Kurzdarmsyndrom mit chronischem Darmversagen bei pädiatrischen Patienten
Definition, Ursachen, Verlauf & Komplikationen, Therapieoptionen
Das Kurzdarmsyndrom (KDS) ist ein malabsorptiver Status, der infolge einer chirurgischen Resektion eines erheblichen Anteils des Dünndarms oder aufgrund einer Störung der Darmfunktionresultiert und eine parenterale Ernährung („parenteral nutrition“; PN) und/oder enterale Supplementation erforderlich macht. [1, 2] Die Inzidenz wird in der Literatur mit 24,5 pro 100000 Lebendgeburten angegeben, wobei eine höhere Inzidenz bei Frühgeborenen konstatiert wird. [2]
Die häufigsten Ursachen für KDS bei Kindern sind kongenitale und perinatale Erkrankungen. Dabei ist eine nekrotisierende Enterokolitis mit ca. 30% die häufigste Ursache, gefolgt von weiteren Erkrankungen wieintestinaler Atresie, Gastroschisis (Bauchwanddefekt), Malrotation/Volvulus und – in seltenen Fällen – Morbus Hirschsprung (kongenitales Megakolon). [2,3] Nur ca. 20% der pädiatrischen Population entwickelt ein KDS außerhalb der Neonatalperiode. Dabei stellen Volvulus und Trauma die häufigsten Ursachen dar. [3] Im Gegensatz zu Erwachsenen ist Morbus Crohn bei Kindern eine seltene Ursache für umfassende Resektionen, die zu KDS führen. [2,3]
Prädiktoren für den Verlauf
Der Zeitpunkt der Geburt kann die Schwere des KDS maßgeblich beeinflussen. Der Dünndarm eines zum berechneten Geburtszeitpunkt geborenen Babys ist ca. 250cm lang und weist eine Absorptionsoberfläche von 950cm2 auf. Die Dünndarmlänge eines Fötus am Ende des zweiten Schwangerschaftstrimenons beträgt ca. 120cm, was signifikante prognostische Implikationen für sehr früh geborene Säuglinge (d.h. jene mit einem Gestationsalter <32 Wochen) mit sich bringt: Ca. 40cm als Mindestlänge und das Vorhandensein einer intakten Ileozäkalklappe (ICV) sind die Voraussetzungen, die bei Säuglingen für eine autonome enterale Funktion erforderlich sind. Der Verbleib der ICV ist ein starker Prädiktor für das Erreichen einer enteralen Autonomie ohne Bedarf an PN. Zusätzliche Faktoren, die einen Einfluss auf das Erlangen einer kompletten enteralen Autonomie haben, umfassen den Erhalt des Kolons, welche Bereiche des Darms reseziert wurden und die Qualität des verbleibenden Darms (Motilität, Größe des Darmlumens etc.). [2]
Intestinale Adaptierung
Infolge der Resektion durchläuft der verbliebene Darm sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern einen Prozess, der als intestinale Adaption bezeichnet wird. Diese ist eine kompensatorische Reaktion auf die Resektion und geht mit morphologischen und funktionellen Änderungen einher, die zu einer Vergrößerung der absorptiven Oberfläche führen und die Absorption verbessern. Im Zuge dieser Veränderungen nehmen die Zottengröße (Villi intestinales), die Kryptentiefe und die Zahl der Enterozyten zu. Außerdem kommt es zu einer Hyperplasie des intestinalen Epithels und einer erhöhten Expression von epithelialen Transporterproteinen. Dieser Prozess beginnt kurz nach der intestinalen Resektion, ist während der ersten zwei Jahre postoperativ am stärksten und kann bis zu 60 Monate andauern. Das prioritäre Ziel in dieser Phase ist es, die intestinale Adaption voranzutreiben und die enterale Autonomie wiederherzustellen. [2] Bleibt eine dauerhafte Abhängigkeit von der PN bestehen, um den erforderlichen Flüssigkeits- und Energiebedarf für das Wachstum aufrechtzuerhalten, spricht man von chronischem Darmversagen („intestinal failure“; IF). [1] Die Langzeitabhängigkeit von der PN geht mit dem Risiko für umfassende Komorbiditäten einher. Dazu zählen unter anderem IF-assoziierte Lebererkrankung (IFALD), rezidivierende Septitiden, metabolische Knochenerkrankungen, Nierenfunktionseinschränkungen und Gedeihstörungen. [3]
KDS-Patienten, insbesondere im pädiatrischen Bereich, benötigen ein koordiniertes, engmaschiges, multidisziplinäres Management und sollten nur an spezialisierten Zentren behandelt werden. Im Rahmen der dort vorhandenen Infrastruktur könnenauch psychosoziale, auf die Entwicklung der pädiatrischen Patienten bezogene Themen besprochen werden. Für intestinale Rehabilitationsprogramme, die an solchen Zentren angeboten werden, werden große subjektive Benefits beschrieben. [3]
Pathophysiologie des KDS, KDS-assoziierte Komplikationen [2]
Auf physiologischer Ebene ist das Jejunum für den Hauptteil der Absorption von Makro- und Mikronährstoffen verantwortlich. Eisen wird im Duodenum und im proximalen Jejunum absorbiert. Die Laktoseverdauung erfolgt vorrangig im Jejunum und im proximalen Ileum. Gallensäuren und Vitamin B12 werden vor allem im distalen Ileum absorbiert. Der Hauptteil der täglich aufgenommenen Flüssigkeit wird im Dünndarm absorbiert, der Rest im Kolon. Dementsprechend führt ein KDS, sowohl bei erwachsenen Patienten als auch bei Kindern, zu exzessiven Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten sowie zu einer Malabsorption von Mikro- und Makronährstoffen. Dies wirkt sich besonders bei Kindern auf die Gewichtszunahme, das Wachstum und die Möglichkeit einer normalen Entwicklung aus. Je nach Funktion der resezierten Darmteile resultieren Folgeerscheinungen mit entsprechenden Komplikationen. Patienten mit Resektion des Jejunums haben eher eine starke Hypersekretion, die zu peptischen Ulzera und zur Inaktivierung von Pankreasenzymen führen und die Malabsorption weiter verschlechtern kann. Eine gastrische Hypersekretion tritt bei mehr als der Hälfte der Patienten auf. Sie ist typischerweise transient, kann aber bis zu 12 Monate anhalten.
Der Verbleib des gesamten oder eines Großteils des Ileums ist von Vorteil, da das Ileum über eine hohe Flüssigkeits- und Elektrolytabsorptionskapazität verfügt und die intestinale Passage verlangsamt. Bei fehlendem Ileum kommt es aufgrund der Durchbrechung des enterohepatischen Kreislaufs zu einer Malabsorption von Gallensäuren, die infolgedessen ins Kolon gelangen. Dort werden sie durch das kolonische Mikrobiom in freie Gallensäuren dekonjugiert, wodurch die Wassersekretion und die intestinale Motilität stimuliert werden. Dies führt zu einer chologenen Diarrhö. Die Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs führt auch zu einer Veränderung der Gallensäuresekretion und fördert Cholelithiasis, die bei bis zu 40% der KDS-Patienten auftritt.
Die ICV fungiert als Barriere – sie beugt einer bakteriellen Translokation vor und verlangsamt die intestinale Passagezeit. Demzufolge wird bei Verlust der ICV eine bakterielle Überwucherung des verbliebenen Dünndarms gefördert („small intestinal bacterial overgrowth“; SIBO), wodurch in weiterer Folge eine Verschlechterung der Malabsorption und der KDS-assoziierten Symptome auftritt. Auch die veränderte intestinale Motilität per se kann zu SIBO führen. Die verkürzte Darmlänge resultiert einerseits in einer beschleunigten Transitzeit und andererseits – aufgrund der verminderten peristaltischen Kapazität – in einer intraluminalen Stase. Letztere fördert die Dilatation des Dünndarms und führt zu einer vermehrten bakteriellen Stase.
KDS-mediierte SIBO zerstört das natürliche Gleichgewicht zwischen Enterozyten, Bakterien und Lymphozyten, was zu einer Inflammation der Mukosa, Dekonjugation von Gallensäuren, verminderten Absorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen sowie zu einer erhöhten Degradierung von Kohlehydraten durch Bakterien führt, wodurch die Kaloriendefizienz aggraviert wird. Schließlich hat die SIBO die weitere Verschlechterung einer Gedeihstörung, erhebliche gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen und Diarrhö sowie rezidivierende bakterielle Infektionen zur Folge, was das Absetzen der PN weiter hinauszögert. SIBO geht zudem mit einem erhöhten Risiko einer Sepsis einher.
Eine seltene Komplikation ist die D-Laktat-Azidose: Durch die Fermentierung von malabsorbierten Kohlenhydraten wird eine große Menge an organischen Säuren produziert, wodurch der luminale pH-Wert sinkt. Dies kann das Wachstum von D-Laktat-produzierenden Bakterien vorantreiben. Klinisch manifestiert sich die D-Laktat-Azidose bei Kindern mit Lethargie und Verwirrung.
Pharmakologisches Management KDS-assoziierter Symptome [2]
Der Fokus des medikamentösen Managements liegt auf dem Ersatz von Flüssigkeit und dem Management von Elektrolyt- und Nährstoffverlusten, um eine adäquate Gewichtszunahme und ein adäquates Wachstum so weit wie möglich zu gewährleisten.
Diarrhö wird in erster Linie mit motilitätshemmenden Substanzen wie Loperamid behandelt. Bei Patienten mit verbleibendem Kolon und chologener Diarrhö können Gallensäure-bindende Harze wie Colestyramin zum Einsatz kommen. Allerdings werden bei Kindern, bei denen eine ausgedehnte Resektion des Ileums durchgeführt worden ist, mehr Gallensäuren ausgeschieden, als ersetzt werden können. Bei diesen Patienten sollten Gallensäurebinder vermieden werden, weil sie die Malabsorption von Fett und die Steatorrhö verschlimmern können.
Für das Management einer gastrischen Hypersekretion sind Protonenpumpenhemmer die Medikamente erster Wahl – sie bewirken eine effektive Suppression der Magensäuresekretion. In diesem Zusammenhang muss angemerkt werden, dass motilitätshemmende Substanzen und Protonenpumpenhemmer potenziell auch zu einer Störung der Darmflora führen und SIBO vorantreiben können.
SIBO wird antibiotisch behandelt. Die wiederholte Gabe von Antibiotika (eine Woche pro Monat) bildet einen Eckpfeiler in der Behandlung von SIBO. Für die Einnahme von Probiotika liegt nur limitierte klinische Evidenz hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei KDS vor.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über häufig bei KDS-assoziierten Symptomen eingesetzte Medikamente. Es ist allerdings zu beachten, dass nicht alle der angeführten Medikamente für alle Altersgruppen zugelassen sind
Teduglutid ist ein rekombinantes GLP(„Glucagon-like peptide“)-2-Analogon, das die intestinale Adaption unterstützt und die intestinale Absorption erhöht: [3] Teduglutid induziert ein Wachstum des Darmepithels, indem es zu einer Zottenhypertrophie und zur Kryptenproliferation stimuliert, die Enterozytenapoptose sowie die Magenmotilität und -sekretion hemmt und somit die Absorptionskapazität vergrößert. [4]
Teduglutid (Revestive®) wurde von der EMA (European Medicines Agency) im Jahr 2012 bereits für erwachsene KDS-Patienten und im Jahr 2016 für pädiatrische KDS-Patienten ab dem Alter von einem Jahr zugelassen. [5, 6]Vor Therapiestart sollte nach einem chirurgischen Eingriff zunächst eine Phase der intestinalen Adaption abgewartet werden, die Patienten sollten sich zusätzlich in einer stabilen Phase befinden. [6]
Wirksamkeit und Sicherheit von Teduglutid bei Kindern wurden im Rahmen von zwei Phase-III-Studien [7,8] nachgewiesen:
In einer 12 Wochen dauernden offenen Studie wurde Teduglutid an 42 pädiatrischen Patienten im Alter zwischen einem und 17 Jahren in den Dosierungen 0,0125mg, 0,025mg und 0,5mg pro kg/pro Tag untersucht und mit dem SOC („standard of care“) verglichen. Die Patienten mussten vor Studieneinschluss von PN abhängig sein und durften nur minimale bzw. keine Verbesserungen in der enteralen Ernährung zeigen. Veränderungen des PN-Erfordernisses (Volumen) einschließlich der Zahl jener Patienten, die von der PN zur Gänze unabhängig wurden, zählten u.a. zu den Endpunkten. 40 der 42 Patienten haben die Studie abgeschlossen. Bereits vier Wochen nach Studienstart konnte in den Kohorten mit der 0,025mg- und der 0,05mg-Dosis beobachtet werden, dass Teduglutid mit einem Trend zu einem verminderten Erfordernis für PN assoziiert war. Vier Patienten erreichten eine komplette Unabhängigkeit von der PN: drei in der 0,05mg-Gruppe und einer in der 0,025mg-Gruppe. Die Veränderungen bis zur Woche 12 sind in Abbildung1 dargestellt. [7]
Kocoshis et al. haben Teduglutid in einer randomisierten, doppelblinden 24Wochendauernden Studie in zwei Dosierungen (0,025mg und 0,05mg/kg/Tag) vs. einen nichtverblindeten Standard an 59 pädiatrischen Patienten untersucht. [8] Als primärer Endpunkt war die Zahl der Patienten definiert, bei denen gegenüber Baseline in Woche 24 eine Reduktion der PN um ≥20% erzielt werden konnte. Alle Patienten haben die Studie abgeschlossen. Der primäre Endpunkt wurde bei 13 der 24 Patienten (54,2%) unter der 0,025mg-Dosis, bei 18 der 26 Patienten (69,2%) unter der 0,05mg-Dosis und bei einem der neun Patienten (11,1%) im SOC-Arm erreicht (p<0,05 vs. SOC). Beide Teduglutid-Gruppen zeigten klinisch signifikante Reduktionen in den PN-Volumina und dem PN-Kalorienbedarf sowie in allen weiteren sekundären Endpunkten gegenüber dem SOC. Zwei Patienten unter der 0,025mg-Dosis (8,3%) und drei Patienten unter der 0,05mg-Dosis (11,5%) erreichten eine enterale Autonomie. Zu den hauptsächlichen Nebenwirkungen zählten Erbrechen und Fieber. [8] Das Sicherheitsprofil war zwischen den beiden Teduglutid-Dosisgruppen vergleichbar und mit jenem in der 12-wöchigen Studie zu Kindern und mit dem in den Zulassungsstudien bei erwachsenen KDS-Patienten verzeichneten Sicherheitsprofil konsistent. [7–10]
Auch im Real-World-Setting konnten die Effekte von Teduglutid hinsichtlich der Reduktion der PN bestätigt werden: Bei einer in Deutschland durchgeführten Observationsstudie betrug der Bedarf an PN zu Baseline 5,6 Tage/Woche. Nach 48 Wochen bzw. 12 Monaten war der wöchentliche Bedarf an PN um 1,4 bzw. 3,6 Tage reduziert. Bei zwei Patienten wurde die PN zur Gänze abgesetzt. Darüber hinaus wurde bei Untersuchungen nach 12, 24 und 48 Wochen eine signifikante Reduktion der Darmmotilität nachgewiesen (p<0,05). [11]
In einer zweijährigen Studie wurden Sicherheit und Wirksamkeit von Teduglutid bei 11 KDS-Patienten in Bezug auf die Lebensqualität („quality of life“; QoL) untersucht. Als vorherrschende Nebenwirkung wurde vorübergehendes abdominelles Unwohlsein dokumentiert. Bei allen neun Patienten mit einer Endjejunostomie wurde eine Vergrößerung der Stomalippe beobachtet. Die Compliance wurde insgesamt als sehr gut beurteilt. In allen Scores zur Beurteilung der QoL – der visuellen Bewertungsskala (VAS), dem Sickness Impact Profile (SIP)Score, der mentalen Komponente des SF36-Fragebogens und dem Inflammatory Bowel Disease Questionnaire (IBDQ) – konnte eine Verbesserung nachgewiesen werden. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die hohe Compliance die hohe Therapiezufriedenheit widerspiegeln könnte, bei der die klinischen Benefits die Unannehmlichkeiten der täglichen Injektionen überwiegen. [12]
Chirurgische Maßnahmen
KDS: operative Verfahren
Entsprechend den anatomischen Kriterien ist das Kurzdarmsyndrom auf drei verschiedene operative Verfahren zurückzuführen: [13]
Typ I – Endjejunostomie: Komplette Entfernung von Ileum und Kolon, ein Teil des Jejunums verbleibt und wird als endständiges Jejunostoma ausgeleitet.
Typ II – jejunokolonische Anastomose: jejunoileale Resektion, wobei das verbleibende Jejunum mit dem Kolon anastomosiert wird.
Typ III – jejunoileale Anastomose: überwiegend Resektion des Jejunums unter Beibehaltung von ≥10cm des terminalen Ileums und des gesamten Kolons. Diese Patienten benötigen in der Regel keine intravenöse Nahrungssupplementation.
Katheter
Für die langfristige Applikation der PN benötigen KDS-Patienten einen zentralvenösen Gefäßzugang. Dabei wird zwischen getunnelten zentralvenösen Kathetern und peripher eingesetzten zentralen Kathetern unterschieden. In Österreich und anderen westeuropäischen Ländern ist es üblich, in dieser Indikation zentral gelegte, subkutan getunnelte Langzeit-Dauerverweilkatheter (z.B. sog. Broviac- oder Hickman-Katheter) zu verwenden. Obwohlaseptische Techniken verbessert wurden, stellen Katheter-assoziierte Komplikationen immer noch ein relevantes Problem inden Langzeit-Outcomes der KDS-Patienten dar. Zu den potenziellen Komplikationen zählen Infektionen, Okklusion, zentralnervöse Thrombosen, Brüche und Dislokation. [3]
Chirurgische Optionen bei KDS
Bei manchen Patienten reichen diätetische Maßnahmen und der gezielte Einsatz von Medikamenten nicht aus, um eine adäquate Adaption zu erreichen. Diese Kindersind Kandidaten für eine chirurgische Intervention. Die prioritären strategischen Zieleeiner chirurgischen Intervention sind die Optimierung der Darmfunktion, die Verlangsamung der intestinalen Motilität und die Vergrößerung der Mukosaoberfläche. [14]
Strategien zur Optimierung der Darmfunktion
Bei Patienten, die ein temporäres Stoma haben, ist die Wiederherstellung der gastrointestinalen Kontinuität ein kritischer Faktor hinsichtlich der Förderung der intestinalen Adaptierung. Der Vorteil einer Rückverlegung ist, dass wieder die gesamte Mukosaoberfläche für die Nahrungsabsorption verfügbar ist. Als Nachteile einer frühen Stomarückverlegung sind das Risiko für signifikante Flüssigkeitsverschiebungen, sekretorische Diarrhö und perianale Komplikationen zu nennen. [14]
Enteroplastik, Strikturoplastik, segmentale Darmresektion: KDS-Patienten entwickeln häufig eine erhebliche Dilatation des verbleibenden Darms, die mit einer ineffektiven Peristaltik einhergeht. Enteroplastisches Tapering stellt eine Maßnahme dar, um die Funktion eines dilatierten Darmstücks zu verbessern und eine Resektion zu vermeiden.[15] Gelegentlich entwickeln KDS-Patienten Stenosen, die ebenfalls zur Darmdilatation führen. Diese können bei Patienten mit limitierter Darmlänge mit Strikturoplastik, bei jenen mit adäquater Darmlänge mit limitierter Resektion behandelt werden. [14]
Koloninterposition: Das Prinzip besteht darin, ein Stück Kolon zwischen den Dünndarm zu implementieren, mit dem Ziel, die Nahrungs- und Elektrolytabsorption zu verbessern. Bei Kindern liegen limitierte Ergebnisse hinsichtlich des Absetzens der PN vor. [14] Die kolonische Interposition kann nur bei intaktem Kolon und nichtdilatiertem Dünndarm durchgeführt werden. [15]
Das Reversieren von Dünndarmsegmenten ist lediglich eine Hilfsstrategie, um kurzfristig die intestinale Absorption während der Adaptierungsphase zu verbessern. [14]
Die Versuche,künstliche ICV zur Verlangsamung der Darmmotilität herzustellen, haben sich bislang nicht als erfolgversprechend erwiesen. Artifizielle ICV können zu funktionellen Darmobstruktionen führen. [14]
Abb. 2:
STEP („serial transverse enteroplasty“) [nach [16••]]
Bei der STEP wird der dilatierte Dünndarm im rechten Winkel zur Mesenterialachse mit Klammernähten durchtrennt, wodurch eine zickzackförmige Darmverlängerung resultiert. Fett gestrichelt: antimesenterielle Linie – die Markierung mit einem Stift ist empfehlenswert, um Verdrehungen zu vermeiden
Abb. 3:
Situs bei der STEP
Massive Darmdilatation bei einem Kind mit Kurzdarmsyndrom. Die verbliebenen 30cm Jejunum sind auf bis zu 10cm erweitert. Chronische Passagestörung mit bakterieller Überwucherung und rezidivierenden Katheterseptitiden
Intestinale Transplantation
Bei einer Subgruppe von Patienten mit IF aufgrund von KDS ist die intestinale Transplantation die einzige Chance auf ein Langzeitüberleben. Als Hauptindikationen werden lebensbedrohliche Komplikationen mit einem hohen Mortalitätsrisiko ohne Transplantation, wie eine progressive Cholestase, rezidivierende septische Episoden oder gravierende Gefäßzugangsprobleme genannt. [3] Die Anzahl an intestinalen Transplantationen bei Kindern hat inden letzten 10 Jahren wieder abgenommen. [3] Im Falle einer insuffizienten intestinalen Adaptierung können spezifische chirurgische Techniken das Erfordernis für eine intestinale Transplantation vermeiden. [15]
Verlängerung des verbleibenden Dünndarms
Autologe Darmverlängerung nach Bianchi: Bei dieser Operationstechnik, auch LILT („longitudinal intestinal lengthening and tailoring“) genannt, wird der Darm longitudinal getrennt und die mesenteriale Blutversorgung jeweils einer der beiden Hälften zugeteilt. Danach werden die zwei Darmrohre auf isoperistaltische Weise anastomosiert. [16••, 17] Die hohe Anzahl an Anastomosen geht mit einem entsprechenden Risiko für Komplikationen einher. [16••, 17]
STEP („serial transverse enteroplasty“): Im Vergleich zum LILT hat die STEP den Vorteil, dass sie wesentlich einfacher durchzuführen ist und auch wiederholt werden kann. Aus diesem Grund hat sie sich seit ihrer Einführung im Jahr 2003 rasch verbreitet. Voraussetzung für die Durchführbarkeit ist das Vorliegen einer Dilatation des verbleibenden Dünndarms. Bei dieser Operationstechnik wird der dilatierte Dünndarm im rechten Winkel zur Mesenterialachse mit Klammernähten durchtrennt, wodurch eine zickzackförmige Darmverlängerung resultiert. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Gefäßversorgung zwischen den Defekten im Mesenterium ausreichend ist (Abb.2). Abbildung3 zeigt den Situs eines Kindes mit KDS, wie er sich im Zuge der STEP darstellte. Neben unzureichenden Fortschritten bei der Reduktion der PN sind Komplikationen infolge einer SIBO gesicherte Indikationen für die STEP. Ebenso sollte sie bei drohendem Leberversagen in Erwägung gezogen werden. [17] Zu den postoperativen Komplikationen der STEP zählen Dünndarmobstruktion, erneute Dünndarmdilatation, intraabdominelle Abszesse, Anastomosendehiszenz und gastrointestinale Blutungen. [16••] Aus einer Metaanalyse zur Untersuchung des Effekts der STEP auf die Verbesserung der enteralen Autonomie bei pädiatrischen KDS-Patienten geht hervor, dass bei 87% der Kinder ein Anstieg der enteralen Toleranz von 35,1% auf 69,5% verzeichnet werden konnte. [18] Diese Ergebnisse sind mit jenen der ersten Analyse der STEP-Registerstudie, in der der Prozentsatz vor Durchführung der STEP 35,1% und danach 67% betrug, vergleichbar. [19] Die Steigerung der enteralen Toleranz ist insofern wichtig, als sie mit einem verbesserten Wachstum der Kinder einhergeht, die häufigUntergewicht und sehr niedrige Gewichtsperzentilen aufweisen. [20]
Ernährungsmanagement
Multidisziplinäres Management – Monitoring
Das Management von KDS-Patienten mit IF ist ein dynamischer Prozess, bei dem basierend auf regelmäßigen Evaluierungen des klinischen und des Ernährungsstatus im Zuge der regelmäßigen Kontrolluntersuchungen Adaptierungen vorgenommen werden müssen. [21••] Die Implementierung von multidisziplinären Teams sowie Fortschritte in der medikamentösen und chirurgischen Behandlung haben zu einer Verbesserung der Outcomes von KDS-Patienten geführt. Umso mehr sollten auch eine Optimierung der Lebensqualität und die Morbiditätsprävention in das Management von IF einfließen. [22] Eine Ernährungsberatung ist auch essenziell, um Kinder und deren Betreuer bei der PN zu Hause zu unterstützen. Zur klinischen Untersuchung zählen die Evaluierung der Vitalparameter und eine umfassende körperliche Untersuchung. Außerdem sollte eine genaue Messung der anthropometrischen Variablen wie Körpergewicht und Körpergröße erfolgen. Bestimmte Laborparameter können als Marker für die Bestimmung des Ernährungsstatus verwendet werden: Die Bestimmung der Routine-Elektrolyte, Mineralstoffe (Kalzium, Phosphor und Magnesium), Triglyzeride und Harnstoffspiegel im Serum kann dazu beitragen, Nährstoffdefizite zu identifizieren. In Tabelle2 wird ein in den ESPGHAN/ESPEN/ESPR-Guidelines vorgeschlagener Zeitplan zur Bestimmung der relevanten Laborparameter dargestellt. [21••] Nach der Spitalsentlassung wird das Wachstum bei jedem Ambulanzbesuch gemessen. Diese Kontrollen sollten monatlich erfolgen bzw. alle drei Wochen bei Patienten mit stabilen PN-Anforderungen. [22]
Absetzen der PN und enterale Ernährung
Wann immer möglich, sollte eine enterale Nährstoffzufuhr erfolgen, um die Struktur der Darmmukosa aufrechtzuerhalten, die Adaptierung voranzutreiben und das Risiko für eine IFALD zu reduzieren. Eine Reduktion der Menge an PN kann versucht werden, sobald eine Stabilisierung erzielt ist, d.h., wenn die intestinalen Verluste durch Erbrechen und Diarrhö minimiert sind und ein optimaler Ernährungsstatus erreicht ist.Bei Neugeborenen wird davon ausgegangen, dass Muttermilch die Adaptierung optimieren kann. Die Steigerung der Volumina sollte vorsichtig und entsprechend der Verträglichkeit erfolgen. Pro Tag soll nur eine Änderung vorgenommen werden, um die Toleranz zu evaluieren (Tab.3). Die Fähigkeit des Kindes, eine Reduktion der PN zu tolerieren, wird mittels Monitorings des Gewichts, des Wachstums und der Blutparameter beurteilt. Das Ziel sollte sein, durch Reduktion der PN und Erhöhung der enteralen Ernährung um dieselbe Menge eine gute Nahrungszufuhr aufrechtzuerhalten. [21] Bei Frühgeborenen sollten die Guidelines zur enteralen Ernährung befolgt werden, die speziell für dieses Patientenkollektiv erarbeitet wurden. [21••, 23]
Die Etablierung einer enteralen Autonomie sollte aus klinischer Perspektive von oberster Priorität sein. Es sollte jeder mögliche Versuch unternommen werden, um Kinder zum „normalen“ Essen zu animieren: Orale Nahrungszufuhr löst die Freisetzung des epidermalen Wachstumsfaktors aus den Speicheldrüsen aus und erhöht die gastrointestinale Sekretion von trophischen Faktoren. [21••]
Bei Säuglingen und Kleinkindern muss auch berücksichtigt werden, dass es sensitive Perioden, sog. „critical windows of opportunity“, für das Erlernen normaler Saug- und Schluckmuster gibt. Diese „kritischen Fenster“ sind Entwicklungsperioden, in denen die Hirnplastizität das Erlernen von Saug- und Schluckfähigkeit erleichtert, die für eine frühe Fütterung notwendig sind. Durch die Initiierung oraler Nahrungszufuhr sobald der Säuglingstabil ist, kann sichergestellt werden, dass kritische Fenster nicht verabsäumt werden. [24]
Allgemein ist die orale Zufuhr kleiner Volumina relevant, um einer oralen Hypersensitivität vorzubeugen und die Entwicklung der feinmotorischen Fähigkeiten, die zur oralen Nahrungsaufnahme nötig sind, zu fördern. Wenn möglich, soll mit der Zufuhr fester Nahrung im üblicherweise für gesunde Kinder empfohlenen Alter begonnen werden.
In einer der 2018 publizierten Guidelines zu parenteraler Ernährung werden im Speziellen altersadaptierte Empfehlungen angegeben. [25••]