Early-onset- vs. Adult-onset-Asthma
Die wichtigsten Asthmaphänotypen: same same, but different
Die beiden häufigsten Asthmaphänotypen, das allergische Early-onset- und das überwiegend nicht IgE-vermittelte Adult-onset-Asthma, basieren beide auf einer eosinophilen (Typ 2) Entzündung1 der bronchialen Mukosa, oft mit Mitbeteiligung der oberen Atemwege. Beide unterscheiden sich jedoch in der Ursache der Entzündung,2 der Symptomatik und dadurch bedingt auch in der Phänotyp-spezifischen Therapie.
Early-onset-Asthma
Bei den meisten Betroffenen manifestiert sich das Asthma in der Kindheit, oft im Rahmen des «allergic march», d.h. bei schon bestehender atopischer Dermatitis/bei Milchschorf und allergischer Rhinokonjunktivitis. Zumindest am Anfang der Erkrankung korrelieren symptomatische Phasen immer mit vermehrter Allergenexposition. Werden Exazerbationen im Rahmen viraler Atemwegsinfekte beobachtet, ist dies auch Folge davon, dass durch die virale Entzündung die Funktion der epithelialen Barriere gestört ist und Allergene dann besser in die Mukosa eindringen können.3
Bei reiner Monosensibilisierung gegen Pollen ist die Chance gut, dass sich das Asthma in der Pubertät «auswächst» . Bei perennialen Sensibilisierungen und ganzjähriger bronchialer Hyperreaktivität (BHR) nimmt diese Wahrscheinlichkeit allerdings ab.4
Die Symptomatik kann sich also schnell und eindrücklich verändern in Abhängigkeit von Allergenexposition, Infekten, körperlicher Anstrengung und Rauchexposition. Eine ungenügende Asthmakontrolle, d.h. Zunahme der BHR, ist erkennbar an einer erhöhten Peak-flow-Variabilität mit «morning dipping».5
Eosinophiles Adult-onset-Asthma
Schon 1918 beschrieb Francis M. Rackemann in einer Analyse seiner Asthmapatienten Betroffene, bei denen sich ihre Erkrankung erst im Erwachsenenalter manifestiert hatte und die im Bereich der oberen Atemwege oft eine nasale Polyposis mit Abnahme des Riechvermögens und teilweise sogar eine ASS/Metamizol/COX-2-Hemmer-Intoleranz (M. Widal) aufwiesen.6 Er selbst nannte 1947 diesen Asthmaphänotyp «intrinsic asthma». Ihm fiel bereits auf, dass trotz meist fehlender Auslösung durch exogene Inhalationsallergene die Bluteosinophilie ausgeprägter war als bei einer allergischen Reaktion. Marijke Amelink nannte dieses Krankheitsbild als Erste eosinophiles Late-onset-Asthma.7 Hier fehlen die typischen Asthmasymptome, Ausdruck der BHR, oft weitgehend.8 Analog zur Entzündung der Schleimhaut der proximalen Interphaleangealgelenke bei der chronischen Polyarthritis persistiert die Typ-2-Entzündung und nimmt spontan wieder zu, wenn die Dosis therapeutischer Kortikosteroide (ICS/OCS) unter eine individuelle Schwellendosis gesenkt wird. Geschieht dies beim Ausschleichen einer Steroidtherapie, werden die Nase mit Rhinorrhö, die Bronchien mit Husten und Expektorationen symptomatisch, sodass klinisch oft von einer infektbedingten Exazerbation ausgegangen wird. Nur der Nachweis einer erhöhten Eosinophilenzahl im Diffenzialblutbild bzw. eines erhöhten FeNO-Werts beim Pneumologen kann diese Annahme widerlegen. Für dieses Krankheitsbild bestand in der Medizin lange Zeit ein gewisser Neglect. Erst als die pharmazeutische Industrie 2016 mit Biologika (zuerst Mepolizumab) auf den Markt kam, die eine massive Einsparung therapeutischer Kortikosteroide erlaubten und umso besser wirkten, je ausgeprägter initial die Eosinophilie war, wurde diesem Phänotyp mehr Beachtung geschenkt. Dies, obwohl er auch in der deutschsprachigen Literatur schon 1973 sehr fundiert beschrieben worden war.9 Overlaps beider Phänotypen sind möglich, d.h. in der Kindheit allergisches Asthma, im Alter ganzjährige, Allergen-unabhängige Eosinophilie.
Exazerbationen des allergischen Early-onset-Asthmas
Vermehrte Allergenexposition bewirkt die Abnahme der Asthmakontrolle, u.a. erkennbar an der Abnahme des ACT-Scores.10 Die BHR steigt, sodass auch bereits unspezifische Reize wie kalte, trockene Luft (Winter bzw. fehlende Befeuchtung der Luft bei sportbedingter Mundatmung) zu Symptomen wie anstrengungsinduzierter Bronchospasmus, morgendlicher Enge mit rascher Besserung auf einen inhalativen Betastimulator, nächtlichem Husten und nächtlichem Erwachen mit Atemnot führen. Konsekutive Verschlechterungen können schnell auftreten und zeigen sich durch klare Asthmasymptome, weshalb der ACT und die Kriterien der Exazerbation nach den GINA-Richtlinien auf dieser Symptomatik basieren.11
Exazerbationen des eosinophilen Adult-onset-Asthmas
Dieser Phänotyp weist oft eine sehr viel geringere BHR auf. Die Typ-2-Entzündung baut sich bei ungenügender therapeutischer Suppression langsam auf, mit oft lange nicht bemerkter Zunahme der Obstruktion. Klinisch imponieren produktiver Husten und Belastungsdyspnoe. Lungenfunktionsanalytisch zeigt sich eine auf Betastimulatoren nicht reversible Obstruktion. Da Patienten zum Zeitpunkt der Erstmanifestation der Erkrankung oft Raucher waren oder noch sind, sprechen sowohl die Anamnese, die Klinik als auch die Lungenfunktion für eine COPD. Die Diagnose Asthma kann nur dann gestellt werden, wenn noch vor dem Beginn eines Kortisonstosses Blut für ein Differenzialblutbild abgenommen wird und eine FeNO-Messung erfolgt. Erhöhte Werte sowie die Normalisierung der Lungenfunktion nach Gabe von OCS in ausreichender Dosis erlauben es, die Diagnose Asthma zu beweisen und eine COPD zu widerlegen.
Da Patienten bei sich aufbauender Exazerbation oft schon längere Zeit unter Husten und Belastungsdypnoe leiden, wird dies aufgrund des Fehlens akuter Symptome, konsekutiv ungenügender Schärfe des ACT und ungenügender Abbildung dieser Situation in den GINA-Richtlinien oft längere Zeit verpasst, d.h. die Diagnose einer «Exazerbation» nicht rechtzeitig gestellt. Die «Special Interest Group Obstructive Lung Diseases» der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie hat deshalb eine alternative Methode zur frühen Diagnose der Exazerbation beim eosinophilen Adult-onset-Asthma vorgeschlagen: Sinkt bei mehrfachen Kontrollen die FEV1 nach Bronchospasmolyse unter 90% der individuell besten FEV1 bei parallel erhöhten Markern der Typ-2-Entzündung (FeNO und/oder Bluteosinophilie), liegt bereits eine Exazerbation vor, d.h. eine Intensivierung der Therapie ist indiziert.12 Bei schwerem Asthma lassen sich so schneller klinisch relevante Exazerbationen, die mindestens einen 3-tägigen OCS-Stoss erfordern, diagnostizieren. Damit werden die Kriterien der Limitatio für Asthmabiologika rascher erfüllt, sodass der Patient Kostengutsprache für einen 4-monatigen Therapieversuch erhalten kann. Die Behandlung wird natürlich nur dann weitergeführt, wenn sich ein gutes Ansprechen auf die neue Therapie dokumentieren lässt.
Beim Early-onset-Asthma steht bei der Spirometrie bzw. der Peak-flow-Messung immer der Wert vor Bronchospasmolyse im Fokus. Das Absinken zeigt die Abnahme der Asthmakontrolle. Beim Adult-onset-Asthma dagegen liegt der Fokus auf dem Wert nach Bronchospasmolyse. Bei geringerer BHR ist die Bedeutung des Bronchospasmus hier viel geringer, die bronchiale Obstruktion ist vielmehr Ausdruck der Schwellung der Mukosa und eines «mucus plugging»13 der Bronchien. Beide Mechanismen zeigen natürlich keine Besserung durch Betastimulatoren.
Allgemeine therapeutische Grundsätze
Sowohl den Asthmaphänotypen mit Typ-2-Inflammation wie auch der atopischen Dermatitis liegt eine Dysfunktion der epithelialen Barriere zugrunde.14 Diese ist teilweise genetisch determiniert, kann aber auch sekundär durch Schädigung der Mukosa zur Erstmanifestation der Erkrankung bzw. zu konsekutiven Exazerbationen führen. Solche Noxen sind Feinstaub in der Luft (Dieselruss, Kohle- und Holzbrand, Zigaretten), Allergene, Viren und chemische Substanzen wie Chlorgas, Detergentien und Flächen-Desinfektionsmittel. Entsprechend wichtig ist es für die Erkrankten, dass, sofern erforderlich, Allergenkarenzmassnahmen getroffen werden und im Falle von viralen Infekten naher Angehöriger bzw. beim Fahren im überfüllten ÖV eine FFP2-Maske getragen wird. Impfungen gegen Influenza und Covid-19 sind sinnvoll. Im Haushalt bzw. bei der Arbeit sollten keine starken Putzmittel wie Javelwasser eingesetzt werden. Ausserdem sind Nichtrauchen bzw. auch das Meiden von Passivrauchen wichtig. Die Konzentration an Innenraumallergenen bzw. Feinstaub kann durch den Einsatz eines Luftreinigers mit HEPA-Filter deutlich reduziert werden.
Topische Steroide (ICS) stellen den Grundstein der Therapie des Asthmas dar, auch im Kindesalter. Besonders hier ist eine gute Asthmakontrolle unabdingbar, damit sich das Bronchialsystem adäquat entwickeln kann und die Lungenfunktion zu Beginn des Erwachsenenalters Normalwerte erreicht. Erst beim schweren Asthma, d.h. den Schweregraden entsprechend GINA-Therapiestufe 4 und 5, kommen Biologika (Anti-IL-5, Anti-IL-4/13-Antikörper) zum Zug, die häufig eine massive Reduktion der Exazerbationen und des Steroidbedarfs erlauben.
Therapie beim allergischen Early-onset-Asthma
Wird die asthmatische Aktivität überwiegend durch die Allergenexposition bei bestehenden Sensibilisierungen getriggert, sind Allergenkarenzmassnahmen (z.B. Milbensanierung etc.) indiziert und eine eventuelle Allergen-Immuntherapie (AIT) sollte evaluiert werden.
Bei der medikamentösen Therapie hat sich in den letzten Jahren das MART-Schema (MAintenance and Reliever Therapy) auch in den GINA-Richtlinien durchgesetzt. Die beiden Formoterol- sowie ICS-haltigen Kombipräparate Symbicort® Turbohaler® und Foster® Dosieraerosol sind dafür zugelassen.15,16 Bereits beim leichten Asthma in Therapiestufe 1 nach GINA werden sie im Notfall eingesetzt, bei höheren Therapiestufen als Basis- und Notfalltherapie.17 Möglich ist dies durch den lang wirkenden Betastimulator Formoterol, der innert weniger Minuten den Bronchospasmus lösen kann, aber eine so hohe therapeutische Breite besitzt, dass Symbicort® 200/6 bis zu 12-mal täglich kurzzeitig appliziert werden kann und Foster® 100/6 immerhin noch 8-mal täglich. Die Patienten behandeln einen beginnenden Verlust der Asthmakontrolle also selber mit kurzzeitig hohen ICS-Dosen mit der Folge, dass sich oft eine eigentliche Exazerbation vermeiden lässt. Die Patienten müssen aber informiert sein, dass im Fall eines ungenügenden Ansprechens nach 2 Tagen in höchster Dosis eine ärztliche Notfallkonsultation erforderlich ist.
Mit korrektem Einsatz des MART-Schemas erübrigt sich in vielen Fällen die Kontrolle des Peak flows, bei der auf das Absinken der Werte vor Bronchospasmolyse geachtet wird. Auf diesem prozentualen Absinken vom individuellen Bestwert basiert auch das Ampelschema des Asthma-Tagebuchs der Lungenliga Schweiz.
Therapie beim eosinophilen Adult-onset-Asthma
Da hier eine intrinsische Aktivität der Typ-2-Inflammation vorhanden ist, Exazerbationen u.a. dann auftreten, wenn die ICS/OCS-Dosis unter die individuell nötige Schwellendosis abgesenkt wird, und sie anfangs wenig symptomatisch sind, macht eine MART-Therapie weniger Sinn. Werden dagegen ICS (u.U. auch Biologika und OCS) in ausreichender Dosis konstant appliziert, kann eine gute Asthmakontrolle oft über lange Zeit erhalten bleiben.
Als ICS hat sich hierbei das Fluticason als besonders wirksam erwiesen. Das seit Jahrzehnten eingesetzte Fluticason-Propionat führte allerdings in hoher therapeutischer Dosis zu systemischen Nebenwirkungen, teils Supprimierung der Nebennierenachse, sodass dem modernen Fluticason-Fuorat in Kombination mit einem langwirkenden Betastimulator (Relvar®) der Vorzug gegeben werden sollte.18
Wie oben bereits erwähnt, muss zur frühzeitigen Detektion einer langsam progredienten Exazerbation der Fokus auf der FEV1 bzw. dem Peak-flow nach Bronchospasmolyse gelegt werden. Die relevante Zunahme der Symptomatik wird oft erst spät für Patient und Arzt erkennbar, sodass in vielen Fällen ohne Objektivierung von Lungenfunktionsparametern die Diagnose der Exazerbation zu spät erfolgt und Patienten damit gefährdet sind.
Zusammenfassung
Die beiden Hauptphänotypen des Asthmas unterscheiden sich auch in der Klinik. Insofern sind nicht nur bei der Therapie, sondern auch bei der Diagnostik Phänotyp-spezifische Untersuchungen erforderlich. Im Falle einer Exazerbation sollte auch in der hausärztlichen Praxis, noch vor dem Beginn einer OCS-Therapie, ein Differenzialblutbild abgenommen und extern verschickt werden, da die Praxis-Coulter meist die Eosinophilenzahl nicht erfassen. Des Weiteren wird idealerweise noch vor dem Beginn und am Ende eines OCS-Stosses eine Spirometrie durchgeführt.
In der Praxis sollte auch nicht vergessen gehen, dann eine Spirometrie durchzuführen, wenn der Patient sich gerade vollständig beschwerdefrei fühlt, um den individuellen Bestwert, an dem sich die Therapie später orientiert, zu erfassen.◼
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