2. Juni 2021
Psoriasis-assoziierte Komorbiditäten
Nach der Lektüre dieses CME-Literaturstudiums kennen Siedie pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen Psoriasis und damit assoziierten Komorbiditäten und wissen, worauf gemäss nationalen und internationalen Richtlinien beim Screening auf Komorbiditäten besonderes Augenmerk gelegt werden muss.
Primäre Zielgruppen: Dermatologen, Rheumatologen, Diabetologen, Allgemeininternisten
Komorbiditäten aus Sicht des Rheumatologen
Psoriasis-Arthritis
Psoriasis-Arthritis (PsA) ist eine chronische, immunmediierte Erkrankung, die mit Entzündungen der Gelenke einhergeht, wobei auch die Enthesen (Enthesitis), die Finger (Daktylitis) und das Iliosakralgelenk (Sakroiliitis) betroffen sein können. In die pathophysiologischen Abläufe ist eine Vielzahl an Zellen des angeborenen und erworbenen Immunsystems involviert, wobei der der Pathogenese zugrunde liegende Mechanismus nach wie vor unklar ist. Für bestimmte Faktoren wie «tumor necrosis factor α» (TNF-α) oder IL(Interleukin)-23/Th(Helferzellen)-17-Pathway konnte bereits gezeigt werden, dass sie eine eminente Rolle im pathophysiologischen Geschehen spielen, was auch die Grundlage für die Entwicklung von zielgerichteten Medikamenten lieferte, welche an diesen Faktoren ansetzen. [1•]
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Patienten mit Psoriasis weisen eine Reihe von kardiovaskulären (CV) Komorbiditäten und ein erhöhtes Mortalitätsrisiko auf, wobei die CV Erkrankungen am meisten zur erhöhten Mortalität beitragen. Aus wissenschaftlicher Perspektive wird Psoriasis als eine systemische inflammatorische Erkrankung gesehen, bei der Biomarker für Entzündung erhöht sind und mittels bildgebender Techniken Entzündungen nachgewiesen werden können, die weit über die Haut hinausgehen und ganze Organsysteme betreffen können. Darüber hinaus konnte eine Assoziation zwischen Psoriasis und Atherosklerose identifiziert werden, sodass die Hypothese generiert wurde, dass Psoriasis ein unabhängiger CV Risikofaktor ist, der die Atherosklerose über die inflammationsinduzierte und der Atherosklerose zugrunde liegende endotheliale Dysfunktion vorantreibt. Dabei dürfte proinflammatorischen Zellen bei der Perpetuierung der Entzündung und der Plaqueentstehung eine wesentliche Rolle zukommen. [2] Vice versa konnte gezeigt werden, dass die medikamentöse Suppression der Inflammation unabhängig vom Vorliegen einer Psoriasis die CV Prognose verbessert, wie dies in der Studie CANTOS nachgewiesen werden konnte. Durch Blockade des IL-1β-Pathways mit einem antiinflammatorisch wirksamen Antikörper konnte ein signifikanter Effekt auf rezidivierende CV Events erzielt werden. [3] Ob dies auch für Patienten mit Psoriasis gilt, ist nicht gesichert, aber anzunehmen. Unter der Schirmherrschaft der International League of Associations for Rheumatology (ILAR) haben die European League against Rheumatism (EULAR) und die Group for Research and Assessment of Psoriasis and PsA (GRAPPA) 2020 eine aktualisierte Version der im Jahr 2015 publizierten Empfehlungen zum Management von PsA veröffentlicht. Darin wird explizit erwähnt, dass bei PsA-Patienten ein strukturiertes Screening auf das Vorliegen von Komorbiditäten unter Berücksichtigung von Obesitas, metabolischem Syndrom, Gicht, Diabetes, CV Erkrankungen, Lebererkrankungen, Depression und Angststörungen erfolgen soll. In den Guidelines wird auch auf Therapien für spezifische Komorbiditäten eingegangen, wobei nur für wenige Komorbiditäten evidenzbasierte Therapien tatsächlich verfügbar sind. [4]
Komorbiditäten aus Sicht des Dermatologen
Psoriasis ist mit multiplen Komorbiditäten assoziiert
Gemäss der Definition der World Health Organization (WHO) zeigen Psoriasispatienten einen unvorhersehbaren Verlauf an Symptomen, externen Triggern und signifikanten Komorbiditäten – einschliesslich Arthritis, CV Erkrankungen, des metabolischen Syndroms, chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) und Depression. [5] Mittels FDG-PET (Fluor-Desoxy-Glukose-Positronen-Emissionstomografie) kann klar dargestellt werden, dass es sich bei der Psoriasis um eine Systemerkrankung handelt:Entzündliche Lokalisationen werdendurch Glukoseanreicherung abgebildet und leuchtenhell auf (klinisch: Haut; subklinisch: z. B. Blutgefässe, Gelenke, Leber). [6] In der Literatur wird berichtet, dass 40% der Patienten ein metabolisches Syndrom, 62% depressive Symptome, 20% eine CV Erkrankung und 30% eine Gelenksbeteiligung aufweisen (Abb. 1). [5, 7–9] Das Risiko für die Entwicklung einer CED ist bei psoriatischen Frauen um das Vierfache erhöht. [10] Die WHO hat die von Mrowietz entwickelte Darstellung von Psoriasis als chronischer Erkrankung mit einem hohen Ausmass an Komorbiditäten und Effekten auf die Lebensqualität (QoL) aufgegriffen. In dieser wird eine Unterteilung in die Belastung durch die Erkrankung, Effekte auf die QoL, psychiatrische Effekte, CV Erkrankungen, systemische Situation und Haut vorgenommen (Abb. 2). [5, 11]Bezüglich des Risikos für CV bedingte Todesfälle, Schlaganfälle und Myokardinfarkte sind grosse Unterschiede zwischen Patienten mit leichter vs. schwere Psoriasis festgestellt worden. Das relative Risiko (RR) für die angeführten CV Ereignisse liegt bei 1,03 vs. 1,39 bzw. 1,29 vs. 1,7 bzw. 1,12 vs. 1,56, wobei ein RR von 1 als «kein erhöhtes Risiko» definiert wurde (Abb. 3). [12, 13] Psoriasis-assoziierte Komorbiditäten führen zu einer geringeren Lebenserwartung: Bei betroffenen Frauen ist die Lebenszeit im Durchschnitt um 4,4 Jahre, bei Männern um 3,5 Jahre verkürzt. [14] Es gibt multiple Faktoren, die zum CV Risiko bei Psoriasispatienten beitragen: Einerseits bilden Adipositas und Lebensstilfaktoren wie Rauchen, andererseits aber auch Psoriasis-bedingte Therapien den Nährboden für das CV Risikoprofil, das sich in Form von Dyslipidämie, Hypertonie (z.B. bei Therapie mit Cyclosporin), endothelialer Zelldysfunktion etc. manifestieren kann. [15] Analog zum «atopischen Marsch» existiert das Konzept des «psoriatrischen Marsches», das auf einer kausalen Assoziation zwischen Psoriasis und systemischer Inflammation sowie CV Komorbiditäten basiert: Dabei wird postuliert, dass Psoriasis als chronische Entzündung zu einer Insulinresistenz und in weiterer Folge zu einer endothelialen Dysfunktion führt, wodurch Atherosklerose entsteht, die wiederum das Risiko für CV Ereignisse wie Myokardinfarkt oder Schlaganfall erhöht (Abb. 4). [16]
Psoriasis und Adipositas – ein 2-Kompartiment-System
Das Fettgewebe wird mittlerweile als aktives endokrines Organ betrachtet, das viele Faktoren sezerniert – darunter Adipokine (Zytokine), von Adipozyten stammende Hormone und eine Vielzahl an proinflammatorischen Zytokinen wie IL-6 oder TNF-α. Darüber hinaus wurde erkannt, dass das Fettgewebe als Teil des angeborenen Immunsystems fungiert und Adipozytokine eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der Insulinresistenz spielen und mit metabolischen Komplikationen wie Dyslipidämie oder Hypertonie in Zusammenhang stehen. Ebenso handelt es sich bei der Entwicklung einer fettgewebsassoziierten Entzündung um ein multifaktorielles Geschehen: Lösliche Faktoren aus der Dermis/Epidermis oder dem Fettgewebe können in den Blutkreislauf eintreten und dort eine Entzündung auslösen; es kann ein direkter Austausch zwischen Haut und Fettgewebe im Sinne eines 2-Kompartiment-Systems erfolgen und darüber hinaus kann TNF-α direkt Insulin blockieren und Adipokine – die von den Fettzellen sezernierten Zytokine – alterieren. Daraus resultiert eine fettgewebsassoziierte Entzündung. Es wird davon ausgegangen, dass Psoriasis-assoziierte Obesitas als Schlüsselfaktor für die Entwicklung eines ausgeprägten Diabetes und eines metabolischen Syndroms fungiert. [17] In einer Fallkontrollstudie an Patienten mit chronischer Plaque-Psoriasis konnte gezeigt werden, dass das Risiko für ein metabolisches Syndrom nach dem 40. Lebensjahr gegenüber der Kontrollgruppe signifikant zugenommen hatte (p=0,005). Zudem wiesen die Psoriasispatienten eine höhere Prävalenz für Hypertriglyzeridämie und abdominelle Obesitas auf als die Kontrollgruppe. [18]
Guidelines empfehlen Screening auf Komorbiditäten
In den Schweizer S1-Leitlinien wird die Relevanz des Screenings von Psoriasispatienten auf die folgenden Komorbiditäten betont: CV Erkrankungen und Risikofaktoren einschliesslich Obesitas, Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes mellitus, nicht alkoholischer Fettleber, CED, Lymphome und Hautkrebs, Angstsymptome und Depression, Tabak- und Alkoholabusus. [19] In der Realität sind Patienten mit Psoriasis jedoch grossteils «under-screened» und dementsprechend unterbehandelt. [20] Wenn auch nicht umfassende Evidenz verfügbar ist, liegen doch Hinweise darauf vor, dass Methotrexat (MTX) und TNF-Antagonisten zu einer Verringerung von CV Ereignissen führen. In einer retrospektiven Analyse wurde festgestellt, dass die Effekte von TNF-α-Antagonisten sogar noch ausgeprägter waren als jene von MTX: Nach 12 Monaten waren bei Patienten unter Anti-TNF-Therapie weniger CV Ereignisse verzeichnet worden als bei jenen unter MTX (p<0,01). Mit jeder kumulativen 6-Monate-Exposition wurde das Risiko für CV Ereignisse unter TNF-α-Inhibitor-Therapie um 11% gesenkt (p=0,02; medianes Follow-up [FU]: 24 Monate). [21] Auch zu den Effekten einer Gewichtsabnahme auf den Psoriasis Area and Severity Index (PASI) und zur QoL liegen Studiendaten vor: Jensen et al. teilten je 30 Psoriasispatienten einer Interventions- bzw. einer Kontrollgruppe zu. Patienten in der Interventionsgruppe nahmen eine kalorienreduzierte Diät («low-energy diet», LED; 800–1000 kcal) zu sich; die Kontrollgruppe wurde dazu angeleitet, sich ohne Kalorienreduktion gesund zu ernähren. Die Ergebnisse aus der LED-Gruppe weisen auf einen Trend zugunsten einer klinisch relevanten PASI-Verbesserung und einer signifikanten Verbesserung der QoL gemäss dem Dermatology Life Quality Index (DLQI) hin. [22]
Komorbiditäten aus der Sicht des Diabetologen
Assoziation Psoriasis – Diabetes
Weltweit gab es im Jahr 2017 mehr als 200 Millionen Diabetiker, die weltweite Prävalenz für Adipositas liegt bei 770 Millionen. [23] Die Entwicklungen in den USA veranschaulichen klar, dass innerhalb der letzten Jahrzehnte sowohl eine Zunahme von Adipositas als auch von Diabetes zu verzeichnen ist: Von knapp 34% der Personen, die an Adipositas leiden (BMI ≥ 30 kg/m2), haben ca. 13,2%, also etwa ein Drittel, einen Diabetes mellitus Typ 2 (Typ2DM) entwickelt. [24] Für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms gibt es viele klassische Risikofaktoren wie Rauchen oder Bluthochdruck. Eine wesentliche Rolle spielt dabei aber auch eine viszerale Adipositas, die gleichzeitig als Risikofaktor für die Entwicklung eines Typ2DM fungiert. [25]Circa ein Drittel der Diabetiker entwickelt im Verlauf der Erkrankung Hauterscheinungen wie die Bullosis diabeticorum oder die Necrobiosis lipoidica diabeticorum. [26]Weltweit liegt die Prävalenz für Psoriasis bei 2–4%, jene für Diabetes bei 5,6%. Die systemische Entzündung bei Psoriasis ist mit einer gestörten Glukosetoleranz, einem metabolischen Syndrom, einem Diabetes, einem erhöhten CV Risiko und einer erhöhten Mortalität assoziiert. In einer Metaanalyse von randomisierten Studien wurde bei Differenzierung nach leichter vs. schwere Psoriasis die Prävalenz für die Entwicklung eines Diabetes mit 53 vs. 95% angegeben, was insgesamt mit einer um 59% erhöhten Prävalenz einhergeht. [27]
Assoziation oder Kausalität?
Mit einer Insulinresistenz per se sind viele Erkrankungen, darunter Atherosklerose, Hypertonie, gestörte Glukosetoleranz und Typ2DM, assoziiert (Abb. 5). [28] Circa ein Drittel der stark übergewichtigen Individuen entwickelt einen Diabetes, wobei die Insulinresistenz nicht durch eine erhöhte Betazellmasse kompensiert werden kann. Der dafür verantwortliche Mechanismus ist eine erhöhte Apoptose, die durch Hyperglykämie, Hyperlipidämie, oxidativen Stress und Zytokine bedingt ist. Gleichzeitig ist bekannt, dass das angeborene Immunsystem – Granulozyten, Makrophagen, invariable natürliche Killerzellen (iNK) etc. – an der Pathogenese der Psoriasis beteiligt ist und mit Adipositas, Diabetes und Dyslipidämie assoziiert wird. [29] Dabei stellt sich die Frage, welche Rolle das Bauchfett per se spielt: Carey et al. haben bereits 1996 herausgefunden, dass das viszerale Fett, gemessen am Bauchumfang, mit dem Risiko für die Entwicklung eines Typ2DM korreliert (Abb. 6). Zudem besteht eine signifikante Assoziation von Insulinsensitivität und Adipositas (p<0,0001). [30] Bei der Untersuchung der Entwicklung von Normalgewicht zu Übergewicht bei metabolischer Gesundheit bis zur Adiposität mit einer Insulinresistenz und einer Hyperinsulinämie wurde herausgefunden, dass initial durch die Betazellen versucht wird, die Situation durch eine Mehrproduktion von Insulin zu kompensieren. Irgendwann aber kommt es zur Dysfunktion mit einer beeinträchtigten Glukosetoleranz und schliesslich zum Versagen der Betazellen und daraus resultierend zur Manifestation eines Typ2DM (Abb. 7). [31]
Psoriasis nie mit Typ1DM assoziiert
Beim Typ-1-Diabetes (Typ1DM) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei welcher die B-Zellen des Pankreas zerstört werden. Typ1DM-Formen, die unmittelbar nach der Geburt manifest werden (postnataler Typ1DM), sind monogene Diabetesformen, d. h., sie sind auf den Defekt eines einzelnen Gens zurückzuführen. Ausserdem werden mitochondrial bedingte Typ1DM-Fälle ausschliesslich durch die Mutter vererbt und treten bis zum 45. Lebensjahr auf. Der klassische Typ2DM ist ein polygener Diabetes, d. h., er ist auf ein Konglomerat verschiedener genetischer Defekte zurückzuführen. [32] Die genetischen Ursachen von Typ1- und Typ2DM sind also komplett verschieden. Die Analyse der HLA(humanes Leukozytenantigen)-System-Regionen von Typ1DM-Patienten hat ergeben, dass v. a. die DQ- und die DR-Region am Chromosom 6 betroffen sind – in diesen Fällen entwickelt jeder vierte bis fünfte Betroffene einen Typ1DM. Ebenfalls gibt es protektive Regionen wie DR15 und 16. [33] Bei einem Vergleich der Genloci-Analysen zu Psoriasispatienten konnten keinerlei Zusammenhänge mit Typ1DM nachgewiesen werden. [34]
Kann eine Typ2DM-Therapie Psoriasis verbessern?
Zwar gibt es dazu nicht allzu viele Daten, jedoch konnte gezeigt werden, dass GLP(«glucagon-like peptide»)-1-Agonisten zu einer Verbesserung des PASI führen. GLP-1 wird von invarianten iNK-T-Zellen exprimiert, diese sind wiederum in die Pathogenese von Psoriasis involviert. GLP-1 induziert eine dosisabhängige Hemmung der Zytokinsekretion. iNK-T-Zellen wurden vermehrt in der Zirkulation und in verminderter Anzahl in den psoriatischen Plaques nachgewiesen. Die Beobachtung, dass eine direkte Interaktion zwischen GLP-1 und dem Immunsystem stattgefunden hat, legt die Möglichkeit des gezielten Einsatzes von GLP-1-Agonisten bei inflammatorischen Erkrankungen wie Psoriasis nahe. [35]
Typ2DM geht mit hoher CV Morbidität und Mortalität einher
Die CV bedingte Mortalität ist bei Diabetikern gegenüber Nichtdiabetikern um mehr als das Doppelte erhöht (HR: 2,32). [36] In der Studie Steno-2 konnte bei Diabetikern (medianes Alter: 55 Jahre) mit persistierender Mikroalbuminurie durch eine multifaktorielle Behandlung mit Antihypertensiva, Lipidsenkern, Antiplättchentherapie und Rauchentwöhnung nach 13 Jahren eine Reduktion der Todesfälle um 50% erzielt werden, wobei noch dazu die «number needed to treat» (NNT) mit 5 sehr niedrig liegt. [37]
Brauchen wir noch neue Diabetesmedikamente?
In den vergangenen Jahren hat eine Revolution der Diabetestherapie stattgefunden, indem neue Substanzklassen in die Therapielandschaft Einzug gefunden haben. Während früher die Vorstellung über die Pathogenese vor allem die verminderte Insulinsekretion, vermehrte Glukoneogenese in der Leber und verminderte Glukoseaufnahme in die Muskeln miteinbezog, wurden inzwischen viele neue Erkenntnisse gewonnen, die das Verständnis der Pathophysiologie bei Diabetes massgeblich erweitert haben (Abb. 8):
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Eine erhöhte Lipolyse im Fettgewebe,
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eine vermehrte Glukagonsekretion durch die Alphazellen des Pankreas,
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ein verminderter Inkretineffekt (GLP-1-Produktion) im Darm,
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eine gestörte Neurotransmitterfunktion im Gehirn und
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eine erhöhte Glukosereabsorption in der Niere, wodurch die Niere die Hyperglykämie unterhält,
wurden als entscheidende pathophysiologische Vorgänge identifiziert. [38, 39]
Während es Biguanide (Metformin) und Sulfonylharnstoffe schon seit vielen Jahrzehnten gibt, sind inzwischen acht Substanzklassen an Diabetesmedikamenten und zwölf Insuline verfügbar, wobei viele Kombinationsmöglichkeiten bestehen. Beim Vergleich von oraler Gabe von DDP(Dipeptidylpeptidase)-4-Antagonisten mit subkutan (s.c.) applizierten GLP-1-Analoga zeigte sich, dass mit Ersteren physiologische Wirkspiegel, mit den GLP-1-Analoga jedoch supraphysiologische Wirkspiegel erzielt werden, die zur Appetitabnahme führen und einen Gewichtsverlust bewirken können. Bei Überdosierung kann sich dieser Effekt negativ in Form von Übelkeit, Diarrhö, Erbrechen und Bauchschmerzen manifestieren. GLP-1-Analoga sind auch in Form von Tabletten verfügbar, mit denen wie mit den DDP-4-Hemmern ebenfalls physiologische Spiegel erreicht werden. Demgegenüber sind die bei s.c. Verabreichung von GLP-1-Analoga erzielten Wirkspiegel um das circa Fünffache höher. [40] Die Substanzklasse der SGLT(«sodium-glucose linked transporter»)2-Inhibitoren wirkt primär auf die Niere, indem die Glukoseausscheidung erhöht wird. [41]
Ziele in der Diabetestherapie
Das Erreichen von adäquaten HbA1c-Werten ist das A & O, um mikro- und makrovaskuläre Komplikationen zu vermeiden. Gemäss den Leitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SDEG) soll bei jungen Erwachsenen ohne CV Erkrankungen ein HbA1c-Wert <7% (bzw. bei strengerer Definition <6,5%) angestrebt werden. Patienten, die auch insulinpflichtig sind und wesentliche Komorbiditäten wie eine Nieren- und/oder Herzinsuffizienz und/oder CV Erkrankungen und/oder ein hohes Alter (>80 Jahre) haben, wird ein HbA1c-Wert <8,0% als ausreichend erachtet. Darüber hinaus sollen auch die Patientenpräferenzen berücksichtigt werden: Auch die Patienten möchten hypoglykämische Zustände und eine Gewichtszunahme vermeiden und wenn möglich eine Gewichtsabnahme erzielen. Ausserdem bevorzugen sie in der Regel wenn möglich eine orale Therapie in Form von Tabletten, wöchentlich anstelle von täglich, gegenüber einer s.c. Verabreichung. Im Fokus des Arztes sollte bei der Therapiewahl u.a. auch stehen, ob mit der jeweiligen Substanzklasse eine Reduktion von CV Ereignissen möglich ist. [42]
Senkung des CV Risikos durch bestimmte Substanzklassen
Für SGLT2-Inhibitoren konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass sie bei relevanten CV Endpunkten eine nachweislich positive Wirkung haben, indem sie zu einer Reduktion der CV bedingten Mortalität und der Zahl an Myokardinfarkten führen. Zudem wurden protektive Effekte bei Herzinsuffizienz sowie in Bezug auf die Nieren verzeichnet. [43–46] Bei einem Vergleich mit Studien zu CV Outcomes unter GLP-1-Analoga stellte sich heraus, dass diese keine Effekte auf die Herzinsuffizienz haben, sehr wohl allerdings in Hinsicht auf Schlaganfälle, renale Outcomes, CV bedingte Mortalität und andere schwerwiegende nachteilige kardiale Ereignisse (MACE). [47–50] Hingegen konnte bei Verwendung von DDP-4-Hemmern, die neben Metformin am häufigsten eingesetzt werden, im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Substanzklassen kein CV Benefit festgestellt werden. [51–54]In einer dänischen Real-Life-Kohortenstudie wurden an insgesamt 66807 Patienten (medianes Alter: 57–66 Jahre) unterschiedliche Zwei- und Dreifachkombinationen von Diabetesmedikamenten unterschiedlicher Substanzklassen untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Kombination aus Metformin + SGLT2-Inhibitoren + GLP-1-Analoga nach einem medianen FU von fünf Jahren mit dem niedrigsten kumulativen Risiko für schwerwiegende CV Ereignisse einherging. Das Gleiche trifft bei der Analyse in Bezug auf die Gesamtmortalität zu. Als schlechteste Therapie wurde Metformin + Sulfonylharnstoff identifiziert. [55] In den Empfehlungen der SGED für die Behandlung von Typ2DM wird ebenfalls die frühe Initiierung einer Kombinationstherapie – bevorzugt mit SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Analoga – angeführt. Ein multifaktorieller Ansatz einschliesslich der Änderung von Lifestyle-Faktoren sowie eine personalisierte Behandlung nehmen einen zentralen Stellenwert ein. [42]
Komorbiditäten aus der Sicht des Psychiaters
Psoriasis-assoziierte Depressionen
Aus einer taiwanesischen Studie geht hervor, dass nicht nur 11,9% der Psoriasispatienten eine Depression aufwiesen, sondern auch 2,5% ihrer Verwandten davon betroffen waren, was auf eine mögliche genetische Assoziation hindeuten könnte. [56]
Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass Medikamente, die bei Psoriasis zum Einsatz kommen, per se mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Depression assoziiert sind. [57] Schlafstörungen treten häufig als Zusatzsymptome bei Depressionen auf. Prof. Dr. med. Gregor Hasler empfiehlt, bei Psoriasispatienten vorsichtig zu evaluieren, ob möglicherweise eine Depression vorliegen könnte. Der Einstieg könnte leicht gelingen, wenn man den Patienten nach seiner Schlafqualität fragt. In den DSM(Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders)-Kriterien für eine «major»-depressive Episode wird eine Depression dann diagnostiziert, wenn eines der Kernsymptome depressive Verstimmung oder Interessenverlust an fast allen Tagen und mindestens fünf aus neun Symptomen (darunter die eben genannten plus Schlafstörungen, verminderte Fähigkeit zu denken, sich zu konzentrieren oder sich zu entscheiden, Appetitzu- oder -abnahme, Tagesmüdigkeit/Verlust von Energie, Gefühl der Wertlosigkeit oder unangemessene Schuldgefühle, psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung, wiederkehrende Gedanken an den Tod) über zwei Wochen auftreten. [58] Eine weitere Möglichkeit, Patienten auf eine Depression zu screenen, bietet das Ausfüllen des PHQ(Patient Health Questionnaire)-9-Fragebogens, bei welchem Schwere und Dauer der Symptome kombiniert werden. Dabei wird ermittelt, wie oft sich der Patient in den vergangenen zwei Wochen durch definierte Beschwerden beeinträchtigt gefühlt hat. Als Antwortmöglichkeit stehen «überhaupt nicht», «an einzelnen Tagen», «an mehr als der Hälfte der Tage» bzw. «beinahe jeden Tag» zur Verfügung. Bereits die Antworten auf die ersten beiden Fragen («wenig Interesse an Ihren Tätigkeiten» und «Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit») sind aufschlussreich. Die Summe aus den einzelnen Punkten ergibt eine Einstufung in «gesund», «unauffällig», «leichtgradige» bzw. «mittelgradige»bzw. «schwere Depression». Der Test dient zur Orientierung, ist aber nicht als Dia-gnoseinstrument geeignet. [59] Für die Therapie einer leichten Depression wird gemäss Holzboer et al. eine Psychotherapie oder eine Pharmakotherapie, für die Therapie einer mittelgradigen oder schweren Depression eine Psychotherapie und/oder eine Pharmakotherapie empfohlen. Ein Monitoring soll einmal wöchentlich und eine klinische Wirkungsprüfung nach drei bis vier Wochen erfolgen. Für den Fall, dass eine Besserung um >50% eingetreten ist, wird die Fortsetzung der Therapie empfohlen. Wenn die Besserung <50% beträgt, ist eine Therapieanpassung/Ergänzung erforderlich. [60]
Zusammenfassung der in diesem med·Diplom vermittelten Lerninhalte
Klinische Relevanz
Abb. 1: Psoriasispatienten leiden häufig unter Komorbiditäten. Modifiziert nach Oliveira M et al. [7]
Abb. 2: Psoriasis gilt als chronische Erkrankung mit einer Vielzahl von Komorbiditäten und Effekten auf die Lebensqualität. Modifiziert nach WHO [5] und Mrowietz U et al. [11]
Abb. 3: Psoriasispatienten haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Modifiziert nach Kimball AB et al. [12] und Armstrong EJ et al. [13]
Abb. 4: Das Konzept des «psoriatischen Marsches». Mod. nach Boehnke WH et al. [16]
Abb. 5: Mit einer Insulinresistenz assoziierte Krankheiten. HDL: «high density lipoprotein», TG: Triglyzeride. Modifiziert nach ADA [28]
Abb. 6: Viszerales Fett korreliert mit dem Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes. Modifiziert nach Carey DG et al. [30]
Abb. 7: Typ2DM entwickelt sich als Folge von Überernährung und mangelnder körperlicher Aktivität. Über die Zeit fällt die Kompensation der Insulinresistenz durch die β-Zellen weg, was in einem progressiven Abfall der β-Zell-Funktion resultiert. In der Folge entstehen eine beeinträchtigte Glukosetoleranz und schliesslich ein manifester Typ2DM. Der Pathogenese der Insulinresistenz liegt ein Energieüberschuss durch Überernährung und/oder Inaktivitätzugrunde. Die durch die β-Zell-Kompensation bewirkte Hyperinsulinämie erlaubt die Verschiebung von überschüssiger Energie in Fettgewebe. Ein Mensch, der über eine normale Inselzellfunktion verfügt, wird auch bei Vorliegen einer Insulinresistenz keinen Diabetes entwickeln. Wenn jedoch eine genetische Prädisposition vorliegt, entwickelt er bei einer Insulinresistenz eine abnorme Inselfunktion mit der Folge einer gestörten Glukosetoleranz und eines Typ2DM. IGT: beeinträchtigte Glukosetoleranz; NGT: normale Glukosetoleranz. Modifiziert nach Prentki M, Nolan CJ [31]Abb. 8: Erweitertes Modell der Pathophysiologie des Typ2DM. Modifiziert nach De Fronzo RA [38]
Empfehlung von Prof. Dr. med. Lehmann: Empfehlung von Prof. Dr. med. Daikeler:
[55•] Jensen MH et al.: Risk of major adverse cardiovascular events, severe hypoglycemia, and all-cause mortality for widely used antihyperglycemic dual and triple therapies for type 2 diabetes management: a cohort study of all Danish users. Diabetes Care 2020; 42: 1209-18
Diese Kohorten-Studie mit den Real-World Daten von mehr als 66000 Patienten mit Typ 2 Diabetes hat gezeigt, welche Kombinationstherapien idealerweise zum Krankheitsmanagement eingesetzt werden (Metformin und SGLT-2-Inhibitoren oder GLP-1-Rezeptoragonisten).
[1•] Veale DJ, Fearon U: The pathogenesis of psoriatic arthritis. Lancet 2018; 391: 2273-84
Diese Publikation erläutert auf verständliche Weise die Pathogenese der PsA sowie potenzielle Therapieoptionen.