
DFP-Literatur: Wissenswertes für die Hausarztpraxis
Allergien von A bis Z
Allergien gehören laut Österreichischem Gesundheitsbericht gemeinsam mit Rückenschmerzen zur häufigsten Diagnose beim Hausarzt.1 Für die Allergologie schwierig ist, dass das Wort „Allergie“ in der Umgangssprache auch sehr unspezifisch für „nicht mögen/nicht leiden können“ eingesetzt wird. Daher kommt es sehr leicht zur häufig deutlich überschätzten Selbstdiagnose durch Patientinnen und Patienten, an einer Allergie zu leiden.
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Allergie im medizinischen Sinne ist eng definiert. Dabei kommt es zu einer schädlichen, aber erlernten Überreaktion des Immunsystems gegen einen an sich ungefährlichen Umweltstoff. Nach der Klassifikation von Coombs & Gell unterscheiden wir im klinischen Alltag die zwei wichtigsten Allergieformen Typ I und Typ IV.2
Typ-I- oder Soforttypallergie
Bei dieser Form stehen klinisch die Symptome der Sofortreaktion im Vordergrund bis hin zum anaphylaktischen Schock. Das Ausmaß der Anaphylaxie wird in vier Graden angegeben:3
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I: Urtikaria, Juckreiz, Hautrötung, Angioödem
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II: zusätzlich Niesen, Heiserkeit, Dyspnoe, Bauchkrämpfe, Übelkeit, Blutdruckabfall, Tachykardie, Arrhythmie
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III: Erbrechen, Defäkation, Bronchospasmus, Kehlkopfödem, Zyanose, Schock
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IV: Atem- und Herz-Kreislauf-Stillstand
Darüber hinaus kann es zu verzögerten Symptomen vom Soforttyp kommen (Asthma bronchiale, große Lokalreaktionen, z.B. bei Insektengiftallergie). Letztere dürfen nicht mit der Typ-IV-Allergie verwechselt werden. Verursacht werden Sofortreaktionen von Allergen-spezifischem IgE, das im Ruhezustand an hochaffine Fc-ε-Rezeptoren der Mastzellen (und zu einem geringeren Teil an basophile Granulozyten) gebunden ist. Kommt es an der Oberfläche der Zellen zu einem Kontakt mit dem passenden Allergen, wird binnen weniger Sekunden die Mastzelle aktiviert und sie schüttet sofort präformierte Mediatoren wie Histamin und Tryptase sowie nach wenigen Stunden Leukotriene und Prostaglandine aus.
Es gibt rund 400 bekannte Typ-I-Allergene. Dabei handelt es sich typischerweise um relativ große Proteine. Sie gelangen durch oberflächlichen Kontakt an der Haut, der Schleimhaut der Atemwege oder der Augen oder durch den Magen-Darm-Trakt in den Organismus (inhalative Allergene, Nahrungsmittelallergene). Manchmal wird das Allergen auch direkt injiziert (Insektengift, Medikamente).
Typ-IV-oder Spättypallergie
Bei dieser, auch als Kontaktallergie bekannten Form spielen nicht Antikörper, sondern T-Zellen die pathophysiognomische Rolle. Daher sind Bluttests für die Diagnose dieses Allergietyps nicht sinnvoll. Die Allergene sind sehr kleine Substanzen wie Metallionen oder kleine Moleküle, die leicht die intakte Haut durchdringen können und erst nach Bindung an körpereigene Proteine zu vollwertigen Kontaktallergenen (Hapten) werden. Metalle, Duftstoffe, Konservierungsmittel, Farbstoffe, Kunststoffe und Medikamente sind die häufigsten der rund 3000 bekannten Kontaktallergene. Durch die verzögerte Aktivierung der T-Zellen kommt es binnen weniger Tage zu Symptomen, die sich normalerweise an der Haut in Form von Ekzemen zeigen. Klinisch führt dies zu den bedeutenden Krankheitsbildern allergisches Kontaktekzem und Arzneimittelexanthem.2 Tabelle 1 zeigt die häufigsten allergologischen Krankheitsbilder.

Allergiediagnostik
Die Basis ist eine fachkundige Anamnese (im Fall von inhalativen Allergien siehe Tab. 2), gefolgt von einem zielgerichteten Hauttest (Typ-I- und Typ-IV-Allergie). Falls verfügbar, sollten bei der Typ-I-Allergie In-vitro-Tests vorgenommen werden. Die Bestimmung des Gesamt-IgE kann hilfreich sein, um die Relevanz etwaig positiven spezifischen IgEs sowie eine mögliche atopische Disposition einzuschätzen. Unterstützend kann spezifisches IgE bestimmt werden, was aber allein weder Bestätigung noch Ausschluss einer Allergie zulässt! Hilfreich können Lungenfunktion, nasaler Status, dermatologischer Status und gelegentlich Provokationstests (v.a. Nahrungsmittel-, Medikamentenunverträglichkeit) sein.

Gewarnt sei vor Allergenchip-Tests mit Hunderten Einzeltests durch „Nicht-Experten“. Für einfache Fälle sind sie meistens unnötig, komplizierte Fälle verursachen einen erheblichen Beratungsaufwand und erfordern viel Fachwissen zur Interpretation.
Abzulehnende Diagnosemethoden sind die IgG/IgG4-Diagnostik, denn sie hat zur Diagnose von Allergien/Unverträglichkeiten mit Ausnahme der Zöliakie keinen Stellenwert und soll nach der einhelligen Meinung aller allergologischen Fachgesellschaften nicht durchgeführt werden.4, 5 Ungeeignet sind außerdem Bioresonanz und andere paramedizinische Methoden.6, 7
Nach Vorliegen der Befunde kann eine Revision der Anamnese notwendig sein und das Management der Allergie geplant werden.
Management der Allergie
Die Allergenvermeidung ist die direkteste und beste Therapieform. Sie ist die Basis des Managements von Typ-IV-Kontaktallergien und Medikamentenunverträglichkeitsreaktionen. Für das bessere Management werden häufig Allergiepässe ausgestellt. Diese sollten allerdings zurückhaltend und nur bei bewiesener sowie klinisch schwerwiegender Allergie vom Spezialisten ausgestellt werden.
Bei Haustierallergien ist die Allergenvermeidung derzeit ebenfalls die Basis der Therapie, bei einer Hausstaubmilbenallergie der erste Schritt. In den seltenen Fällen der echten Nahrungsmittelallergien ist die Vermeidung der entsprechenden Substanzen seit der Kennzeichnungspflicht für Nahrungsmittel für Betroffene einfacher geworden.
Inhalative Allergien, insbesondere auf Pollen und Sporen, können nicht vermieden werden (Tab. 2), wenn es auch hilfreiche Tipps zur Reduktion der Exposition gibt. Milde Formen des Heuschnupfens sind mit systemischen Antihistaminika, inhalativen Kortisonpräparaten und Antihistaminika-haltigen Augentropfen oft gut beherrschbar. Bei bis zu 40% der Patienten mit Heuschnupfen, besonders bei Kindern, besteht allerdings die Gefahr eines „Etagenwechsels“ zu einem allergischen Asthma bronchiale.
Ekzemreaktionen der Haut wie das atopische oder Kontaktekzem bedürfen im akuten Schub einer Therapie mit topischen Steroiden oder Calcineurininhibitoren und einer langfristigen Therapie mit rückfettenden Pflegecremen. Besonders zur Pflege muss der Patient immer wieder motiviert werden.
Intramuskulär verabreichte Kortison-Depotpräparate sollten dagegen nicht mehr eingesetzt werden. Sie sind schwer kontrollierbar und gehen mit nicht akzeptablen Nebenwirkungen einher (akut: Blutzucker- und Blutdruckentgleisung, Flush & Angioödem; chronisch: u.a. Förderung der Osteoporose). Der modernen Allergologie stehen andere Möglichkeiten der Therapie zur Verfügung.
Für Urtikaria und Angioödeme ist die Therapie mit nur einer Tablette eines Antihistaminikums täglich (so wie eigentlich zugelassen) meistens nicht ausreichend und es muss off-label, aber internationalen Leitlinien folgend, mit der bis zu vierfachen Tagesdosis behandelt werden.
Für schwerwiegendere Varianten sollte der Patient einem Dermatologen zugewiesen werden. Kortison sollte nur zurückhaltend in der Akutphase für wenige Tage zum Einsatz kommen.8
Adrenalin-Autoinjektor
Wird eine echte Anaphylaxie mit Systemzeichen nachgewiesen, sollten zusätzlich Adrenalin-Autoinjektoren (Epipen®, Jext®) eingesetzt werden. Zu beachten ist die Anpassung an das Körpergewicht (<30kg 150μg, 30 bis 50kg 300μg). Für Patienten über 50kg Körpergewicht könnten die erhältlichen Autoinjektoren von 300μg in manchen Fällen unterdosiert sein, deshalb können größere Gebinde (OP II) verordnet werden.
Bei jeder Verordnung muss der Patient in die richtige Anwendung eingeschult werden, die bei jeder Weiterverordnung erneut geübt werden muss! Schon kurz nach der Einschulung können viele Patienten erfahrungsgemäß den Pen nicht mehr richtig anwenden.9
Allergen-spezifische Immuntherapie
Die einzige ursächliche Behandlung einer Typ-I-Allergie ist die Allergen-spezifische Immuntherapie (AIT).10 Ältere Synonyme sind Hyposensibilisierung, Desensibilisierung oder auch Allergieimpfung. Alle geeigneten Patienten sollten der AIT zugeführt werden. Sie ist ab einem Alter von fünf Jahren zugelassen und sollte so früh wie möglich, vor allem beim Kind, angewandt werden, bevor es im Rahmen des allergischen Marsches zur typischen Ausbreitung auf mehr Allergene kommt. Die AIT aber ist nicht auf Kinder beschränkt. Bei gutem Allgemeinzustand und entsprechendem Leidensdruck gibt es keine obere Altersgrenze mehr. Die Stärken der AIT sind:
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Vorbeugen einer neuen Sensibilisierung
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Reduktion der Wahrscheinlichkeit, Asthma bronchiale zu entwickeln („Etagenwechsel“ verhindern)
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Weitgehender Schutz vor lebensbedrohlichen Reaktionen bei Insektengift
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Verbesserung der Lebensqualität
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Reduktion der Notwendigkeit, andere Medikamente einzusetzen
Einen Überblick, für welche Allergene eine AIT möglich ist, zeigt Abbildung 1. Die Erstverordnung erfolgt durch Fachärzte für Dermatologie, HNO, Pädiatrie und Pneumologie sowie durch Allergieambulatorien und Allergieambulanzen in Krankenhäusern. Die Weiterbetreuung kann in Kooperation mit dem Hausarzt erfolgen. Die genaue Anwendung ist abhängig vom jeweiligen Hersteller. Regelmäßige Kontrollen beim Facharzt sind sinnvoll. Alle AIT-Formen dauern in der Regel drei Jahre, bei Insektengiftallergie mitunter auch länger. Es gibt subkutan (SCIT) und sublingual verabreichte Immuntherapien (SLIT). Als Varianten können manche Präparate auch nur in drei Saisonen präsaisonal verabreicht werden. In der Praxis ist dabei die Compliance jedoch deutlich schlechter als bei den anderen Formen. Bei der SCIT gibt es im Gegensatz zur normalen Impfung zwei Besonderheiten:
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Die Injektion erfolgt subkutan (nicht i.m.!) eine Handbreit über dem Olekranon.
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Selten treten in den ersten 30 Minuten systemische Nebenwirkungen auf. Deshalb ist eine Nachüberwachung in der Ordination für 30 Minuten obligat.
Bei der SLIT löst die 3. Generation in Form von hochdosierten Tabletten die Tropfen- Immuntherapien zunehmend ab. Wir sehen mehr Wirksamkeit als früher und erreichen bei manchen Allergenen schon fast die Wirksamkeit der SCIT. Die Kehrseite der Medaille sind aber mehr, vor allem gastrointestinale Nebenwirkungen. Die Compliance bleibt bei der SLIT in der Praxis ein Problem und ist nur bei enger Patientenführung zu überwinden.
Quelle:
Vortrag „Allergien von A bis Z“ von Priv.-Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl, Wien, im Rahmen des Frühlingsquartetts von ALLGEMEINE+, 22. Februar 2020, Wien
Literatur:
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Griebler R et al.: Österreichischer Gesundheitsbericht 2016. Berichtszeitraum 2005–2014/2015. Bundesministerium für Gesundheit und Frauen 2017
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Coombs RRA, Gell PGH: Classification of allergic reactions responsible for clinical hypersensitivity and disease. In: Gell PGH, Coombs RRA, Lachmann PJ, editors. Clinical Aspects of Immunology. 3rd ed. Oxford: Blackwell Scientific Publications, 1975. 761-81
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Ring J et al.: S2 Leitlinie Anaphylaxie. Allergo J Int 2014: 23: 96-112
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Stapel SO et al.: Testing for IgG4 against foods is not recommended as a diagnostic tool: EAACI Task Force Report. Allergy 2008; 63: 793-6
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Kleine-Tebbe J et al.: Keine Empfehlung für IgG- und IgG4-Bestimmungen gegen Nahrungsmittel. Allergo J 2009; 18: 267-73
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Wüthrich B et al.: Bioresonanz –diagnostischer und therapeutischer Unsinn. Aktuelle Dermatologie 2006; 32: 73-7
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Dorsch W, Kolt A: Einfache Testverfahren zur Überprüfung der Aussagekraft von Bioresonanz-basierten medizinischen Befunden – der Leberkäse-Test. Allergo J 2019; 28: 22-30
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Zuberbier T et al.: The EAACI/GA²LEN/EDF/WAO guideline for the definition, classification, diagnosis and management of urticaria. Allergy 2018; 73: 1393-414
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Schmid MA et al.: Adrenaline autoinjector needle interlocking in the thumb due to improper injection. The Open Allergy Journal 2013; 6: 18-21
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Pfaar O et al.: Leitlinie zur (allergen-)spezifischen Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Allergo J Int 2014; 23: 282-319