Lungenkarzinom
NSCLC im Stadium III: Rolle der Strahlentherapie im Zeitalter der Immuntherapie
Die Strahlentherapie ist ein Eckpfeiler der Behandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) im Stadium III. Neue Entwicklungen sind massgeblich durch die Einführung der Immuntherapie als Teil der multimodalen Therapie geprägt.
Das Stadium III des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (engl. «non-small cell lung cancer», NSCLC) umfasst eine heterogene Gruppe von Patient:innen, deren optimale Behandlung fortlaufend Gegenstand der klinischen Forschung ist. Nachdem sich das therapeutische Management über viele Jahre kaum verändert hatte, konnte besonders die Einführung der Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) lang ersehnte Fortschritte in der Behandlung erzielen. Im Kontext dieser Entwicklungen wurde auch die Diskussion um die Rolle der Strahlentherapie beim Stadium III des NSCLC neu lanciert.
Knapp 15 Jahre sind vergangen, seitdem die Resultate der nordamerikanischen Intergroup-0139- sowie der europäischen EORTC-08941-Studie publiziert wurden. Im Verlauf ergänzt durch die deutsch-niederländische ESPATUE-Studie, demonstrierten diese Phase-III-Studien in der Zusammenfassung, dass eine kombinierte Radiochemotherapie im Hinblick auf das Überleben gegenüber einem Konzept mit Resektion nach (Radio-)Chemotherapie als gleichwertig anzusehen ist.1–3 Die SAKK-16/00-Studie zeigte zusätzlich, dass eine neoadjuvante Radiochemotherapie gegenüber einer alleinigen Chemotherapie vor Resektion die Behandlungsergebnisse nicht verbessert, sodass eine geplante trimodale Therapie heute nur in Ausnahmefällen (z.B. bei Pancoast-Tumoren) empfohlen wird.4
Aktuell wird daher primär zwischen Konzepten mit neoadjuvanter (ggf. perioperativer) Systemtherapie vor Resektion und der definitiven kombinierten Radiochemotherapie unterschieden. Die therapeutische Strategie wird individuell und interdisziplinär definiert, wobei sich die lokale Praxis und Expertise zwischen verschiedenen Zentren durchaus unterscheiden können.5,6
Mit der PACIFIC-Studie hielt die Behandlung mit ICI erstmals Einzug in den therapeutischen Standard beim NSCLC im Stadium III.7 In der Studie wurden Patient:innen mit nicht resektablem NSCLC im Stadium III, die nach definitiver kombinierter Radiochemotherapie keinen Krankheitsprogress erlitten, zwischen einer zwölfmonatigen Behandlung mit dem PD-L1-Antikörper Durvalumab oder Placebo randomisiert. Der signifikante Vorteil im Gesamt- und im progressionsfreien Überleben (PFS) führte zur breiten Akzeptanz der konsolidierenden Immuntherapie in diesem Setting. Bemerkenswert ist, dass die PACIFIC-Studie mit einem 5-Jahres-Überleben von 43% im experimentellen Arm ein bisher unerreichtes Ergebnis für Patient:innen mit nicht resektablem NSCLC im Stadium III erzielen konnte (Abb. 1).
Zu beachten ist jedoch, dass Patient:innen erst nach Abschluss der Radiochemotherapie bei fehlendem Progress eingeschlossen wurden, was eine gewisse Patientenselektion mit sich bringt.
Entsprechend schwierig bleiben numerische Vergleiche zwischen klinischen Studien, deren Patientencharakteristika sich oft deutlich unterscheiden. Dies gilt auch für Phase-III-Studien mit neoadjuvanter resp. perioperativer Chemoimmuntherapie, die in einem breiteren Kollektiv mitauch früheren Tumorstadien zuletzt exzellente Ergebnisse erzielen konnten.8–10
Entscheidend bleibt hier die interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Tumorboards, wobei vor allem die Voraussetzung einer primären (nicht potenziellen) Resektabilität für die genannten Studien beachtet werden muss.
Studien zu alternativen Konzepten mit Immuntherapie
Mit Einführung der Immuntherapie haben sich auch Wege zu neuen therapeutischen Ansätzen in Kombination mit der Strahlentherapie eröffnet. Dies ist relevant, da trotz Empfehlung einer simultanen Radiochemotherapie ein relevanter Anteil der Patient:innen mit nicht resektablem NSCLC im Stadium III eine hiervon abweichende Behandlung erhält.11 Aktuell werden daher alternative Konzepte mit Immuntherapie in diversen klinischen Studien überprüft.
In der japanischen DOLPHIN-Studie erhielten 35 Patient:innen mit PD-L1-Expression ≥1% eine Behandlung mit Strahlentherapie und Durvalumab (ohne Chemotherapie). Mit einer 1-Jahres-PFS-Rate von 72% konnte die Studie ein sehr vielversprechendes Resultat erzielen.12 Für ältere und/oder weniger fitte Patient:innen wird ein ähnlicher Ansatz aktuell in der deutschen TRADE-hypo-Studie untersucht, wobei neben der konventionellen auch eine hypofraktionierte Strahlentherapie geprüft wird, um so das Zusammenspiel mit der Immuntherapie womöglich noch zu verbessern.13
Auch eine konsolidierende Immuntherapie nach alleiniger Strahlentherapie kann für Patient:innen, die nicht für eine (Radio-)Chemotherapie infrage kommen, als Option erwogen werden.14,15
Es ist zu erwarten, dass die Behandlung künftig noch personalisierter erfolgen wird. So hat beispielsweise die SPRINT-Studie 25 Patient:innen mit nicht resektablem NSCLC und PD-L1-Expression ≥50% mit einer sequenziellen, personalisierten Radioimmuntherapie behandelt: Patient:innen erhielten drei Zyklen Induktion mit Pembrolizumab, gefolgt von risikoadaptierter Strahlentherapie (orientiert am PET-CT) sowie Weiterbehandlung mit Pembrolizumab für insgesamt ein Jahr. Auch hier konnte mit einer 1-Jahres-PFS-Rate von 76% und geringer Toxizität ein sehr vielversprechendes Ergebnis erzielt werden.16 Weitere Beispiele umfassen Ansätze mit stereotaktischer Strahlentherapie sowie Kombinationen mit neuen Substanzen.17,18
Offene Fragen sind Gegenstand aktueller Forschung
Die optimale Integration von Strahlentherapie und Immuntherapie ist weiterhin Gegenstand der Diskussion, sowohl im Hinblick auf Dosis und Fraktionierung wie auch auf Zielvolumen und Zeitpunkt der Strahlentherapie. Offen bleibt vor allem die Frage, ob eine Immuntherapie simultan zur definitiven Radiochemotherapie beim NSCLC im Stadium III erfolgen soll. Hierzu laufen aktuell mehrere Phase-III-Studien, wobei die Hinzugabe von Durvalumab in der PACIFIC-2-Studie das PFS gegenüber der Standardtherapie gemäss Pressemitteilung nicht verlängern konnte.19 Es bleiben die weiteren Ergebnisse abzuwarten.
Auch die Rolle der Strahlentherapie im perioperativen Setting ist im Zeitalter der Immuntherapie erneut Gegenstand der Forschung. Aktuell untersucht die Schweizer Studie SAKK 16/18, ob eine Bestrahlung des Primärtumors das PFS nach neoadjuvanter Chemoimmuntherapie bei resektablem NSCLC im Stadium IIIA(N2) im Vergleich zur Vorgängerstudie SAKK 16/14 weiter verbessern kann.20 Die Strahlentherapie erfolgt parallel zur neoadjuvanten Immuntherapie unter Aussparung des Mediastinums, um Toxizität und immunsuppressive Effekte zu vermeiden (Abb. 2). Speziell ist zudem, dass drei unterschiedliche Strahlentherapiekonzepte randomisiert untersucht werden, um mögliche Unterschiede im Synergismus mit der Immuntherapie zu untersuchen. Interimdaten bestätigen die Sicherheit dieses Ansatzes, für den eine kleinere Studie aus China in ähnlicher Form kürzlich eine sehr hohe Rate an pathologischer Remission (MPR) von 76% präsentieren konnte.21,22
Zusammengefasst bleibt es spannend beim NSCLC im Stadium III: Fortschritte bei chirurgischen wie nichtchirurgischen Ansätzen bringen lang ersehnte Verbesserungen für Patient:innen, und die Behandlungen werden sich in den nächsten Jahren weiter verfeinern. Auch im Zeitalter der Immuntherapie bleibt die Strahlentherapie ein Eckpfeiler der multimodalen Therapie, wobei die Behandlung zunehmend individuell und personalisiert erfolgen wird. ◼
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© T. Finazzi
T. Finazzi, Basel© Universitätsspital Basel
Abb. 2:Immunmodulatorische Strahlentherapie in der SAKK 16/18-Studie: Die Studie untersucht, ob eine Bestrahlung die Wirkung der Immuntherapie mit Durvalumab im neoadjuvanten Setting verbessern kann. Die Strahlentherapie erfolgt fokussiert auf den Primärtumor, wobei Normalgewebe sowie Lymphknoten im Mediastinum geschont werden. Darstellung: PET-CT (links); Strahlentherapie-Plan (rechts), Farbverlauf mit Dosis ≥20Gy im Arm B (5x5Gy). Quelle: Universitätsspital Basel (mit freundlicher Genehmigung des Patienten)
83,1%
(95% CI: 79,4–86,2)
66,3%
(61,8–70,4)
56,7%
(52,0–61,1)
49,7%
(45,0–54,2)
42,9%
(38,2–47,4)
33,4%
(27,3–39,6)
36,3%
(30,1–42,6)
43,6%
(37,1–49,9)
55,3%
(48,6–61,4)
74,6%
(68,5–79,7)
Stratifizierte Hazard-Ratio (HR) (95% CI): 0,72 (0,59–0,89)
Stratifizierte HR der Primäranalyse (95% CI): 0,68 (0,53–0,87)2,3
Wahrscheinlichkeit des Gesamtüberlebens (OS)
Zeit ab Randomisierung (Monate)
Anzahl in Risikogruppe
DUR
PLA
Abb. 1: 5-Jahres-Überlebensrate in der PACIFIC-Studie nach kombinierter Radiochemotherapie und konsolidierender Immuntherapie (rote Kurve) beim nicht resektablen NSCLC im Stadium III