Best of ASCO zu gynäkologischen Malignomen
Das diesjährige Meeting der American Society of Clinical Oncology (ASCO) bot eine Vielzahl an interessanten Daten zu gynäkologischen Malignomen. Der Bericht gibt einen Überblick über neue Daten zum Ovarial-, Zervix- und Endometriumkarzinom.
Ovarialkarzinom
Obwohl dieses Jahr beim Ovarialkarzinom keine Studien, die zu einer Änderung der derzeitigen klinischen Praxis führen, präsentiert wurden, wurden doch einige interessante Daten mit Potenzial für zukünftige Therapien vorgestellt.
ARIEL4-Studie
So wurde eine vordefinierte Subgruppenanalyse aus der ARIEL4-Studie präsentiert, die den Effekt der Platinsensitivität auf das Studienkollektiv untersucht.1 Das Studienkollektiv in ARIEL4 bestand aus Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom, BRCA-Mutation, mindestens 2 vorangegangenen Chemotherapien und keiner vorhergegangenen Therapie mit PARP-Inhibitoren (PARPi). Die Patientinnen erhielten entweder eine platinhaltige Chemotherapie oder wöchentliches Paclitaxel je nach Platinsensitivität oder Rucaparib 600mg 2x tgl. ARIEL4 zeigte für das progressionsfreie Überleben (PFS) einen Vorteil für die Rucaparib-Monotherapie. In dieser Subgruppenanalyse fand sich bezogen auf die Platinsensitivität im Hinblick auf das PFS eine vergleichbare (platinresistent und platinsensibel) bzw. höhere Effektivität (partiell platinsensibel) des Rucaparib-Armes. Dies ist bemerkenswert, da auch in der platinsensiblen Gruppe (platinfreies Intervall ≥12 Monate) der Chemotherapie-freie Arm mit Rucaparib gleich effektiv wie eine platinhaltige Chemotherapie war.
Kombination von PARP- und ATR-Inhibitor
Ein weiteres wichtiges Thema in der Behandlung vor allem des rezidivierten Ovarialkarzinoms werden in Zukunft die PARPi-Resistenzentwicklung und die Möglichkeiten, diese zu überwinden, sein. Am heurigen ASCO-Kongress wurden dazu zwei Studien präsentiert. Die erste Studie untersuchte die Kombination von Ceralasertib, einem ATR-Inhibitor, mit Olaparib bei Patientinnen mit rezidiviertem, PARPi-resistentem Ovarialkarzinom.2
Ceralasertib ist ein Inhibitor der Ataxia telangiectasia und der Rad3(ATR)-Kinase. Durch Inhibition des ATR-Signalweges wird die Aktivierung von sog. „DNAdamagecheckpoints“ verhindert, die DNA-Reparatur unterbrochen und die Tumorzellapoptose induziert. ATR, eine Serin/Threonin-Proteinkinase, wird in vielen Krebszellen überexprimiert und spielt eine Schlüsselrolle in der DNA-Reparatur, der Zellzyklusprogression und beim Zellüberleben. Da die Restitution von DNA-Reparaturmechanismen, insbesondere die der homologen Rekombination, eine Ursache für PARPi-Resistenzentwicklung sein kann, könnte z.B. die Kombination mit ATR-Inhibitoren diese überwinden. In diese Studie wurden 13 Patientinnen mit platinsensitivem rezidiviertem Ovarialkarzinom („high grade“ serös oder endometrioid) mit BRCA-Mutation, anderer HRD-Mutation oder einem positiven HRD-Test (Myriad MyChoice®) und einer vorangegangenen PARPi-Therapie mit zumindest partieller Wirkung auf den Tumor eingeschlossen. Es konnte ein Ansprechen bei 6 Patientinnen (46%) nachgewiesen werden. 11 Patientinnen zeigten eine Krankheitsstabilisierung. Die Kombination wurde sehr gut toleriert. Zwei Behandlungsunterbrechungen waren notwendig (1x Thrombozytopenie, 1x Covid-19-Infektion). Diese Daten zeigen, dass auch nach Resistenzentwicklung gegenüber Olaparib möglicherweise eine Inhibition von „DNA damage checkpoints“ dieser Resistenz entgegenwirken könnten.
Kombination von PARP- und WEE1-Inhibitor
Eine zweite Studie untersuchte die Kombination des WEE1-Inhibitors Adavosertib alleine oder in Kombination mit Olaparib bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom, die unter laufender PARPi-Therapie eine Tumorprogression gezeigt und eine unlimitierte Anzahl an vorangegangenen Chemotherapien erhalten hatten.3 WEE1 ist eine Serin/Threonin-Kinase, die den G2/M-Checkpoint im Zellzyklus kontrolliert und somit zur DNA-Reparatur beiträgt. Tumoren mit p53-Mutation oder -Verlust verlieren den G1/S-Checkpoint, wodurch ein erhöhter Replikationsstress und eine erhöhte Abhängigkeit vom G2/M-Checkpoint entstehen. In-vitro-Daten bestätigten den angenommenen synergistischen Effekt von PARPi in Kombination mit einem WEE1-Inhibitor. In die Studie wurden schlussendlich 80 Patientinnen aufgenommen und in 2 Gruppen randomisiert. Adavosertib alleine (300mg Tag 1–5 und Tag 8–12, 21d-Zyklus) versus Adavosertib (150mg 2x tgl. Tag 1–3 und Tag 8–10, 21d- Zyklus) plus Olaparib (200mg 2xtgl., 21d- Zyklus). Die Patientinnencharakteristika waren ausgeglichen. Die mediane Anzahl an Vortherapien war 4 und circa 2/3 der Patientinnen waren platinresistent. Damit handelte es sich um ein stark vorbehandeltes Kollektiv mit ungünstiger Prognose. Die Ansprechraten waren im Adavosertibarm 23% und 29% im Kombinationsarm Adavosertib plus Olaparib. Die „clinical benefit rate“ betrug 63% im Adavosertib- und 89% im Kombinationsarm. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö, Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie und Fatigue. Insgesamt war die Behandlung im Mono- und Kombinationsarm gut beherrschbar. Adavosertib alleine und in Kombination mit Olaparib zeigte eine bemerkenswerte Effektivität in diesem stark vorbehandelten und PARPi-resistenten Patientinnenkollektiv.
Zervixkarzinom
Die bedeutendste Studie beim Zervixkarzinom, die es auch in die Plenary Session schaffte, war der OUTBACK Trial.4 In dieser randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie wurden Patientinnen mit fortgeschrittenem Zervixkarzinom (FIGO IB1 + Lymphknotenmetastasen, IB2-IVA) eingeschlossen. Die Studienhypothese war, dass eine adjuvante Chemotherapie nach erfolgter Chemo-/Strahlentherapie das Gesamtüberleben verlängert. Dafür wurden 926 Patientinnen in 2 Arme randomisiert: Arm 1 erhielt eine Chemo-/Strahlentherapie allein und Arm 2 eine Chemo-/Strahlentherapie gefolgt von 4 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben, sekundäre Endpunkte waren unter anderem PFS, Toxizität und Lebensqualität. Die Patientencharakteristika waren ausgeglichen. Es fand sich kein Unterschied bzgl. des Gesamtüberlebens (HR: 0,90; 95% CI: 0,7–1,17) und des PFS (HR: 0,86; 95%CI: 0,69–1,07). Auch in den Subgruppenanalysen fanden sich keine Unterschiede. Die Toxizität entsprach den Erwartungen. Die Stärken der Studie waren die hohe Fallzahl und die sehr gute Adhärenz zur Chemo-/Strahlentherapie. Die Limitationen waren vor allem die schlechte Adhärenz zur adjuvanten Chemotherapie. Nur 62% der Patientinnen im Chemotherapiearm erhielten die geplanten 4 Zyklen und 22% erhielten keine Chemotherapie. Der Zeitpunkt der Randomisierung vor der Chemo-/Strahlentherapie war hier nicht optimal gewählt. Die Schlussfolgerungen aus dieser Studie sind: Eine adjuvante Chemotherapie nach einer Cisplatin-basierten Chemo-Irradiatio bei Frauen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom verlängerte weder das OS noch das PFS. Die pelvine Chemo-Irradiatio mit konkomitantem wöchentlichem Cisplatin bleibt die Standardtherapie in der Behandlung des lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinoms. Ein genereller Einsatz einer adjuvanten Chemotherapie mit Carboplatin + Paclitaxel nach Chemo-Irradiatio wird durch die Studienergebnisse nicht unterstützt.
Endometriumkarzinom
Die klinisch relevanteste Studie beim Endometriumkarzinom war die TOTEM-Studie.5 Diese randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie verglich eine intensivierte mit einer minimalistischen Nachsorge bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom. Zusätzlich wurde das Patientenkollektiv in Patientinnen mit einem hohen versus niedriges Risiko für ein Rezidiv unterteilt (Abb.1). Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem rezidivfreies Überleben, Lebensqualität, Adhärenz zu den Nachsorgeprotokollen und Kosten. 1884 Patientinnen wurden in die Studie eingeschlossen. Von diesen waren 1874 Frauen auswertbar. Die Patientencharakteristika waren ausgeglichen. Die Nachsorge-Compliance war mit insgesamt 75,3% hoch und zwischen den Gruppen mit intensivierter (74,7%) und minimalistischer Nachsorge (75,9%) ähnlich. Im Gesamtüberleben im Gesamtkollektiv (HR: 1,12; 95% CI: 0,85–1,48, p=0,424) sowie in den Gruppen mit hohem (HR: 0,96; 95% CI: 0,68–1,36, p=0,814) und niedrigem Rezidivrisiko (HR: 1,48; 95% CI: 0,92–2,37, p=0,204) fand sich bezogen auf das Nachsorgeprotokoll kein Unterschied. Die Rezidivrate lag bei 12,3%. Die Rezidivlokalisationen waren in beiden Gruppen gleich verteilt. Die Lebensqualitätserhebung zeigte zwischen den beiden Nachsorgeprotokollen ebenfalls keinen Unterschied. Eine intensivierte Nachsorge bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom führt nicht zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens. Dies gilt auch für Patientinnen mit einem hohen Rezidivrisiko. Die Lebensqualität wird durch die Art des Nachsorgeprotokolls nicht beeinflusst. Eine minimalistische Nachsorge ohne routinemäßige Vaginalzytologie, Bildgebung und Laborkontrollen ist für diese Patientinnen ausreichend. ◼
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A. Reinthaller, Wien◼
◾2003◆
Abb. 1:TOTEM-Studie – Nachsorgeprotokoll
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