
16. Dezember 2021
Die Patientenverfügung in Zeiten von Covid-19
Eine künstliche Beatmung ist bei einer schweren Covid-19-Erkrankung meist unumgänglich. Doch schließen viele Patientenverfügungen eine solche ausdrücklich aus. Bedacht hat die gegenwärtige Covid-19-Pandemie bei Erstellung der Verfügung wohl niemand. Dennoch wurde durch die Pandemie die Wahrscheinlichkeit wesentlich erhöht, dass ein Patient künstliche Beatmung benötigt, und die Frage ist: Was hätte der Patient nun entschieden, wenn ihm die (künftige) pandemische Entwicklung bewusst gewesen wäre? Was tun?
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Die verbindliche Patientenverfügung
Die verbindliche Patientenverfügung des §4 Patientenverfügungs-Gesetz (PatVG) verkörpert den historischen Willen des Erstellers und bindet den Arzt gleichermaßen wie eine unmittelbare (Behandlungs-)Entscheidung des Patienten, sofern
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die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, konkret beschrieben sind oder aus dem Gesamtzusammenhang hervorgehen,
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der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt,
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eine umfassende ärztliche Aufklärung einschließlich einer Information über Wesen und Folgen der Patientenverfügung für die medizinische Behandlung vorangegangen ist,
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die Verfügung vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen oder eines Erwachsenenschutzvereins erichtet wurde und
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der Patient über die Folgen und die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit informiert wurde sowie
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die Verfügung entsprechend dokumentiert und in ELGA zur Verfügung gestellt wurde.
Die beachtliche Patientenverfügung
Eine (einfache) beachtliche Patientenverfügung liegt vor, wenn eine oder mehrere der oben genannten Voraussetzungen, die das PatVG für eine verbindliche Verfügung vorschreibt, fehlen. Die Verfügung ist umso beachtlicher, je mehr Voraussetzungen vorliegen bzw. je weniger Voraussetzungen fehlen.
Was tun?
Der Arzt bzw. Sanitäter hat bei Vorliegen einer Patientenverfügung selbst zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine verbindliche Verfügung vorliegen. Bei Zweifeln an der Wirksamkeit oder Verbindlichkeit der Verfügung sind dringende lebenserhaltende Maßnahmen jedenfalls zu ergreifen.
Hat eine Person in einem solchen Schriftstück ausdrücklich Abstand von einer künstlichen Beatmung genommen, so hat sich der behandelnde Arzt im Krisenfall – d.h., wenn der Betroffene selbst keine hiervon abweichende Entscheidung mehr fällen kann – zunächst prinzipiell daran zu halten. Eine Ausnahme besteht bei Gefahr in Verzug: In jenen Fällen, in denen das Leben des Patienten ernstlich gefährdet ist, hat gemäß §12 PatVG die Suche nach der Patientenverfügung zu unterbleiben.
Ist die Verfügung jedoch offen formuliert und hat der Patient keine konkret krankheitsbezogen exakt formulierte Verfügung erstellt, sollte diese Verfügung nochmals mit der Erkundung des hypothetischen Parteiwillens (Wie hätte der Patient bei Wissen über die Situation entschieden?), der redlichen Verkehrs-sitte undunter dem Grundsatz von Treu und Glauben (unter Einbeziehung einer „redlichen Weltanschauung“) neu ausgelegt werden.
Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass sich die betroffene Person im Zweifel für das Leben und gegen den Tod entschieden hätte.