Multiparametrische Magnetresonanztomografie bei Verdacht auf Prostatakarzinom
Die optimale Prostatastanzbiopsie – wo stehen wir?
Der breite Einsatz der multiparametrischen Magnetresonanztomografie (mpMRT) bei Patienten mit einem Verdacht auf ein Prostatakarzinom (PCa) hat die traditionelle Landschaft der Prostatabiopsie tiefgreifend verändert. Darüber hinaus konfrontiert uns die zunehmende kritische Anwendung von Antibiotika im periinterventionellen Einsatz mit neuen Herausforderungen.
Fortschritt in der Detektion eines klinisch signifikanten PCa
In der Erstdiagnostik des PCa hat die mpMRT des Beckens und der Prostata in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen. Läsionen in der mpMRT sollten gemäß der PI-RADS-Klassifikation Version 2.1 eingestuft werden.1 Eine PI-RADS-Läsion ≥3 gilt als verdächtig im Hinblick auf eine Malignität und sollte biopsiert werden.2 Die auf die mpMRT-Bildgebung gestützte Prostatabiopsie (MRT-PBx) hat eine deutliche Verbesserung bei der Detektion eines Prostatakarzinomgrades ≥2 gemäß ISUP (Gleason ≥7a) im Vergleich zur systematischen konventionellen Ultraschall-gestützten PBx gezeigt.3,4 Die Genauigkeit bei der Identifizierung der signifikanten PCa-Indexläsion korreliert mit bis zu 90% mit dem Präparat nach radikaler Prostatektomie (RP).5 Die Korrelation mit Proben aus radikalen Prostatektomien bestätigt somit, dass die MRT der Prostata eine gute Sensitivität für die Erkennung und Lokalisierung eines PCa mit einem ISUP-Grad ≥2 hat, insbesondere wenn der Durchmesser der Läsion größer als 10mm ist.6
Diese Erkenntnisse führten unter anderem dazu, dass die Leitlinie der Europäischen Fachgesellschaft (EAU) heute die Durchführung einer mpMRT vor einer PBx empfiehlt.2 Der transperineale Zugang und die Entwicklung neuer Sonografiegeräte werfen aktuell die Frage nach der optimalen Biopsietechnik auf.
Zugangswege der Fusionsbiopsie
Eine mpMRT-PBx kann entweder perineal oder transrektal durchgeführt werden. Beide Zugangsweisen sind technisch gut durchführbar und bieten eine hohe Bildqualität für eine effektive Fusionsbiopsie. Jedoch unterscheiden sich die beiden Methoden hinsichtlich ihrer potenziellen Risiken und der diagnostischen Effizienz. In jüngster Zeit hat der perineale Zugang aufgrund einiger Vorteile zunehmend an Bedeutung gewonnen.2 Zahlreiche randomisierte Studien zeigen, dass der perineale Zugang nicht nur eine bessere Detektionsrate für klinisch signifikante Tumoren bietet, sondern auch mit einer signifikant niedrigeren Rate an Infektionen und Sepsis verbunden ist.7,8
Eine dieser Studien von Tu et al. unterstreicht die Effektivität des perinealen Ansatzes besonders in der Identifizierung von signifikanten Tumoren, die eine sofortige therapeutische Intervention erfordern.9 Eine weitere Studie zeigte, dass die Infektionsrate beim perinealen Zugang im Vergleich zum transrektalen Zugang signifikant niedriger war. Die Sepsisrate lag bei Patienten, die perineal biopsiert wurden, nahezu bei null, während diejenigen, die transrektal biopsiert wurden, eine höhere Komplikationsrate in Bezug auf Infektionen aufwiesen.10 Die Ergebnisse sind besonders relevant in Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenzen, da jede Reduktion von infektionsbedingten Komplikationen und die damit verbundene Vermeidung einer antibiotischen Behandlung von Bedeutung sind.11
Verzicht auf antibiotische Prophylaxe
Der perineale Zugang ermöglicht die Durchführung des Eingriffs mit minimaler Antibiotikagabe(„single shot“) oder gar ohne eine solche.8 Die EAU-Leitlinie befürwortet klar den perinealen Zugang zur Reduktion von Antibiotikagaben und zur Minimierung von Infektionskomplikationen.2 Im Gegensatz dazu erfordert der transrektale Zugang aufgrund des höheren Risikos für eine bakterielle Kontamination strengere präventive Maßnahmen. Hier wird empfohlen, vor der Biopsie einen rektalen Abstrich durchzuführen und eine prophylaktische Behandlung mit zwei verschiedenen Antibiotikaklassen zu initiieren.2 Der Einsatz von Fluorchinolonen ist dabei aufgrund erhöhter Risiken nicht mehr für die Prophylaxe bei der PBx empfohlen,12was die urologische Community seitdem bezüglich der Wahl eines geeigneten Antibiotikums im Unklaren lässt. Dies unterstreicht die Bedeutung des perinealen Zugangs als sicherere und antibiotikasparende Alternative in der modernen PCa-Diagnostik. Das Sepsisrisiko ist bei der transperinealen PBx so gering, dass letztlich in einer randomisierten Studie nur evaluiert werden kann, ob die antibiotische Prophylaxe notwendig ist, um einen symptomatischen Harnwegsinfekt zu verhindern.
Durchführung unter Lokalanästhesie
Der perineale Zugang für die PBx (Abb.1)bietet nicht nur größere diagnostische und infektiologische Vorteile, sondern ist auch in Bezug auf den Patientenkomfort effektiv. Diese Methode kann zunehmend erfolgreich unter lokaler Betäubung durchgeführt werden. Die lokale Betäubung minimiert das Unbehagen und die Schmerzen während des Eingriffs erheblich und macht den perinealen Zugang für die Patienten gut tolerierbar. Zudem werden die schon begrenzten Ressourcen unserer Gesundheitseinrichtungen nicht zusätzlich belastet. Die Patienten berichten häufig von einer schnellen Erholung und geringen postoperativen Beschwerden – ein weiterer Pluspunkt als bevorzugte PBx-Option.13
Ausschlaggebend ist die Erfahrung des Operateurs
Auf dem Markt existieren zahlreiche Systeme zur Durchführung einer MRT-PBx, die von verschiedenen Herstellern angeboten werden. Ein direkter Vergleich dieser Systeme würde es Urologenermöglichen, die jeweiligen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Jedoch gibt es diesen bis dato nicht. Interessanterweise zeigen Studien bei vorbiopsierten Patienten,8 die kognitive Biopsien (bei denen der Arzt visuell MR-Bilder mit Ultraschallbildern während des Eingriffs abgleicht) mit echten Fusionsbiopsien (bei denen eine Software die Bildfusion automatisch vornimmt) vergleichen, keinen signifikanten Unterschied in Bezug auf die Genauigkeit der Tumordetektion.14 Dies deutet darauf hin, dass die Wahl des Systems weniger von der Technologie als vielmehr von der Erfahrung und dem Können des ausführenden Urologen abhängt.15
Neue Technologien
Der Mikroultraschall der Prostata, eine innovative Technologie in der Prostatabildgebung, nutzt beispielsweise hochauflösenden Ultraschall mit einer Frequenz von 29MHz, um besonders detaillierte Bilder zu erzeugen. Diese ermöglicht eine exzellente Auflösung, um verdächtige Areale zu identifizieren, insbesondere der peripheren Zone. Für die Beurteilung der Ultraschallbilder wird der PRI-MUS-Score verwendet, der sich am PIRADS-Score für MRT-Befunde orientiert.16 Erste Studien weisen darauf hin, dass die Detektionsraten mittels Mikroultraschall vergleichbar mit denen der mpMRT sind, was ihn zu einem vielversprechenden Ansatz macht und möglicherweise zukünftig Biopsien ohne vorhergehende MRT ermöglicht. Allerdings sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Effektivität und Sicherheit von Mikroultraschall-gestützten PBx vollständig zu validieren.17
Aktuelle Studien wurden zwar teilweise verblindet durchgeführt, jedoch fehlt derzeit ein echter Vergleich der Detektionsraten in einem komplett verblindeten Verfahren zwischen der mpMRT-PBx und der ausschließlich auf Mikroultraschall basierenden PBx mit einer großen Anzahl von Patienten.18 Somit wird Mikroultraschall hauptsächlich ergänzend zum mpMRT verwendet und es bestehen weiterhin Herausforderungen, insbesondere auch die fehlende Beurteilung der Transitionalzone, die noch adressiert werden müssen, um die Methode als eigenständige diagnostische Option zu etablieren2,18
Auch im Bereich der Prostatakrebsdiagnostik spielt das Thema künstliche Intelligenz (KI) eine zunehmende Rolle. Erste Untersuchungen zur Nutzung von KI in der Befundung des mpMRT deuten darauf hin, dass hier Potenzial besteht, die Genauigkeit der Diagnose zu verbessern. KI-Anwendungen in der Fusionsbiopsie, wo sie zur präziseren Detektion des PCa beitragen könnten, sind dabei besonders vielversprechend, befinden sich jedoch größtenteils noch im experimentellen Stadium. Um ihre Wirksamkeit und Anwendbarkeit im klinischen Alltag zu bestimmen, sind weitere umfassende Studien notwendig. Die Integration von KI könnte zukünftig eine bedeutende Rolle in der Optimierung der Krebsdiagnostik spielen, indem sie die Zuverlässigkeit der Bildgebung und Biopsie erhöht und somit zu effektiveren und zielgerichteteren Behandlungsstrategien führt.2,19
Einfluss auf die Behandlungstrategie
Die mpMRT-PBx zeigt im Weiteren auch einen bedeutenden Einfluss auf die Behandlungsstrategien und deren Ergebnisse. Insbesondere verbessert sie die Verlaufskontrolle bei der aktiven Überwachung des PCa und ermöglicht durch die höhere Detektionsrate eine präzisere Überwachung der Krankheitsentwicklung, was zu einer gezielteren und bedarfsgerechten Behandlung führt.20 Diese genauere Diagnostik führt auch nach RP zu besseren funktionellen und onkologischen Ergebnissen, da eine präzise Lokalisierung und Charakterisierung des Tumors vor der Operation eine optimierte chirurgische Planung ermöglichen.21 Somit trägt die verbesserte Qualität der Biopsie durch die mpMRT-PBx nicht nur zur genaueren Diagnose bei, sondern beeinflusst maßgeblich die gesamte therapeutische Vorgehensweise und verbessert langfristig die Prognose der Patienten.
Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die perineale mpMRT-PBx ohne Antibiotikagabe oder mit einem Single-Shot-Antibiotikum heute das Mittel der Wahlist. Weitere technische Entwicklungen bleiben abzuwarten. ◼
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Fachkurzinformation siehe Seite XXXX | FREIGABENUMMERXXXX
C. Leitsmann, GrazJ. Mischinger, Graz© Dr. Conrad Leitsmann, Priv.-Doz. DDr. Johannes Mischinger
Abb. 1: Perinealer Zugang für die Prostatabiopsie mit den wichtigsten Leitstrukturen