Theranostik, oral verfügbare ADT und mehr: Highlights zum Prostatakarzinom

Dieses Jahr fand die Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology zum ersten Mal virtuell statt. Auch in dieser Form des Meetings wurden wichtige Studien zum Prostatakarzinom präsentiert. Im Interview mit LeadingOpinions Hämatologie & Onkologie berichtet PD Dr. med. Aurelius Omlin über seine Highlights vom Meeting.

PSMA-PET-Diagnostik war auch am diesjährigen ASCO-Kongress ein Thema. In der Oral Session wurden dazu zwei Phase-III-Studien präsentiert. Was waren die Ergebnisse?

A. Omlin: PSMA-PET-Diagnostik ist nicht nur bei uns in der Schweiz inzwischen ein Standard geworden in der Situation des biochemischen Rezidivs, ohne dass es bisher grosse prospektive, gut designte Studien dazu gab. Deshalb sind die beiden prospektiven Studien zur PSMA-PET-Diagnostik, welche am ASCO-Kongress präsentiert wurden, wertvolle Beiträge. Eine Studie gab es zum biochemischen Rezidiv. Hier ist es tatsächlich bereits Standard, dass eine PSMA-basierte, bildgebende Methode zur Lokalisation des Rezidivs eingesetzt wird. Die zweite Studie ergab bei 277 Hochrisikopatienten in der primären Diagnostik zum Staging der Lymphknoten eine Sensitivität von 40% und eine hohe Spezifität von 95%, also einen guten positiv prädiktiven Wert. Wobei es natürlich auch Pitfalls in der PSMA-basierten Diagnostik gibt. Trotzdem ist dies aber die erste grosse Studie in diesem Setting, bei der danach auch eine Lymphadenektomie erfolgte. So konnte verglichen werden, was in der Bildgebung positiv war und danach tatsächlich pathologisch als positiv bestätigt wurde. Der optimale Einsatz der PSMA-basierten Diagnostik vor einer Prostatektomie muss noch definiert werden.

Theranostik ist ein vielversprechendes Konzept. Dazu wurde die randomisierte Phase-II-Studie TheraP vorgestellt, die Lu-PSMA mit Cabazitaxel bei Männern mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom verglich. Wie schätzen Sie die Ergebnisse dieser Studie ein?

A. Omlin: Diese Phase-II-Studie war sicherlich ein Highlight am diesjährigen ASCO-Kongress zum Prostatakarzinom. TheraP ist die erste randomisierte prospektive Studie, die bei 200 Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom 177Lu-PSMA-617 (LuPSMA) mit Cabazitaxel verglichen hat. Cabazitaxel ist in diesem Setting auf jeden Fall ein fairer Vergleichspartner. Es konnte ein deutlich besseres PSA-Ansprechen unter LuPSMA im Vergleich zu Cabazitaxel beobachtet werden. Alle anderen Studienendpunkte wurden allerdings noch nicht gezeigt. Es gab auch Unterschiede in der Toxizität, mit mehr Neutropenie und febriler Neutropenie bei Cabazitaxel und mehr Thrombozytopenie bei LuPSMA. Es läuft derzeit die grosse VISION-Studie, von der Ende des Jahres Ergebnisse erwartet werden. Der Vergleichsarm in dieser Studie ist allerdings nicht Cabazitaxel, sondern Abirateron oder Enzalutamid, was sicher einen Unterschied machen wird, insbesondere, da Abirateron und Enzalutamid auch im LuPSMA-Arm als «best standard of care» erlaubt sind. Der primäre Endpunkt ist das Gesamtüberleben.

Bei der Androgendeprivationstherapie wurde Relugolix in der HERO-Studie untersucht. Was ist von dieser neuen Substanz zu erwarten?

A. Omlin: Das ist das zweite Highlight vom ASCO-Kongress. Diese Studie ist möglicherweise «practice-changing» und wurde bereits im New England Journal of Medicine publiziert. Die HERO-Studie ist eine grosse Phase-III-Studie, die Relugolix, einen oralen, einmal täglich einzunehmenden LHRH-Antagonisten, mit der klassischen Form der Androgendeprivation, der 3-monatlichen Injektion eines LHRH-Antagonisten, verglich. Es zeigte sich ein deutliches besseres Ansprechen in Bezug auf Testosteronsuppression zum Zeitpunkt von 48 Wochen. Unter Relugolix kam es nach Absetzen auch zu einer schnelleren Erholung der Testosteronwerte. Besonders interessant ist das kardiale Sicherheitsprofil, das unter Relugolix besser zu sein scheint, vor allem bei Patienten mit einer vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankung. In der Studie waren nicht alle Patienten im metastasierten Stadium. Relugolix wird deshalb nicht der Standard für alle Patienten sein, aber besonders Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren könnten von dieser neuen Therapieoption profitieren.

Drei weitere Studien prüften den einfachen versus den doppelten Einsatz von Inhibitoren des Androgenrezeptor-Signalwegs in unterschiedlichen Settings. Wie erfolgreich ist dieser Ansatz?

A. Omlin: Das ist ein sehr spannendes Gebiet, weil es hier viel Potenzial gäbe. Zwei Studien waren im neoadjuvanten Setting, in dem die Patienten 6 Monate kombinierte Therapie vor der Prostatektomie erhielten. Die dritte Studie war gemischt mit Patienten im metastasierten Stadium, nodalpositiven Patienten oder solchen mit biochemischem Rezidiv. Es gab unterschiedliche Kombinationen: Apalutamid plus Abirateron oder Apalutamid plus ADT. Wenn ich die Ergebnisse der drei Studien kurz zusammenfasse, muss ich leider sagen: Mehr ist nicht immer besser. Zwei orale Therapien zu kombinieren bringt offensichtlich nicht viel. Das wissen wir auch schon vom letztjährigen ASCO-Kongress. Dort wurde die ALLIANCE-Studie präsentiert, die im metastasierten Setting Abirateron plus Enzalutamid mit der Enzalutamid-Monotherapie verglichen hat. Auch in dieser Studie ergab die Kombination keinen Vorteil, aber mehr Toxizität. Interessant waren die Biomarker, die man bereits in der Prostatabiopsie untersuchen konnte, wie etwa PTEN-Verlust oder die hohe Proliferation. Das sind Biomarker, die vielleicht helfen können, jene Patienten zu selektionieren, die von einer kombinierten neoadjuvanten Therapie profitieren oder nicht.

Welches Thema war für Sie sonst noch wichtig am ASCO-Kongress?

A. Omlin: Wichtig fand ich die Biomarker-Studien. Da gab es drei sehr interessante Studien: eine zu zirkulierenden Tumorzellen, eine zu zirkulierender Tumor-DNA und eine zum Methylierungsstatus in der metastasierten Situation. Zu zirkulierenden Tumorzellen gab es in den vergangenen Jahren viele Daten, sie haben sich aber zumindest in Europa in der Klinik nie durchgesetzt. In der grossen Phase-III-Studie SWOG S1216 wurden die zirkulierenden Tumorzellen in der hormonsensitiven Situation unter Therapie mit ADT plus Orteronel oder ADT plus Bicalutamid als prognostischer Faktor identifiziert. Interessante Daten wurden auch zur zirkulierenden Tumor-DNA präsentiert, und zwar aus der Phase-II-Studie Abirateron +/– Ipatasertib. Meiner Meinung nach wird sich die zirkulierende Tumor-DNA langfristig als Biomarker durchsetzen, weil es hier das Potenzial gibt, gleichzeitig DNA-Veränderungen zu untersuchen, die vielleicht mit Ansprechen auf oder Resistenz gegen eine Therapie vergesellschaftet sind. Wahrscheinlich ist diese Untersuchung einfacher zu standardisieren als jene mit den zirkulierenden Tumorzellen. Auch die Studie zum Methylierungsstatus war interessant. Dies ist ja beim Prostatakarzinom ein eher neues Gebiet. Es scheint Cluster von Patienten zu geben, die wir bis jetzt molekulargenetisch nicht unterscheiden konnten.

Gab es weitere Studien, die Sie spannend fanden?

A. Omlin: Es gab Updates zu den drei grossen Studien im nicht metastasierten kastrationsresistenten Setting: SPARTAN, PROSPER und ARAMIS. Von den drei Studien wurden die finalen Gesamtüberlebensdaten präsentiert, die diesbezüglich bei allen einen Vorteil zeigen konnten (im Bereich von 11 bis 14 Monaten). Das sind wichtige Ergebnisse, die auch im Patientengespräch relevant sind, denn bislang war nur der primäre Endpunkt des metastasenfreien Überlebens publiziert. ◼

◾1506

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◾2003◆

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