10. Juni 2021
Hepatitis C
Algorithmus zur nichtinvasiven Risikoeinschätzung nach Heilung entwickelt
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Zusammen mit den „Vienna Liver Study Groups“ der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni Wien hat Dr. Georg Semmler einen einfachen, nichtinvasiven Algorithmus zur Einschätzung des Pfortaderhochdrucks und zur Vorhersage von Komplikationen bei Patienten nach Heilung einer Hepatitis C entwickelt. Für JATROS hat er einige Fragen zu seiner Arbeit beantwortet.
Die Hepatitis C musste noch bis vor einigen Jahren mittels Interferon-basierter Therapien monatelang behandelt werden, die Heilungsraten waren moderat und Nebenwirkungen häufig. Heute werden dagegen zur Behandlung der Hepatitis C antivirale Substanzen eingesetzt, die nicht nur ärmer an Nebenwirkungen sind, sondern es auch ermöglicht haben, innerhalb von acht bis zwölf Wochen einen Großteil der betroffenen Patienten zu heilen.
Eine gewisse Rolle spielt jedoch auch bei geheilten Patienten die portale Hypertension, die mit Komplikationen (Entwicklung von Aszites, Ösophagusvarizenblutung oder hepatischer Enzephalopathie)einhergehen kann. Dr. Georg Semmler hat zusammen mit dem Team der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni Wien einen nichtinvasiven Algorithmus entwickelt, der das Risiko,eine Komplikation der portalen Hypertension zu entwickeln, vorhersagen kann. Kürzlich wurde er dafür geehrt.
Sie haben den internationalen Medis Award für Ihre Arbeit zur nichtinvasiven Risikoeinschätzung einer Leberdekompensation nach Heilung einer Hepatitis C gewonnen. Können Sie kurz zusammenfassen, worum es dabei geht?
G. Semmler: Das Ziel der Arbeit war, die Nachsorge von Patienten, die von chronischer Hepatitis C geheilt wurden, zu optimieren. Es war uns ein Anliegen, dass eine individuellere Entscheidung getroffen werden kann, ob Patienten eine engmaschige Kontrolle benötigen oder eben nicht mehr an einem spezialisierten Zentrum kontrolliert werden müssen. Da aufgrund der aktuellen Therapieoptionen sehr viele Patienten geheilt werden können, stellt die Nachsorge einen relevanten Kostenfaktor für das Gesundheitssystem dar. Die Frage dabei ist: Bei welchen Patienten macht es Sinn, sie engmaschig nachzukontrollieren, bei welchen nicht?
Die derzeitigen Empfehlungen lauten, dass Patienten mit Zirrhose im Hinblick auf die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) lebenslang nachkontrolliert werden müssen. Bezüglich der portalen Hypertension und damit assoziierter Komplikationen gibt es jedoch – abgesehen von der Surveillance bzgl. des Auftretens von Ösopgahusvarizen – keine speziellen Empfehlungen.Eine unselektionierte engmaschige Kontrolle aller Patienten würde jedoch einen erheblichen monetären und personellen Aufwand bedeuten.
Wie sind Sie bei der Auswahl der herangezogenen Faktoren vorgegangen?
G. Semmler: Unser Ansatz zur Identifikation von Markern, die eine Risikoeinschätzung für das Fortbestehen einer klinisch signifikanten portalen Hypertension ermöglichen sollten, basierte auf den Erkenntnissen von bereits veröffentlichten Publikationen. Beispielsweise sind das Von-Willebrand-Faktor-Antigen, die Thrombozytenzahl, aber auch die Lebersteifigkeit Faktoren, die dieses Risiko abbilden.
Wir haben diese Parameter bei Patienten vor und nach der Therapie der Hepatitis C gemessen und systematisch analysiert. Zudem wurden die Patienten über einen medianen Zeitraum von drei Jahren nachbeobachtet. Dies ermöglichte es uns herauszufinden, bei wem es in späterer Folge zu Komplikationen kam und bei wem nicht. Wir stellten fest, dass mehrere Faktoren zusammen Patienten mit portaler Hypertension bzw. ohne portale Hypertension nach Therapieende noch besser voneinander unterscheiden können als ein Parameter alleine. Es ergab sich außerdem ein gewisser prädiktiver Wert, anhand dessen sich das Risiko für einDekompensationsereignis ableiten lässt.
Wie wird die Nachverfolgung geheilter Hepatitis-C-Patienten bislang gehandhabt?
G. Semmler: Grundsätzlich sollen Patienten mit Zirrhose bzw. fortgeschrittener Fibrose alle sechs Monate einen Ultraschall zum HCC-Screening erhalten. Die Prävention der Varizenblutung soll gemäß den BAVENO-VI-Leitlinien bzw. den österreichischen Empfehlungen des Billroth-III-Konsensus erfolgen.
Generell gibt es jedoch bisher kein spezifisches Nachsorgeverfahren nach ausgeheilter Hepatitis C. Mit unserem Algorithmus kann hier die Nachbetreuung zumindest in Hinblick auf die Komplikationen der portalen Hypertension verbessert werden.
Abb.: Die „Vienna Liver Study Groups“
Welchen Impact wird diese Entwicklung Ihrer Meinung nach auf die Patientennachsorge haben?
G. Semmler: Wann und inwieweit unser Algorithmus breit in der klinischen Praxis angewendet werden wird, kommt wohl auf die jeweiligen Zentren an. Generell wurde die Arbeit auch extern validiert und international nicht schlecht angenommen, wir haben einige positive Rückmeldungen erhalten.
Unsere Studie ist bis dato die einzige, die sich auf Dekompensationsereignisse fokussiert. Viele der bislang publizierten Studien, die sich ebenfalls mit diesem Thema befassen, haben versucht, sowohl Dekompensationsereignisse als auch das Auftreten des HCC „vorherzusagen“. Das verfälscht natürlich das Bild ein wenig, da die Risikofaktoren bzw. die Pathophysiologie zwar ähnlich, aber nicht ident sind. Unser Algorithmus hingegen kann keine Vorhersage über die mögliche Entwicklung eines HCC treffen, er bezieht sich ausschließlich auf die Dekompensation.
Wir möchten uns an dieser Stelle nochmals bei OÄ Dr. Stephanie Hametner-Schreil vom Ordensklinikum Linz und den Kollegen aus Padua bedanken, welche einen essenziellen Beitrag zur Validierung des Algorithmus geleistet haben. Dadurch konnten wir zeigen, dass er auch in der Anwendung bei anderen Patientenkollektiven verlässlich ist.
Sie gehören ja einer international geschätzten und sehr aktiven Forschungsgruppe an, was wird uns hier zukünftig noch erwarten?
G. Semmler: Ich bin sehr dankbar, Teil der „Vienna Liver Study Groups“ zu sein, einer Forschungsgruppe der Medizinischen Universität Wien unter der Leitung von Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Reiberger, die zahlreiche Aspekte der Hepatologie untersucht. Ein spezieller Fokus liegt sicher auf der portalen Hypertension bzw. der Leberzirrhose – also der fortgeschrittenen Lebererkrankung, die immer mehr als ein dynamisches Spektrum der Erkrankung verstanden wird, anstatt der reinen „Zirrhose“ als Endstadium der Lebererkrankung. Zusammen mit Priv.-Doz. DDr. Mandorfer, der hier federführend ist und das „Vienna Hepatic Hemodynamic Lab“ (den „Lebervenenkatheter“ unserer Abteilung) leitet, legen wir ein weiteren Schwerpunkt auf die Untersuchung der Regression der Lebererkrankung, die erstmalig am Beispiel der Hepatitis C in diesem Ausmaß untersucht werden kann.
Außerdem sind wir gerade dabei, einen Algorithmus zu entwickeln, der das Risiko für die Entwicklung eines HCC nach Heilung der Hepatitis C vorhersagen soll. Die Lebersteifigkeit spielt auch dabei eine gewisse Rolle, allerdings haben andere Faktoren wie z.B. das Alter, Albumin und AFP eine prognostische Wertigkeit.
Generell ist es sehr erfreulich, dass unsere Gruppe nun regelmäßig klinische und translationale Studien in den besten Journalen unseres Fachgebietes veröffentlicht und somit zur Reputation der österreichischen hepatologischen Community beiträgt. Dadurch wird es auch erleichtert, Funding für zukünftige Projekte zu akiquirieren – an Ideen für weitere Forschungsvorhaben mangelt es nicht.