Fallbeispiele aus der Tropenmedizin

Der febrile Reiserückkehrer

In aller Regel ist Fieber ein führendes Symptom bei Reiserückkehrern, oft kommt es auch zu gastrointestinalen und dermatologischen Problemen. PD Dr. Andreas Neumayr, Basel, erklärt, woran auch Allgemeinmediziner denken sollten, wenn sie erkrankte Reiserückkehrer sehen. Dabei gilt immer: Häufiges ist häufig, Seltenes ist selten.

Bei Fieber ist, unter Einbeziehung weiterer klinischer und/oder laborchemischer Parameter, eine Einteilung möglich, in der sich die meisten Tropenkrankheiten und einige weitere infektiöse Erkrankungen finden lassen (Abb. 1).

„Wir stellen uns bei einem febrilen Reiserückkehrer, nach Betrachtung der Klinik und des Labors, in der Regel drei wichtige Fragen“, so PD Dr. Andreas Neumayr, Chief Medical Officer am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut Basel. „Zunächst geht es um die Inkubationszeit, die wir ja bei Reiserückkehrern meist ganz gut eingrenzen können. So wissen wir z.B., dass es sich, wenn bei Symptombeginn seit der Rückkehr von der Reise mindestens 21 Tage vergangen sind, nicht um ein virales hämorrhagisches Fieber wie Ebola oder Lassa handeln kann.“ Die nächste Frage, die sich stellt, ist jene nach der epidemiologischen Plausibilität, die natürlich etwas mit der Häufigkeit einer Erkrankung im jeweiligen Reisegebiet zu tun hat. Der dritte Punkt sind spezifische Expositionsrisiken, wie z.B. Süßwasserkontakt (Leptospirose, Bilharziose), Genuss von unpasteurisierter Milch (Brucellose, Salmonellose, FSME, Tuberkulose), Verzehr von rohem Schweinefleisch (Trichinellose) oder Höhlenbesuche (Histoplasmose, Marburg-Fieber), um nur einige zu nennen.

Labordiagnostik

„Das notwendige Basislabor in der Reisemedizin ist relativ begrenzt“, so Neumayr weiter. „In der Regel reichen zunächst ein Differenzialblutbild, CRP, Transaminasen und Kreatinin, ein Harnstatus, gegebenenfalls Blutkulturen und ein Nullserum.“ Letzteres wird vorerst nur eingefroren, aber noch nicht konkret untersucht. „Das Nullserum hat den Sinn, dass es Diagnosen gibt, die wir nur serologisch beantworten können, und dafür brauchen wir ein Vergleichsserum, um z.B. nachträgliche Titeranstiege beweisen zu können“, erklärte der Tropenmediziner. „Was Blutkulturen angeht, so gibt es dafür keine allzu starren Regeln. Wann man sie abnimmt, hat viel mit klinischem Gespür zu tun.“

Wenn in den letzten zwölf Monaten ein Aufenthalt in einem Malariagebiet stattgefunden hat, kommen eine Malaria-Mikroskopie (EDTA-Blut) und ein Malaria-Schnelltest zur Anwendung. Falls in den letzten zwei Wochen ein Aufenthalt in einem Risikogebiet für Arboviren erfolgt ist, wird ein Dengue-Test (Schnelltest oder PCR) durchgeführt und ggf. auch auf Chikungunya- oder Zika-Viren getestet.

Chefarzt am Zentrum für Tropen- und Reisemedizin

Swiss Tropical and Public Health Institute, Basel

Adjunct Professor am Department Public Health & Tropical Medicine

James Cook University, Townsville, Australien

E-Mail: andreas.neumayr@swisstph.ch


PD Dr. Andreas Neumayr, DTM&H, MCTM

Last, not least: Trypanosomiasis

„Es gibt noch eine zweite Kombination aus Fieber und Hautläsion, die man kennen sollte“, fuhr Neumayr fort. „Es handelt sich um den sogenannten Schanker der afrikanischen Schlafkrankheit als Korrelat der Bissstelle der Tsetse-Fliege; mit anderen Worten: um eine Trypanosomiasis.“ Typisch ist diese Infektion für Afrika südlich der Sahara, wobei es eine westafrikanische, durch Trypanosoma brucei gambiense, und eine ostafrikanische, durch Trypanosoma brucei rhodesiense ausgelöste Form gibt. Die westafrikanische Form der Trypanosomiasis zeigt einen eher langsamen Verlauf, während die ostafrikanische Form sehr viel aggressiver ist. Die Diagnose wird häufig mikroskopisch, bei der Suche nach Malariaerregern, gestellt. Die Therapie bedingt obligat eine Hospitalisierung und hängt vom Erreger und Stadium der Erkrankung ab.

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Fieber + Exanthem:

Arbovirose (Dengue-Fieber & Co.)

Rickettsiose

Masern/Röteln/Parvo B19

Typhus (Roseolen)

HIV

Rückfallfieberborreliose

Fieber + Thrombozytopenie:

Malaria

Arbovirose (Dengue-Fieber & Co.)

Rickettsiose

Typhus

Leptospirose

HIV

Rückfallfieberborreliose

Trypanosomiasis

virales hämorrhagisches Fieber

Fieber + fokale Hautläsion:

Rickettsiose (Eschar)

Trypanosomiasis (Schanker)

Fieber + Diarrhö:

invasive bakterielle Enteritis

intestinale Amöbiasis

Fieber + abdominale Beschwerden ohne Diarrhö:

abdominaler Typhus

Amöbenleberabszess

Fieber + respiratorische Symptome:

bakterielle Pneumonie (CAP)

viral (Influenza, CoV, RSV, aviäre Influenza etc.)

Legionellose

akute Schistosomiasis/Bilharziose

Q-Fieber

Melioidose

Histoplasmose

Tuberkulose

pulmonale Hantavirusinfektion

aviäre Influenza

Fieber + Ikterus:

Malaria

Dengue-Fieber

akute Virushepatitis

Leptospirose

Trypanosomiasis

virales hämorrhagisches Fieber

Fieber + Nierenversagen:

Malaria

Leptospirose

Sepsis

Hantavirusinfektion

Fieber + Lymphozytose:

[Def.: >40% Lymphozyten ± atyp.]

EBV, CMV, HI

Fieber + Eosinophilie:

[Def.: absolute Eos. ≥500/mm²]

akute Schistosomiasis

(= Bilharziose)

Abb. 1: Syndromale Differenzialdiagnose bei febrilen Reiserückkehrern: klinisch und laborchemisch (nach Neumayr/Swiss TPH)

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Fieber + Lymphozytose:

[Def.: >40% Lymphozyten ± atyp.]

EBV, CMV, HI

Fieber + Nierenversagen:

Malaria

Leptospirose

Sepsis

Hantavirusinfektion

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FALL 1:

Malaria

Es handelt sich um einen 32-Jährigen, der vor drei Wochen von einer vierwöchigen Rundreise durch Westafrika zurückgekehrt ist. „Aufgrund dieser Information können schon einige Differenzialdiagnosen, wie Arboviren oder Erreger von hämorrhagischem Fieber, ausgeschlossen werden“, stellte Neumayr fest. Seit zwei Tagen hat der Patient Fieber und Schüttelfrost sowie begleitend grippeartige Kopf- und Gliederschmerzen. Der Blutdruck liegt bei 110/85mmHg, der Puls bei 96/min und die Temperatur bei 38,2°C, sonst finden sich in der körperlichen Untersuchung keine Auffälligkeiten. Im Labor fallen eine Thrombozytopenie von 87000/µl und ein CRP von 43mg/l auf.

Diagnose: „Unsere DifferenzialdiagnoseNr.1 bei der Kombination Fieber und Thrombopenie ist Malaria“, so der Experte. Wenn man hier nun die drei oben genannten Fragen stellt, so findet man eine plausible Inkubationszeit, die zwischen einer Woche und mehreren Monaten liegen kann. Die Epidemiologie ist sehr plausibel, da Malaria in Westafrika häufig vorkommt und die allermeisten Fälle in Europa aus West- und Zentralafrika importiert werden. Bezüglich des Expositionsrisikos hielt Neumayr fest: „Die Einnahme einer Malariaprophylaxe schließt eine Ansteckung nicht aus, und eine Mückenstichanamnese ist sinnlos.“

Bei Auftreten von Fieber während oder nach Aufenthalt in einem Malariagebiet muss eine Malaria immer unverzüglich ausgeschlossen werden, auch wenn zuverlässig eine Chemoprophylaxe eingenommen wurde. «Das soll aber nicht heißen, dass die Prophylaxe sinnlos ist, ganz im Gegenteil: Sie schützt zuverlässig vor schweren Verläufen und dem Tod durch Malaria“, betonte Neumayr. Die Malaria ist allerdings von anderen fieberhaften Infekten (wie Influenza, Dengue, Typhus etc.) klinisch nicht zu unterscheiden. Auch das Vorliegen von trockenem Husten oder Durchfall schließt eine Malaria nicht aus.

„Wenn ich sage, die Abklärung muss ,unverzüglich‘ erfolgen, meine ich wirklich: am selben Tag“, betonte der Tropenmediziner. Die Mikroskopie ist und bleibt der aktuelle Goldstandard für die Malariadiagnose. „Wenn allerdings die nötige Expertise für die Mikroskopie fehlt, kann ein Schnelltest besser sein – diese Tests sind an und für sich sehr gut. Und die Mikroskopie ist eine aussterbende Kunst, weil man das regelmäßig machen muss, um es wirklich zu können“, kommentierte er.

Wichtig ist auch ein weiterer Punkt: Bei nichtimmunen Patienten (und das sind Reisende aus Europa in der Regel) kann eine Symptomatik schon bestehen, bevor die Parasitämie ausgeprägt genug ist, um mittels Mikroskopie oder Schnelltest diagnostizierbar zu sein. Ein einzelner negativer Test, sei es Mikroskopie oder Schnelltest, schließt daher eine Malaria nicht aus. Um sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, bedarf es dreier negativer Sets von Mikrokopie/Schnelltest im Abstand von jeweils 12–24 Stunden oder einer negativen PCR.

„Bei den Schnelltests muss man wissen, dass sie für Nicht-Falciparum-species nicht zu 100% verlässlich sind, und bei niedrig-parasitären Erkrankungen können sie falsch negativ sein“, so Neumayr. „Deshalb wird zunehmend die PCR verwendet, die eine ausgezeichnete Sensitivität und Spezifität aufweist. Aber zumindest einmal sollte auch bei Verwendung einer PCR trotzdem mikroskopiert werden, und zwar deshalb, weil die Differenzialdiagnose eines febrilen Reiserückkehrers auch – potenziell lebensgefährliche – Erreger umfasst, die in keiner Multiplex-PCR enthalten sind und für die es auch keine anderen spezifischen Tests gibt“, warnte der Tropenmediziner. „Hier handelt es sich z.B. um Trypanosomen (s.u.), Borrelien als Erreger von Rückfallfieber oder Babesien. Die sieht man aber alle ganz gut im Mikroskop.“

Beim hier beschriebenen Patienten weist ein positiver Schnelltest auf Plasmodium falciparum hin, was mikroskopisch, im dicken Tropfen und im Ausstrich, bestätigt wird. Die Parasitämie liegt bei 0,5% (Anteil der befallenen Blutzellen), es handelt sich also um eine leichte Malaria.



Therapeutisches Vorgehen: Für die Therapieentscheidung stratifiziert man zwischen unkomplizierter und schwerer Malaria (Abb. 2). Für die Klassifikation einer schweren Malaria gibt es WHO-Kriterien, die eine ganze Reihe von Aspekten umfassen, wie z.B. zerebrale Beteiligung, ARDS, Azidose, Kreislaufschock, schwere Anämie oder Hyperparasitämie.

Die Therapie der Malaria besteht in Artemether/Lumefantrin (Raimet®) p. o. für fünf Tage. Dabei sollte ein tägliches klinisches und laborchemisches (Blutbild und Mikroskopie) Follow-up erfolgen, bis die Parasiten im Blut mikroskopisch nicht mehr nachweisbar sind und der Thrombozytennadir überwunden ist. „Schnelltests und PCR sind für das Follow-up nicht geeignet, weil beide Tests über Wochen positiv bleiben“, betonte Neumayr.

„Unkomplizierte Malaria“

ambulantes Management*

perorale Therapie

„Schwere Malaria“

stationäres Management

parenterale Therapie

* Voraussetzungen: kein Erbrechen, Patient ist zu Hause nicht allein, Patient ist compliant

Abb. 1: Therapiekonzept der Malaria (nach Neumayr/Swiss TPH)

FALL 2:

Dengue-Fieber

Eine 28-Jährige ist vor fünf Tagen von einer dreiwöchigen Thailandreise zurückgekehrt. Seit zwei Tagen klagt sie über Fieber, starke frontale Kopfschmerzen und Myalgien. Seit dem Vortag hat sie außerdem ein generalisiertes makulopapuläres Exanthem. Der Blutdruck beträgt 105/78mmHg, der Puls 98/min und die Temperatur 38,4°C. Das makulopapuläre Exanthem bedeckt den Stamm und die Extremitäten. Das Labor zeigt eine Thrombozytopenie (65000/µl) und ein erhöhtes CRP (28mg/l).

Diagnostik: Die Konstellation von Fieber, Exanthem und Thrombopenie spricht für einen Virusinfekt, konkreter für eine Arbovirose – und hier ist wiederum das Dengue-Fieber am wahrscheinlichsten. Die drei häufigsten Arboviren sind Dengue, daneben Chikungunya und Zika, die sich in der typischen Symptomatik ein wenig unterscheiden (Tab. 1). „Das Dengue-Fieber hat Fieber und Kopfschmerzen als Kardinalsymptome; Myalgien, Arthralgien und Exanthem können vorhanden sein, wobei die Schmerzen nicht so stark und nicht so sehr auf die kleinen Gelenke fixiert sind wie bei Chikungunya“, erklärte Neumayr. Die Inkubationszeit (<14 Tage) ist bei dieser Frau plausibel für Dengue, ebenso die Epidemiologie und das Infektionsrisiko (Mückenstich).

In der Diagnostik sollte man, auch wenn das Exanthem dagegen spricht, eine (eventuell komorbide) Malaria mittels Mikroskopie und Schnelltest ausschließen. Was Dengue selbst angeht, so gibt es einen dualen Test, der sowohl das NS1-Antigen (bei dieser Patientin positiv) als auch IgM- und IgG-Antikörper (bei dieser Patientin noch negativ) detektieren kann. Eine Dengue-PCR aus Blut ist nur in den ersten drei bis vier Tagen sinnvoll, weil danach kaum noch Virus-RNA im Blut nachweisbar ist. Die NS1-Antikörper sind hingegen länger nachweisbar, und ab Tag 4 bis 5 werden auch die IgM- und in der Folge die IgG-Antikörper positiv.

Der Verlauf des Dengue-Fiebers ist relativ homogen. Die ersten drei Tage sind die febrile Phase mit Virämie, in denen der Patient aber nicht gefährdet ist. Die kritische Phase umfasst den 4. und 5. Tag, weil es hier zu Kreislaufproblemen und Schock kommen kann. „Aufpassen muss man in dieser Phase vor allem, wenn das Fieber sinkt und die Thrombo- und Leukozyten abfallen“, warnte der Experte. Ab Tag 6 setzt die Erholungsphase ein.

Kriterien für einen schweren Dengue-Verlauf sind ausgeprägtes Plasma-Leckage, schwere Hämorrhagie und schwere Organstörungen. „Die meisten Patienten muss man aber auch in der kritischen Phase nicht hospitalisieren, da genügt es in der Regel, sie täglich zu sehen“, schränkte Neumayr ein.

Therapeutisches Vorgehen: Unkompliziertes Dengue-Fieber wird ambulant behandelt, wobei die Therapie symptomatisch ist und unter anderem orales Paracetamol (oder auch Ibuprofen) umfasst. Acetylsalicylsäure ist wegen des Blutungsrisikos verboten. Schweres Dengue-Fieber muss stationär behandelt werden, wobei die Flüssigkeitssubstitution im Vordergrund steht, ggf. werden auch ein Blutungs- und Gerinnungsmanagement und unter Umständen auch intensivmedizinische Maßnahmen benötigt.

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Ein adäquater Schutz vor Stechmücken ist in vielen Gebieten der Welt unumgänglich

FALL 3:

Rickettsiose

Ein 44-Jähriger ist vor zwei Tagen aus Südafrika zurückgekehrt, wo er eine 7-tägige Safari im Krüger-Nationalpark gemacht hat. Er klagt seit seiner Rückkehr über grippeähnliche Symptome mit Kopf- und Gliederschmerzen. Die Temperatur beträgt 37,8°C und er weist ein disseminiertes makulopapuläres Exanthem, eine singuläre Hautläsion mit zentraler Nekrose am rechten Unterschenkel (Eschar) und eine tastbare Lymphadenopathie in der rechten Leiste auf. Das CRP beträgt 45mg/l, die Thrombozyten 73000/µl, Kreatinin und Transaminasen sind normal.

Diagnose: Bei Fieber, Exanthem, fokaler Hautläsion und Thrombopenie kommt differenzialdiagnostisch eine Rickettsiose in die engere Wahl. Auch hier sollte zusätzlich eine Malaria ausgeschlossen werden. Eine PCR aus dem Rand des Eschars bestätigt bei diesem Patienten eine Rickettsiose.

Therapeutisches Vorgehen: Die Therapie besteht in Doxycyclin 2x100mg/d über 7 Tage.

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