Die Zukunft ist vielversprechend
Neue Therapiemöglichkeiten der atopischen Dermatitis
Die atopische Dermatitis (AD) ist eine der häufigsten chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen, die durch quälenden Juckreiz, rezidivierende Ekzeme und eine stark verminderte Lebensqualität gekennzeichnet ist. Die Prävalenz hat sich in den letzten vier Jahrzehnten in den westlichen Industrieländern verdreifacht und betrifft derzeit 25% der Kinder und 1–3% der Erwachsenen.1,2 Charakteristisch für das Ekzem ist ein starker Juckreiz in Verbindung mit Hauttrockenheit, Erythemen, Erosionen/Exkoriationen, Krustenbildung und Lichenifizierung.2
Pathogenese
Um neue Therapieansätze besser verstehen zu können, ist ein Einblick in die komplexe Pathogenese erforderlich. Störungen der Hautbarriere durch genetische Prädisposition, Veränderungen des Mikrobioms und des Immunsystems sowie Provokationsfaktoren durch Umwelteinflüsse stehen im Zusammenhang mit dem Auftreten und der Aktivität der Erkrankung. In den meisten Fällen liegt eine Kombination verschiedener Faktoren vor.3 In der akuten Phase der AD wird die Immunantwort von T-Helfer-Lymphozyten (Th-Zellen), die T2-Zytokine produzieren (IL-4, IL-5, IL-13, IL-31), dominiert.3,4 Diese Zytokine induzieren in B-Zellen eine Allergie-spezifische IgE-Antikörperbildung, welche bei allergischen Komorbiditäten wie z.B. allergischer Konjunktivitis oder Asthma eine Rolle spielen. IL-5 ist an der Vermehrung und Aktivierung eosinophiler Granulozyten beteiligt, wodurch die allergische Entzündungsreaktion weiter verstärkt wird. Th2-Zytokine regen außerdem Keratinozyten zur Bildung des proinflammatorischen Botenstoffes „thymic stromal lymphopoietin“ (TSLP) an, hemmen die Bildung antimikrobieller Peptide und verstärken die epidermale Differenzierungsstörung. Die häufigste genetisch bedingte Barrierestörung ist eine Funktionsverlust-Mutation im Filaggrin-Gen, bei der es durch den Verlust dieses wichtigen Strukturproteins zum Eindringen großer Moleküle (z.B. Mikroorganismen, Allergene) in die Haut kommt, die dann eine allergische Entzündungskaskade hervorrufen. Die dominante Th2-Immunantwort hemmt zusätzlich die Bildung wichtiger Struktur- und Barrieremoleküle der Epidermis bei AD-Patienten. In der akuten Phase des Ekzems wird die Epidermis auch kaum von protektiven kommensalen Keimen wie Staphylococcus epidermidis oder hominis geschützt.5 Im weiteren Verlauf kann es durch diese Barrierestörung zum vermehrten Eindringen von Keimen wie Staphylococcus aureus oder zu konsekutiver Superinfektion eines durch Herpes-simplex-Viren verursachten Ekzems kommen. In der chronischen Phase der AD finden sich zunehmend T-Zellen, die IL-22 (Th22-Zellen) oder IFN-γ (Th1-Zellen) ausschütten. IL-22 hemmt die Differenzierung der Keratinozyten und es kommt zur epidermalen Akanthose und typischen Lichenifikation.3
Therapie
Das therapeutische Ziel der AD-Behandlung besteht in einer raschen und dauerhaften Verbesserung des Juckreizes und einer langfristigen Stabilisierung der entzündlichen Hautveränderungen. Bisher waren die Therapieoptionen limitiert und bestanden hauptsächlich aus rückfettender Pflege, topischen Kortikosteroiden oder Calcineurin-Inhibitoren und systemischen Immunsuppressiva.6 Neue Erkenntnisse in der Pathophysiologie der AD haben es ermöglicht, moderne Behandlungsoptionen zu entwickeln, die selektiv auf krankheitsverursachende Pfade abzielen und diese blockieren. Diese zielgerichteten Therapiemöglichkeiten umfassen einerseits Biologika, die mittels Antikörper einen relevanten Botenstoff blockieren, und andererseits die sogenannten „small molecules“, die über eine etwas breitere Blockade der wichtigsten Signalwege in der AD zu einer Verbesserung der Erkrankung führen können (Abb. 1). Die Zukunft ist vielversprechend: Mehrere solcher Medikamente sind für die Therapie der moderaten bis schweren AD bereits entweder zugelassen oder in Testung anhand großer placebokontrollierter Studien (Tab. 1).
Gezielte Immunmodulation durch Biologika
Dupilumab: anti IL-4R
Dupilumab, ein monoklonaler Antikörper gegen die gemeinsame Rezeptoruntereinheit der Th2-Zytokine IL-4 und IL-13, wurde 2017 als erster Antikörper zunächst bei erwachsenen Patienten mit schwerer therapierefraktärer AD zugelassen und ist seit 2020 auch für Kinder ab 6 Jahren zugelassen. In zwei Phase-3-Zulassungsstudien (SOLO1 und SOLO2) erhielten 671 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD über 4 Monate im wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Abstand Dupilumab 300mg s.c. oder Placebo. Nach 4 Monaten erreichten im Schnitt 37% der Patienten eine signifikante klinische Besserung bis hin zur Erscheinungsfreiheit gegenüber 9% in der Placebogruppe. Bei 52% der mit Dupilumab behandelten Studienteilnehmer wurde nach 16 Wochen eine 75%ige Verbesserung des EASI-Wertes (Score zur Erfassung der objektiven Parameter der Schwere und der Ausbreitung des Ekzems) erzielt, während dies nur bis zu 15% der mit Placebo Behandelten erreichten.7 41% (SOLO1) und 36% (SOLO2) der Studienteilnehmer erreichten unter Dupilumab im zweiwöchentlichen Abstand eine signifikante Juckreizverbesserung um mehr als 4 Punkte (numerische Rating-Skala [NRS]) im Vergleich zur Placebogruppe (12% und 10%) nach 16 Wochen.7 In den letzten Jahren wurden die Effizienz und die gute Verträglichkeit in mehreren Real-Life-Studien bestätigt.8–10 Eine sehr spezifische Nebenwirkung von Dupilumab ist das Auftreten einer Blepharitis und Konjunktivitis in bis zu 40% der Patienten. Diese sind jedoch in den meisten Fällen mild bis moderat und können mit topischen Therapien oder einer Verlängerung der Injektionsintervalle verbessert werden. Weitere beobachtete Nebenwirkungen sind rezidivierende Herpes-simplex-Infektionen, das Neuauftreten einer „head-neck dermatitis“ und eine Rosazea-artige Follikulitis.8
Tralokinumab: anti IL-13
Tralokinumab, ein humaner monoklonaler Antikörper gegen IL-13, wurde ursprünglich zur Asthmatherapie entwickelt und könnte in Kürze bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD zugelassen werden. Tralokinumab bindet IL-13 und hemmt dadurch die Interaktion zwischen IL-13 und seinem Rezeptor IL-4Rα. IL-13 regelt zudem auch die Expression von Filaggrin herunter, welches als integrales Protein essenziell für die Bildung und Aufrechterhaltung der epidermalen Barriere ist.11 Nach erfolgreicher Durchführung der Phase-2-Studien wurden 2020 die Ergebnisse der Phase-3-Zulassungsstudien (ECZTRA 1/ECZTRA 2) veröffentlicht.12,13 Diese ergaben eine EASI75-Verbesserung in 25% (ECZTRA 1) und 33% (ECZTRA 2) der Tralokinumab-Patienten im Vergleich zur Placebogruppe (12,7%/11,4%) sowie eine signifikante Reduktion des Juckreizes um ≥4 Punkte (NRS) in der Tralokinumab-Gruppe (20% [ECZTRA 1]/25% [ECZTRA 2]) vs. 10,3%/9,5% unter Placebo nach 16 Wochen. Die Nebenwirkungen sind vorwiegend mild bis moderat, wobei am häufigsten Infektionen des oberen Respirationstraktes beschrieben wurden.13
Lebrikizumab: anti IL-13
Lebrikizumab ist, ähnlich wie Tralokinumab, ein humanisierter monoklonaler IL-13-Antikörper. Bisher wurden zwei randomisierte placebokontrollierte Phase-2-Studien mit 280 AD-Patienten durchgeführt. Bei den Patienten, die mit 250mg Lebrikizumab jede 2. Woche behandelt wurden, zeigte sich in 60,6% (EASI75) und 70% (NRS ≥4 Punkte) eine signifikante Verbesserung im Vergleich zur Placebogruppe (EASI 75 24,3%, NRS 27,3%) nach 16 Wochen. Das Nebenwirkungsspektrum ist gering, vorwiegend sind Infektionen des oberen Respirationstraktes beschrieben.14,15 Die für die Zulassung benötigten Phase-3-Studien werden derzeit durchgeführt, die Ergebnisse sind noch ausständig.
Nemolizumab: anti IL-31
Die starke Beeinträchtigung der Lebensqualität bei AD-Patienten wird vornehmlich durch den unerträglichen Juckreiz ausgelöst. Interleukin (IL) 31 spielt neben Neuropeptiden wie Substanz P, Proteasen und Kininen eine essenzielle Rolle in der Induktion von Juckreiz. IL-31 wird von Th2-Zellen produziert und zusammen mit seinen Rezeptoren vermehrt in der Haut von AD-Patienten gefunden.4 Zusätzlich können Staphylokokken-Exotoxine im Rahmen einer bakteriellen Superinfektion diesen pruritogenen Botenstoff hochregulieren. Nemolizumab, ein monoklonaler Antikörper, der an den IL-31-Rezeptor A bindet, ist ein neuer Therapieansatz, der gezielt den Juckreiz hemmen soll. Dadurch soll der Juckreiz-kratz-Zirkel durchbrochen und in weiterer Folge eine Besserung des Ekzems herbeigeführt werden. Die Ergebnisse der Phase-2b-Studie bei 226 AD-Patienten und einer Phase-3-Studie bei 143 Patienten bestätigten signifikante Verbesserungen von Juckreiz, Schlafqualität und Hautbild im Vergleich zu Placebo.16–18 Eine EASI75-Verbesserung wurde in 49,1% der 30mg-Nemolizumab-Gruppe vs. 19,3% der Placebogruppe nach 16 Wochen erreicht. Eine signifikante Juckreizverbesserung zeigte sich bereits nach 1 Woche unter 30mg Nemolizumab (17,5% Nemolizumab vs. 5,3% Placebo) bei guter Verträglichkeit des Antikörpers.17 Weitere Phase-3-Studien werden derzeit durchgeführt, ein Studienende ist im Dezember 2021 geplant.
Immunmodulation durch „small molecules“: Januskinase(JAK)-Inhibitoren
Zunehmende Erkenntnisse in der Pathogenese der AD und des „Janus kinase/signal transducer and activator of transcription“(JAK/STAT)-Signalwegs haben die Entwicklung neuer Wirkstoffe zur Hemmung dieses intrazellulären Signalwegs ermöglicht, der deutlich an wesentlichen Immunreaktionen in der AD beteiligt ist. Der JAK/STAT-Signalweg ist als Hauptregulator in die nachgeschaltete Signalgebung proentzündlicher Zytokine (TSLP, IL-4, IL-5, IL-13, IL-22, IL-31) involviert. Derzeit sind JAK-Inhibitoren ein wichtiger Schwerpunkt der therapeutischen Forschung für atopische Dermatitis.19
Baricitinib: JAK1/2-Inhibitor
Baricitinib ist ein Januskinase(JAK)-1- und -2-assoziierter Inhibitor, der als „small molecule“ oral verabreicht wird. JAK spielen eine wichtige Rolle in der Vermittlung unterschiedlicher inflammatorischer Signalwege bei einer Reihe entzündlicher Erkrankungen. Die placebokontrollierten randomisierten Phase-3-Studien bei erwachsenen AD-Patienten mit moderater bis schwerer AD über 16 Wochen wurden bereits erfolgreich abgeschlossen und zeigten eine Verbesserung des EASI um 75% bei 48% der Patienten mit 4mg Baricitinib vs. 23% der Placebogruppe.20 Besonders wirksam zeigte sich das Medikament in der schnellen und effektiven Juckreizbekämpfung bereits nach 4 Wochen (52% 4mg Baricitinib vs. 11% Placebo). Im Nebenwirkungsprofil zeigt sich Baricitinib akzeptabel: Häufige Nebenwirkungen sind Herpesinfektionen, Übelkeit, Infektionen der oberen Atemwege sowie CK- und Lipid-Erhöhungen. Obwohl die zuvor in Studien der rheumatoiden Arthritis gehäuft aufgetretenen thromboembolischen Ereignisse (tiefe Beinvenenthrombose, Pulmonalembolie) in den Zulassungsstudien der atopischen Dermatitis nicht bestätigt wurden, gab es doch den Fall einer Pulmonalembolie nach 10-wöchiger Einnahme von Baricitinib 4mg bei einer 51-jährigen Patientin, die Kontrazeptiva einnahm und starke Raucherin war. Baricitinib wurde am 19. Oktober 2020 als erster JAK-Inhibitor von der europäischen Medizinagentur (EMA) für die Therapie der moderaten bis schweren AD in einer Dosierung von 4mg täglich zugelassen. Regelmäßige Blutbild- und Blutchemiekontrollen (Elektrolyte, CK, Lipide) vor und alle 12 Wochen während der Therapie werden empfohlen. Ebenso sollte vor Therapiebeginn das Vorliegen von Infektionserkrankungen (Hepatitis, HIV) sowie einer Tuberkulose ausgeschlossen werden.20
Upadacitinib: JAK1-Inhibitor
Kürzlich wurden die Phase-3-Studiendaten (Measure Up 1) über die Wirksamkeit von Upadacitinib, einem selektiven JAK1-Inhibitor, bei Jugendlichen ab 12 Jahren und Erwachsenen veröffentlicht. Während in der Placebogruppe nur 16% der Patienten nach 16 Wochen einen EASI75 erreichten, waren es in der höchsten Dosierungsgruppe mit 30mg (1x tgl.) 80% und in der 15mg(1x tgl.)-Gruppe 70%. Auch der Juckreiz konnte signifikant gebessert werden (NRS-≥4-Verbesserung mit 15mg: 52%, 30mg: 60%) im Vergleich mit Placebo (12%).19,21 Ähnlich wie Baricitinib zeigt Upadacitinib bislang ein relativ günstiges Sicherheitsprofil mit vergleichbaren Nebenwirkungen (Übelkeit, Kopfschmerzen, Infektionen der oberen Atemwege, CK-Wert-Erhöhung). Hier wurde bislang über keine vermehrten thromboembolischen Ereignisse berichtet. Als sehr spezielle Nebenwirkung, deren Ursache derzeit noch nicht geklärt ist, treten verschiedene Akneformen in unterschiedlich starker Ausprägung auf.19
Abrocitinib: JAK1-Inhibitor
Die vor Kurzem veröffentlichten Daten der placebokontrollierten Phase-2- und -3-Studien mit Abrocitinib, einem weiteren selektiven JAK1-Inhibitor, zeigten sehr vielversprechende Ergebnisse.22–24 In der „JADE COMPARE“-Studie wurde die Wirksamkeit von Abrocitinib gegen Dupilumab und Placebo an insgesamt 838 Patienten verglichen. Ein EASI75 wurde nach 12 Wochen in 70,3% (200mg Abrocitinib), 58,7% (100mg Abrocitinib), 58,1% (Dupilumab) erreicht und war der Placebogruppe somit deutlich überlegen (27,1%). Zusätzlich zeigte die 200mg-Dosierung eine Überlegenheit von Abrocitinib gegenüber Dupilumab in Bezug auf den Juckreiz ab der 2. Woche.25 Das Nebenwirkungsspektrum ist vergleichbar mit anderen JAK-Inhibitoren, allerdings ist das Auftreten von Übelkeit bei Abrocitinib im Vergleich zu den anderen JAK-Inhibitoren etwas häufiger.23,25◼
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◾2003◆
Tab. 1:Zukünftige Systemtherapien der atopischen Dermatitis
Abb. 1:Gezielte Immunmodulation durch Therapiemodalität
Umweltfaktoren
Allergene
Mikrobiom
Barrieredefekt
Juckreiz
Kratzen
induzierter Barrieredefekt
Lichenifikation
Hyperplasie
JAK-Blockade
Dupilumab
Tralokinumab
KC
ILC2
Th2
DC
Th17
Th2
DC
IL-17
Th1
Th22
IFN-g
IL-22
TSLP
IL-4
IL-13
IL-4R
IL-31
IL-31R
Die Wirkstoffe (grün) blockieren die Bindungsstellen der Botenstoffe (rot) und verhindern dadurch die Auslösung der Entzündungskaskade. Blockade der Januskinasen (JAK) vermindert die signalgebende Wirkung mehrerer Zytokine (blaue gestrichelte Pfeile).
Nemolizumab
Lebrikizumab