Es bleibt kompliziert

Eingriffe unter Gerinnungshemmung

Hausärzte sind für ihre Patienten erste Ansprechpartner für die Planung von elektiven Operationen und diagnostischen Interventionen. In der Hausarztpraxis wird dazu das periinterventionelle Management der Medikamente besprochen, die die Blutgerinnung beeinflussen. Zweifelsohne werden heute den Patienten dank der Fortschritte in der Medizin immer mehr diagnostische Eingriffe angeboten; gleichzeitig werden unsere Patienten immer älter, letztlich morbider und erhalten komplexe Polypharmakotherapien, die häufig gerinnungshemmende Medikamente beinhalten.

Fast täglich stellen sich in unseren Praxen Patienten vor, bei denen ein diagnostischer oder operativer Eingriff vorgesehen ist, um mit ihrem Hausarzt das Prozedere rund um die Intervention zu besprechen. Bei jüngeren und gesunden Patienten, die nicht auf Medikamente angewiesen sind, die die Gerinnung beeinflussen, ist das präoperative Risiko-Assessment häufig unkompliziert. Dagegen bedeuten gerade ältere und multimorbide Patienten häufig eine Herausforderung, vor allem wenn sie Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) oder orale Antikoagulanzien (OAK) einnehmen.

Perioperatives Bridging nun die Ausnahme

Im Setting des ambulanten Operierens kommt dem Hausarzt eine Schlüsselrolle bei der Patientenvorbereitung und -führung rund um den Eingriff zu. Häufig bringen die Patienten gewisse Basisinformationen vom Operateur, interventionellen Kollegen oder Anästhesisten mit, die Auskunft geben über die geplante Maßnahme und die gewünschte Art der Vorbereitung.

Die geplanten Interventionen selbst sind überaus heterogen – von einfachen Zahneingriffen über die häufige endoskopische Diagnostik und die Augenchirurgie bis zu komplexeren und größeren belegärztlich-stationären Eingriffen. Während früher antikoagulierte Patienten fast immer mittels niedermolekularer Heparine (NMH) gebridgt worden sind und Acetylsalicylsäure (ASS) fast immer großzügig abgesetzt worden ist, wird die Situation heute differenzierter und individueller betrachtet: Studien legen nahe, dass die Unterbrechung einer OAK-Einnahme zugunsten eines NMH-Bridgings in mehrfacher Weise für die Patienten oft schädlich ist: Es treten sowohl mehr thrombembolische wie auch Blutungskomplikationen auf.

So zeigte die randomisierte doppelblinde BRIDGE-Studie 2018, dass nach dem Pausieren der OAK mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA; Warfarin/Phenprocoumon) vor größeren operativen Eingriffen sowohl unter NMH als auch unter Placebo nur sehr wenige thrombembolische Ereignisse auftraten (kein signifikanter Unterschied in beiden Armen).1 Blutungsereignisse waren jedoch in der NMH-Gruppe deutlich häufiger. Es häufen sich darüber hinaus Daten, die nahelegen, dass zahlreiche chirurgische und diagnostische Prozeduren mit einem niedrigen Blutungsrisiko (wie Endoskopien, Zahn-, Haut- und Augenoperationen und Schrittmacherimplantationen) ohne Unterbrechung der Antikoagulation durchgeführt werden können.2–7

Interkollegiale Kommunikation unerlässlich

Vor diesem Hintergrund ist eine optimierte Hand-in-Hand-Strategie zwischen dem Operateur, dem Anästhesisten und dem Hausarzt zum Wohl des im Zentrum stehenden Patienten wünschenswert. Es fällt jedoch auf, dass aktuelle Strategien zum perioperativen TAH- und OAK-Management noch nicht überall bekannt sind und dass angesichts dieser komplexen und risikobehafteten Problematik zu wenig miteinander kommuniziert wird.

Um entscheiden zu können, ob perioperativ bzw. periinterventionell die blutverdünnende Medikation weiter gegeben oder pausiert werden und ob im letzten Fall ein Bridging erfolgen soll, ist grundsätzlich jedes Mal das individuelle thrombembolische Risiko des Patienten ohne Antikoagulation und das Blutungsrisiko des Eingriffs selbst zu bewerten und gegenseitig abzuwägen. Allein mit Kenntnis dieser beiden Kenngrößen können Hausärzte in fast allen Fällen Empfehlungen zu einer optimierten individualisierten Vorgehensweise aussprechen.

Bei Eingriffen mit einem niedrigen Blutungsrisiko ist es nicht notwendig, die OAK abzusetzen. Bei Patienten, bei denen ein Eingriff mit hohem Blutungsrisiko erfolgt, ist – bis auf wenige Ausnahmen – kein Bridging erforderlich.5, 7

Vorteil Hausarzt: Kenntnis der Anamnese

Aus hausärztlicher Sicht bietet das präoperative Gespräch mit dem Patienten eine hervorragende Chance, die grundsätzliche Indikation zur TAH oder OAK kritisch zu reevaluieren. Es zeigt sich immer wieder, dass nicht wenige Patienten ohne eigentliche Indikation beispielsweise ASS 100 einnehmen – einfach weil es ihnen früher einmal „zur Sicherheit“ oder „zur Vorsorge“ empfohlen worden ist. Nicht zuletzt seit den aktuellen, hervorragend aufbereiteten Empfehlungen der US Preventive Services Task Force (USPSTF) hat ASS keinen nennenswerten Stellenwert mehr in der kardiovaskulären Primärprävention, weil zwischen der Gefäßprotektion und dem Blutungsrisiko kein Nettonutzen nachgewiesen werden kann.8

Weitere zum Absetzen einer blutverdünnenden Dauermedikation einladende Situationen könnten sein:

  • ASS im hohen Lebensalter

  • OAK über drei oder sechs Monate nach Thrombosen oder Lungenembolien

  • OAK bei Vorhofflimmern bei niedrigem CHA2DS2-VASc-Score

Jedes präoperative Assessment bietet dem Hausarzt die hervorragende Chance, die fortbestehende Notwendigkeit einer bestehenden blutverdünnenden Therapie grundsätzlich zu überprüfen und ggf. nicht (mehr) indizierte Medikamente abzusetzen.

Abschätzung des Blutungsrisikos eines Eingriffs

Es ist nicht immer trivial, das Blutungsrisiko eines Eingriffs korrekt abzuschätzen. Außerdem fühlen sich Operateure nicht immer wohl mit dem Operieren unter Blutverdünnung – nur zu oft erleben wir Rückfragen von Zahnarztpraxen wegen der Einnahme von Blutverdünnern. Eine handhabbare Einteilung häufiger Eingriffe bezüglich ihres Blutungsrisikos in niedrig und hoch liefert Tabelle 1. Leider wird es nicht möglich sein, eine erschöpfende, überall gleichermaßen akzeptierte Auflistung aller Prozeduren zu erhalten. Im Fall der Endoskopien am Gastrointestinaltrakt kommt erschwerend hinzu, dass der Untersucher vorher nicht genau wissen kann, was ihn erwartet bzw. welche Interventionen er durchzuführen hat, etwa, ob ein größerer Polyp abzutragen sein wird oder nicht.

Grundsätzlich zählen klassische diagnostische Endoskopien (ÖGD, Koloskopie und Bronchoskopie – ÖGD und Koloskopie auch mit Biopsie) zu den Interventionen mit niedrigem Blutungsrisiko.2, 9 Ein niedriges Blutungsrisiko liegt dann vor, wenn in weniger als 1,5% der Fälle mit einer schweren nachfolgenden Blutung zu rechnen ist (u.a. tödliche Blutung, Notwendigkeit einer Transfusion oder eines Zweiteingriffs, Hb-Abfall >2g/dl).10 Weiters gehören nach allgemeiner Übereinkunft zahnärztlich-chirurgische Eingriffe, Operationen an der Haut, perkutane Katheterinterventionen (z.B. Herzkatheter), Sklerotherapien und Augen-Operationen in Tropfanästhesie (Katarakt-OP, Medikamenteneingabe) zu den Eingriffen mit niedrigem Blutungsrisiko.1, 3, 4, 6, 9, 11–13

Die Autoren der BRIDGE-Studie zählen darüber hinaus alle Eingriffe, die weniger als eine Stunde dauern, zu den Interventionen mit niedrigem Blutungsrisiko.1 Auch Hernienoperationen, Operationen am Skrotum und Schrittmacherimplantationen werden gemäß den Leitlinien des American College of Chest Physicians und der European Heart Rhythm Association dieser Gruppe zugerechnet.12

Mit einem hohen Blutungsrisiko verbunden sind endoskopische Eingriffe wie die Ektomie größerer oder sessiler Polypen und die Tumorabtragung, endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP,) perkutane endoskopische Gastrostomie(PEG)-Anlage, Ösophagusvarizentherapie und Operationen wie intrakraniale, intrathorakale, intraabdominale, HNO-, urologische, gynäkologische und orthopädische Eingriffe.

Konkretes Vorgehen in der Hausarztpraxis

Um das perioperative Gerinnungsmanagement für den Hausarzt zu vereinfachen, empfiehlt sich folgender Algorithmus:

  1. 1. Zuerst wird geklärt, ob der Eingriff überhaupt zum jetzigen Zeitpunkt und dringend indiziert ist. Immer wieder gibt es Situationen, in denen eine duale TAH oder eine Antikoagulation nach einem gewissen Zeitraum abgesetzt werden kann und der Eingriff problemlos erst anschließend, d.h. einige Wochen oder Monate später, durchgeführt werden sollte (z.B. kürzliche Stentimplantation, frische Venenthrombose).

  2. 2. Dann wird erfragt, welche Art von gerinnungshemmender Medikation der Patient verwendet, weil sich das Prozedere dabei etwas unterscheidet (TAH, VKA, NOAK).

  3. 3. Anschließend wird das Blutungsrisiko des Eingriffs eingeteilt in niedrig oder hoch (Tab.1).

  4. 4. Zuletzt wird das individuelle thrombembolische Risiko des Patienten erfasst, d.h. seine Grundkrankheit, die die Antikoagulation bedingt. Dieses Risiko wird ebenfalls in niedrig oder hoch (oder ggf. intermediär) eingeteilt (Tab. 2).

Perioperativer Umgang mit Phenprocoumon

Für VKA wie dasübliche Phenprocoumon (Marcoumar®, Phenprocoumon „ratiopharm“®, Generika)gilt daher, dass Eingriffe mit niedrigem Blutungsrisiko grundsätzlich unter laufender OAK durchgeführt werden können. Rein pragmatisch und praktisch ist es sinnvoll, einen relativ aktuellen INR-Wert präoperativ zu bestimmen und dem Operateur oder Anästhesisten vorzulegen. Werte oberhalb des therapeutischen Bereichs oder im sehr hohen Zielbereich können außerdem so erfasst und ggf. rechtzeitig etwas korrigiert werden. Das individuelle thrombembolische Risiko spielt dabei keine Rolle.

Seltene Indikationen für Bridging mit Heparin

Anders ist bei Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko zu verfahren: Bei diesen Interventionen ist die OAK mit VKA zu unterbrechen. Nur in sehr seltenen Fällen, nämlich bei einem sehr hohen individuellen thrombembolischen Risiko von >10%/Jahr, wird grundsätzlich ein Bridging mit einem NMH empfohlen. Beim Bridging wird das NMH in therapeutischer Dosierung verabreicht ab dem Moment, zu dem die INR <2 ist, bis 12–24 Stunden präinterventionell.2 Am Abend des Interventionstages kann die orale OAK in üblicher Erhaltungsdosis häufig wieder aufgenommen werden.

Management von NOAK

Nehmen die Patienten NOAK zur Gerinnungshemmung ein, ist ein Heparin-Bridging grundsätzlich nicht vorgesehen. Sehr umschriebene Eingriffe mit minimalem Blutungsrisiko und/oder guter lokaler Komprimierbarkeit (z.B. zahnärztliche Eingriffe, diagnostische Endoskopien, kleine Operationen an der Haut, Kataraktchirurgie in Tropfanästhesie) finden unter fortlaufender NOAK-Einnahme statt.

Pragmatisch bietet sich jedoch an, die OP erst 12 bis 24 Stunden nach der letzten Einnahme der gerinnungshemmenden Medikation durchzuführen und die folgende Tablette erst sechs Stunden postoperativ einzunehmen.

Ein Bridging mit NMH ist bei der Pausierung von NOAK nicht notwendig. Wie lange ein NOAK präoperativ zu pausieren ist, hängt vom Blutungsrisiko des Eingriffs, der verwendeten Substanz und der individuellen Nierenfunktion ab.

Bei Eingriffen mit höherem Blutungsrisiko sind NOAK vorübergehend mindestens 24 bis 48 Stunden lang zu pausieren. Da sich die renale Elimination zwischen den zugelassenen Substanzen stark unterscheidet und periinterventionelle Wirkstoffspiegel von der Nierenfunktion des Patienten abhängen, sind die einzelnen Pharmaka jeweils individuell zu betrachten. Konkrete Hilfen zum perioperativen Management bei den gängigsten Präparaten liefert Tabelle 3.

Typische Herausforderungen in der Hausarztpraxis

Leider gestaltet sich die Abstimmung zwischen den Akteuren nicht immer reibungslos.

Erfahrungsgemäß haben vor allem Zahnärzte häufig Klärungsbedarf, bevor sie sich an oralchirurgische Aufgaben wagen. Das Blutungsrisiko einer oralen Antikoagulation wird dabei gelegentlich in einem Maße überschätzt, dass man mitunter ohne hausärztliche Rücksprache darunter nicht einmal eine gründliche Zahnreinigung durchführen mag. Ein persönliches Telefonat zwischen Zahnarzt und Hausarzt ist oft der beste Weg, um Klarheit bezüglich einer optimierten Führung der OAK zu schaffen. Eine von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) aufbereitete aktuelle Handreichung liefert pragmatisch Entscheidungshilfen zur hausärztlichen Beratung von Patienten in zahnärztlich-chirurgischer Behandlung unter oraler Antikoagulation und Thrombozytenaggregationshemmung.11

Problematisch ist weiterhin die Kataraktchirurgie – und zwar nicht wegen der Operation an sich, sondern wegen der Art der applizierten Anästhesie: Nach aktuellen Zahlen finden Staroperationen in >40% der Fälle in Tropfanästhesie statt. In diesen Fällen ist die Gerinnungshemmung nicht zu unterbrechen. Allerdings wird in weiteren 40% eine Lokalanästhesie gegeben (Para- oder Retrobulbäranästhesie).6 In diesem Fall besteht grundsätzlich ein erhöhtes Blutungsrisiko. Ob der Patient vor einer solchen OP seine OAK pausieren sollte, ist dann zwischen Arzt, Operateur und Anästhesisten im Vorfeld zu klären. Wenn Hausarztpraxen schon länger vertrauensvoll mit bestimmten ophthalmochirurgischen Zentren kooperieren, sind die erforderlichen perioperativen Prozeduren oft allen Akteuren bereits bekannt.

Plättchenhemmung: perioperativ pausieren?

Der mit Abstand am häufigsten verordnete Plättchenhemmer ist ASS. Üblicherweise wird es zur „Low-dose“-TAH mit 100mg/Tag verschrieben. Es gibt so gut wie keinen Grund mehr, ASS präoperativ abzusetzen (sofern eine echte Indikation für ASS in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Krankheiten besteht). Das – perioperativ sowieso schon erhöhte – kardiovaskuläre Risiko überwiegt in aller Regel das eingriffsassoziierte Blutungsrisiko. Selbst bei Eingriffen, die traditionell mit einem großen Risiko für Blutungskomplikationen einhergehen, wie Wirbelsäulen-OP, Hüft-TEP oder rückenmarksnahe Anästhesie, wird heute in der Regel ASS weiter gegeben. ASS 100 zur Sekundärprävention nach kardiovaskulären Ereignissen soll perioperativ grundsätzlich nicht abgesetzt werden.

Anders verhält es sich mit P2Y12-Inhibitoren (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor). Häufig werden diese nach Gefäßinterventionen zusätzlich für einen bestimmten Zeitraum empfohlen. Es ist grundsätzlich wünschenswert, elektive Operationen auf einen Zeitpunkt nach Beendigung dieser dualen TAH zu verschieben. Ob bei einer dualen TAH oder bei einer chronischen Clopidogrel-Monotherapie die perioperative Weitergabe oder das Pausieren der Substanz möglich und angezeigt ist, sollte im Zweifelsfall mit dem Angiologen oder Kardiologen geklärt werden. Es ist dann anhand der kardiologisch-angiologischen Anamnese im Einzelfall das individuelle Risiko für arterielle und/oder Stentthrombosen zu ermitteln und im Team mit Operateur und Anästhesist das spezifische Vorgehen zu klären.2

Dauer einer OAK nach Thrombosen oder Lungenembolien

Falls ein Patient nach einer Thrombose oder Lungenembolie eine OAK (egal, ob VKA oder NOAK) erhält, lohnt es sich, anlässlich des Termins zur präoperativen hausärztlichen Diagnostik über die grundsätzliche weitere Indikation für die Blutverdünnung zu sprechen. Nicht selten erleben wir in Hausarztpraxen Situationen, in denen diese Medikamente, die durchaus ein hohes Maß an unerwünschten schweren Wirkungen haben, unkritisch zu lange verordnet werden. Immerhin erleiden pro Jahr 1–3% der mit VKA behandelten Patienten eine schwere Blutung.

Gemäß der (formal nicht mehr gültigen und sich derzeit im Update-Prozess befindlichen) deutschen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der venösen Thrombembolie soll drei bis sechs Monate nach jeder tiefen Venenthrombose (TVT) und Lungenarterienembolie (LAE) in gemeinsamer Entscheidung mit dem Patienten über Nutzen und Risiko der weiteren Einnahme beraten werden.14 Grundsätzlich beträgt die Therapiedauer nach venöser Thrombembolie maximal sechs Monate – dies gilt sowohl für die TVT wie für die LAE. Im gemeinsamen Gespräch sind mit dem Patienten Parameter aus der individuellen Krankengeschichte zu evaluieren, die möglicherweise für einen Nutzen einer verlängerten, das heißt über drei bis sechs Monate hinausgehenden Erhaltungstherapie sprechen.

In die gemeinsame Entscheidung über die Dauer der Antikoagulation nach TVT oder LAE fließen zahlreiche patienten- und situationsspezifische Faktoren ein. Die Therapie ist also immer maßgeschneidert und individualisiert auf dem Boden einiger handlungsleitender Parameter. Starre Vorgaben für Therapieschemata gibt es nicht. Daraus folgt, dass es streng genommen keine richtigen oder falschen Empfehlungen zur Dauer der OAK nach TVT oder LAE mehr gibt, sofern eine Beratung des Patienten über Nutzen und Risiko einer verlängerten Erhaltungstherapie erfolgt und dokumentiert ist.

Bei Thrombosen, die beispielsweiseim Rahmen von Verletzungen, Immobilisierung, Operationen, schweren allgemeininternistischen Erkrankungen, hormoneller Kontrazeption oder Schwangerschaft auftreten, ist jeweils ein klar identifizierbarer, passagerer Triggerfaktor erkennbar. In diesen Fällen liegt ein niedriges Risiko für ein Thrombembolierezidiv vor. Eine verlängerte Erhaltungstherapie ist hier nicht angezeigt. Ganz anders zu bewerten sind jedoch Fälle, in denen bereits in der Vergangenheit Thrombosen aufgetreten sind oder in denen der Trigger fortbesteht (z.B. weiter aktives Tumorleiden oder schwere Thrombophilie). Hier werden sich Arzt und Patient mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine verlängerte oder dauerhafte OAK verständigen.

In der Abbildung 1 sind häufige Situationen zusammengestellt, die Patient und Hausarzt bei der Diskussion um eine verlängerte Erhaltungstherapie bewegen können. Liegt eine ungenügende Adhärenz beim Patienten vor oder ist dieser mit seiner INR nicht oft genug im VKA-therapeutischen Fenster von 2,0 bis 3,0, kann das eher für ein Absetzen der OAK sprechen. Auch ein überproportional hohes Blutungsrisiko, eine Niereninsuffizienz oder eine kurze Lebenserwartung sprechen eher gegen eine verlängerte Antikoagulation. Die Leitlinie führt darüber hinaus weitere Faktoren auf, die im Gespräch mit dem Patienten adressiert werden sollten und die das Pendel Richtung Beenden oder Fortsetzen der OAK auslenken können (Tab.4).

Ein Termin zur präoperativen Diagnostik für Patienten mit OAK nach TVT oder LAE eignet sich hervorragend, um Nutzen und Risiken der Antikoagulation immer wieder neu zu besprechen.

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Facharzt für Allgemeinmedizin

Nittendorf

E-Mail: frederik.mader@gpnd.de

Web: www.gemeinschaftspraxis-nittendorf.de


Prof. Dr. Frederik M. Mader

Tab. 4:Kriterien für und gegen eine verlängerte Erhaltungstherapie mit Antikoagulanzien (modifiziert nach S2k-Leitlinie 2015)14

• Z.n. LAE• Rezidivereignis•Fortbestehender Trigger:- Malignom- Thrombophilie- positive Familienanamnese• Residueller Thrombus• Erhöhte D-Dimere• Z.n. TVT• Klar identifizierbarer Trigger• Sehr hohes Blutungsrisiko• Niereninsuffizienz• Schwere Grundkrankheiten• Ungenügende Compliance
Gemeinsame Entscheidung

Abb. 1:Faktoren, die eher für oder eher gegen eine verlängerte Antikoagulation über drei bis sechs Monate hinaus sprechen

© Peggy_Marco (2022)

Tab. 3:Zeitpunkt der letzten präoperativen NOAK-Einnahme in Abhängigkeit von Blutungsrisko und Nierenfunktion (modifiziert nach Altiok E, Marx N 2018)7

Tab. 2:Thrombembolierisiko in unterschiedlichen Settings (modifiziert nach Lange CM et al. 2016)2

Tab. 1:Blutungsrisiko-Stratifizierung von Eingriffen (modifiziert nach Clark NP et al. 2018; Lange CM et al. 2016; Hoerauf H, Feltgen N 2018; Gotoh S et al. 2020; Bauersachs R et al. 2019)1, 2, 6, 9, 12

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