Rheumatoide Arthritis
Wie viel Prophylaxe ist möglich?
„Rheumatherapie heute … am Beispiel der rheumatoiden Arthritis“ war ein Thema beim 22.Wachauer Rheumatag. Prim. Dr. Judith Sautner, Landesklinikum Korneuburg-Stockerau, präsentierte die neuesten Forschungsergebnisse zur Epidemiologie, berichtete über Ansätze der sehr frühen Intervention und gab einen Überblick über die aktuellen Behandlungsempfehlungen.
Globale Krankheitslast steigt
Die Inzidenz der rheumatoiden Arthritis (RA) steigt weltweit an, besonders bei Frauen: Ein epidemiologischer Report mit Daten aus 204 Ländern ergab, dass sie sich im Zeitraum von 1990 bis 2019 nahezu verdoppelt hat.1 Frauen wiesen dabei eine höhere altersstandardisierte Inzidenzrate und eine höhere Krankheitslast (ausgedrückt in „disability-adjusted life years“, DALY) auf als Männer.
Hauptfaktor für RA-assoziierte DALYs bei Männern war das Rauchen.1 „Nikotin ist mit ca. 20% der wichtigste exogene Risikofaktor für RA“, betont Sautner. Nur 1 bis 10 Packungsjahre erhöhen das Risiko, eine RA zu entwickeln, um 26%. Rauchen fördert die Bildung von RA-spezifischen Autoantikörpern (ACPA), was pathogenetisch bedeutsam ist.1–3 Selbst Passivrauchen erhöht das RA-Risiko um immerhin 12% und ist verantwortlich für höhere Krankheitsaktivität bei Frauen. Passivrauchen in der Kindheit erhöht das RA-Risiko sogar um 34%.2–4
Moderater Alkoholkonsum scheint hingegen, wie bereits in früheren Studien aufgezeigt, einen günstigen Einfluss auf RA zu haben.2,5 Die Betonung liegt hier aber auf „moderat“, das bedeutet maximal 1/8l Wein oder 250ml Bier täglich. Was darüber hinausgeht, wirkt sich schon wieder negativ auf eine RA-Erkrankung aus.
Soziodemografische Faktoren spielen ebenfalls eine gewichtige Rolle: Die höchste Inzidenzsteigerung wurde bei Menschen mit niedrigem bis mittlerem soziodemografischem Index verzeichnet.1 Bildungsferne Schichten seien eben leider oft auch „medizinfern“, was sich bereits für etliche Erkrankungen als negativ herausgestellt hat, meint Sautner. In einer niederländischen Studie war ein niedriger Bildungsabschluss – unabhängig vom Body-Mass-Index und Rauchverhalten – mit Progression einer subklinischen Arthralgie zur RA assoziiert.6
Ist Prävention möglich?
Aus den oben genannten Risikofaktoren ergeben sich Möglichkeiten einer Prophylaxe: primäre Prophylaxe von RA durch Lebensstiländerungen, etwa durch die Vermeidung des Rauchens und Passivrauchens.7 Zunehmend befasst sich die Forschung auch mit der Früherkennung und der frühen Intervention (sekundäre Prophylaxe): In Studien werden Patient:innen schon in der präarthritischen Phase mit rheumaspezifischen Medikamenten behandelt, mit dem Ziel, den Ausbruch der entzündlichen Erkrankung zu verhindern.8 „Mit Abatacept und Methotrexat sind damit schon positive Ergebnisse erzielt worden“, berichtet Sautner.
Frühe Symptome für RA sind: reduzierte Griffstärke, Schwierigkeiten beim Greifen, inkompletter Faustschluss und (subklinische) Tenosynovitiden.9,10 Wenn Patient:innen mit Verdacht auf Arthritis über Schwierigkeiten beim Anziehen berichten, was z.B. beim HAQ (Health Assessment Questionnaire) abgefragt wird, ist dies mit hoher Treffsicherheit prädiktiv für die Entwicklung einer Arthritis, sagt Sautner.
RA-Therapie 2024
Als „tertiäre Prophylaxe“ gilt eine effiziente RA-Therapie, um die Progression der Erkrankung zu verzögern oder womöglich gar zu stoppen. Glukokortikoide (GC) sind dabei ein wichtiger Pfeiler der Therapie. Die aktuellen Empfehlungen der EULAR zum Management der RA sehen nach der klinischen Diagnose einen Therapiestart mit Methotrexat (MTX) bzw. bei Kontraindikation für MTX mit Leflunomid oder Sulfasalazin vor, in beiden Fällen kombiniert mit einer kurzzeitigen GC-Therapie.11 „Glukokortikoide sind in der Initialtherapie effizient und notwendig“, betont Sautner. Das Risiko für Infektionen, osteoporotische Frakturen und Diabetes mellitus Typ 2 steigt mit Dosis und Dauer der GC-Therapie, daher sollten sie laut den EULAR-Empfehlungen so rasch wie möglich wieder reduziert bzw. ausgeschlichen werden. Allerdings wurde in einer aktuellen Studie gezeigt, dass bei niedriger RA-Krankheitsaktivität die Krankheitskontrolle langfristig mit GC verbessert werden kann, was für eine Beibehaltung der GC-Therapie – wenn notwendig – spricht.12
Sollte mit dieser konventionellen Basistherapie das Therapieziel nicht erreicht werden, wird laut EULAR-Empfehlungen in Phase 2 zunächst unterschieden, ob der Patient schlechte prognostische Faktoren (RF-/ACPA-Positivität, hohe Krankheitsaktivität, frühe Gelenksschäden, Nichtansprechen auf ≥2DMARDs) hat oder nicht. Im ersteren Fall wird nun ein Biologikum oder ein JAK-Inhibitor eingesetzt; bei Abwesenheit ungünstiger prognostischer Faktoren kann ein zweites konventionelles synthetisches DMARD erwogen werden.
Sollte sich nach weiteren 3 bis 6 Monaten noch immer kein Therapieerfolg eingestellt haben, wird der Wechsel des Biologikums oder JAK-Inhibitors empfohlen.11
Derzeit stehen in Österreich etliche Biologika mit verschiedenen Wirkmechanismen und diverse Biosimilars sowie vier JAK-Inhibitoren zur Behandlung der RA zur Verfügung. Bei dieser breiten Auswahl ist es möglich, viele Aspekte in die Therapieentscheidung miteinfließen zu lassen: Neben erkrankungsspezifischen Faktoren wie Krankheitsaktivität und -dauer, extraartikulären Manifestationen, Anamnese und Komorbiditäten können auch Patientenwünsche, was die Verabreichungsform betrifft, berücksichtigt werden.
Sautner erinnerte daran, extraartikuläre Manifestationen und Komorbiditäten mitzubedenken. Risikofaktoren für eine Lungenbeteiligung bei RA sind: männliches Geschlecht, höheres Alter, RF- und ACPA-Positivität, Rauchen und erhöhte BSG- und CRP-Werte (Akutphase). Biomarker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei RA sind Triglyzerid- und Harnsäurewerte im Serum. „Die beste Prophylaxe, um das kardiovaskuläre Risiko bei RA zu senken, sind eine gute Behandlung der RA und das Management der kardiovaskulären Risikofaktoren“, so Sautner. Dies trifft leider nicht zu auf sexuelle Dysfunktion: Das Risiko dafür ist bei RA per se erhöht, egal ob die RA gut behandelt wird oder nicht.13
RA sowie Psoriasisarthritis und Spondyloarthritiden erhöhen auch das Risko für Osteoporose. Weiters sind Depressionen eine nicht zu unterschätzende Komorbidität bei RA: Jede dritte weibliche RA-Patientin in Österreich zeigt Anzeichen einer Depression, wobei eine starke Assoziation mit der Krankheitsaktivität und dem Grad der funktionellen Einschränkung festgestellt wurde.14
Im Lauf der oft langjährigen Behandlung und Betreuung von RA-Patient:innen sollte außerdem nicht darauf vergessen werden, den Impfstatus regelmäßig zu kontrollieren. Dies kann auch durch den Hausarzt oder eine Nurse erfolgen. „Egal wer es macht, wichtig ist, dass es getan wird!“, betont Sautner.
KI kommt
Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in immer mehr Bereiche der Medizin. Ob die KI ein Therapieansprechen auf Biologika vorhersagen kann, hat eine neue österreichische Studie erhoben.15 Ausgewertet wurden Daten aus dem Register BioReg. Ob ein bestimmtes Biologikum bei bestimmten Patient:innen wirken wird oder nicht, konnte in ersten Ansätzen von den maschinellen Algorithmen mit überraschender Genauigkeit vorhergesagt werden. Individuelle Parameter waren mit dem Therapieansprechen unterschiedlich assoziiert. Es bleibt zu hoffen, dass maschinelles Lernen im Entscheidungsprozess hilfreich sein wird, indem es diese komplexen Wechselwirkungen entwirrt – so die Conclusio der Autor:innen.15 Laut Sautner zeichnet sich ab, dass KI auch in der Medizin nicht mehr wegzudenken ist und in der Zukunft eine große Stütze für Forschung und Praxis sein könnte.◼
◾21
Quelle:
22. Wachauer Rheumatag, Spitz, 27. April 2024