Entwicklungen und Trends

Behandlungder Insomnie

Schlafstörungen betreffen einen großen Teil der Bevölkerung. Die Therapie hat sich im Laufe der Zeit grundlegend gewandelt. Neben der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie stehen auch neue medikamentöse Optionen zur Verfügung.

Aufgrund ihrer außergewöhnlich großen Häufigkeit wird der Insomnie oft nicht die Aufmerksamkeit entgegengebracht, die notwendig ist. Für das Stellen der Diagnose einer Insomnie müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Einschlaf-, Durchschlafstörung oder frühmorgendliches Erwachen,

  • an mindestens drei Tagen pro Woche,

  • seit mindestens drei Monaten

  • und eine Beeinträchtigung tagsüber, bedingt durch den gestörten Schlaf.

Wenn diese Kriterien erfüllt und andere Ursachen ausgeschlossen sind, kann die Diagnose einer chronischen Insomnie gestellt werden (Abb.1).1 Dies ist geschätzt bei etwa 10% der Bevölkerung der Fall. Darüber hinaus sind jedoch isolierte Symptome einer Schlaflosigkeit/Insomnie, welche nur gelegentlich auftreten oder zu keiner relevanten Beeinträchtigung tagsüber führen, noch sehr viel weiter verbreitet. Wie aus den genannten Kriterien bereits zu ersehen ist, basiert die Diagnose einer Insomnie auf der subjektiven Beeinträchtigung und benötigt keine Objektivierung – beispielsweise durch eine Polysomnografie. Eine Schlaflaboruntersuchung ist jedoch dann von Bedeutung, wenn andere schlafmedizinische Komorbiditäten vermutet werden oder ausgeschlossen werden sollen, beispielsweise eine schlafbezogene Atmungsstörung (welche häufig komorbid mit Insomnie auftritt) oder eine schlafbezogene Bewegungsstörung. Auch eine Aktigrafie, die zwar keine direkte Messung des Schlafs beinhaltet, jedoch einen sehr guten Eindruck vom Ruhe-Aktivitäts-Rhythmus über zwei Wochen ermöglicht, ist oft nützlich.

Wie bereits angesprochen, ist die Beeinträchtigung der Tagesfunktion in Bezug auf Studium, Arbeit oder Familie ein wichtiges Kriterium für die Diagnose einer chronischen Insomnie. Diese kann sich beispielsweise durch eine verminderte Konzentrationsfähigkeit oder gereizte Stimmung nach einer schlechten Nacht äußern. Gesundheitsökonomische Studien haben gezeigt, dass die Anzahl der Fehltage bei der Arbeit oder auch die Zahl von minder produktiven Arbeitstagen bei Insomnie im Vergleich zu gesunden Personen deutlich erhöht sind.

Insomnie als eigenständige Störung

Trotz der vielen möglichen Komorbiditäten, beispielsweise aus dem internistischen, neurologischen oder psychiatrischen Bereich, ist Insomnie auch als eigenständige Störung anzusehen und zu behandeln. Beispielsweise ist Insomnie nicht nur ein charakteristisches Merkmal bei Depressionen, sondern eine isolierte Insomnie ist auch mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Depression verbunden und ein Zusammenhang von chronischer Insomnie mit suizidaler Ideation ist belegt. Einschränkend ist noch anzumerken, dass es bei der chronischen Insomnie verschiedene Phänotypen zu geben scheint, die erst in letzter Zeit genauer charakterisiert wurden. Während bei der Mehrzahl der Patient:innen in der Polysomnografie keine erheblichen Veränderungen der Schlafstruktur vorliegen, zeigt eine kleinere Gruppe eine deutlich verkürzte objektive Gesamtschlafzeit mit erhöhtem Risiko für Folgeerkrankungen, z.B. für kardiovaskuläre Erkrankungen oder für die Entwicklung von kognitiven Beeinträchtigungen.2 Viele Medikamente können als Nebenwirkung Schlafstörungen hervorrufen, was im Einzelfall jeweils zu prüfen ist.

Wichtig ist auch noch anzumerken, dass Schlafstörungen natürlich auch durch externe Faktoren bedingt sein können (Lärm, Hitze, unzureichende Abdunkelung) und dass zwischen Insomnie als Diagnose und Schlafmangel als Lebensstilfaktor („insufficient sleep syndrome“) unterschieden werden muss, wobei bei Letzterem die Betroffenen subjektiv oft sehr gut schlafen, aufgrund der chronisch zu kurzen Zeit im Bett jedoch mit Folgeerkrankungen zu rechnen ist.

Behandlung von Schlafstörungen in der Vergangenheit

Viele der historisch verwendeten Schlafmittel spielen zum Glück heute keine Rolle mehr bei der Behandlung der Insomnie. Dies betrifft zum Beispiel die Barbiturate, aber auch bromhaltige Schlafmittel sollten nicht mehr verwendet werden, wenn auch im Einzelfall noch in den 1990er-Jahren Bromintoxikationen durch bromhaltige frei verkäufliche Schlafmittel beschrieben wurden.3 Chloralhydrat wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts – und im pädiatrischen Bereich auch noch länger – als Schlafmittel eingesetzt, ist ebenfalls obsolet und am österreichischen Markt auch nicht mehr erhältlich. Obwohl schon 2005 von einigen Autor:innen empfohlen wurde, Antihistaminika der 1. Generation als Schlafmittel vom Markt zu nehmen, sind diese immer noch rezeptfrei erhältlich. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis ist jedoch ungünstig und es wird auch diskutiert, dass diese Medikamente aufgrund der freien Verfügbarkeit eine größere Rolle bei Unfällen spielen könnten.

Behandlung von Schlafstörungen in der Gegenwart

Als Benzodiazepine in den 1970er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf den Markt kamen, schätzte man vor allem den raschen Wirkeintritt und die große therapeutische Breite. Nachteile sind jedoch die Toleranzentwicklung und das Abhängigkeitspotenzial, die mögliche Verschlechterung einer schlafbezogenen Atmungsstörung und die Erhöhung des Sturzrisikos oder die Verschlechterung einer kognitiven Beeinträchtigung. Benzodiazepine sollten aus Sicht der Schlafmedizin lediglich vorübergehend – für wenige Wochen – eingesetzt werden oder für eine Intervallbedarfstherapie nach Prof. Dr. Dr. Göran Hajak,4 Bamberg, an ausgewählten Tagen pro Woche.

Für die Z-Substanzen (Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon) gilt ebenso wie für Benzodiazepine, dass sie für eine Dauertherapie nicht empfohlen werden, und hier sind besondere Nebenwirkungen zu beachten, z.B. Reaktivierung einer Non-REM-Parasomnie. Auch verschiedene „sedierende“ Antidepressiva werden als schlafanstoßende Substanzen verwendet. Für einige ausgewählte Substanzen, beispielsweise Doxepin, ist dies auch laut Guidelines als Option anzudenken,5,6wobei Trazodon, welches ebenfalls häufig verwendet wird, in einer Studie eine Beeinträchtigung der schlafabhängigen kortikalen Neuroplastizität zeigte.7 Antipsychotika sind aus Sicht der Schlafmedizin ohnehin nicht als Schlafmittel einzusetzen (auch wenn dies in der Praxis nach wie vor häufig der Fall ist), es sei denn bei psychiatrischen Patient:innen im Rahmen der psychiatrischen Indikation.

Die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie

Die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) ist bereits seit Langem als wesentlicher Behandlungspfeiler etabliert und wurde z.B. bereits 2016 vom American College of Physicians als Therapie der ersten Wahl bei chronischer Insomnie empfohlen.8 Nach den aktuellen europäischen Guidelines für die Behandlung der Insomnie ist die kognitive Verhaltenstherapie mit ihren etablierten Bestandteilen von Schlafrestriktion bis Stimuluskontrolle die Behandlung der ersten Wahl, wobei seitens der Schlafmedizin auch auf zahlreiche noch offene Gaps hingewiesen wird, bespielsweise eine bessere Phänotypisierung der verschiedenen Insomnie-Untertypen.9

Die KVT-I besteht aus einigen Hauptbausteinen, zu denen in der Regel die folgenden gehören: Schlafrestriktion, Information über Schlaf, schlaffördernde und -störende Umstände, zirkadiane Rhythmen, Umgang mit dysfunktionalen Annahmen und Erwartungshaltungen, Stimuluskontrolltherapie und in der Regel auch das Erlernen von Entspannungsmethoden, wobei keiner dieser Bausteine allein eingesetzt werden sollte. Diese Therapie wird von speziell ausgebildeten Therapeut:innen (meist Psycholog:innen, Psychiater:innen, andere Mediziner:innen etc.) angewendet und ist erfreulicherweise auch seit den letzten zehn Jahren sehr viel breiter verfügbar als zuvor. Immer noch gibt es jedoch große Lücken beim Zugang zu dieser Therapiemöglichkeit, die teilweise durch bestimmte digitale Therapiemethoden gefüllt werden können. Es gibt eine kleine Anzahl von hinreichend gut validierten Apps, die in verschiedenen Ländern verfügbar sind und auch teilweise als Therapie erstattet werden. Daneben kommen jedoch laufend neue Apps auf den Markt, die häufig nur unzureichend validiert sind. Während digitale Anwendungen als Ergänzung sicher wünschenswert und sinnvoll sind, weisen neuere Studien auch darauf hin, dass die Adhärenz zu diesen Methoden über längere Zeit deutlich nachlässt und für viele Patient:innen der direkte Austausch mit einer Therapeutin/einem Therapeuten einen sehr hohen Wert hat (Einzel-/Gruppentherapie).

Die Rolle von Melatonin

Melatonin ist als frei verkäufliches Nahrungsergänzungsmittel überall verfügbar. In der Schlafmedizin wird es als Chronobiotikum und nicht als Schlafmittel angesehen. Aufgrund der geringen Toxizität wird es dennoch breit vermarktet und auch eingesetzt. Neuere Metaanalysen kamen jedoch zu dem Schluss, dass insbesondere bei Kindern mit chronischer Insomnie Melatonin niemals als erste Wahl eingesetzt werden sollte, da die Evidenz für eine Wirksamkeit äußert niedrig und unerwünschte Nebenwirkungen häufig sind.10 Für den geriatrischen Bereich ist eine Präparation mit prolongierter Freisetzung (Circadin®) in Österreich verfügbar und zur kurzzeitigen Behandlung von Schlafstörungen bei über 55-Jährigen zugelassen. Sie wird jedoch von den Kassen nicht erstattet und hat sich aufgrund der limitierten Wirkung auch nicht wirklich durchgesetzt. Melatonin spielt jedoch eine Rolle bei der Behandlung der REM-Schlaf-Verhaltensstörung.11

Neue Entwicklungen in der Schlafmedizin

Duale Hypocretin-Orexin-Rezeptor-Antagonisten (DORA)

Die Rolle von Hypocretin/Orexin in der Schlaf-wach-Regulation wurde vor etwa 25 Jahren entdeckt und beschrieben. Hypocretin/Orexin-haltige Zellen im dorsolateralen Hypothalamus projizieren in Hirnareale, die für die Schlaf-wach-Regulation von großer Bedeutung sind. Bei Narkolepsie Typ 1 (vormals Narkolepsie mit Kataplexie) ist im Liquor ein Hypocretin- oder Orexinmangel oder -fehlen nachzuweisen. Im Gegensatz dazu ist bei der Insomnie eine Überaktivität des Hypocretin-Orexin-Systems vorhanden. Hier setzen die (dualen) Orexin-Rezeptor-Antagonisten an. Die ersten Entwicklungen gehen schon auf die 2010er-Jahre zurück, beispielsweise mit Almorexant.12

Mittlerweile wurden verschiedene DORA untersucht, von denen auch einige in den USA und Japan zugelassen sind und die sich zum Teil sehr stark in ihrer Wirkdauer unterscheiden. In Europa ist der duale Hypocretin-Orexin-Rezeptor-Antagonist Daridorexant seit 2022 zugelassen. Die Zulassung erfolgte auf Basis von zwei großen, hochrangigen, 2022 in Lancet Neurology publizierten internationalen Studien mit mehr als 900 Patient:innen aus 151 Zentren in 17 Ländern.12 Diese Studien erfolgten randomisiert und placebokontrolliert und schlossen primär auch verschiedene Dosierungen ein (10, 25 und 50mg). Da jedoch die beste Wirksamkeit mit 50mg erzielt wurde, ist dies auch die empfohlene Dosis.

In der 12-wöchigen Behandlungsphase konnte bei Patient:innen mit chronischer Insomnie mit 50mg Daridorexant eine deutliche Besserung von objektiven und subjektiven Schlafparametern erreicht werden: So verbesserte sich die Schlaflatenz (Einschlafdauer, bis konsolidierter Schlaf erreicht wurde) um etwa eine halbe Stunde in der Polysomnografie, auch die Wachzeit nach Schlafbeginn (WASO) wurde objektiviert um eine halbe Stunde verkürzt. Die subjektive, selbst wahrgenommene Gesamtschlafzeit verlängerte sich sogar um eine ganze Stunde. Und in der Domäne Tagesschläfrigkeit gaben Patienten unter Daridorexant an, sich deutlich energiegeladener, weniger müde, körperlich müde oder tagsüber schläfrig zu fühlen.

Die positiven Ergebnisse waren auch in den folgenden 40 Wochen Verlängerungsstudie weiterhin vorhanden und der Unterschied zu Placebo (nach neuer Randomisierung) blieb aufrecht. Effekte im Sinne einer Rebound-Insomnie wurden dennoch nicht gemessen. Die Verträglichkeit war günstig, mit ähnlichen Nebenwirkungen wie unter Placebo, wobei eine Besonderheit hervorzuheben ist: Bei bis zu einem Prozent der Anwender:innen können hypnagoge oder hypnopompe Halluzinationen oder Schlaflähmungen auftreten, sodass es wichtig ist, die Patient:innen darüber zu informieren bzw. auch bei den Kontrollen danach zu fragen. In einer Post-hoc-Analyse konnte gezeigt werden, dass die gute Verträglichkeit auch bei Patient:innen über 65 Jahre vorhanden ist, und insbesondere auch, dass die Therapie-Response nicht geringer wird. Daten einer kleinen Gruppe von psychiatrischen Patient:innen aus Pisa zeigten außerdem, dass Daridorexant auch beidieser Gruppe mit Gewinn angewendet werdenkann.14 Daridorexant ist seit dem 1. Juni 2025in der gelben Box und kann unter definierten Voraussetzungen verschrieben werden.

Element not implemented: <footer>

Patient:in mit Insomnie

Erhebliche Beeinträchtigung durch die Symptomatik?

Information

Prävention

Offenkundiges schlafbezogenes Fehlverhalten?

Einnahme von Substanzen, die den Schlaf stören?

Komorbide Schlafstörung, organische oder psychische Erkrankung?

Behandlung der komorbiden Erkrankung UND der Insomnie

Umstellung/Abstinenz/ Entwöhnung

Kognitive Verhaltenstherapie (KVT-I) für Insomnie als erste Behandlungsoption

Ist die KVT-I nicht hinreichend effektiv oder nicht durchführbar, kann eine medikamentöse Therapie angeboten werden.

nein

ja

ja

nein

ja

ja

nein

Abb. 1:Vorgangsweise bei Patient:innen mit Schlafstörungen (modifiziert nach Riemann D et al. 2022)5

nein

Tab. 1:Einige Regeln für einen gesunden Schlaf (modifiziert nach Riemann D et al. 2022)5

Element not implemented: <authorinfo>
Bewertungen:
ZURÜCK