Die Zukunft in der Kardiologie

RNA-basierte Therapeutika bei kardiovaskulären Erkrankungen

RNA-basierte Therapeutika eröffnen revolutionäre Möglichkeiten zur Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen. Durch gezielte Modulation der Genexpression und spezifische Eingriffe in pathophysiologische Prozesse bieten diese Ansätze ein enormes Potenzial, die Therapie und Prognose für Patienten entscheidend zu verbessern.

Molekulare Mechanismen

Die Wirkung RNA-basierter Therapeutika ist auf verschiedene molekulare Mechanismen zurückzuführen (Abb.1).1–4 Im Folgenden wird auf einige davon näher eingegangen.

Messenger-RNA(mRNA)-Therapie

Die mRNA-Therapie verwendet synthetische mRNA, um spezifische Proteine zu codieren. Diese mRNA wird in Lipidnanopartikeln (LNP) verpackt, die ihre Stabilität erhöhen und die Aufnahme in die Zellen durch Endozytose ermöglichen. Nach der Freisetzung im Zytoplasma erfolgt die Translation durch Ribosomen, wodurch das therapeutische Protein produziert wird. Ein bekanntes Beispiel ist die mRNA-basierte Impfung, die das Immunsystem zur Erkennung und Bekämpfung von Pathogenen stimuliert.

RNA-Interferenztherapie (RNAi)

RNAi ist ein natürlicher Prozess der Genregulation, bei dem kurze RNA-Moleküle die Expression spezifischer Gene beeinflussen:

  • Antisense-Oligonukleotide (ASO) werden von exogen eingebracht,binden komplementär an die mRNA und induzieren deren Abbau durch RNAseH.

  • MicroRNA (miRNA)wird endogen produziert und reguliert die Genexpression durch Integration in den „RNA-induced silencing complex“ (RISC-Komplex), der die Translation der Ziel-mRNA hemmt. Auf die miRNA wird mitexogen eingebrachten sogenanntenAgomiren und Antagomiren Einfluss genommen, die die Aktivität bestimmtermiRNA-Moleküle verstärken bzw. hemmen.

  • Smallinterfering RNA (siRNA)– im therapeutischen Sinne von exogen eingebracht –wird in den RISC-Komplex eingebaut, der die Ziel-mRNA spezifisch bindet und ebenso deren Translation blockiert.

RNA-Aptamer-Therapie

RNA-Aptamere sind einzelsträngige RNA-Moleküle, die durch ihre spezifische dreidimensionale Struktur hochaffin an Zielmoleküle binden. Diese Bindung kann die Funktion der Zielmoleküle modulieren, indem sie deren Aktivität hemmt oder stimuliert. Dies stellt in gewissem Maße eine Vorstufe zur Antikörpertherapie dar.

Verabreichungsart und Anwendung

Die Verabreichung von RNA-basierten Therapeutika erfolgt hauptsächlich über subkutane (s.c.) oder intravenöse (i.v.) Injektionen. Die Verabreichungsart wird durch die pharmakokinetischen Eigenschaften der jeweiligen RNA-Therapeutika sowie die Anforderungen der spezifischen Indikation bestimmt. LNP und GalNac-Linker haben sich als effektive Trägerstrukturen etabliert, um die Stabilität und Bioverfügbarkeit der RNA-Moleküle zu erhöhen.5,6

RNA-basierte Therapeutika finden bereits in verschiedenen medizinischen Fachgebieten Anwendung. In der Onkologie wird ihr Potenzial zur Modulation von Tumorsuppressorgenen und Onkogenen erforscht.1,7 Bei genetischen Erkrankungen bieten sie neue Möglichkeiten zur Korrektur von Gendefekten. Besonders hervorzuheben ist jedoch der Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in dem bedeutende Fortschritte erzielt wurden.4

Mehrere RNA-basierte Medikamente sind derzeit in verschiedenen Stadien der klinischen Entwicklung oder bereits zugelassen. Tabelle1 bietet einen Überblick über einige dieser Medikamente bei kardiovaskulären Erkrankungen, auf die im Folgenden einzeln eingegangen wird.

Hyperlipoproteinämie

Im Bereich der Hyperlipoproteinämie (HLP) waren in den letzten Jahren die größten Durchbrüche der RNA-basierten Therapien ersichtlich. Inclisiran konnte in den ORION-Studien mit einer LDL-Cholesterinsenkung von knapp 50% aufwarten und ist inzwischen im klinischen Alltag angekommen.8,9

Für die seltene Erkrankung des familiären Chylomikronämiesyndroms und damit assoziierter extrem erhöhter Triglyzeridspiegel ist in Europa das Medikament Volanesorsen zugelassen, und die Nachfolgesubstanz Olezarsen mit deutlich geringerem Thrombozytopenierisiko dürfte wohl nicht mehr lange auf die Zulassung warten.10,11Bei den siRNA-Therapien ist die Substanz Plozasiran bereits in einer Phase-III-Studie angelangt.12

Lipoprotein-a (Lp(a)) als genetische Determinante für das kardiovaskuläre Risiko konnte sich bisher mit den medikamentös vorliegenden Möglichkeiten nur in einem sehr begrenzten Rahmen senken lassen. Mit den aktuell in PhaseIII befindlichen Medikamenten Pelacarsen, Olpasiran und Lepodisiran bieten sich jedoch vielversprechende neue Ansätze, die Lp(a)-Spiegel effektiv zu reduzieren und somit das kardiovaskuläre Risiko signifikant zu senken.13,14

Arterielle Hypertonie

Für die arterielle Hypertonie zeigen sich RNA-basierte Ansätze vielversprechend. Durch die gezielte Modulation der Genexpression, insbesondere Angiotensinogen (Evazarsen, Zilbesiran), können blutdrucksenkende Effekte erzielt werden, was die Therapiemöglichkeiten für Patienten in Zukunft im s.c. Bereich aufbauen könnte.15,16

ATTR-Amyloidose

Bei der ATTR-Amyloidose wurden siRNA-Therapien (Patisiran, Vutrisiran) und ASO-Therapeutika (Inotersen, Eplontersen) derzeit nur für neurologische Indikationen (Polyneuropathie Grad I–II) zu-gelassen. Zu Patisiran konnte man in der ersten Auswertung der nach wie vor laufenden APOLLO-B-Studie bei Patienten mit ATTR-Amyloidose und kardialer Beteiligung im Vergleich zu Placebo Vorteile in der funktionalen Kapazität, dem Gesundheitszustand und der Lebensqualität beobachten.17 Vutrisiran wies in der HELIOS-A-Studie bei Patienten mit Polyneuropathie als sekundäre Endpunkte einen potenziellen Benefit auf eine zusätzlich vorliegende kardiale Manifestation nach.18Die Ergebnisse der HELIOS-B-Studie als Pendant zur APOLLO-B-Studie werden die Auswirkungen von Vutrisiran auf die kardiale Beteiligung noch genauer beleuchten, wobei die ersten Daten bereits am ESC-Kongress 2024 in London vorgestellt wurden.

Insbesondere bei Eplontersen (derzeit generell noch keine europäische Zulassung) dürfte die kardiologische Welt gespannt auf die Ergebnisse der CARDIO-TTRansform-Studie schauen, die Mitte/Ende des Jahres 2025 erwartet werden und möglicherweise neue Perspektiven in der Behandlung der ATTR-Amyloidose eröffnen.19

Herzinsuffizienz

In der Herzinsuffizienz befinden sich die RNA-basierten Therapien noch in der Erprobungsphase (PhaseII). Hier dürften nach aktueller Studienlage insbesondere die Targets „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) und miRNA-132 interessant sein.

Eine direkte intrakardiale Injektion einer mRNA mit dem Target VEGF (Studie EPICCUREin PhaseII)hat bei Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie im Rahmen einer aortokoronaren Bypassoperation die Tendenz zur Verbesserung der Linksventrikelfunktion, des NT-pro-BNP-Levels sowie der Lebensqualität gezeigt.20

Aus mehreren In-vivo- und In-vitro-Studien wurde in den letzten Jahren bekannt, dass miRNA-132 eine relevante Rolle in kardialen Remodelling-Prozessen spielen dürfte.21 Der Einsatz eines Antagomirs zur Verminderung der miRNA-132-Konzentration wird derzeit in der HF-REVERT-Studie (PhaseII) getestet.21

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Abb. 1:Übersicht über die molekularen Mechanismen der RNA-basierten Therapeutika

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Tab. 1:Tabellarische Übersicht über die aktuell zukunftsträchtigsten RNA-basierten Therapeutika in der kardiovaskulären Medizin

ASO: Antisense-Oligonukleotid; mRNA: Messenger-RNA; miRNA: microRNA; RISC: „RNA-induced silencing complex“; siRNA: „small interfering RNA“

E. Boxhammer, SalzburgU. Hoppe, SalzburgM. Lichtenauer, SalzburgElement not implemented: <keypoints>Element not implemented: <authorinfo>
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