16. Februar 2021
Teil 1
Das ärztliche Disziplinarrecht
Das Ärztegesetz kennt zwei Tatbestände, für welche sich Ärzte disziplinarrechtlich zu verantworten haben: die Beeinträchtigung des Ansehens der in Österreich tätigen Ärzteschaft sowie die Verletzung von Berufspflichten. In dieser Serie sollen sowohl das Disziplinarrecht (Teil 1) als auch das Disziplinarverfahren (Teil 2) näher vorgestellt werden.
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Das Disziplinarrecht ist im Ärztegesetz in dessen §§135 bis 191 geregelt; es nimmt daher – bei insgesamt 243 Paragrafen des Ärztegesetzes – eine bedeutende Stellung ein.
Tatbestände
Die beiden Tatbestände „Beeinträchtigung des Ansehens der in Österreich tätigen Ärzteschaft“ sowie „Berufspflichtenverletzung“ sind sehr weit gefasst: Jedenfalls fallen darunter kraft gesetzlicher Anordnung die Ausübung des ärztlichen Berufs trotz eines rechtskräftig verhängten befristeten Berufsausübungsverbots sowie die Verurteilung durch ein in- oder ausländisches Gericht wegen vorsätzlicher Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagsätzen oder einer Geldstrafe über EUR 36340,00. Im Falle einer oben beschriebenen gerichtlichen Verurteilung ist es zudem unerheblich, ob die Tat im Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung steht oder nicht oder ob die Strafe bedingt oder unbedingt verhängt wurde.
Berufspflichtenverletzung
Abgesehen von den beiden im Ärztegesetz ausdrücklich genannten Tatbeständen hat sich eine umfangreiche, sehr weite und einzelfallbezogene Judikatur der Disziplinarbehörden entwickelt, welche Verhaltensweisen das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigen und/oder Berufspflichtenverletzungen darstellen. Beispielsweise seien genannt:
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Verletzung der Verpflichtung, Patienten gewissenhaft zu betreuen (etwa Übersehen eines auffälligen, weiter abklärungsbedürftigen PSA-Werts; keine Aufklärung darüber, dass es sich bei einer empfohlenen Methode um eine experimentelle Außenseitermethode handelt; Unterlassung einer dringend gebotenen Krankenhauseinweisung; Unterlassen einer dringend gebotenen histologischen Abklärung; Ausstellung einer Krankheitsbescheinigung nach Fiebermessen durch Handauflegen, wodurch eine Gerichtsverhandlung verschoben werden muss; Anbieten von Leistungen außerhalb der Ordination im Rahmen einer Botox-Party)
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Verletzung der Werberichtlinien und -vorschriften (etwa durch aufdringliche und marktschreierische Inserate; Billigeneiner Berichterstattung, in der diese Richtlinien und Vorschriften missachtet werden, in den Medien, obwohl der Arzt auf den Inhalt der Berichterstattung Einfluss hatte; wahrheitswidriges Erwecken des Anscheins der medizinischen Exklusivität hinsichtlich bestimmter Leistungen; Anbieten von kostenlosen Erstberatungsgesprächen für ästhetische Behandlungen und Operationen; wahrheitswidrige Werbung, etwa durch bearbeitete Vorher-nachher-Bilder in Inseraten)
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Verletzung der Vorschriften über die Verpflichtung zur ärztlichen Fortbildung, etwa durch Nichterreichen der geforderten Diplomfortbildungspunkte
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Verletzung der Vorschriften des §54 Ärztegesetz über die Meldepflichten bei Vorliegen eines Verdachts auf strafbare Handlung gegenüber einem Patienten
Beeinträchtigung des Ansehens
Gegen das Ansehen des Standes verstoßen etwa die gravierende Beeinträchtigung eines Arztes durch Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, Störung einer wissenschaftlichen Tagung, sodass der Arzt entfernt werden muss, herabsetzende Äußerungen über einen Kollegen, Verwendung des Schildes „Arzt im Dienst“ ohne hinreichenden Grund, sexuelle Belästigung von Patienten, Verwendung ordinärer Ausdrücke in der Öffentlichkeit, die eines Arztes nicht würdig sind, aber auch einseitige Impfgegnerschaft.
Strafbarkeit
Alleine der Umfang der Aufzählung verdeutlicht zum einen, dass in jedem Einzelfall zu beurteilen ist, ob disziplinäres Fehlverhalten vorliegt oder nicht, und zum anderen, dass es für den normunterworfenen Arzt nicht immer einfach ist, im Vorhinein zu beurteilen, ob ein bestimmtes Verhalten, das er zu setzen gedenkt, disziplinärsein kann oder nicht.
Für die disziplinäre Strafbarkeit genügt fahrlässiges Verhalten. Es muss daher dem Arzt nicht geradezu darauf ankommen, disziplinär zu handeln, es genügt, wenn er mit gehöriger Sorgfalt die Strafbarkeit seines Verhaltens hätte erkennen können.
Verjährungsfristen
Das Ärztegesetz kennt keine allgemeine Verjährungsfrist. Es ist aber die weitere disziplinäre Verfolgung ausgeschlossen, wenn innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Disziplinaranwalts von dem einem Disziplinarvergehen zugrundeliegenden Sachverhalt keine Verfolgungshandlung gesetzt oder innerhalb von fünf Jahren nach der Beendigung eines disziplinären Verhaltens kein Einleitungsbeschluss gefasst wurde.
Disziplinarstrafen & Strafmaß
§139 Ärztegesetz sieht folgende Disziplinarstrafen vor:
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schriftlicher Verweis
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Geldstrafe bis zum Betrag von EUR 36340,00
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befristete Untersagung der Berufsausübung
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Streichung aus der Ärzteliste
Die Disziplinarstrafen können auch bedingt mit einer Bewährungsfrist von höchstens drei Jahren verhängt werden, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer bedingten Strafe den Arzt von der Begehung weiterer Straftaten abhalten wird und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Ärzte entgegenzuwirken.
Bei der Strafbemessung ist – wie im gerichtlichen Strafverfahren – auf die Größe der Schuld sowie der daraus entstandenen Nachteile vor allem für die Patientenschaft, bei Bemessung der Geldstrafe auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten Bedacht zu nehmen.