Geschlechtsspezifische Aspekte bei der Alzheimerkrankheit

Wenn neue Medikamente verfügbar werden, gibt es keine universelle Lösung

In den letzten zehn Jahren haben sich Hinweise auf Geschlechtsunterschiede bei der Alzheimererkrankung, von Risikofaktoren bis hin zu Biomarkern, gehäuft. Diese Unterschiede sind nun mehr denn je von Bedeutung, da neue Therapien in Aussicht sind. Eine Optimierung der Behandlung nach geschlechtsspezifischen Aspekten könnte, neben anderen Variablen, notwendig werden.

Sowohl die biologischen als auch die sozioökonomischen geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind nach Ansicht der WHO für die Gesundheit ausschlaggebend.

Das bedeutet, dass die Art der Krankheit, die man im Laufe des Lebens erleidet, das Ansprechen auf die Behandlung und der Zugang zur Gesundheitsversorgung aus biologischen und sozioökonomischen Gründen unterschiedlich sind, je nachdem, ob man eine Frau oder ein Mann ist. Die Gendermedizin ist ein Zweig der Medizin, der sich mit der Erforschung solcher Unterschiede befasst. Während sie in anderen Bereichen wie der Kardiologie1 bereits gut etabliert ist, steckt sie in der Neurologie und Psychiatrie noch in den Kinderschuhen. Geschlechtsspezifische Aspekte sind in jüngster Zeit in mehreren Bereichen der Neurologie, darunter auch im Gebiet der Alzheimererkrankung, zu einem wichtigen Thema geworden.

Über die Alzheimerkrankheit

Die Alzheimerkrankheit ist die häufigste Ursache für Demenz bei älteren Menschen und betrifft weltweit mehr als 30 Millionen Menschen – davon sind etwa 65% Frauen.2 Das klinische Syndrom ist durch ein Kontinuum mit fortschreitendem Verlust kognitiver Funktionen gekennzeichnet, welches nach einer Prodromalphase mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) schließlich zu einer Demenz führt. Es wird angenommen, dass die Anhäufung von Amyloid-Beta-Peptid, die Ausbreitung von Tau-Proteinen und die Neurodegeneration den kognitiven Abbau verursachen. Neue pharmakologische Behandlungen, die meist auf die Beseitigung von Amyloid-Beta-Peptid abzielen, werden demnächst vermutlich in Europa verfügbar sein. In diesem Beitrag konzentrieren wir uns vor allem auf geschlechtsspezifische, biologisch bedingte Unterschiede und ihre Auswirkungen auf die Diagnose und Behandlung.

Bekannte Geschlechtsunterschiede

Neben der höheren Häufigkeit der Alzheimerkrankheit bei Frauen (die 65% der Patient:innen ausmachen) wurden in jüngster Zeit mehrere geschlechtsspezifische Unterschiede beschrieben, die von Risikofaktoren über Biomarker bis hin zum Fortschreiten der Krankheit reichen und auf geschlechtsspezifische biologische Krankheitsmechanismen hindeuten.3

Tau-Pathologie und ApoE4

Es hat sich gezeigt, dass eine Tau-Pathologie bei Frauen stärker und schneller akkumuliert als bei Männern und dass Frauen bei gleicher Amyloidmenge mehr Tau im Gehirn abgelagert haben.4 ApoE4 ist der stärkste genetische Risikofaktor für Alzheimer und nachweislich mit einer höheren Tau-Pathologie und mit einem höheren Risiko für Alzheimer verbunden. Es scheint so zu sein, dass dieser Effekt verstärkt bei Frauen auftritt.5 Kürzlich wurden ApoE4-Geschlechtsunterschiede auch bei immunvermittelten Mechanismen der Alzheimererkrankung festgestellt.6 Stoffwechselveränderungen im Gehirn, die in der Perimenopause auftreten, könnten möglichwerweise das weibliche Gehirn für die Tau-Pathologie prädisponieren und die Anfälligkeit von Frauen erklären.7 Es hat sich gezeigt, dass kardiovaskuläre Risikofaktoren in der Lebensmitte bei Frauen ein höheres Demenzrisiko mit sich bringen als bei Männern.8 Interessanterweise haben mehrere Studien aus klinischer Sicht gezeigt, dass sich bei Frauen mit MCI die kognitiven Fähigkeiten schneller verschlechtern als bei Männern,9 was durch die sich schneller entwickelnde Tau-Pathologie verursacht sein könnte.

Unterschiede bei neuropsychologischen Tests

Weiters wird vermutet, dass Frauen die Frühdiagnose von MCI verpassen, da sie bei gleich stark ausgeprägter Neurodegeneration in klassischen neuropsychologischen Tests bessere kognitive Funktionen aufweisen als Männer.10

Es ist möglich, dass Tests, die sich stark auf das verbale Gedächtnis stützen (eine Domäne, bei der Frauen im Vergleich zu Männern im Vorteil sind), für die Früherkennung von MCI bei Frauen nicht geeignet sind. Es könnte daher notwendig sein, die Skalen für die Früherkennung von MCI je nach Geschlecht zu optimieren.

Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit aus der Framingham’s Heart Study untersuchte diese Möglichkeit. Für die Studie wurde ein Datensatz mit mehr als 4000 Teilnehmern herangezogen. Hier traten geschlechtsspezifische Unterschiede auf.2 Wie erwartet, waren Frauen bei den meisten verbalen Gedächtnistests im Vorteil, was darauf hindeutet, dass die Verwendung dieser Tests dazu führen könnte, dass subtile kognitive Beeinträchtigungen bei Frauen unterschätzt werden. Interessanterweise war die Assoziation zwischen bestimmten neuropsychologischen Ergebnissen und dem Auftreten von Demenz nach neun Jahren geschlechtsspezifisch und könnte für die Entwicklung geschlechtsspezifischer Vorhersagealgorithmen genutzt werden. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede in neuropsychologischen Tests könnten daher eine ungenutzte Ressource für empfindlichere, geschlechtsspezifische Biomarker (möglicherweise auch digital) für die Frühdiagnose von Alzheimer darstellen. Weiters wird dadurch die Bedeutung von geschlechtsspezifischen Normgruppen in gut validierten neuropsychologischen Tests unterstrichen.

Wie könnten sich diese Unterschiede in klinischen Studien auswirken?

Im Jahr 2024 gab es 164 klinische Studien zur Alzheimerkrankheit, in denen 127 Arzneimittel geprüft wurden, von denen 76% krankheitsmodifizierende Therapien sind. Diese Medikamente zielen auf eine Vielzahl von Signalwegen ab, darunter Amyloid-Beta (18% aller Medikamente), Tau (9%), Neurotransmitterrezeptoren (22%) und Neuroinflammation (20%).11 Im Juli erteilte die FDA dem dritten monoklonalen Antikörper gegen Amyloid-Beta bei Alzheimer, Donanemab, die traditionelle Zulassung, während keines der drei von der FDA zugelassenen Arzneimittel (Aducanumab, Lecanemab, Donanemab) derzeit von der EMA zugelassen ist.

Angesichts der oben beschriebenen Unterschiede bei biologischen Mechanismen stellt sich die Frage, ob sich geschlechtsspezifische Unterschiede auf die Ergebnisse klinischer Studien auswirken könnten. Derzeit passt keine Studie ihr Design an Geschlechtsunterschiede an.

In jüngster Zeit wurden mehrere Studien mit Anti-Amyloid-Antikörpern abgeschlossen und veröffentlicht. Einer Metaanalyse zufolge sind in Alzheimerstudien im Durchschnitt etwa 54% Frauen vertreten, was unter der zu erwartenden Epidemiologie der Krankheit liegt.12 Jüngste Erkenntnisse aus Subgruppenanalysen dieser Arbeiten haben Trends zu geschlechtsspezifischen Unterschieden beim Ansprechen auf die Behandlung gezeigt.13 In diesen Fällen ergab die Subanalyse eine geringere Wirkung bei Frauen im Vergleich zu Männern. Diese Beobachtung auf Grundlage einer Subgruppenanalyse ist suggestiv und könnte darauf hindeuten, dass Frauen im Krankheitsverlauf weiter fortgeschritten sind und daher weniger auf die Behandlung ansprechen. Es sind daher weitere Studien erforderlich, um diese Hypothese zu bestätigen.

Die Berücksichtigung von Unterschieden zwischen den Geschlechtern könnte bei der Planung klinischer Studien wichtig werden und sollte bei Daten aus der Praxis sorgfältig erfolgen.

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Berücksichtigung von Geschlechtsunterschieden bei der Alzheimererkrankung das Potenzial hat, die diagnostische und prognostische Genauigkeit aktueller und künftiger Biomarker zu verbessern, und für die Stratifizierung von Patient:innen in klinischen Studien genutzt werden sollte.◼

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