Fortgeschrittenes Urothelkarzinom

ADC-Nebenwirkungen sicher managen

Enfortumab Vedotin (EV) in Kombination mit Pembrolizumab wurde kürzlich als neuer Erstlinienstandard beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom etabliert. Damit diese lebensverlängernde Therapie im Einzelfall erfolgreich eingesetzt werden kann, sind klare Vorgaben zum Umgang mit den typischen Nebenwirkungen erforderlich.

In der Erstlinienbehandlung des metastasierten Urothelkarzinoms war die Chemotherapie lange Zeit der unangefochtene Standard. Kürzlich etablierte jedoch die EV-302/KEYNOTE-A39-Studie die Kombination aus dem Nectin-4-gerichteten Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Enfortumab Vedotin (EV) und Pembrolizumab als neuen Standard.1 PD-(L)1-Inhibitor-naive Patient:innen mit unbehandeltem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom erhielten randomisiert entweder EV plus Pembrolizumab oder eine platinbasierte Chemotherapie über sechs Zyklen. Für EV war keine maximale Zykluszahl definiert worden, während Pembrolizumab über maximal 35 Zyklen verabreicht wurde. Patient:innen mit einem Performance-Status (PS) von 0–2 nahmen teil, wobei diejenigen mit PS 2 Kriterien wie eine glomeruläre Filtrationsrate >50ml/min erfüllen mussten und daher deutlich selektiert waren. Das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) bildeten die koprimären Endpunkte.

Diese grosse Studie mit 900 Patient:innen ergab einen beeindruckenden Vorteil für EV plus Pembrolizumab; das PFS überstieg jenes unter der Chemotherapie um das Doppelte (12,5 vs. 6,3 Monate; HR: 0,45; p<0,00001). Die Kurven zeigten bereits früh eine Trennung. Auch das Mortalitätsrisiko sank im Prüfarm um 53% ab (medianes OS: 31,5 vs. 16,1 Monate; HR: 0,47; p<0,00001). Die Überlebensvorteile waren in der Gesamtpopulation von der Eignung für die Cisplatintherapie unabhängig.

Prävention unerwünschter Ereignisse

Im Vergleich zur Chemotherapie bedingt EV plus Pembrolizumab allerdings häufiger schwerwiegende Nebenwirkungen (AE). Periphere sensorische Neuropathie, Pruritus, Alopezie und Hautausschlag zeigten im Prüfarm die höchsten Inzidenzraten unter den behandlungsbedingten AE. Als EV-spezifische AE von speziellem Interesse traten Hautreaktionen sowie sensorische und motorische periphere Neuropathie wesentlich häufiger auf als unter Chemotherapie (Tab.1). Darüber hinaus fanden sich okuläre AE, insbesondere Augentrockenheit, und Hyperglykämie, deren Pathophysiologie noch ungeklärt ist. In Bezug auf Pembrolizumab entsprachen die relevanten behandlungsbedingten AE den Erwartungen.

Die Selektion der Patient:innen ist eine wichtige Säule der AE-Prävention. Bei schlecht eingestelltem Diabetes oder peripherer Neuropathie muss von der Gabe von EV plus Pembrolizumab eventuell abgesehen werden. Im Einzelfall wird der Preis, der für das Erzielen eines OS-Gewinns zu zahlen ist, unterschiedlich ausfallen. Bereits eine periphere Neuropathie Grad 2 beeinträchtigt die Aktivitäten des täglichen Lebens. Eine vorangegangene Verordnung von Steroiden zwecks Steigerung des Performance-Status sollte bekannt sein, da dies die Wirksamkeit der Checkpoint-Inhibitoren beeinflussen kann; auch ein Effekt auf die Wirksamkeit der Kombination ist möglich. Generell sollte die Selektion von Patient:innen mit einem ECOG-Performance-Status 2 sehr sorgfältig erfolgen.

Die zweite wichtige präventive Säule besteht in der Schulung aller, die potenziell in die Betreuung der Patient:innen eingebunden sind, einschliesslich der onkologischen Fachärzt:innen und Krankenschwestern sowie des Personals in der Notaufnahme und in der Primärversorgung. Ebenso kann eine Aufklärung der Patient:innen sicherstellen, dass sie über das richtige Verhalten im Nebenwirkungsfall Bescheid wissen. Bei Toxizitäten Grad ≥2 sollte die Behandlung unterbrochen, eine Dosisreduktion in Erwägung gezogen und die AE spezifisch gemanagt werden.

Hauttoxizitäten: cave dermatologische Notfälle

Das durch EV plus Pembrolizumab verursachte Exanthem ist in der Regel makulopapulös und tritt bei etwa zwei Dritteln der Patient:innen auf. Bei der Untersuchung sollte die gesamte Haut einschliesslich der Schleimhäute und Augen beurteilt werden. Zu achten ist auf orale Ulzera und Lymphadenopathie, systemische Symptome wie Fieber sowie Veränderungen im Bereich der Entzündungsmarker und des kompletten Blutbilds, da ein erhöhtes Risiko für das DRESS(„drug rash with eosinophilia and systemic symptoms“)-Syndrom und das Stevens-Johnson-Syndrom besteht.

Dennoch darf die Basisdiagnostik nicht vernachlässigt werden, etwa der Ausschluss von Insektenstichen, Hautinfektionen oder -infestationen (z.B. Milben) oder die Frage nach einer Umstellung auf neue Pflegeprodukte. Im Rahmen der Anamnese sind auch Informationen über vorangegangene Therapien für die kutane Nebenwirkung einzuholen, da Medikamente wie Antibiotika die onkologische Therapie beeinträchtigen können, vor allem die Checkpoint-Inhibitor-Komponente. An den meisten Abteilungen ist das Management niedriggradiger Hautreaktionen in Form lokaler Algorithmen etabliert. Dermatolog:innen sollten frühzeitig zugezogen werden, wenn die Patient:innen auf einfache Massnahmen wie Pflegecremes und Antihistaminika nicht ansprechen bzw. die Schleimhäute oder mehr als ein Drittel der Haut betroffen sind. Ist die Kausalität unklar, kann eine Biopsie angezeigt sein. Zu den Warnzeichen, die eine dermatologische Konsultation unabdingbar machen, zählen Schmerzen, Erythrodermie, Blasen und Schwellung der Ohrläppchen, die auf das DRESS-Syndrom hinweisen, das ein dermatologischer Notfall ist. Die Patient:innen sollten von Beginn an dazu angehalten werden, Pflegecremes auf Haferbasis, im Freien Sonnenschutzmittel sowie parfümfreie Produkte zu verwenden.

Neuropathie und Hyperglykämie

Die EV-bedingte Neuropathie ist in der Regel sensorisch und lässt sich anhand direkter Fragen verifizieren (z.B. „Haben Sie Probleme, einen Stift zu halten oder eine Tastatur zu bedienen?“). Die Kontrolle der Diabeteseinstellung muss überprüft werden; eine subtile Zunahme von Harnsymptomen kann auf eine Verschlechterung hindeuten. Substanzen wie Amitriptylin und Gabapentin sind im Allgemeinen effektiv, ebenso wie eine Lokaltherapie mit Mentholcreme (1–2%).

In Bezug auf das Thema der Hyperglykämie kommt sowohl der Patient:innenaufklärung als auch der Schulung des Gesundheitspersonals ein hoher Stellenwert zu. Symptome wie Pollakisurie und Müdigkeit sollten bei jeder Kontrolle überprüft werden, und bei bekanntem Diabetes sind häufigere Blutzuckerkontrollen zu Hause indiziert. Auf Diabetes spezialisierte Pflegeteams können miteinbezogen werden. Die Behandlung mit EV plus Pembrolizumab ist zu unterbrechen, wenn die Blutglukosespiegel 250mg/dl übersteigen. Der Start einer Steroidbehandlung aufgrund einer anderen Erkrankung sollte bekannt sein.

Multidisziplinäre Teams helfen Komplikationen zu vermeiden

Zusammengefasst können als Eckpunkte des Managements die Schulung aller Personen, die in die Betreuung der Patient:innen involviert sein können, multidisziplinäre Teamarbeit und frühzeitige Intervention genannt werden. Wir sollten idealerweise Komplikationen zuvorkommen und einen klaren Behandlungspfad beim Auftreten von Toxizitäten sicherstellen. Auf diese Weise sind Dosisreduktionen oder Therapiepausen mit dem Ausblick auf eine Reinduktion der lebensverlängernden Behandlung möglich.

Wie wir allerdings wissen, werden viele Patient:innen mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom gar nicht oder nur unzureichend behandelt. Grosse Real-World-Analysen aus den USA und Dänemark haben gezeigt, dass bis zu zwei Drittel nicht einmal eine Erstlinientherapie erhalten.2–4 Dies ist höchstwahrscheinlich auf einen erschwerten Zugang sowie Entscheidungen von Mitgliedern des multidisziplinären Teams, die nicht auf die Therapie des metastasierten Urothelkarzinoms spezialisiert sind, zurückzuführen.◼

Der vorliegende Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.

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Tab. 1:Nebenwirkungen von Enfortumab Vedotin von speziellem Interesse

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