Arzneimittel

Praktische Dosierungsanpassungen in Schwangerschaft und Stillzeit

Während der Schwangerschaft wie auch postpartal kann es zu signifikanten pharmakokinetischen Änderungen kommen. Das optimale Vorgehen hinsichtlich der Dosisanpassung ist jedoch klinisch nur für wenige Substanzen untersucht, was in Beispielen beleuchtet wird. Pharmakometrische Computermodelle werden in Zukunft mehr und mehr die Formulierung von Dosierungsempfehlungen auf Basis von minimalinvasiven klinischen oder virtuellen Studien unterstützen.

Pharmakokinetische Änderungen in Schwangerschaft und Stillzeit

Physiologische Adaptationen während einer Schwangerschaft und postpartal passieren bei der Mutter, aber auch beim Kind respektive Ungeborenen.1–3Weitere Ausführungen hierzu finden Sie im Beitrag «Pharmakotherapie bei der Frau, bei Schwangeren und Stillenden – mehr als eine Genderfrage»auf Seite 6–8.

Da sich entsprechend die Frage nach Dosisanpassungen während und nach der Schwangerschaft stellt, werden im Folgenden zunächst klinische Beispiele zur mütterlichen Dosisanpassung illustriert (Tab. 1), gefolgt von einer Diskussion zur Nutzen-Risiko-Abwägung und Forschungsentwicklung mittels Pharmakometrie.

Ansätze zur mütterlichen Dosisanpassung

Schwangerschaftsbedingte Medikation – Beispiel Nifedipin

Bei Indikation einer antihypertensiven Therapie mit Nifedipin in der Schwangerschaft ist zu beachten, dass die Clearance über CYP3A4 in der Schwangerschaft erhöht ist, was mit einer verkürzten Eliminationszeit von Nifedipin einhergeht.4,5 Dies kann zu Wirkverlusten im Lauf des Tages führen. Dem kann entgegengewirkt werden, indem das Dosierungsintervall verkürzt wird. Die so erreichten konstanteren Arzneimittelspiegel und stabileren Blutdruckwerte werden auch mit einer besseren Verträglichkeit assoziiert, insbesondere beim Einsatz als Tokolytikum bei grundsätzlich normotonen Frauen, welche stärker unter Kopfschmerzen aufgrund von Nifedipin-assoziierten Blutdruckschwankungen leiden.

Schwangerschaftsunabhängige Medikation – Beispiel Penicillin G bzw. Betalaktame

Betalaktamantibiotika erreichen ihre maximale Wirksamkeit bei möglichst konstanten Plasmakonzentrationen über der minimalen Hemmkonzentration (MHK) des zu eradizierenden Pathogens. Aufgrund des erhöhten Verteilungsvolumens wie auch der erhöhten renalen Clearance von Penicillinen in der Schwangerschaft soll Penicillin G zur Behandlung von Streptokokken-B-positiven Frauen unter Geburt in einem verkürzten Intervall verabreicht werden, um effektive Wirkspiegel zu erreichen.6,7

Vorbestehende mütterliche Therapie – Beispiel Lamotrigin

Plasmakonzentrationen des Antiepileptikums Lamotrigin sinken im zweiten und dritten Trimenon bei gleichbleibender Dosierung nachweislich ab.8 Dies ist insofern relevant, als ein Konzentrationsabfall um mehr als 35% ein Prädiktor für eine erhöhte Anfallsfrequenz ist.9 Postpartal wiederum steigen die Plasmakonzentrationen an. Dies kann bei unterlassener Dosierungsanpassung zu Überdosierungssymptomen führen. Eine individuell ander Patientin orientierte Dosisanpassung entsprechend der Plasmakonzentrationsmessung («Therapeutic Drug Monitoring», TDM) wird daher empfohlen.

Mütterliche Therapie mit Relevanz für das ungeborene Kind – Beispiel antiretrovirale Therapie

In den letzten Jahren gab es mehrere Untersuchungen, welche einen Abfall der Arzneimittelexposition im Plasma bei Schwangeren unter antiretroviraler Therapie mit Darunavir, Elvitegravir und dem Booster Cobicistat beschrieben haben, insbesondere im zweiten und dritten Trimenon.10,11 Dies wird durch einen erhöhten hepatischen Metabolismus über Cytochrom-P450-Enzyme begründet. Die reduzierte Exposition erhöht theoretisch das Risiko für ein Therapieversagen mütterlicherseits, aber auch das Risiko für eine Mutter-Kind-Übertragung.12,13 Aktuell gibt es jedoch noch keine tatsächlichen Fallberichte dazu, und der adäquate Ansatz zur Dosisanpassung bleibt unklar.

Nutzen-Risiko-Abwägung für das Kind

Ob und in welcher Dosierung eine medikamentöse Therapie in und nach der Schwangerschaft am besten erfolgen soll, ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung für Mutter und Kind, unter Berücksichtigung von bekannten und unbekannten Risiken während Schwangerschaft und Stillzeit. Ideal ist ein prospektives Management ab Kinderwunsch respektive bei Beginn der Therapie in der Schwangerschaft. Beispielsweise muss in der Schwangerschaft unter einer antidepressiven Therapie mit Citalopram das Risiko für einen Wirkverlust gegen das Risiko für Anpassungsstörungen des Neugeborenen nach Geburt abgewogen werden. Postpartal kommt es zu physiologischen Änderungen bei Mutter und Kind, die bei Beurteilung der Stillkompatibilität nebst dem Übergang der Arzneimittel in die Muttermilch zu berücksichtigen sind. Beispielsweise sinken beim gestillten Säugling gemessene Citalopram-Plasmakonzentrationen innerhalb der ersten zwei Lebensmonate bei konstanter Citalopram-Milchkonzentration um mehr als den Faktor 20 ab,14 unter anderem durch eine stetig steigende Eliminationskapazität des Säuglings.

Pharmakometrische Dosierungsempfehlung bei mangelnden Daten

Idealerweise liegen den Dosierungsempfehlungen in Schwangerschaft und Stillzeit klinische Daten zur Dosis-Expositions-Beziehung (Pharmakokinetik), Wirksamkeit und Sicherheit zugrunde. Solche Daten für Mutter und Kind zu erheben ist in der Praxis jedoch oft nicht oder nur schwer möglich. Während Daten zur Sicherheit im Rahmen der Teratovigilanz bereits möglichst systematisch erfasst werden, fehlen häufig Daten zur Pharmakokinetik und zur davon abhängigen Wirksamkeit.

Sogenannte pharmakometrische Ansätze unterstützen hier die quantitative Vorhersage von Kinetikänderungen während Schwangerschaft und Stillzeit unter Verwendung einer möglichst minimalen Anzahl von klinisch-invasiven Messungen der Arzneimittelkonzentration bei Mutter und Kind (Abb.1): Im Vergleich zur klassischen nichtkompartimentellen Analyse, die viele Konzentrationsbestimmungen pro Patient erfordert, kommt die Analyse mittels Populationspharmakokinetik mit wenigen Konzentrationsbestimmungen pro Patient aus. Zusätzlich können relevante Informationen zur inter- und intraindividuellen Variabilität sowie zu physiologischen Vorgängen gewonnen werden.15 Komplexe Modelle der physiologisch basierten Pharmakokinetik erlauben ausserdem Vorhersagen allein aufgrund von bekannten «systemspezifischen» physiologischen Parametern in der Schwangerschaft oder beim Säugling (z.B. Herzzeitvolumen und Organperfusion, glomeruläre Filtrationsrate, hepatische Enzymaktivität) im Zusammenspiel mit bekannten «wirkstoffspezifischen» Eigenschaften (z.B. physiko-chemische Eigenschaften, Affinität zu bestimmten Enzymen).16 Die Zahl der Arzneimittel, die mittels Pharmakometrie charakterisiert werden, steigt stetig. Dies unterstützt die Formulierung von Dosierungsansätzen und das Design von weiteren klinischen Studien zur Evaluation von physiologischbasierten Vorhersagen.◼

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Tab. 1: Beispiel von Dosisanpassungen gemäss «Therapeutic Drug Monitoring» (TDM), klinischem Ansprechen oder gemäss Richtlinien. TSH = Thyroidea stimulierendes Hormon

Element not implemented: <article-left-content-boxes>Element not implemented: <quotes>Element not implemented: <author>A. Burch, ZürichV. Gotta, BaselElement not implemented: <keypoints>Unterstützung beim Design von minimalinvasiven klinischen StudienKomplexitätAnnahmenInterpolations- und Vorhersage-möglichkeitenPopulations-Pharmakokinetik (PopPK)Wenige Konzentrationsbestimmungen pro Patient notwendigNichtkompartimentelle Analyse (NCA)(z.B. Plasma Mutter)Viele Konzentrationsbestimmungen pro Patient notwendigPhysiologischbasierte Pharmakokinetik (PBPK)Keine Konzentrationsbestimmungen erforderlich

Abb. 1: Pharmakometrische Ansätze zur Vorhersage und Quantifizierung von Kinetikänderungen während und nach der Schwangerschaft beziehungsweise Stillzeit (adaptiert und modifiziert nach van Hasselt JG et al.).27Durch Integration von bekannten physiologischen und arzneimittelspezifischen Parametern (Annahmen) in Modelle steigender Komplexität lässt sich die Notwendigkeit von invasiven klinischen Messungen (z.B. Plasmakonzentrationsbestimmung) reduzieren und eine Erwartung der Arzneimittelexposition in verschiedenen Verteilungsräumen (z.B. Plasma, Fetus, Milch, Neugeborenes) formulieren, welche durch minimalinvasive klinische Studien evaluiert werden können

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