24. Juni 2021
Adjuvantes Olaparib bei frühem BRCA-mutiertem Hochrisiko-Mammakarzinom
„Die Ergebnisse der OlympiA-Studie sind ‚practice-changing‘!“
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Die Phase-III-Studie ABCSG 41/OlympiA wurde als eines der großen Highlights beim diesjährigen ASCO-Kongress in der Plenary Session präsentiert. Die Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) hat einen entscheidenden Beitrag geleistet. Wir sprachen mit dem Principal Investigator der Studie in Österreich, Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, über die Ergebnisse und seine Einschätzung der Daten.
Herr Prof. Singer, am ASCO-Kongress wurden die Ergebnisse der OlympiA-Studie präsentiert. Was wurde in der Studie untersucht?
C. Singer: OlympiA bzw. ABCSG 41 ist eine multizentrische, randomisierte placebokontrollierte Phase-III-Studie, die den Einsatz des PARP-Inhibitors Olaparib bei Patientinnen mit frühem HER2-negativem Hochrisiko-Mammakarzinom mit BRCA1/2-Keimbahnmutationen untersucht. Die Inhibition von PARP hat sich bereits bei anderen soliden Tumoren im fortgeschrittenen Stadium bei Nachweis einer BRCA1/2-Mutation bewährt wie z.B. beim Ovarial-, Pankreas- und Prostatakarzinom.
In die OlympiA-Studie wurden Patientinnen mit HER2-negativem, hormonrezeptorpositivem (HR+) oder tripelnegativem Mammakarzinom (TNBC) im Stadium II–III oder ohne pathologische Komplettremission (pCR) nach (neo)adjuvanter Chemotherapie eingeschlossen. Alle Studienteilnehmerinnen mussten eine Keimbahnmutation von BRCA1 oder BRCA2 aufweisen. Die Patientinnen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: eine neoadjuvante und eine adjuvante Gruppe. In der neoadjuvanten Gruppe musste bei HR+ Patientinnen zusätzlich zur fehlenden pCR ein CPS + EG Score von ≥3 vorliegen. In der adjuvanten Gruppe mussten die Patientinnen mit TNBC nodal-positiv sein oder eine Tumorgröße von über zwei Zentimeter aufweisen. Bei Vorliegen eines HR+ Tumors mussten in der adjuvanten Gruppe ≥4 Lymphknoten befallen sein. Insgesamt handelt es sich also um eine Gruppe von Patientinnen mit einem sehr hohen Risiko, was das Wiederauftreten von Karzinomen betrifft.
1836 Patientinnen wurden in die Studie eingeschlossen und erhielten nach lokaler Primärbehandlung und (neo)adjuvanter Chemotherapie 1:1 randomisiert entweder Olaparib (300mg, bid) oder Placebo für ein Jahr. Der primäre Endpunkt der Studie war das Überleben frei von invasiver Erkrankung (iDFS). Sekundäre Endpunkte waren unter anderem das Überleben frei von Fernmetastasen (dDFS) und das Gesamtüberleben (OS).
Abb. 1: Überleben frei von invasiver Erkrankung (iDFS) in der OlympiA-Studie (nach Tutt A et al. 2021)
Was waren die Ergebnisse der Studie?
C. Singer: Nach einem medianen Follow-up von 2,5 Jahren betrug die 3-Jahres-iDFS-Rate in der Olaparib-Gruppe 85,9% im Vergleich zu 77,1% in der Placebogruppe (HR: 0,58; 99,5% CI: 0,41–0,82; p<0,0001) (Abb. 1). Der Unterschied in der 3-Jahres-iDFS-Rate beträgt somit 8,8%. Diese Ergebnisse sind sehr beeindruckend, solche Rezidivraten sehen wir selten! Ebenfalls vorteilhaft für die Olaparib-Gruppe war das metastasenfreie Überleben. Die 3-Jahres-dDFS-Rate war im Olaparib-Arm 87,5% versus 80,4% im Placeboarm (HR: 0,57; 99,5% CI: 0,39–0,83; p<0,0001) (Abb. 2). Auch die OS-Daten wurden am ASCO-Kongress präsentiert, wobei diese Daten noch unreif sind und die statistisch festgelegte Signifikanzgrenze noch nicht erreicht wurde. Nach 3 Jahren belief sich die OS-Rate bei Patientinnen unter Olaparib auf 92,0% versus 88,3% unter Placebo (HR: 0,68; 99,8% CI: 0,44–1,05; p=0,024, n.s.) (Abb. 1). Hier müssen wir die Daten der nächsten Monate und Jahre abwarten. Wichtig ist, dass alle Subgruppen, die in diese Studie eingeschlossen wurden, gleichermaßen profitiert haben. Die Therapie war im Allgemeinen sehr gut verträglich. Die meisten unerwünschten Ereignisse waren von Grad 1 und 2. Die häufigsten Ereignisse von Grad ≥ 3 waren Anämien, Fatigue und Leukopenien. Die Therapie mit Olaparib ist also eine hocheffektive, relativ nebenwirkungsarme Therapie. Deshalb wird diese Therapie bei diesem Patientenkollektiv in Zukunft sicherlich ein Standard werden, sobald Olaparib in dieser Indikation zugelassen wird. Die Ergebnisse der OlympiA-Studie sind somit „practice-changing“!
Abb. 2: Überleben frei von Fernmetastasen (dDFS) in der OlympiA-Studie (nach Tutt A et al. 2021)
Was bedeutet das für die künftige Behandlung von Patientinnen mit frühem Mammakarzinom?
C. Singer: Wir müssen in Zukunft alle Patientinnen mit frühem HER2-negativem Mammakarzinom und einem erhöhten Rezidivrisiko auf das Vorhandensein einer BRCA1/2-Keimbahnmutation testen. Wichtig ist, dass die Tests aus dem Blut gemacht werden, damit die Keimbahnmutationen erfasst werden. In Zukunft sollte meiner Meinung nach bei entsprechender Zulassung keiner Patientin bei Vorhandensein einer BRCA1/2-Mutation und dieser Hochrisikosituation Olaparib vorenthalten werden. Das ist eine der wichtigsten Studien, die in den letzten Jahren beim frühen Mammakarzinom in dieser aggressiven Subgruppe der HER2-negativen Patientinnen präsentiert wurde!
Abb. 3: Gesamtüberleben (OS) in der OlympiA-Studie (nach Tutt A et al. 2021)
Sie sind Principal Investigator in Österreich im Rahmen der ABCSG-Beteiligung an der OlympiA-Studie. Wie verlief die Beteiligung an dieser großen internationalen Studie?
C. Singer: Wir in der ABCSG sind sehr stolz darauf, dass wir auf die Größe unseres Landes gerechnet die meisten Patientinnen in die Studie rekrutieren konnten. Das ist deshalb so, weil wir in Österreich ein sehr gut funktionierendes System der genetischen Beratung und der BRCA-Mutationsanalyse bereits vor Beginn der Studie hatten. Wir haben dieses System bereits vor vielen Jahren hier aufgebaut und es funktioniert außerordentlich gut! Das wird sicherlich auch dazu führen, dass wir in Zukunft allen Frauen, die jetzt an einem HER2-negativen Hochrisiko-Mammakarzinom neu erkranken, diese genetische Analyse anbieten können. Wichtig ist, dass die behandelnden Fachärzte aus der Onkologie, Chirurgie oder Gynäkologie sehr früh beginnen, dieses Thema aufzugreifen und mit den Patientinnen die Möglichkeit dieser PARP-Inhibitor-Therapie besprechen. Es soll also eine genetische Beratung durchgeführt und die BRCA-Analyse initiiert werden.
Wo sollen diese Beratungen stattfinden?
C. Singer: Man kann Patientinnen, die mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert sind, nicht zumuten lange auf den BRCA-Befund zu warten. Daher muss die Beratung rasch, niederschwellig und durch den betreuenden Senologen angeboten werden. Die Proben werden dann zu uns ans Zentrum eingeschickt und wir senden die Ergebnisse zurück an das lokale Zentrum. Dort wird die Patientin dann von ihrem behandelnden Arzt/ihrer Ärztin über das Ergebnis der molekulargenetischen Analyse und sich daraus möglicherweise ergebenden therapeutischen Konsequenzen informiert.