Hämorrhoiden – nicht gleich schneiden!
Brennen und Jucken in der Analregion können lästig und unangenehm sein und bei längerem Leidensdruck ist das Patientenbedürfnis groß, diese Missempfindungen zu lindern. Hämorrhoidalleiden sind ein häufiger Grund für transanale Blutungen und Beschwerden.
Häufigkeit
Die Studienlage zur Epidemiologie und Prävalenz der Hämorrhoiden ist spärlich, da Patienten einerseits dazu tendieren, die mit Scham behaftete Analregion selbst zu behandeln, anstatt einen Spezialisten aufzusuchen,[1] und andererseits hinter vielen analen Beschwerden Hämorrhoidalleiden vermutet werden, obwohl andere Erkrankungen ursächlich sind.[2] Weiters konnte ein altersbedingter Prävalenzanstieg verzeichnet werden, der ab dem 70. Lebensjahr ein Plateau erreicht.[3] Der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung liegt bei beiden Geschlechtern zwischen dem 45. und dem 65. Lebensjahr.[2] 1990 deklarierte eine Studie aus den USA, ca. 10Millionen Menschen seien von Hämorrhoidalleiden betroffen.[4] Hämorrhoidalleiden sind zumindest in den westlichen Industrienationen als „Volkskrankheit“ einzustufen, da die Inzidenz der Patienten, die sich in Behandlung begeben, bei ca. 4% liegt.[2,5••]
Definition
Unter dem anatomischen Begriff der „Zona haemorrhoidalis“ versteht man das zirkuläre arteriovenöse Gefäßkissen am anorektalen Übergang, wo Rektumschleimhaut und Haut (Anoderm) an der Linea dentata aufeinandertreffen.[6] In dieser Problemzone können sich auch Abszesse und Fisteln aufgrund der dort einmündenden Analdrüsen bilden.[1] Unter einem Hämorrhoidalleiden wird einerseits eine symptomatische Vergrößerung des normalen, anorektalen Gefäßkissens verstanden, welches sich nach distal deplatziert und dadurch Symptome verursacht. Andererseits werden unter dem Begriff auch nicht vergrößerte Hämorrhoidalzonen subsummiert, die jedoch das Symptom der Blutung aufweisen.[7]
Pathogenese
Die Pathophysiologie des abgesenkten, manchmal thrombosierten, hämorrhoidalen Gefäßkissens ist komplex, die Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Neben einer Schwächung des Bindegewebes durch häufiges Pressen und den Durchtritt von hartem Stuhl werden Gefäßveränderungen herangezogen.[7] Diese betreffen einerseits eine verstärkte arterielle Blutzufuhr, andererseits einen behinderten venösen Abfluss.[8] Hinzu kommen fallweise entzündliche Veränderungen des Hämorrhoidalgewebes, möglicherweise aufgrund mechanischer Schleimhautverletzungen.[7] Nicht wirklich statistisch gesichert sind Entstehungsursachen wie Obstipation,[3] sitzende oder stehende Berufe, Bindegewebsschwächen, Kälte- und Wärmeeinfluss. Der einzig gesicherte Zusammenhang mit der Genese ist bisher nur jener mit Schwangerschaft und Geburt.[8]
Klassifikation
Diese erfolgt durch Größe und Lokalisation im Analkanal entsprechend der Einteilung von Goligher.(Abb.1)[9] Eine normal wirkende Hämorrhoidalzone mit dem Symptom der Blutung bezeichnet man als Stadium I. Beim Stadium II prolabieren einzelne Hämorrhoidalknoten kurzfristig bei der Defäkation. Stadium III entspricht einem Prolaps, der sich reponieren lässt, während Hämorrhoiden im Stadium IV nicht mehr reponibel sind. (Abb.2) Insbesondere prolabierende Hämorrhoiden können Anlass für lokale Missempfindungen wie Juckreiz und Brennen sein, da die Rektalschleimhaut selbst nicht sensibel innerviert ist, das Anoderm hingegen schon.
Abb. 2:
Hämorrhoidalprolaps Grad IV
Differenzialdiagnosen[6]
Die Abgrenzung der Hämorrhoiden von den vielfältigen Differenzialdiagnosen ist essenziell, da jede Pathologie einer anderen Behandlung bedarf. Das relativ häufige obstruktive Defäkationssyndrom (ODS) ist oft bedingt durch einen Deszensus der vorderen Rektumwand (anteriorer Mukosaprolaps [AMP]) in den Analkanal mit Rektozele, begünstigt durch das dünne Septum rectovaginale der Frau. Dadurch kommt es zu einer Erschwerung der Defäkation. Während bei AMP operative Eingriffe mit großer Zurückhaltung erfolgen sollten, sind sie bei großen Hämorrhoiden nach Versagen der konservativen Therapie Erfolgversprechend.Marisken sind häufige, vollkommen harmlose Hautläppchen am Analrand, die fallweise bei der Analhygiene stören und dann mit „anal dyscomfort“ einhergehen können.
Perianale Thrombosen treten spontan mit kurzfristigen Schmerzen auf und gehen binnen weniger Wochen zurück oder können fallweise durch Inzision entleert werden. Analfissuren sind entzündete Einrisse im Anoderm und können heftige Schmerzen und Blutungen bei der Defäkation verursachen. Chronische Fissuren werden chirurgisch entfernt, während akute Fissuren zumeist mittels Salben abheilen.
Die Entzündungen der Region nennt man auch anale Sepsis: Der akute Analabszess ist äußerst schmerzhaft und geht nach Spontanperforation oder Inzision über in die chronische Analfistel, die aufgrund ihrer Sekretion mit analen Missempfindungen einhergeht. Beide bedürfen der Operation.
Bei analen und perianalen Condylomata acuminata handelt es sich um Warzen von HPV-Infektionen (humanes Papillomavirus) der Region. Sobald histologisch verifiziert, werden sie vorzugsweise mit Imiquimod behandelt oder exzidiert. Analkarzinome sind meist Plattenepithelkarzinome, die den Hämorrhoiden symptomatisch sehr ähnlich sind und daher manchmal sehr spät diagnostiziert werden.
Analpolypen sind immer benigne, oberflächlich glatt, gestielt und härter als Adenome. Rektumpolypen bergen hingegen die Gefahr, Vorstufe eines Karzinoms zu sein, und bedürfen daher stets der Abtragung. Der Rektumprolaps ist oft mehrere Zentimeter lang und zirkulär gefältelt. (Abb.3)
Diagnostik
Das Hämorrhoidalleiden wird mittels proktologischer Untersuchung diagnostiziert.[1] Die Anamnese beurteilt Art, Dauer und Ausmaß der Beschwerden, womit auch der Leidensdruck ermittelt wird.[6]Natürlich wird auch nach den Stuhlgewohnheiten und nach familiärer Karzinombelastung gefragt.
Bei der klinischen Untersuchung folgt auf die Inspektion die digitale Palpation zur Beurteilung des Sphinkters und gegebenenfalls zum Ertasten von tiefsitzenden Tumoren; abgeschlossen wird mit der Proktoskopie.[1] Auch mit Rücksicht auf das Schamgefühl wird behutsam untersucht, am besten in der bequemen Linksseitenlage, in welcher das Gefühl der entwürdigenden Entblößung der Intimsphäre am geringsten ist.
Drei Studien zeigten, dass die zuverlässigste Diagnostik von Hämorrhoiden und anderen analen Erkrankungen durch die Ano- bzw. Proktoskopie erfolgt.[1] Die Stadien der Hämorrhoiden sind relevant für die verschiedenen Therapiemöglichkeiten: Jene I. bis III. Grades werden mit dem Proktoskop diagnostiziert, wobei für Grad III die glaubhafte Anamnese des passageren Prolapses beweisend ist, denn dieser lässt sich in der Linksseitenlage kaum jemals produzieren. Grad IV ist eine Blickdiagnose. Dem Koloskop kommt in der Beurteilung von Hämorrhoiden kein Stellenwert zu.
Abb. 3:
Rektumprolaps
Therapie
Konservativ vor operativ
Besteht kein Leidensdruck vonseiten der Hämorrhoiden, so ist keine Operation indiziert – ungeachtet des Stadiums. Die konservative Therapie erzielt in allen Stadien oft ungeahnte Effekte. Meist werden Salben oder Suppositorien in Selbstmedikation angewendet. Oral kann auch eine mikronisierte, purifizierte Flavonoidfraktion (MPFF = Diosmin) gegeben werden, die die Hämorrhoiden verkleinert und die Symptome lindert.[5••,6,10] Auch die Auswirkungen einer ballaststoffreichen Diät bzw. die Zufuhr von Quellmitteln wurde in Studien analysiert, ergab aberkeine statistisch signifikanten Ergebnisse.[6] Weiters untersuchte man in randomisiert-kontrollierten Studien den Einfluss eines „falschen“ Defäkationsverhaltens durch das Erzwingen der Darmentleerung mittels Pressen bei Patienten mit erst- und zweitgradigen Hämorrhoiden und man konnte feststellen, dass durch dessen Vermeidung eine Blutungsreduktion erzielt werden kann.[11]
Die Eigenverordnung von Analhygieneprodukten ist oft kontraproduktiv, da viele Patienten zu klassischen Feuchttüchern greifen, von denen jedoch abzuraten ist, da nicht wenige von diesen irritierende Substanzen enthalten.[12] Aus diesem Grund wurden für die Linderung von Missempfindungen in der Analregion natürliche Produktreihen entwickelt, die sich auch für den Langzeitgebrauch eignen. Diese sind wesentlich verträglicher und enthalten, im Gegensatz zu manchen medizinischen Präparaten, kein Cortison. Spezielle Pflege- und Reinigungstücher, Waschschaum und Cremen beinhalten pflanzliche Wirkstoffe, die die Haut regenerieren, aufbauen und beruhigen.[13](Tab.1) Reinigungstücher auf natürlicher Basis bewähren sich besonders unterwegs, falls keine adäquaten Möglichkeiten zur Reinigung vorhanden sind.
Interventionen
Eine Intervention ist nur dann indiziert, wenn der Leidensdruck symptomatischer Hämorrhoiden zu groß und die konservative Therapie ineffektiv ist. Es liegt auf der Hand, dass kleine Interventionen, wie die Sklerosierung und Gummibandligatur durch das Proktoskop den Stadien I und II vorbehalten sind, während das permanent prolabierte Stadium IV der submukösen Hämorrhoidektomiebedarf.[1](Tab.2) Ziel ist, die Blutversorgung und die Größe der Hämorrhoiden zu reduzieren.[6]
Sklerosierungen fixieren das Hämorrhoidalkonvolut oberhalb der Linea dentata, indem Verödungsmittel submukös knapp oberhalb der Hämorrhoidalpolster injiziert werden.[1,5••] Bei der Gummibandligatur wird die Mukosa oberhalb der Hämorrhoiden gefasst und mit einem kleinen Gummiring abgeschnürt.[14]
Als besonders schonend und doch effektiv für die Stadien II und III haben sich in den letzten Jahren die ligaturbasierten Verfahren[15] erwiesen: Mit HAL (Hemorrhoidal-Artery-Ligation) werden die Gefäße abgebunden, mit RAR (Recto-Anal-Repair) wird das Hämorrhoidalgewebe gerafft. Die klassischen Verfahren der Exzision bei Grad IV – zumeist bei 3, 7 und 11Uhr in Steinschnittlage – sind die Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan und deren Modifikationen mit Naht der Schleimhaut nach Parks und Ferguson. [1,5••,7] Liegen die Stadien II bis IV vor, so ist das ideale, weil recht schonende Vorgehen, die „tailored hemorrhoidectomy“ mit Exzision nur des größten Knotens und HAL und RAR an den anderen Stellen.[1,6] Die Klammernahtanopexie PPH („procedure for prolapse and hemorrhoids“) kann fallweise schwere Komplikationen nach sich ziehen.[16]
Postoperatives Management und Komplikationen
Nach einer Hämorrhoidektomie sorgen milde Laxanzien für einen relativ mühelosen Stuhlgang.[1] Schmerzen in der ersten postoperativen Phase werden mit systemischen Analgetika (z.B. nichtsteroidale Antirheumatika) oder lokal mit anästhesierenden Salben behandelt. Trotz Reinigung durch einfaches Abduschen der Region mehrmals täglich kann die Sekretion von offenen Wunden zu perianalem Brennen und Jucken führen, das idealerweise mittels Cremes auf pflanzlicher Basis gelindert wird.
Leichte Komplikationen sind gelegentliche Nachblutungen und lokale Entzündungen. Schwerer wiegen chronisch persistierende Schmerzen und/oder Stuhlinkontinenz, die zwar selten sind, jedoch einer umfassenden präoperativen Aufklärung bedürfen.[1]
Fazit
Die wesentlichen Symptome der „Volkskrankheit“ Hämorrhoiden sind Blutung, Druckgefühl und Prolaps. Die proktologische Diagnostik berücksichtigt die schambesetzte Intimsphäre der Patienten und erstellt einen Therapieplan, der sich im Falle von Eingriffen an den Stadien orientiert.[5••,6] Zunächst sind immer konservative Therapieversuche angezeigt. Nur bei deren Versagen und einem entsprechenden Leidensdruck ergibt sich die Indikation für Interventionen, einschließlich der Chirurgie. Anale und perianale Missempfindungen, wie Brennen und Juckreiz, finden sich sowohl bei Hämorrhoiden wie auch bei anderen Affektionen und nach Operationen in dieser Region. Sie können die Lebensqualität massiv beeinträchtigen und bedürfen oft einer langfristigen Therapie. Ideal ist die Anwendung von eigens entwickelten Produkten der Analhygiene, insbesondere von cortisonfreien Cremen auf natürlicher pflanzlicher Basis.[13]
Das sollten Sie lesen:
Der Autor empfiehlt folgende Referenz als wissenschaftlich und/oder praktisch besonders relevant (im Text und in der Literaturliste markiert mit ••).
[5••] Aigner F et al.: Konsensusbericht Hämorrhoidalleiden. Wien Klin Wochenschr 2012; 124: 207–19Therapieoptionen von Hämorrhoiden umfassen sowohl konservative als auch chirurgische Ansätze, die häufig immer noch willkürlich je nach Fachkenntnissen des Chirurgen eingesetzt werden. Das Ziel des Konsensus-Statement war es, einen stadienabhängigen Zugang zu den Therapieoptionen der Hämorrhoiden zu schaffen.