Neue Therapieoptionen bei Prostata- und Nierenkarzinom

Onkologische Fragestellungen nahmen auch im Rahmen des diesjährigen EAU-Kongresses einen großen Raum ein. Neben der Präsentation aktueller Daten ging es dabei auch um die Bewertung und Einordnung einiger in den vergangenen Monaten publizierter Studien, die das Potenzial haben, als „Gamechanger“ die klinische Praxis im Management von uro-onkologischen Erkrankungen zu verändern

PEACE-Studien: Dreifachtherapie mit ADT + Docetaxel + Abirateron

PEACE (Prostate Cancer Consortium in Europe) ist ein europäisches akademisches Programm mit dem Ziel, Phase-III-Studien in der Indikation Prostatakarzinom durchzuführen. An jeder der einzelnen PEACE-Studien, von denen bislang sechs begonnen wurden, müssen mindestens zwei europäische Länder beteiligt sein. Die Studien sind voneinander unabhängig und werden von akademischen Krankenhäusern durchgeführt. Ergebnisse der Studie PEACE-1 wurden im Rahmen des EAU-Kongresses 2021 vorgestellt und diskutiert.

„Im Wesentlichen geht es in PEACE-1 um die Frage, wie wir die verschiedenen Therapien, die in den vergangenen Jahren beim primär metastasierten Prostatakarzinom zugelassen wurden, kombinieren sollen“, kommentiert Prof. Dr. Karim Fizazi von der Universität Gustave Roussy in Villejuif, Frankreich. Die mehr als 1000 Patienten erhielten Standardtherapie (SOC), SOC + Abirateron (1000mg qd +Prednison 5mg bid), SOC + Radiatio (74Gy in 37 Fraktionen) oder SOC + Abirateron + Radiatio. Die SOC war eine Androgendeprivationstherapie (ADT) mit oder ohne Docetaxel, wobei sich der Einsatz von Docetaxel an den zu diesem Zeitpunkt jeweils gültigen Leitlinienempfehlungen orientierte. Daher hatten ab 2017 alle Patienten im Rahmen der SOC Docetaxel erhalten. Koprimäre Studienendpunkte waren das radiografische progressionsfreie Überleben (rPFS) und das Gesamtüberleben (OS).

Im Rahmen des ASCO 2021 vorgestellte erste Ergebnisse zeigten eine eindrucksvolle Verlängerung des rPFS durch die Kombination von SOC + Abirateron von 2,2 auf 4,5 Jahre (HR: 0,54; 95% CI: 0,46–0,64, p<0,0001; Abb. 1). Dieser Vorteil fand sich auch bei jenen Patienten, die als SOC auch Docetaxel erhalten hatten. Fizazi: „Diese Daten sprechen klar für eine Dreifachtherapie mit ADT + Docetaxel + Abirateron.“ Im Rahmen des EAU 2021 stellte Fizazi unter anderem auch Daten zu Patienten mit hohem Metastasenvolumen vor, die das gleiche Bild zeigen wie die Gesamtpopulation. Das rPFS wurde in dieser Gruppe noch deutlicher (4,1 vs. 1,5 Jahre) verlängert. Die Dreifachtherapie war jedoch auch bei Männern mit niedrigem Metastasenvolumen überlegen. Fizazi: „Jede der Subgruppen hat vom zusätzlichen Einsatz von Abirateron profitiert.“

Neue Radioligandentherapie beim PCa verlängert Gesamtüberleben

Prof. Dr. Johann de Bono vom britischen Institute of Cancer Research präsentierte die Ergebnisse der kürzlich prominent publizierten Phase-III-Studie VISION, die die Wirksamkeit einer Radioligandentherapie mit Lutetium 177 (177Lu)–PSMA-617 untersuchte. Der Ligand bindet an das prostataspezifische Membran-Antigen (PSMA), das vom metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom in hohem Maß exprimiert wird. Auf diesem Wege werden PSMA-exprimierende Zellen und ihre Umgebung gegenüber Beta-Strahlung exponiert. VISION war eine internationale, offene Phase-III-Studie mit mehr als 800 Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom. Voraussetzung für den Einschluss waren Vorbehandlung mit mindestens einem Androgenrezeptorblocker und mindestens einer taxanhaltigen Chemotherapie sowie ein mittels PET-CT nachgewiesener PSMA-exprimierender Tumor. Die Patienten wurden mit 177Lu-PSMA-617 + Standardtherapie oder mit Standardtherapie alleine behandelt. Primäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben sowie das Gesamtüberleben. Als sekundäre Endpunkte wurden das objektive Ansprechen, die Krankheitskontrolle und die Zeit bis zum ersten symptomatischen skelettbezogenen Ereignis erhoben. Die Studie erreichte ihre beiden primären Endpunkte. Sowohl das progressionsfreie Überleben als auch das Gesamtüberleben wurden durch 177Lu-PSMA-617 + Standardtherapie signifikant verlängert. Das kombinierte Risiko für Progression oder Tod war um 60% reduziert (HR: 0,40; 99,2% CI: 0,29 bis 0,57; p<0,001). Das Gesamtüberleben lag bei 15,3 Monaten vs. 11,3 (Abb. 2). Unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 waren unter 177Lu-PSMA-617 häufiger (52,7% vs. 38,0%), die Lebensqualität der Patienten war dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. 1

Neue neoadjuvante und adjuvante Ansätze beim Nierenzellkarzinom

Neue Entwicklungen gibt es auch beim Nierenkarzinom. So untersuchte eine ukrainische Gruppe die potenzielle Rolle einer neoadjuvanten Therapie mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Pazopanib bei Patienten mit lokalisiertem Nierenzellkarzinom. Die Wirksamkeit der Therapie wurde bewertet nach dem Ausmaß der Tumorregression, dem objektiven Ansprechen nach den RECIST- Kriterien, organerhaltenden Operationen, der Komplikationsrate und dem Gesamtüberleben über fünf Jahre. Die Interventionsgruppe von 83 Patienten wurde mit einer gleich großen Kontrollgruppe von Patienten verglichen, die ohne neoadjuvante Therapie operiert wurden.

Die neoadjuvante Therapie führte zu einer Reduktion der Tumorgröße und einem höheren Anteil an funktionsfähigem Parenchym um bis zu 21%. Eine Verkleinerung des Tumors konnte bei 74 der 83 Patienten erreicht werden, in keinem Fall kam es zur Progression unter Therapie. Ein Restaging nach der neoadjuvanten Therapie war in 38,6% der Fälle möglich. Die Tumorverkleinerung ermöglichte bei 75 Patienten (90,3%) eine nephronschonende Operation. In der Vergleichsgruppe war dies bei 41 Patienten (48,8%) möglich. Die Komplikationsraten waren in beiden Gruppen gleich. Auch beim Fünfjahresüberleben zeigte sich mit 91% vs. 80% kein signifikanter Unterschied zwischen den Armen.

Im Rahmen einer „Game-changing Session“ stellt Prof. Dr. Thomas Powles vom Barts Cancer Centre in London die Ergebnisse der auf dem ASCO Anfang dieses Jahres präsentierten Studie KEYNOTE 564 vor, die den adjuvanten Einsatz des Checkpoint-Inhibitors Pembrolizumab bei Patienten mit High-Risk-Nierenzellkarzinom nach Nephrektomie untersuchte. Die knapp 1000 Patienten erhielten Pembrolizumab oder Placebo bis zu ein Jahr lang. Die Anfang des Jahres vorgestellte Interimsanalyse wird nun zur finalen Analyse, so Powles, da der primäre Endpunkt krankheitsfreies Überleben (DFS) mit einer Risikoreduktion von mehr als 30% über zwei Jahre erreicht wurde (HR: 0,68, 95% CI: 0,53–0,87, p=0,001). Nach 24 Monaten lag das geschätzte DFS bei 77,3% unter Pembrolizumab und 68,1% unter Placebo. Der Vorteil für Pembrolizumab ist durch alle untersuchten Subgruppen nachweisbar, so Powles. Beim Gesamtüberleben zeigt die Interimsanalyse noch keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Powles weist aber darauf hin, dass der Trend in eine ermutigende Richtung geht und die Daten noch nicht reif für eine finale Auswertung sind. Sollte auch ein Überlebensvorteil gezeigt werden, so hat KEYNOTE 564 das Potenzial, zu einem Gamechanger zu werden. ◼

◾0615

Quelle:

EAU 2021, Sessions „Live from the studio: Game changing sessions 1 und 4“; Postersession

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rPFS

HR: 0,50 (95% CI: 0,40–0,62)

p<0,0001

Zeit nach Randomisierung (Jahre)

Anzahl in Risikogruppe

Nein

Ja

Abb. 1: PEACE-1: SOC (ADT + Docetaxel) + Abirateron verlängert das radiografische progressionsfreie Überleben vs. SOC

HR: 0,62 (95% CI: 0,52–0,74)

p<0,001 (einseitig)

Median 15,3 vs. 11,3 Monate

177Lu-PSMA-617 + SOC (n=551) SOC alleine (n=280)

Ereignisfrei (%)

Zeit nach Randomisierung (Monate)

Anzahl in Risikogruppe

177Lu

SOC

Abb. 2: VISION-Studie: 177Lu-PSMA-617 verlängert das Gesamtüberleben von Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom

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