Palliativmedizin

Zu krank für Chemo? – Kriterien für den Verzicht auf systemische Tumortherapie

Patient:innenwille5,6

„health related quality of life“ (HRQOL), „quality of life“ (QOL)4,7

Behandlungstoxizität/Komplikationen2,4,5,6,8

Alter2,8

Schlechter Allgemeinzustand/ECOG 3/41,2,3,6,7,8

Nichtansprechen auf die Therapie/Progress1,3,4,5,6,7

0 1 2 3 4 5 6 7

Abb. 1: Gründe für das Beenden einer systemischen Therapie in der Palliativsituation

Die Frage, ab welchem Zeitpunkt an Krebs erkrankte Patient:innen „zu krank für die Chemotherapie“ sind, stellt eine bedeutende Herausforderung in der klinischen Praxis dar. Ärzt:innen müssen den Gesundheitszustand der Patient:innen sowie den potenziellen Nutzen und die Belastungen der Therapie sorgfältig abwägen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen, die eine Behandlung entweder einleitet oder ausschließt. Bislang existieren jedoch keine klaren, konsensbasierten Kriterien, die eindeutig festlegen, wann eine Chemotherapie als nicht mehr sinnvoll erachtet werden kann. Ziel der vorliegenden Recherche war es, in der wissenschaftlichen Literatur benannte Kriterien zu identifizieren, die als Grundlage für diese Entscheidung dienen könnten.

Die ärztliche Verantwortungin der Palliativmedizin

Bei Entscheidungen zur Durchführung oder Begrenzung medizinischer Behandlungen gegenüber tumorspezifischen Therapien bei fortgeschrittenen, inkurablen Krebserkrankungen gilt es, neben der Einschätzung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Therapien auch die Belastungen und die Zumutbarkeit für die Patient:innen individuell abzuwägen.

Die Entscheidung, ob und wann eine systemische Tumortherapie zu beenden ist, wird häufig kontrovers diskutiert und ist eine Quelle ethischer Konflikte zwischen den verschiedenen beteiligten Berufsgruppen (z.B. Ärzt:innen, Pflege, Psychoonkologie), zwischen verschiedenen ärztlichen Fachdisziplinen (z.B. Onkologie, Palliativmedizin, operative Fächer) oder interkollegial im eigenen Team. Die Frage, was als „noch zumutbare“ Therapie gilt, bleibt dabei oft unbeantwortet.

In einem systematischen Literaturreview wurde untersucht, anhand welcher Kriterien die Einschätzung erfolgt, ob Patient:innen als „zu krank für eine Chemotherapie“ eingestuft werden können.

Kriterien für den Verzicht auf systemische Tumortherapien

Die Literaturrecherche wurde unter Zuhilfenahme der wissenschaftlichen Datenbanken PubMed® und ResearchGate® durchgeführt. Die Suchstrategie kombinierte Begriffe wie „oncologic patients“, „systematic therapy“, „treatment decision“ und „palliative care“. Darüber hinaus wurden durch Querverweise weitere passende Studien identifiziert. Studien, die spezifische Tumortherapien untersuchten oder keinen Bezug zu systemischen palliativmedizinischen Therapien hatten, wurden ausgeschlossen. Insgesamt konnten so acht Studien in die Analyse eingeschlossen werden.1–8

Die Literaturrecherche identifiziert mehrere Kriterien, die den Abbruch einer systemischen Tumortherapie in der Palliativsituation begründen (Abb. 1).

Besonders das Nichtansprechen auf vorangegangene Therapien sowie ein schlechter Allgemeinzustand (ECOG-Score von 3 oder 4) stellen Indikatoren für einen Therapieabbruch dar. Ein weiterer Faktor ist eine hohe Therapietoxizität. Auch sind Komplikationen wesentliche Gründe für einen Therapieabbruch oder -verzicht sowie der Wille der Patient:innen und deren Alter. Zudem wurde noch die Lebensqualität (HRQOL/QOL) als relevantes Kriterium benannt.

Diese Ergebnisse entsprechen den Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology (ASCO), die von einer systemischen Therapie bei Patient:innen mit ECOG 3/4 oder jenen ohne nachweisbaren Nutzen bei vorangegangenen Interventionen abrät.9

Ebenso betont die European Society for Medical Oncology (ESMO), dass Chemotherapie und Immuntherapie in den letzten Lebenswochen vermieden werden sollten, da der therapeutische Nutzen in dieser Phase meist ausbleibt und die Behandlungen eine zusätzliche Belastung für die Patient:innen darstellen.10

Fazit: Notwendigkeit eines konsensbasierten Ansatzes

Die Literaturrecherche zeigt, dass das Nichtansprechen auf die Therapie sowie ein schlechter Allgemeinzustand (ECOG 3/4) die häufigsten Gründe für den Abbruch einer systemischen Tumortherapie in der palliativen Situation darstellen. Die in der Literatur identifizierten Kriterien für den Abbruch einer systemischen Therapie unterstreichen die Bedeutung einer eng an der individuellen Belastbarkeit der Patient:innen orientierten Entscheidungsfindung und einer frühzeitigen Wahrnehmung gesundheitlicher Verschlechterungen.

Obwohl validierte Instrumente wie der ECOG-Score verfügbar sind, bleibt die Einschätzung der Therapiefähigkeit und des potenziellen Nutzens häufig subjektiv. Leitlinien empfehlen ein frühzeitiges Ansprechen des möglichen Lebensendes, doch dieses erfolgt oft erst verspätet – im Durchschnitt erst 33 Tage vor dem Tod.

Eine frühzeitige Einbindung der Patient:innen in den Entscheidungsprozess könnte dazu beitragen, belastende Therapien in den letzten Lebenswochen zu vermeiden und die Lebensqualität in den Vordergrund zu stellen. ◼

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In den letzten Lebenswochen ist eine onkologische Therapie oft nicht das, was Patient:innen brauchen

J. Thiesbonenkamp-Maag, HeidelbergB. Alt-Epping, HeidelbergElement not implemented: <keypoints>Element not implemented: <authorinfo>
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