Keine Spur von Barrierefreiheit
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Betrifft: „Der Allgemeinarzt“ Ausgabe 3/2021
Meinen herzlichen Glückwunsch zu dem überaus gelungenen, inhaltsreichen aktuellen Heft. Es enthält in meinen Augen eine beeindruckende Fülle sehr gut recherchierter Beiträge und ist auch graphisch sehr gelungen.
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Betrifft: „Warum ich Allgemeinärztin bin“
Gerade den jungen Kolleginnen, die eine Familie mit Kindern gründen wollen, würde ich raten als Hausärztin in einer kleinen Praxis zu arbeiten, im besten Fall in einer eigenen Praxis. Die freie Zeiteinteilung ist als Mutter von Kindern sehr wichtig und die hat man gerade, wenn man selbstständig ist und sich nicht an die Diensteinteilungen eines Krankenhauses halten muss. Ich habe mich als Mutter von drei Kindern, die zu dieser Zeit vier, vier und acht Jahre alt waren, 2003 auf dem Land als Hausärztin nieder gelassen. Ich konnte die Praxiszeiten ganz nach meiner Familie richten. Hausbesuche machte ich z.B. wenn die drei ihren Hobbys nachgingen. Wenn einer krank war, fiel ich nicht aus, sondern ich nahm sie mit in die Praxis, wo sie sich gesund schliefen, in Muttis Nähe waren und von meinen Sprechstundenhilfen umsorgt wurden. Auch meine Patienten fanden es hinreißend von Zeit zu Zeit meine Kinder zu sehen (z.B. auf Hausbesuchen). Inzwischen sind alle drei Töchter im Studium, ich habe mehr Zeit und daher eine Hausarztpraxis in der Stadt Kiel mit Filiale auf dem Land am Nord-Ostseekanal. Ich liebe meine beiden Praxen als Hausärztin, da sie unglaublich abwechslungsreich dank der verschiedenen Generationen und der Standorte (Stadt/Land) sind.
Kiel•
Betrifft: „Womit sich Geriater auskennen“, Ausgabe 5/2021, Seite 56-57
Der Kollege Dr. Brückner spricht mir aus der Seele. Mit Erstaunen nehme ich wahr, dass die Entlaßmedikation aus den geriatrischen Kliniken immer umfangreicher wird, so als gäbe es weder Priscus- noch Forta-Listen.
Anstatt die Medikamente auf ein notwendiges Maß zu reduzieren, wird lustig draufgesattelt. Dafür kann man öfters mal einen Dekubitus nach Entlassung feststellen. Hat da vor lauter Assessments niemand den Patienten angeschaut? Wo bleibt das individuelle Gesamtkonzept für den einzelnen Patienten?
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Betrifft: „Sind Sie bereit für die elektronische Patientenakte?“, Ausgabe 1/2021, Seite 78-79
Ich habe lange gezögert, aber der Artikel fordert eine Stellungnahme heraus.
Herr Kollege Riedl hat zwar alle Knackpunkte der Spahn’schen Digitalisierungspläne angesprochen, aber von einem Ökonomen hätte ich eine Analyse erwartet, wie die Pläne bei Personalmangel umgesetzt werden sollen, und auch, welche Kosten den Praxen entstehen. Ein Betriebswirtschaftler muss doch in der Lage sein, den Zeitaufwand für die beabsichtigten Leistungen zu ermitteln und damit die indirekten Kosten.
Herr Spahn scheint im siebten Praxishimmel zu schweben. Es mag ja Regionen geben, in denen MFAs beim Arbeitsamt Schlange stehen, im südlichen Oberbayern ist dies jedenfalls nicht der Fall.
Die eAU ist eine einzige Lachnummer. Wird sie wie geplant umgesetzt verdoppelt sich der Zeitaufwand ohne Gegenleistung. Den Notfalldatensatz lasse ich mir einreden, bei der eAkte hört der Spaß auf. Vom Datenschutz will ich gar nicht reden, der interessiert anscheinend im Gesundheitsministerium niemanden, mir geht es ausschließlich um die bürokratische Überlastung der meisten Praxen. Da würde auch eine angemessene Honorierung nichts nützen, wenn das erforderliche Personal nicht verfügbar ist. Allen Berufsverbänden der niedergelassenen Ärzteschafft stände es gut an, sich der Resolution des Verbandes für Kinder- und Jugendmedizin zu dieser Thematik anzuschließen.
Allgemeinarzt, Lenggries▸▸▸ Sehr geehrter Herr Kollege Spieß,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Antwort auf meinen Beitrag zur elektronischen Patientenakte (ePA). Ich habe Verständnis für ihren Unmut, der sich aus Ihrem Brief erkennen lässt. Doch war es nicht meine Absicht, vorrangig die ePA aus praxisökonomischer Sicht zu betrachten, sondern vielmehr allgemein auf die gesetzliche Vorgabe einzugehen und die Kolleginnen und Kollegen dahingehend zu sensibilisieren, dass die ePA ins Haus steht. Gesetzliche Vorgaben sind nun einmal nicht einfach beiseitezuschieben. Wie Sie dem Beitrag sicher entnommen haben, bin ich auf verschiedene ökonomische Aspekte eingegangen:
Da ist zum einen die volkswirtschaftliche Komponente, indem ich auf die Vorteile der Verfügbarkeit von Daten und damit verbundene Einsparungen ebenso eingegangen bin, wie auch auf die Patientensicherheit. Das allein sollte uns in den Praxen schon auch einmal ohne großen Kostenersatz einen Einsatz wert sein!
Zum anderen habe ich sehr wohl darauf hingewiesen, dass es zwar Honorar gibt, dies aber nicht besonders hoch ist. Dennoch sind 8,79€ nicht so wenig, setzen Sie es einfach mal in Relation mit dem Honorar für eine Impfung (ca. 8€ – inklusive Aufklärung!) oder auch ein zehnminütiges Gespräch (14,24€ – erst vor kurzem aufgewertet). Vielleicht können Sie den allgemeinen Wert unserer erbrachten Leistungen dann mehr einordnen. Im Zusammenhang damit bin ich auch auf den Aufwand für Arzt/Ärztin und Personal eingegangen, wie hoch der tatsächlich ist, können Sie ja erst beurteilen, wenn Sie die Funktionen anwenden. Vielleicht ist das ja auch nicht mehr als dies bei anderen Leistungen zeitlich einzuordnen ist. In jedem Fall ist aber die ePA mit höherem Persomnaleinsatz verbunden, da kann ich Ihnen zustimmen, doch ist es wie bei anderen Tätigkeiten auch, es gibt ja – wenn auch nicht viel – extra Honorar für die Tätigkeit.
Ich kann Ihren Unmut nachvollziehen, die Einführung der ePA ist schon allein aufgrund ihrer späten Einführung und der ebenso wie bei der Telematikinfrastruktur allgemein bestehenden veralteten Technik sicher nicht kritiklos anzunehmen, doch meine ich schon, dass Patientensicherheit und Verfügbarkeit von wichtigen personenbezogenen Daten für die Patienten Aspekte sind, die es zu verfolgen gilt. Datenschutzrechtliche Bedenken sind natürlich ein Thema, das genau beachtet werden muss. Doch bei aller Kritik, eine Lachnummer, wie Sie es in Ihrem Brief schreiben, stellt für mich die ePA aus den oben beschriebenen Gründen nicht dar.
Facharzt für Allgemeinmedizin, Wenzenbach schreiben sie uns!redaktion-allgemeinarzt@universimed.com
oder Redaktion Der Allgemeinarzt
117er Ehrenhof 3, 55118 Mainz
Claudia Hontschik, Bernd Hontschik
„Kein Örtchen. Nirgends“,
Verlag: Westend
2020, 112 Seiten
ISBN-13 : 978-3864893032
16,00€
Alan Bennett
„Die souveräne Leserin“, Verlag: Wagenbach
2008, 120 SeitenISBN-13: 978-3803112545
16,00€
Wenn das „stille Örtchen“ unerreichbar bleibt
Dass das Netz barrierefreier öffentlicher Toiletten für Menschen im Rollstuhl nach wie vor unzureichend ausgebaut ist, zeigen Claudia und Bernd Hontschik in ihrem Büchlein auf ebenso anschauliche wie erschütternde Weise auf. Aus dem Blickwinkel der persönlichen Betroffenheit heraus gelingt es ihnen dabei, konkret jene Mängel in der Ausgestaltung des öffentlichen, überwiegend urbanen Raumes zu benennen und zu dokumentieren, die für Menschen ohne Bewegungseinschränkung zumeist unbemerkt bleiben. Neben aller berechtigten Kritik versammeln sie allerdings auch einige „Best-practice“-Beispiele und geben Tipps, welche Orte und Örtchen für einen Besuch geeignet sind. Eine Leseempfehlung, um den eigenen Blick zu schärfen – ist Ihre Praxis bereits barrierefrei?
Buchtipp einer LeserinAntwort auf unseren Leseraufruf: „Was lesen Sie“, Ausgabe 1/2021
Das kleine, feine Bändchen „Die souveräne Leserin“ des britischen Autors Alan Bennett verbreitet sehr viel Lesevergnügen. Die souveräne Leserin ist die Queen herself. Sie wird vom Lesen „infiziert“. Und das passiert so: Zufällig stößt die Queen auf den Bücherbus der Bezirksbibliothek. Um niemanden zu brüskieren, leiht sie sich ein Buch aus, und so nimmt das „Heil“ seinen Lauf – sie kommt auf’s Lesen.
Auch Prinz Philip schüttelt den Kopf, als er mit einer Wärmflasche an ihrer Schlafzimmertür vorbeigeht und sie zum zweiten Mal beim Lesen eines Buches ertappt: „Alles in Ordnung, altes Mädchen?“ – „Natürlich, ich lese.“ – „Schon wieder?“
In dieser humorvollen Erzählung veranschaulicht der Autor in satirischer Form die Sprengkraft der Literatur. Unbedingt lesen, es lohnt sich!
Fachärztin für Allgemeinmedizin, Obersulm•
„Sind Sie bereit für die elektronische Patientenakte?“, Ausgabe 1/2021, Seite 78–79
Ich habe lange gezögert, aber der Artikel fordert eine Stellungnahme heraus.
Herr Kollege Riedl hat zwar alle Knackpunkte der Spahn’schen Digitalisierungspläne angesprochen, aber von einem Ökonomen hätte ich eine Analyse erwartet, wie die Pläne bei Personalmangel umgesetzt werden sollen, und auch, welche Kosten den Praxen entstehen. Ein Betriebswirtschaftler muss doch in der Lage sein, den Zeitaufwand für die beabsichtigten Leistungen zu ermitteln und damit die indirekten Kosten.
Herr Spahn scheint im siebten Praxishimmel zu schweben. Es mag ja Regionen geben, in denen MFAs beim Arbeitsamt Schlange stehen, im südlichen Oberbayern ist dies jedenfalls nicht der Fall.
Die eAU ist eine einzige Lachnummer. Wird sie wie geplant umgesetzt, verdoppelt sich der Zeitaufwand ohne Gegenleistung. Den Notfalldatensatz lasse ich mir einreden, bei der eAkte hört der Spaß auf. Vom Datenschutz will ich gar nicht reden, der interessiert anscheinend im Gesundheitsministerium niemanden, mir geht es ausschließlich um die bürokratische Überlastung der meisten Praxen. Da würde auch eine angemessene Honorierung nichts nützen, wenn das erforderliche Personal nicht verfügbar ist. Allen Berufsverbänden der niedergelassenen Ärzteschaft stände es gut an, sich der Resolution des Verbandes für Kinder- und Jugendmedizin zu dieser Thematik anzuschließen.
Allgemeinarzt, Lenggries▸▸▸ Antwort: Sehr geehrter Herr Kollege Spieß,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Antwort auf meinen Beitrag zur elektronischen Patientenakte (ePA). Ich habe Verständnis für Ihren Unmut, der sich aus Ihrem Brief erkennen lässt. Doch war es nicht meine Absicht, vorrangig die ePA aus praxisökonomischer Sicht zu betrachten, sondern vielmehr allgemein auf die gesetzliche Vorgabe einzugehen und die Kolleginnen und Kollegen dahingehend zu sensibilisieren, dass die ePA ins Haus steht. Gesetzliche Vorgaben sind nun einmal nicht einfach beiseitezuschieben. Wie Sie dem Beitrag sicher entnommen haben, bin ich auf verschiedene ökonomische Aspekte eingegangen:
Da ist zum einen die volkswirtschaftliche Komponente, indem ich auf die Vorteile der Verfügbarkeit von Daten und damit verbundene Einsparungen ebenso eingegangen bin wie auch auf die Patientensicherheit. Das allein sollte uns in den Praxen schon auch einmal ohne großen Kostenersatz einen Einsatz wert sein!
Zum anderen habe ich sehr wohl darauf hingewiesen, dass es zwar Honorar gibt, dies aber nicht besonders hoch ist. Dennoch sind 8,79€ nicht so wenig, setzen Sie es einfach mal in Relation mit dem Honorar für eine Impfung (ca. 8€ – inklusive Aufklärung!) oder auch ein zehnminütiges Gespräch (14,24€ – erst vor kurzem aufgewertet). Vielleicht können Sie den allgemeinen Wert unserer erbrachten Leistungen dann mehr einordnen. Im Zusammenhang damit bin ich auch auf den Aufwand für Arzt/Ärztin und Personal eingegangen, wie hoch der tatsächlich ist, können Sie ja erst beurteilen, wenn Sie die Funktionen anwenden. Vielleicht ist das ja auch nicht mehr, als dies bei anderen Leistungen zeitlich einzuordnen ist. In jedem Fall ist aber die ePA mit höherem Personaleinsatz verbunden, da kann ich Ihnen zustimmen, doch ist es wie bei anderen Tätigkeiten auch, es gibt ja – wenn auch nicht viel – Extrahonorar für die Tätigkeit.
Ich kann Ihren Unmut nachvollziehen, die ePA ist schon allein aufgrund ihrer späten Einführung und der ebenso wie bei der Telematikinfrastruktur allgemein bestehenden veralteten Technik sicher nicht kritiklos anzunehmen, doch meine ich schon, dass Patientensicherheit und Verfügbarkeit von wichtigen personenbezogenen Daten für die Patienten Aspekte sind, die es zu verfolgen gilt. Datenschutzrechtliche Bedenken sind natürlich ein Thema, das genau beachtet werden muss. Doch bei aller Kritik, eine Lachnummer, wie Sie es in Ihrem Brief schreiben, stellt für mich die ePA aus den oben beschriebenen Gründen nicht dar.
Dr. med. Dipl.-Oek. Bernhard Riedl
Facharzt für Allgemeinmedizin, Wenzenbach•
„Warum ich Allgemeinärztin bin“
Gerade den jungen Kolleginnen, die eine Familie mit Kindern gründen wollen, würde ich raten, als Hausärztin in einer kleinen Praxis zu arbeiten, im besten Fall in einer eigenen Praxis. Die freie Zeiteinteilung ist als Mutter von Kindern sehr wichtig, und die hat man gerade, wenn man selbstständig ist und sich nicht an die Diensteinteilungen eines Krankenhauses halten muss. Ich habe mich als Mutter von drei Kindern, die zu dieser Zeit vier, vier und acht Jahre alt waren, 2003 auf dem Land als Hausärztin niedergelassen. Ich konnte die Praxiszeiten ganz nach meiner Familie richten. Hausbesuche machte ich z.B., wenn die drei ihren Hobbys nachgingen. Wenn einer krank war, fiel ich nicht aus, sondern ich nahm sie mit in die Praxis, wo sie sich gesund schliefen, in Muttis Nähe waren und von meinen Sprechstundenhilfen umsorgt wurden. Auch meine Patienten fanden es hinreißend, von Zeit zu Zeit meine Kinder zu sehen (z.B. auf Hausbesuchen). Inzwischen sind alle drei Töchter im Studium, ich habe mehr Zeit und daher eine Hausarztpraxis in der Stadt Kiel mit Filiale auf dem Land am Nord-Ostsee-Kanal. Ich liebe meine beiden Praxen als Hausärztin, da sie unglaublich abwechslungsreich dank der verschiedenen Generationen und der Standorte (Stadt/Land) sind.
Kiel•
„Womit sich Geriater auskennen“, Ausgabe 5/2021, Seite 56–57
Der Kollege Dr. Brückner spricht mir aus der Seele. Mit Erstaunen nehme ich wahr, dass die Entlassmedikation aus den geriatrischen Kliniken immer umfangreicher wird, so als gäbe es weder PRISCUS- noch FORTA-Listen.
Anstatt die Medikamente auf ein notwendiges Maß zu reduzieren, wird lustig draufgesattelt. Dafür kann man öfter mal einen Dekubitus nach Entlassung feststellen. Hat da vor lauter Assessments niemand den Patienten angeschaut? Wo bleibt das individuelle Gesamtkonzept für den einzelnen Patienten?
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„Glückwunsch“ Ausgabe 3/2021
Meinen herzlichen Glückwunsch zum überaus gelungenen, inhaltsreichen Heft 3/2021. Es enthält in meinen Augen eine beeindruckende Fülle sehr gut recherchierter Beiträge und ist auch graphisch sehr gelungen.