waren normalgewichtig. Das durchschnittliche Ferritin lag bei Einschluss in die Studie bei 18,7μg/l, das Hämoglobin mit 12,48g/dl an der Untergrenze des Normalbereichs. Angermayr merkte dazu an, dass der Hämoglobin-Grenzwert möglicherweise zu niedrig angesetzt ist und viele Patienten, die in diesen Bereich fallen, vermutlich unter einer klinisch manifesten Anämie leiden. Bereits bei der ersten Kontrollvisite waren sowohl Eisen als auch Hämoglobin deutlich angestiegen.
Im Rahmen dieser Studie wurden die Patienten auch nach Symptomen wie Müdigkeit gefragt;sie gaben mehrheitlich an, sich müde zu fühlen. Dies traf sowohl bei einem Baseline-Ferritin unter 15μg/l als auch über 15μg/l zu. Unter der Eisentherapie verringerten sich die Müdigkeitssymptome, was auch unabhängig von einer etwaigen Anämie zutraf.
Bericht:
Reno Barth
Quelle:
„Eisenmangel in Österreich“, Vortrag von Doz.
Dr. Bernhard Angermayr im Rahmen des ALLGEMEINE+Herbstquartetts am 12.September 2020 in Wien
Literatur:
beim Vortragenden
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