
DFP-Literatur: Symptom Fatigue
Fatigue: „Alles oder nichts?“
Die Müdigkeit – Mangel an Energie, Erschöpfung, frühe Ermüdbarkeit oder Schläfrigkeit – stellt ein ubiquitäres Symptom dar, das bei jedem Menschen wiederkehrend auftritt. Es bezeichnet einen physiologischen und psychologischen Zustand verminderter Aufmerksamkeit sowie von Kraft- und Antriebslosigkeit. Müdigkeit, Mattigkeit und Abgeschlagenheit (MMA) sind andererseits oft die ersten (Begleit-)Symptome der allermeisten Erkrankungen und bleiben im Krankheitsverlauf mehr oder minder stark ausgeprägt, teils sogar als dominantes Leitsymptom.
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Der Übergang von physiologischer zu pathologischer Müdigkeit ist fließend, wobei Vorerkrankungen, Begleitsymptome und Überlegungen des Betroffenen zur Ursache von zentraler Bedeutung sind. Die sogenannte „Fatigue“ kann akut oder schleichend beginnen, Intensität, Dauer und Häufigkeit sowie Qualität sind individuell verschieden. An eine bislang unbekannte Depressivität und/oder Angststörung sollte stets gedacht werden, bei der diagnostischen Evaluierung ist ein biopsychosozialer Ansatz zu verfolgen. Ziel dieser Arbeit ist es, wissenschaftlich fundiert anhand aktueller Leitlinien auf Basis von fünf Kasuistiken diese schwierige Thematik und das bunte Bild der individuellen Präsentationen aufzuarbeiten. Auf die Fatigue als meist dominantes Symptom bei Personen mit multipler Sklerose wird besonders hingewiesen. (Tab. 4)
Kasuistiken – Präsentation mit dem Leitsymptom „Müdigkeit“
Fall 1: Müdigkeit bei bekannter hypertensiver Herzkrankheit
Anamnese: Die Patientin (75a, 165cm, 74kg, Bäuerin in Rente, 2 erwachsene Kinder; Risikoprofil: arterielle Hypertonie, Dyslipidämie) leidet seit mehreren Jahren unter einem stark schwankenden Blutdruck. Sie war deshalb bereits mehrmals stationär aufgenommen und die Medikation wurde immer wieder modifiziert. Echokardiografisch wurde eine hypertensive Herzkrankheit mit linksventrikulärer Hypertrophie, diastolischer Relaxationsstörung und geringer Aortenektasie festgestellt, die Koronarangiografie ergab blande Koronargefäße. Komplizierend trat vor zwei Jahren ein paroxysmales Vorhofflimmern auf, das zunächst spontan oder durch vagale Manöver rasch sistierte. Zuletzt wurde eine elektrische Kardioversion durchgeführt, nach drei Tagen nochmals wegen Wiederauftreten, und schließlich wurde das Vorhofflimmern persistierend beziehungsweise permanent.
Diagnostische Abklärung: Die Patientin präsentierte sich in der Facharzt-Ordination mit zunehmender Müdigkeit, Belastungsintoleranz und nächtlicher Dyspnoe. Klinisch zeigte die Frau auskultatorisch bei absoluter Arrhythmie ein holosystolisches Systolikum (4/6) an der Herzspitze mit Fortleitung in die Axilla und an den Lungen basale feuchte Rasselgeräusche; im EKG fand sich ein tachykardes Vorhofflimmern mit den Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie. In der Echokardiografie imponierte nun ein leicht dilatierter und hypertrophierter linker Ventrikel mit einer deutlich herabgesetzten linksventrikulären Funktion (Ejektionsfraktion 35%), der linke Vorhof war stark vergrößert. Im Doppler und Farbdoppler zeigte sich eine exzentrische Mitralinsuffizienz 3. Grades bei degeneriertem Mitralring und sklerosierten Segeln. Bei der invasiven Abklärung wurde diese Klappeninsuffizienz nach Medikation bestätigt und ein stark erhöhter pulmonaler Druck festgestellt. Es bestand eine Indikation für ein operatives Vorgehen beziehungsweise zur interventionellen Behandlung der Mitralklappe mittels MitraClip.
Diagnose: dekompensiertes Cor hypertonicum mit Vorhofflimmern, wirksamer Mitralinsuffizienz und pulmonaler Druckerhöhung – Herzinsuffizienz NYHA-Stadium IV beziehungsweise C.
Therapeutisches Vorgehen: Nach der Diskussion im Heart-Team wurde auch aufgrund des Patientenwunsches die MitraClip-Behandlung durchgeführt. Dieser Eingriff in Kurzzeitnarkose dauerte ca. drei Stunden, es mussten insgesamt drei Clips unter transösophagealem Echokardiografie-Monitoring gesetzt werden, um ein angiografisch und echokardiografisch zufriedenstellendes Resultat zu erzielen. Die Frau wurde drei Tage nach dem Eingriff nach Hause entlassen und ist nun unter einer Herzinsuffizienz-Kombinationstherapie (NOAK, ACE-Hemmer, Betablocker, Aldosteron-Antagonist) nahezu beschwerdefrei (NYHA I–II).
Fall 2: Müdigkeit und trockene Haut
Anamnese: Diese junge Frau (35a, 169cm, 53kg; Ärztin, 3 Kinder mit 6, 4 und 3 Jahren; Risikoprofil: Vater mit 65 Jahren am plötzlichen Herztod verstorben) war bislang ohne ernsthafte Erkrankungen oder Operationen. Bei der letzten Gravidität kam es im 3. Trimenon zu einer Gelbfärbung der Skleren und einem ausgeprägten Juckreiz. In den Laborparametern waren die Leberfermente und die Gamma-GT stark erhöht, ebenso das Serum-Bilirubin. Nach der Entbindung sistierte das Zustandsbild rasch, die Laborparameter normalisierten sich, seither traten keine weiteren Symptome auf.
Diagnostische Abklärung: Zum Zeitpunkt der Erstpräsentation berichtete die Patientin über eine seit mehreren Monaten bestehende ausgeprägte Tagesmüdigkeit. Schon bei leichten körperlichen Tätigkeiten kam es zu Erschöpfungszuständen, zweimal täglich benötigte die Patientin zusätzlichen Schlaf im Ausmaß von etwa einer Stunde. Die Patientin vermutete, dass einerseits die Doppelbelastung von Beruf und Familie sowie das plötzliche Ableben des Vaters die Gründe für diesen Zustand seien. Andererseits machte sie sich Sorgen, möglicherweise an einer malignen (Blut-)Erkrankung zu leiden, und verzögerte aufgrund der Ängstlichkeit die weitere Diagnostik.
Bei der körperlichen Untersuchung fiel eine massive Hauttrockenheit auf, weiters beidseits geringe wegdrückbare Beinödeme prätibial. Die Werte der Laboruntersuchung sind in Tabelle 1 angeführt.

Diagnose: Es lag somit eine ausgeprägte Hypothyreose vor, bei hochgradigem Verdacht auf eine Autoimmunthyreoiditis Typ Hashimoto. Die Sonografie der Schilddrüse ergab stark verkleinerte Schilddrüsenlappen mit echoarmer, teils inhomogener Struktur, knotige Veränderungen wurden nicht dargestellt. Dies war die Bestätigung für die wegen der Laborparameter vermutete Diagnose, eine Schilddrüsenbiopsie wurde nicht durchgeführt.
Therapeutisches Vorgehen: Die Behandlung mit Thyroxin, langsam steigernd von 25µg täglich bis zuletzt nach sechs Monaten 100µg, besserte die Symptomatik „Müdigkeit und Hauttrockenheit“ rasch, nun ist die Frau bereits seit mehreren Jahren beschwerdefrei. Weitere Autoimmunerkrankungen wurden bislang nicht beobachtet.
Fall 3: mittelgradig depressive Episode mit somatischem Syndrom
Anamnese: Zum Zeitpunkt des Erstgesprächs klagt der Patient (48a, 182cm, 95kg, zuvor als Grafiker tätig, 1 Tochter im Teenageralter; Risikoprofil: seit 3 Jahren arbeitslos, nach langjähriger Beziehung derzeit alleinstehend; berichtet über häufigen Alkoholkonsum) über die aktuelle Häufung von Krisen in seinem Leben und die damit einhergehende deprimierte Stimmung und Antriebslosigkeit. Er müsse viel über alles Geschehene grübeln, fühle sich unruhig und aufgedreht, zugleich aber zu müde, um etwas zu verändern. Er schildert es in eigenen Worten so, als ob er „gleichzeitig auf der Bremse und am Gaspedal stehen würde“. Zudem leide er schon seit vielen Jahren unter Schlafstörungen. Er könne sich nicht mehr richtig konzentrieren und seine Merkfähigkeit habe sich zuletzt deutlich verschlechtert. Insgesamt mache er sich große Sorgen um seinen gesundheitlichen Zustand, da plötzlich eine Radialisparese der rechten Hand aufgetreten sei. Überdies habe er sich bereits eingestanden, ein Alkoholproblem zu haben. Ein niedergelassener Neurologe stellte den Antrag für die stationäre neurologische Rehabilitation, bei der er auch eine psychotherapeutische Behandlung erhielt.
Diagnostische Abklärung: Bei der Vorstellung im Rehabilitationszentrum war der Patient bewusstseinsklar, bezüglich aller Parameter sicher und vollständig orientiert und freundlich zugewandt. Im Denken gab es weder inhaltliche noch formale Auffälligkeiten. Er verfügte über eine gewisse Introspektionsfähigkeit, die ihm in der Therapie zugutekam. Die Stimmungslage erschien eingangs gedrückt bis depressiv, zeigte sich allerdings sehr dankbar für die Zuwendung und Hilfestellung. Er roch in dieser Sitzung leicht nach Alkohol, weiters waren vermehrte Schweißbildung auf der Stirn und am Kopf sowie ein leichtes Zittern an den Händen zu beobachten.
Bei dem Patienten wurden unter anderem das Beck-Depressions-Inventar (Gesamtpunkte: 31 – deutlicher Hinweis auf das Vorliegen einer depressiven Symptomatik), Tagebuchaufzeichnungen (Stimmung und Trinkverhalten) sowie eine visuelle Analogskala zur Erfassung des anfänglichen Leidensdrucks (ca. 75–80%) und der Veränderung im Verlauf angewendet.
Therapeutisches Vorgehen:
Psychoedukation im Hinblick auf die Depression; Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells des Patienten (SORC-Modell)
Stabilisierung der Stimmung und Aufbau positiven Empfindens durch das Führen eines Tagebuches in Form der Spaltentechnik (Eintragen täglicher Erlebnisse und Bewertung als negativ/neutral/positiv); Verstärkung der Aufmerksamkeit für Positives; gleichzeitig Aufzeichnung und Kontrolle des individuellen Trinkverhaltens
Kognitive Verhaltenstherapie, um Automatismen im Denken und in der Wahrnehmung aufzudecken und zu verändern; Anleitung zu Eigeninitiative, Aktivität und Autonomie
Konflikt- und Stressmanagement in Konfliktsituationen einüben, Erlernen von positiven Verhaltensweisen (Coping) bei Stress; Erprobung im Rollenspiel sowie weitere Einübung zu Hause
Entspannung und körperliche Fitness, gefördert durch Entspannungstechniken im Gruppensetting; Ergotherapie zur Behandlung und Wiederherstellung der Funktion der rechten Hand; Steigerung der körperlichen Belastbarkeit und Kräftigung durch Physio- und Sporttherapie
Kontrolliertes Trinken oder Abstinenz mittels Identifikation von Trigger-Situationen durch Situationsanalyse und darauf aufbauend ein Ablehnungstraining im Rollenspiel; Stimulus-Kontrolle (d.h., kein Bier zu Hause haben, bestimmte Situationen meiden etc.)
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Rückfallprophylaxe in Form eines persönlichen „Notfallkoffers“
Fall 4: Müdigkeit, rezidivierende Tachyarrhythmien und Strahlenphobie
Anamnese: Dieser ältere Mann (70a, 178cm, 80kg, Pensionist, verheiratet, 2 erwachsene Kinder; Risikoprofil: labile arterielle Hypertonie, Dyslipidämie) hatte mit 27 Jahren einen Spontanpneumothorax und war seit jeher sehr schlecht belastbar. Seit mehreren Jahren wurden vermehrt Palpitationen verspürt, in einem EKG wurde eine Präexzitation mit Delta-Welle (WPW-Syndrom) festgestellt.
Nun klagt der Patient über eine ausgeprägte Müdigkeit und berichtete über eine vermehrte Strahlenempfindlichkeit. Ein Bekannter, der Wünschelrutengänger ist, diagnostizierte im Haus mehrere Wasseradern, sodass eine Umstellung der Betten notwendig war. Weiters vertrug er zunehmend kein Metall mehr am Körper (z.B. Gürtel oder Knöpfe), vermutete gesundheitliche Probleme durch den Katalysator seines Autos und berichtete über ausgeprägte Schlafstörungen, möglicherweise ausgehend vom Radar des naheliegenden Flughafens Linz.
Diagnostische Abklärung: Bei der Palpation fiel bereits eine absolute Arrhythmie mit tachykarder Herzaktion auf. Das Ruhe-EKG bestätigte das tachykarde Vorhofflimmern, eindeutige Deltawellen waren nicht erkennbar (Abb. 1). In der Echokardiografie fand sich ein leicht vergrößerter linker Vorhof, eine mittelgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion mit diastolischer Compliance-Störung, der linke Ventrikel zeigte sich jedoch nicht dilatiert.

Therapeutisches Vorgehen: Es erfolgten eine Guideline-konforme Behandlung des Vorhofflimmerns, die Einleitung einer Antikoagulation mit einem neuen oralen Antikoagulans (NOAK), die Frequenzkontrolle mit einem Betablocker sowie eine elektive elektrische Kardioversion nach 3 Wochen. Nachdem diese erfolgreich durchgeführt worden war, bestand ein stabiler Sinusrhythmus und die Symptomatik besserte sich entscheidend, in der Echokardiografie normalisierte sich die linksventrikuläre Funktion.
Diagnose: Ursächlich für die Müdigkeit scheint somit die Kombination aus einer Tachykardiomyopathie und einer „multiple chemical sensitivity“ zu sein. Die möglichen Umwelteinflüsse sind äußerst komplex und benötigen eine weitere intensivierte psychologische Betreuung.
Therapeutisches Vorgehen: Eine psychologische Beratung und Betreuung besserte das Zustandsbild dramatisch und innerhalb von mehreren Wochen konnte unter begleitenden Lebensstilmaßnahmen die Müdigkeit signifikant reduziert werden.
Fall 5: ausgeprägte Müdigkeit bei unauffälligem Befund
Anamnese: Dieser junge Mann (28a, 175cm, 76kg, EDV-Spezialist, verheiratet, 1 Kind) klagt seit ca. 4 Monaten über eine zunehmende Müdigkeit und Belastungsintoleranz. Er könne sich nicht mehr konzentrieren, schlafe schlecht und leide unter einer Tagesmüdigkeit.
Diagnostische Abklärung: Es erfolgte ein Guideline-konformes Vorgehen zur Abklärung, wobei im Status, EKG und Labor und in Ultraschalluntersuchungen des Herzens, der Carotis und des Oberbauchs keine Auffälligkeiten zu beobachten waren. Aufgrund einer diffusen Cephalea wurde ergänzend eine NMR-Untersuchung des Kopfes angeschlossen, diese ergab ebenfalls keinen pathologischen Befund. Es wurde weiters ein Schlafapnoe-Screening durchgeführt ohne Hinweis auf ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom.
Diagnose: Es handelt sich somit um eine ausgeprägte Müdigkeit bei sonst unauffälligem somatischem Befund. In der weiteren Exploration berichtete der Patient über berufliche Schwierigkeiten, über die Belastung durch das jüngst geborene Kind und zunehmenden Zigarettenkonsum.
Therapeutisches Vorgehen: Eine psychologische Beratung und Betreuung besserte das Zustandsbild dramatisch und innerhalb von mehreren Wochen konnte unter begleitenden Lebensstilmaßnahmen die Müdigkeit signifikant reduziert werden.
Wissenschaftliche Evidenz: diagnostische Abklärung des Symptoms „Müdigkeit“
Im September 2017 wurde eine S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) zum Thema „Müdigkeit“ publiziert, die auf 77 Seiten mit 385 Referenzen diese komplexe Thematik sehr praxisnah darstellt. Dabei wird auf eine gute Balance zwischen Unter- und Überdiagnostik Wert gelegt. Die Abgrenzung einer physiologischen von einer pathologischen Genese ist fließend, das chronische Müdigkeitssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome, CFS) wird als eigenes Krankheitsbild in einem separaten Kapitel abgehandelt.
Verschiedene qualitative Komponenten sind bei der diagnostischen Abklärung und dem therapeutischen Vorgehen zu berücksichtigen. Dazu zählen neben emotionalen Komponenten (Unlust, Motivationsmangel, enge Verbindung zu Traurigkeit bzw. niedergedrückter Stimmung) auch kognitive Komponenten (verminderte geistige Aktivität bzw. Leistungsfähigkeit) sowie Verhaltensaspekte („Leistungsknick“) und körperliche Aspekte (z.B. muskuläre Schwäche).
Epidemiologie: Circa ein Drittel der Erwachsenen leidet manchmal oder häufig unter „Ermüdungserscheinungen“. Frauen, Angehörige schlechter gestellter sozialer Schichten und alleinstehende Menschen sind häufiger davon betroffen. Die Prävalenz von Patienten mit ungeklärter, mindestens einen Monat anhaltender Müdigkeit liegt bei etwa 10%. Es gibt Überlappungen zwischen dem Symptom Müdigkeit und medizinisch unerklärbaren Symptomen (MUPS) in circa 40%.
Ursachen: Psychosoziale Gründe sind die Hauptursachen für eine neu auftretende Müdigkeit, demgegenüber treten somatische Erkrankungen der Häufigkeit nach in den Hintergrund: Anämie 1,4–4,6%, Malignome 0,3–0,7%, gravierende organische Störungen wie Diabetes, Schilddrüsenfehlfunktion und COPD 3,4–5,9%. Eine Tumordiagnostik nur aufgrund des Symptoms Müdigkeit ohne andere Hinweise erscheint nicht gerechtfertigt, auch wenn im fortgeschrittenen Stadium eines Malignoms Müdigkeit ein sehr belastendes Symptom darstellt. Auch zwischen einer Anämie und Müdigkeit gibt es auf Bevölkerungsebene überraschenderweise keine signifikante Beziehung. Virale Atemwegsinfekte stellen eine wichtige Ursache für Müdigkeitszustände dar. Circa 40% der Patienten mit einer Mononukleose (positive Serologie für aktuelle EBV-Infektion) klagen nach sechs Monaten über eine physische Müdigkeit.
Müdigkeit als Sekundärsymptomatik: Sehr belastend ist das Symptom bei bereits länger bestehenden und bekannten Erkrankungen, z.B. Herzinsuffizienz, multipler Sklerose, Parkinson’scher Krankheit, rheumatoider Arthritis, Sarkoidose, chronischer Niereninsuffizienz, postoperativen Zuständen oder Nykturie mit Tagesschläfrigkeit bei Prostatahyperplasie. Das Gefühl tiefer Erschöpfung kann auch Prodrom eines Myokardinfarkts sein. Auch beim Blutdruck fand sich in Studien interessanterweise kein Zusammenhang zur Müdigkeit. Diese kann ja auch Folge von verminderter körperlicher Aktivität mit konsekutiv kurzfristig erniedrigtem Blutdruck sein. Blutdruck-steigernde Medikamente werden auch immer seltener verschrieben, viele davon sind bereits auf der Negativliste. Natürlich kann auch jegliche Schlafstörung Tagesmüdigkeit verursachen (Prävalenz circa 20%), ein Schlafapnoe-Syndrom ist in etwa 4% vorhanden.

Seltenere Erkrankungen: Weitere, weniger häufig anzutreffende Erkrankungen, die ebenfalls mit dem Symptom Müdigkeit assoziiert sein können, sind in Tab. 2 aufgelistet. Diese Zusammenstellung sollte allerdings keinesfalls für ein somatisches Screening herangezogen werden! Vielmehr ist sie als Gedächtnisstütze zur Hilfestellung für einen diagnostischen Neuansatz zu verstehen, wenn bei einem Patienten bereits sämtliche anderen psychischen oder somatischen Ursachen ausgeschlossen worden sind.
Substanzassoziierte Müdigkeit: Auf Nebenwirkungen von Arzneimitteln muss in diesem Zusammenhang im Besonderen hingewiesen werden: Benzodiazepine, Antidepressiva, Neuroleptika, Antihistaminika, Antihypertensiva, Opiate, Parkinsonmittel, Zytostatika und antivirale Substanzen können allesamt Müdigkeit verursachen, ebenso sämtliche suchterzeugenden Substanzen, allen voran Alkohol. Eine große Anzahl von in der Umwelt vorkommenden Schadstoffen ist mit Ermüdungserscheinungen assoziiert; dazu zählen u.a. Amalgam, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoff. Spezielle Ausformungen von Umweltbelastungen, die sich ebenfalls als Müdigkeit äußern, sind das „Sick building“-Syndrom (beeinflusst durch Persönlichkeitsfaktoren, Raumtemperatur und Raumluftzusammensetzung) und die „multiple chemical sensitivity“. Mit den Kriterien Schnarchen, beobachtete Erstickungsanfälle, Einschlafen beim Autofahren tagsüber ergibt sich die Indikation für eine weitere schlafmedizinische Diagnostik.
Chronisches Fatigue-Syndrom: Das chronische Müdigkeitssyndrom, teils auch als chronisches Erschöpfungs- oder Fatigue-Syndrom (CFS) bezeichnet, ist eine seltene Entität. Es ist bei Frauen sowie bei Personen mit niedrigem Ausbildungsstand und beruflichem Status häufiger. Für diese umstrittene Erkrankung existieren 67 unterschiedliche Bezeichnungen, von der irreführenden „myalgic encephalomyelitis“ bis zur „systemischen Belastungs-Intoleranz-Erkrankung“ (SEID). Sie wird definiert als Müdigkeit bzw. Erschöpfungsneigung in einem Zeitraum von mehr als 6 Monaten mit dadurch resultierender signifikanter Störung von körperlicher, seelischer und sozialer Funktion mit Belastungsintoleranz. Es fehlt stets eine alternative Erklärung. Gewisse kognitive Einschränkungen und eine orthostatische Intoleranz sind ebenfalls konstant vorhanden. Die Ursache dafür ist unklar, es existieren mehrere Hypothesen (u.a. virologische, myogene, immunologische, umweltmedizinische, psychische Faktoren). Therapeutisch muss auf eine integrierte psychosoziale und somatische Betreuung geachtet werden. Auf keinen Fall dürfen die Beschwerden als eingebildet o.ä. abgetan werden.
Anamnese: Charakteristika des Symptoms, assoziierte Beschwerden, Müdigkeit neu/ungewohnt, Beeinträchtigung im Alltag, Vorstellungen des Patienten zu Ätiologie und Behandlung
Bei primär ungeklärter Müdigkeit sollen anhand von Screening-Fragen eine Depression oder Angststörung sowie eine vorherige Infektion eruiert werden.
Weitere Erhebungen: Vorerkrankungen, Schlaf, Verlauf des Körpergewichts, Tabakkonsum, kardiale, respiratorische, gastrointestinale, urogenitale und ZNS-Funktion, Medikamente, soziale, familiäre, berufliche Situation, chemische oder Lärmbelastung, ähnliche Symptome im privaten/beruflichen Umfeld, Schnarchen, Einschlafen am Steuer, (habitueller) Schlafmangel
Führung eines Symptomtagebuchs empfohlen
Gründliche körperliche Untersuchung mit Bewertung von Muskeltrophik/-kraft/-tonus/-eigenreflexen
Labor: Blutglukose, Blutbild, Blutsenkung/CRP, Transaminasen, Gamma-GT, TSH
Biopsychosozialer Ansatz im gesamten diagnostischen Prozess
Achtung: häufig mehrere Erklärungen annehmen und behandeln!
Behandlung somatischer Erkrankungen optimieren!
Bei einer großen Zahl von zugrunde liegenden Störungen oder Erkrankungen verbessern die Verhaltenstherapie oder symptomorientierte aktivierende Maßnahmen die Müdigkeit und das Allgemeinbefinden und sollen dann empfohlen werden.
Diskussion der Kasuistiken
Chronische Herzinsuffizienz
Epidemiologie: Weltweit leiden 22,6 Millionen Menschen an einer Herzinsuffizienz, 50% haben drei oder mehr Begleiterkrankungen. 78% der Betroffenen werden mindestens zweimal pro Jahr hospitalisiert und die jährlichen Kosten betragen circa 2% des Gesundheitsbudgets. Nach wie vor ist das 5-Jahres-Überleben sehr niedrig und liegt bei circa 50%, vergleichbar mit einer Karzinomerkrankung.
Die Herzinsuffizienz wird definiert als Syndrom mit Luftnot und Müdigkeit im Zusammenhang mit einer nachgewiesenen Erkrankung. Die koronare und die hypertensive Herzkrankheit stellen die Hauptursachen dar, weiters sollten Kardiomyopathien und Herzklappenfehler ätiologisch ausgeschlossen werden.
Die Klassifikation einer Herzinsuffizienz kann nach folgenden Kriterien erfolgen:
Ätiologie
Klinik: NYHA-Klassifikation mit den Stadien I bis IV
Auftreten: akut, chronisch
Auswurffraktion: reduzierte oder erhaltene linksventrikuläre Funktion, HFREF oder HFPEF
Lokalisation: links – rechts – global
Diagnostik: In der Diagnostik sollten neben einer gründlichen Anamnese und Statuserhebung stets ein Labor (mit Bestimmung u.a. von Leberfermenten, Nierenparametern, Elektrolyten, Blutbild und [NT-pro]BNP) und ein Thorax-Röntgen in zwei Ebenen erfolgen. Das EKG und die Echokardiografie sind die nächsten obligaten bildgebenden Verfahren. Gelegentlich sollte auch ein Herz-CT oder eine NMR gemacht werden, eine invasive Abklärung ist vor allem zur Abklärung der Koronarmorphologie meist unerlässlich.
Therapie: Therapeutisch sind folgende Ziele zu verfolgen: Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung und/oder auslösenden Ursache (z.B. Hyperthyreose, Anämie, Nebenwirkungen von Medikamenten, Bypass oder Stent), die Beseitigung der Symptomatik und die Verbesserung der Lebensqualität sowie eine Verlängerung des Lebens (Leitlinien-konformes Vorgehen hinsichtlich v.a. der medikamentösen sowie der Device-Therapie).
Die Patienten sollten sich selbst kontrollieren (Gewicht, Blutdruck/Puls, Symptome), der Rückhalt aus dem sozialen Umfeld ist wichtig, ebenso der richtige Lebensstil (Kontrolle der Flüssigkeits- und Salzzufuhr, Nikotin- und Alkoholkarenz, körperliche Aktivität im Intervall forcieren).
Medikamentös stehen die Gabe eines ACE-Hemmers (alternativ eines Angiotensinrezeptor-Antagonisten) und eines Betablockers im Vordergrund, fakultativ ergänzt durch einen Aldosteron-Antagonisten und – bei Vorhofflimmern – ein Antikoagulans. Der Angiotensin-Rezeptorblocker-Neprilysin-Inhibitor stellt eine Alternative bei persistierender Symptomatik unter ACE-Hemmung dar, Ivabradin bei Sinusrhythmus und persistierender Symptomatik und tachykarder Herzaktion trotz Betablocker. Thiazid- und Schleifendiuretika sollten nur intermittierend eingesetzt werden. Zudem stehen folgende Devices und operative Verfahren zur Verfügung: antibradykarder Schrittmacher, kardiale Resynchronisationstherapie mit biventrikulärem Pacing, ICD, MitraClip, LVAD, Transplantation.
Autoimmunthyreoiditis
Epidemiologie: Sie ist die häufigste Ursache für eine erworbene Hypothyreose im Erwachsenenalter. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter stetig an und liegt bei 60-Jährigen bei circa 1–2% der Bevölkerung. Eine Sonderform stellt die Post-partum-Thyreoiditis dar, die nach 3–9% aller Schwangerschaften eintritt und passager verlaufen kann.
Die Ätiologie ist noch nicht vollständig geklärt, Umweltfaktoren, vorangehende virale oder bakterielle Infekte sowie Stress werden diskutiert. Es gibt zahlreiche potenziell assoziierte Erkrankungen wie Morbus Addison, Diabetes mellitus, Vitiligo oder ein Sjögren-Syndrom.
Diagnostik: Die Autoimmunthyreoiditis verläuft sehr häufig symptomlos, wenn atrophische Prozesse überwiegen, so resultiert eine Hypothyreose. Deren Verlauf ist meist sehr schleichend und wird im klinischen Alltag oft verkannt. Bei der Palpation kann die Schilddrüse eine feste Konsistenz aufweisen, bei atrophischer Form ist die Palpation oft nicht eindeutig. Typisch in der Labordiagnostik sind die Veränderungen der Schilddrüsenparameter (fT4, fT3 und bTSH; Hyper-, Eu- oder Hypothyreose) und die deutlich erhöhten Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-AK) und gegen Thyreoglobulin (TG-AK). Eine enge Korrelation besteht zwischen dem Vorhandensein der Antikörper und zytologisch nachweisbarer lymphozytärer Organinfiltration. In der Sonografie stellt sich die Schilddrüse diffus echoarm dar mit teils fleckigem Muster. In der Szintigrafie ist die Iod-Aufnahme erniedrigt und in der Zytologie finden sich eine deutliche Lymphozyteninfiltration, hyperplastische Veränderungen der Follikelzellen, eine autoimmun bedingte Destruktion von Follikelzellen, Makrophagen und fibrotische Veränderungen.
Therapie: Die Prognose der Erkrankung ist prinzipiell gut. Die Therapie ist immer symptomatisch orientiert, manchmal sind nichtsteroidale Antiphlogistika zur Behandlung akuter schmerzhafter Entzündungen und lokaler Beschwerden nötig. Unter strenger Observanz der Schilddrüsenparameter empfehlen sich eine thyreostatische Therapie und die Gabe des Betablockers Propranolol (hemmt die periphere Konversion von T4 zu T3 in der Leber) sowie eine Hormonersatztherapie mit T4 oder T4 und T3 (Start bei älteren Patienten mit 25µg L-Thyroxin, bei Jüngeren mit 50µg; Steigerung in kleinen Titrationsschritten alle 2 Wochen auf schließlich 1,5–2µg T4/kg KG).
Depression
Epidemiologie: Die Depression ist die häufigste psychische Erkrankung, in Österreich leiden rund 400.000 Personen daran. Die Erkrankung kann grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten, Frauen sind allerdings doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Hälfte aller depressiven Patienten unternimmt einen Selbstmordversuch, bis zu 15% der Patienten mit schwerer Form versterben durch Suizid.
Folgende Ursachen und Einflussfaktoren werden diskutiert: genetische Veranlagung, Persönlichkeitsfaktoren (übermäßig leistungsorientiert, Selbstwertgefühl hängt von Leistung ab, in Beziehung überangepasst, rasch verletzbar, übermäßig beziehungsabhängig und schuldbezogen), psychosoziale Belastungsfaktoren (Verlust der Selbstständigkeit durch körperliche Erkrankungen, Eintritt in Ruhestand, soziale Entwurzelung, Umzug, finanzielle Sorgen, negative Lebensbilanz, soziale Isolation), körperliche Erkrankung, Hirnfunktionsstörungen.
Bei einer Depression sind insbesondere drei Funktionsbereiche gestört: psychisch (gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Interesselosigkeit, Gefühlsverlust, innere Leere, Hoffnungslosigkeit, Angst), psychomotorisch (Hemmung: Bewegungsarmut, Kommunikationshemmung, Hypomimie, Agitiertheit: Unruhe, Getriebenheit, Leere, Beschäftigungsdrang), somatisch (Kraftlosigkeit, Müdigkeit, Energiemangel, Schlafstörungen, Störungen der Libido/Impotenz, Appetit- und Gewichtsverlust, Obstipation, Schmerzen, Druck- und Kältegefühle).
Diagnostik: Die Diagnosestellung basiert auf folgendem: Anamnese + Familien- und/oder Außenanamnese, psychologische Tests, körperliche und neurologische Untersuchung, Labor, Bildgebung (EEG, EKG, CT, MRT).
Zwei Screening-Fragen sind für die Diagnose einer „psychischen Störung“ aussagekräftig und praktikabel:
Haben Sie sich im letzten Monat oft niedergeschlagen, schwermütig oder hoffnungslos gefühlt?
Haben Sie im letzten Monat oft wenig Interesse oder Freude an Ihrer Tätigkeit gehabt?
Werden beide Fragen mit „Nein“ beantwortet, kann eine ausgeprägte Depression ausgeschlossen werden. Wird eine Frage bejaht, müssen folgende Kriterien beachtet werden: Schlafstörung, veränderter Appetit oder Gewicht, negative Meinung von sich selbst, Konzentrationsschwierigkeiten, veränderter Bewegungsdrang, Gedanken an Tod oder Selbsttötung. Wenn insgesamt vier oder mehr dieser Kriterien zutreffen, besteht eine „major depression“. Morgentief und Libido-Verlust sind weitere Hinweise auf eine Depression.
Therapie: Behandlungsoptionen umfassen den Einsatz von Psychopharmaka: Antidepressiva (stimmungsaufhellend), Benzodiazepine (sedierend), Neuroleptika (bei wahnhafter, psychotischer Symptomatik); weiters die Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie, psychoanalytische, lerntheoretisch orientierte und Partner-Therapie) und andere biologisch fundierte Therapieverfahren (therapeutischer Schlafentzug, Lichttherapie, Elektrokrampftherapie, transkranielle Magnetstimulation, Vagusnerv-Stimulation). Zu den ergänzenden Therapieformen einer Depression zählen: Sport und Bewegung, Homöopathie, Akupunktur, Ergotherapie, Psychoedukation, Musik, Kunst, Tanzen).
Tachykardiomyopathie
Epidemiologie: Die Prävalenz des Vorhofflimmerns liegt bei 0,4–2% in einem medianen Alter von 75 Jahren. Männer zeigen häufiger Vorhofflimmern, die Prognose ist hingegen bei Frauen schlechter. Die Sterblichkeit erhöht sich durch Vorhofflimmern um den Faktor 2, die Entwicklung einer Herzinsuffizienz um 3 und die Entstehung eines Schlaganfalls um 5. Die jährlichen Zusatzkosten in der Versorgung eines Patienten mit Vorhofflimmern belaufen sich auf rund 3000 Euro. Jede kardiale Erkrankung, vor allem die hypertensive oder koronare Herzkrankheit, kann diese häufigste Art der Herzrhythmusstörung verursachen, aber auch endokrine oder neurogene Ursachen kommen infrage. In bis zu 30% lässt sich keine Ursache eruieren, man spricht dann vom idiopathischen Vorhofflimmern. Die Diagnostik umfasst eine gründliche kardiologische Untersuchung, ein Labor mit Bestimmung der Schilddrüsenparameter ist ebenfalls dringend nötig.
Therapie: Es sollte zunächst festgelegt werden, ob eine Kardioversion in den Sinusrhythmus sinnvoll erscheint (z.B. kurze Dauer, tachykarde Herzaktion, starke Symptomatik, junge und aktive Menschen, kleiner linker Vorhof) oder ob permanentes Vorhofflimmern vorliegt. Eine Kardioversion wird entweder durch Elektroschock oder medikamentös durch Antiarrhythmika bewirkt, zur Aufrechterhaltung eines Sinusrhythmus kommt immer häufiger die Ablation im Bereich der Einmündung der Lungenvenen durch Hochfrequenz- oder Kryochirurgie zum Einsatz. Als zentrales Thema beim Vorhofflimmern ist stets die allfällige Notwendigkeit einer Antikoagulation zu nennen, wobei die neuen oralen Antikoagulanzien die Vitamin-K-Antagonisten zunehmend verdrängen. Bei der Entscheidung, ob eine Antikoagulation notwendig ist, ist der Einsatz von Score-Systemen von Nutzen (Embolierisiko: CHA2DS2-VASc, Blutungsrisiko: HAS-BLED).
„Multiple chemical sensitivity“
Das „Multiple chemical sensitivity“-Syndrom wird in Bezug auf Nosologie und Ätiologie kontrovers diskutiert. Eine Schädigung durch sehr niedrige Konzentrationen mehrerer Chemikalien (Amalgam, Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe) wird angenommen, ein Nachweis über die Validität dieses Zusammenhangs steht jedoch aus. Überzeugende Belege für die Entstehung von Müdigkeit durch elektromagnetische Felder liegen nicht vor. Beim sogenannten „Sick building“-Syndrom“ spielen neben Persönlichkeitsfaktoren Raumtemperatur und Raumluftzusammensetzung eine Rolle bei der Symptomentwicklung.
Chronische Müdigkeit bei unauffälligem somatischem und psychischem Befund
Bei fehlender organischer oder psychischer Genese empfehlen sich folgende Maßnahmen, je nach Befund:
Verordnete Medikation überprüfen
Allfällige Exsikkose durch ausreichendes Trinken und eine ausgewogene vitaminreiche und fettarme Ernährung behandeln
Regelmäßige sportliche Aktivität bei Bewegungsmangel anregen
Antistressprogramm bei Dauerdysstress
Allfällige Reduktion des Kaffee- und Alkoholkonsums
Wechselbäder bei Hypotonie und Gewichtsnormalisierung
Lebensstilmodifikation bei metabolischem Syndrom
Eine weitere Observanz erscheint jedoch stets als ratsam, um allfällig verzögerte andere Krankheitssymptome erkennen zu können.
Mattigkeit, nicht in direkter Verbindung mit Aktivitäten oder Bewegungen |
Neuromuskuläre Fatigue in bestimmten Muskelgruppen, z.B. der Hand beim Schreiben |
Fatigue durch erhöhte Körpertemperatur (Wärmeempfindlichkeit, z.B. nach heißem Bad, nach Essen von heißen Speisen |
Sekundär z.B. durch Schlafgewohnheiten, Infektionen, Bewegung, Medikamente |
Kombination mit Sehstörungen, Konzentrationsproblemen und Gedächtnisverlust möglich |
Tab. 4: Fatigue bei multipler Sklerose
Auswahl zur Medikation eines Patienten mit chronischem Fatigue-Syndrom
Cerebryl (Piracetam 1200mg), 1x 1 |
Vitamin-C-Ester-Form 1000mg, 2x 1 |
Vitamin C (300mg) + Zink (5mg), Depot-Kapseln, 2x 1 |
Legalon (140mg), 2x 1 |
Coenzym 1/NADH 5mg, 1–2x 1 |
Wobenzym plus, bis 2x 4 bei Bedarf |
Gelenk Aktiv plus (Glucosaminsulfat 750mg & Chondroitinsulfat 100mg), 2x 1 |
Hyaluronsäure/Kollagen-Kapseln, 2x 1 |
Monolaurin, 3–10g |
Ginkgo biloba (z.B. Tebofortan), bis zu 6 Tabletten pro Tag |
Vitamin D3 (5000IU) plus K2 (200mcg), 1x 3–5 |
Lactase-Tabletten (6000 FCC-Einheiten), bei Bedarf |
Ubiquinol (100mg), 3x 1 |
Neurobion, 2x 1 |
UltraPure MSM (1000mg), bis zu 3x 2 |
S-Acetylglutathion (200mg), bis zu 3x 3 |
Pregabalin Krka (75mg), bis zu 3x 1 |
Pantoloc (40mg), 1x 1 bei Bedarf |
Novalgin Tropfen, bis zu 3x 35 Tropfen bei Bedarf |
Iberogast-Tropfen, Antiflat, Kohletabletten bei Magen-Darm-Beschwerden nach Bedarf |
Doc Arnika Salbe |
Doc Ibuprofen Schmerzgel |
Mobilat Salbe |
Traumeel Salbe |
Rheumasalbe |
Tab. 5: „Hausapotheke“
Autoren:
Dr. Bernd Eber, Dr. Gertrud Krauter, Mag. Alexandra Heider, Dr. Alexandra Moritsch, Dr. Linda Feichtegger, Dr. Alfred Feichtel, Dr. Miriam Eber
Klinik Wilhering
Korrespondenzadresse:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernd Eber,
Klinik Wilhering GmbH
E-Mail: bernd.eber@liwest.at
Web: www.prof-eber.at
Lecture Board:
Prim. Univ.-Doz. Dr. Martin Schumacher, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz
Prim. Priv.-Doz. Dr. Johann Altenberger, Rehabilitationszentrum Großgmain
Ärztlicher Fortbildungsanbieter:
Ärztekammer für Oberösterreich
Organisation:
Universimed Cross Media Content GmbH
Literatur:
Baum E et al.: S3-Leitlinie Müdigkeit 2017, AWMF-Register-Nr. 053-002
Gold R: Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose. Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie S2e 2012, AWMF-Register-Nr. 030/060
Kirchhof P et al.: 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation. Eur Heart J 2016; 38: 2893-2962
Klingelhöfer J, Berthele A (Hrsg.): Klinikleitfaden Neurologie. München: Elsevier Verlag, 2017, ISBN 978-3-437-23144-5
Meinlschmidt G et al. (Hrsg.): Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag, 2012, ISBN 978-3-642-01712-4
Nawroth PP, Ziegler R (Hrsg.): Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel. Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag, 2001, ISBN 3-540-64765-1
Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2016; 27: 2129-2200
S3-Leitlinie/Nationale Versorgungs-Leitlinie Unipolare Depression 2015, AWMF-Register-Nr. nvl-005