Stellungnahmen der Fachgesellschaften zu Covid-19

Covid-19: Empfehlungen für Patienten mit Leberkrankheiten

Infektionen mit dem SARS-Coronavirus 2 nehmen vor allem bei Menschen mit Komorbiditäten einen schweren Verlauf. Daher haben die European Association for the Study of the Liver (EASL) und die European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) ebenso wie die American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) Empfehlungen herausgegeben, wie Patienten mit chronischen Leberkrankheiten im klinischen Alltag zu betreuen sind.1,2

Derzeit liegen nur wenige Daten zum Einfluss von Leberkrankheiten auf den Verlauf von Covid-19 vor. Obwohl man vermuten könnte, dass Patienten mit einem fortgeschrittenen Leberleiden und Lebertransplantierte aufgrund der Immunsuppression zu den Risikogruppen in Bezug auf ein erhöhtes Infektionsrisiko und/oder einen schweren Verlauf von Covid-19 gehören, zeichnen aktuelle Daten aus Bergamo und Wuhan ein widersprüchliches Bild. Hier waren kaum Patienten mit chronischen Lebererkrankungen unter den Infizierten. Ebenso scheinen immunsupprimierte Personen, genauso wie Patienten ohne Zirrhose, die an chronischen Lebererkrankungen (chronische Virushepatitis, Autoimmunhepatitis, Fettleber...) leiden, nicht zu den Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko zu gehören – validierte Studien dazu sind allerdings noch nicht verfügbar.2,3 Die SARS-CoV-2-Pandemie belastet jedoch weltweit nachweislich die Ressourcen der Gesundheitssysteme, was sich nach Ansicht der EASL negativ auf die Behandlung chronisch kranker Patienten auswirken könnte. Die aktuellen Empfehlungen beinhalten daher Telemedizin sowie den Vorzug ambulanter Behandlungen außerhalb von Kliniken, um die nosokomiale Verbreitung des Virus zu vermeiden, aber dennoch den Versorgungsstandard für die Patienten aufrechtzuerhalten.1

Erhöhte Leberwerte bei schwerem Verlauf

Es hat sich gezeigt, dass erhöhte ALT-Werte, Thrombozytopenie und niedrige Albuminspiegel zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme eines Covid-19-Patienten mit einer höheren Mortalität verbunden sind.1,2In einer Studie aus China hatten 76,3% der Patienten mit Covid-19 pathologische Leberwerte und 21,5% einen signifikanten Leberschaden während der Hospitalisierung.4 Besonders wichtig ist die regelmäßige Kontrolle der Gerinnungsparameter, denn eine Covid-19-assoziierte Koagulopathie kann die pulmonale Funktion durch Thrombosierungen der kleinen, aber auch größeren Lungengefäße verschlechtern, wie auch eine rezente Arbeit aus Österreich gezeigt hat.5Unklar ist, ob die Veränderungen auf eine bestehende Leberkrankheit hinweisen, vom Virus verursacht werden oder eine schwere Entzündungsreaktion widerspiegeln.1,2Im Gegensatz dazu beeinflusst eine chronische Hepatitis-B-Infektion den Verlauf von Covid-19 anscheinend nicht. Dies legen Beobachtungen aus China nahe, wo HBV-Infektionen weiter verbreitet sind als in Europa.1

Patientenmanagement anpassen

Patienten mit fortgeschrittenen chronischen Leberkrankheiten und solche unter einer immunsuppressiven Therapie werdenoft in großen Zentren behandelt. Diese sindderzeit jedoch auch potenzielleCovid-19-Infektionsquellen. Zudem ist das Klinikpersonal aufgrund der aktuellen Situation großen Belastungen ausgesetzt. Abhängig vonden lokalen Gegebenheiten solltenPatientenkontakte daher gut geplant werden.1,2

Abstand halten hat sich weltweit als wirksam gegen die schnelle Ausbreitung des Virus erwiesen. Dies bedeutet, dass die Routinebetreuung der Patienten hinterfragt werden muss, beginnend bei einer Umgestaltung des Wartebereichs und der Terminvergabe, um einen ausreichenden räumlichen Abstand zwischen den Patienten zu gewährleisten und lange Wartezeiten zu vermeiden. Auch der Kontakt zum medizinischen Personal sollte so gering wie möglich sein. Telemedizinische Lösungen sind geeignet, die persönliche Betreuung der Patienten durch den Arzt sicherzustellen, ohne beide einem Infektionsrisiko auszusetzen. Die EASL fordert daher, dass die Gesundheitsbehörden den Kliniken vermehrt Telemedizinsysteme zur Verfügung stellen – nicht nur für die jetzige Pandemie, sondern um auch in Zukunft für solche Fälle gerüstet zu sein.1

Empfehlungen für einzelne Patientengruppen

Patienten mit kompensierter Hepatopathie

Diese Patienten sollten telemedizinisch betreut werden. Konsultationen im Spital können verschoben werden und die routinemäßigen Laboruntersuchungen kann der Hausarzt veranlassen. Tabelle 1 fasst die speziellen Empfehlungen für diese Patienten zusammen.1

Patienten mit dekompensierter Hepatopathie

Diese Patienten sollten weiterhin leitliniengerecht betreut werden, allerdings bei geringstmöglichem Kontakt. Konsultationen sollten, wann immer notwendig und möglich, per Telemedizin oder telefonisch erfolgen, um stationäre Aufnahmen zu vermeiden. Für eine Transplantation sollten nur Patienten mit einer kurzfristig schlechten Prognose, akutem Leberversagen, Leberzellkarzinom oder im Endstadium der Leberzirrhose (hoher MELD-Score) vorgesehen werden. Die dafür nötigen Untersuchungen im Spital sollten auf die absolut notwendigen beschränkt werden, die übrigen ambulant erfolgen. Dringend empfohlen werden Impfungen gegen Influenza undStreptococcus pneumoniae sowie die leitliniengerechte Prophylaxe bakterieller Peritonitiden und einer hepatischen Enzephalopathie. Patienten mit akuter Dekompensation oder akutem Leberversagen sollten zudem auf SARS-CoV-2 getestet werden. Tabelle 2 fasst die speziellen Empfehlungen für Patienten, die für eine Lebertransplantation vorgesehen sind, zusammen.1,2

Patienten mit Leberzellkarzinom

Die Behandlung erfolgt weiterhin leitliniengemäß, einschließlich systemischer Therapie und der Möglichkeit für eine Lebertransplantation. Wann immer möglich, sollte der persönliche Kontakt unterbleiben und die Konsultationen sollten telefonisch oder telemedizinisch erfolgen. Infiziert sich ein Patient mit dem Coronavirus, wird eine frühe stationäre Aufnahme empfohlen.1,2

Patienten nach Lebertransplantation

Auch hier gelten die allgemeinen Empfehlungen zur leitliniengerechten Therapie bei möglichst wenig persönlichem Kontakt.Den Patienten sollte zur Impfung gegen Influenza und S. pneumoniae geraten werden. Bei Patienten mit stabilem Allgemeinzustand sollten Laboruntersuchungen lokal vorgenommen werden. Eine Reduktionder immunsuppressiven Therapie wird derzeit außer in speziellen Fällen nicht empfohlen.1,2Überraschenderweise können Immunsuppressiva protektiv gegen die heftige Immunreaktion gegen das Virus sein. Die schweren Lungenveränderungen sind zum Teil durch diese Immunreaktion bedingt.

Enge Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten

Die Notwendigkeit, Reisen zu vermeiden und Besuche in spezialisierten Zentren zu reduzieren, ist für Patienten und die niedergelassenen Ärzte, die sie betreuen, eine Herausforderung. Eine enge Zusammenarbeit von Hepatologen und niedergelassenen Allgemeinärzten ist daher unerlässlich.1

Stationäre Behandlung

Nicht alle Patienten mit chronischen Leberkrankheiten können telemedizinisch oder vom Hausarzt betreut werden. Bei Dekompensation, Transplantatabstoßung oder anderen Komplikationen ist eine stationäre Aufnahme in eine spezialisierte Klinik nicht zu umgehen. Diese Patienten benötigen den maximalen Schutz vor Covid-19, am besten in Covid-19-freien Stationen oder – sofern möglich – Krankenhäusern. Da diese nicht immer spezialisierte Hepatologen haben, ist auch hier eine enge Kooperation mit einem spezialisierten Zentrum notwendig.1,2

Haben sich die Patienten bereits infiziert, sollten sie stationär aufgenommen werden, wenn sie aufgrund weiterer Komorbiditäten ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben. Tabelle 3 fasst die Empfehlungen für diese Patienten zusammen.1,2

Autor:
Univ.-Prof. DDr.h.c. Peter Ferenci
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Medizinische Universität Wien


Redaktion:
Dr. Corina Ringsell

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© iStockphoto.com/Rasi Bhadramani

Tab. 1:Spezielle Empfehlungen bei kompensierter Hepatopathie

Tab. 2:Spezielle Empfehlungen bei geplanter Lebertransplantation

Tab. 3:Empfehlungen für Patienten mit chronischen Leberkrankheiten und Covid-19

Leber nicht nur Opfer, sondern auch Täter?

Auch wenn es noch keine validen Daten dazu gibt, scheint die Leber doch eine wichtige Rolle im Infektionsgeschehen zu spielen – sie ist wahrscheinlich nicht nur Opfer,sondern auch Täter, vor allem im Bezug auf schwere Verläufe mit Entwicklung einesARDS und Thrombosierungen. Die erhöhten Leberwerte von Patienten mit schweremCovid-19-Verlauf entsprechen der Rolle der Leber in der Akut-Phase-Reaktion. DieAlbuminproduktion wird im Sinne der negativen Akut-Phase-Reaktion reduziert, andererseits werden Gerinnungsfaktoren vermehrt gebildet und dadurch wird das Gleichgewicht zwischen pro- und antikoagulatorischen Faktoren gestört. Dies könnte dieLeberassoziation möglicherweise erklären. Einige Wissenschaftler stellten die Hypothese auf, dass Sars-CoV-2 eine sogenannte „virale Sepsis“ mit Multiorganbeteiligung auslöse, die u.a. durch einen heftigen Zytokinsturm und abnormale Koagulation gekennzeichnet ist (Hui L et al. 2020). Auf jeden Fall müssen diese Mechanismen besser verstanden werden, um auch therapeutisch entsprechend intervenieren zukönnen, und sollten daher unbedingt Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein.

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Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner

Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie

Universitätsklinik für Innere Medizin III

Medizinische Universität Wien

Kein höheres Risiko bei hepatologischen Vorerkrankungen

Die Einschätzung einzelner Fachgesellschaften, dass Patienten mit chronischen Lebererkrankungen oder Lebertransplantierte ein erhöhtes Infektionsrisiko haben könnten und zu Risikogruppen für einen schwereren Krankheitsverlauf zählen könnten, ist theoretisch und nicht durch Daten belegt. Unsere eigenen Erfahrungen deuten weder auf ein erhöhtes Infektionsrisiko noch auf schwerere Krankheitsverläufe bei vorbestehenden Lebererkrankungen hin. Im Sinne der generellen Minimierung des Infektionsrisikos sollten Patienten wenn möglich telemedizinisch betreut werden, ohne dass dringliche und unaufschiebbare Interventionen ausgesetzt werden.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Heinz Zoller

Universitätsklinik für Innere Medizin I

Medizinische Universität Innsbruck

Versorgungslücken schließen

Eine große Herausforderung der Covid-19-Pandemie war es, aus der Flut an Meldungen evidenzbasierte Informationen für die Behandlung unserer Patienten herauszufiltern. Während es nur wenige direkte Auswirkungen von SARS-CoV-2-Infektionen auf Lebererkrankungen zu geben scheint, gab es trotz Bemühen um eine optimale telemedizinische Betreuung unserer Patienten mit Lebererkrankungen auch Lücken in der medizinischen Versorgung. Wir sind nun mit aller Energie dabei, die verschobenen Behandlungen und Visiten mit „vernünftiger Schrittlänge“ wieder aufzunehmen.

Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Reiberger

Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie

Universitätsklinik für Innere Medizin III

Medizinische Universität Wien

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