Rehabilitation nach Kreuzbandplastik: Return to Sports

Die Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) ist eine häufige Verletzung im Sport mit geschätzten 2 Millionen Verletzten weltweit pro Jahr. Die Verletzung nimmt in ihrer Häufigkeit stetig zu.1 Es existiert erstaunlich wenig Evidenz bezüglich einer korrekten Rehabilitation und der Kriterien zur Reintegration in den Sport, die für den verletzten Sportler das angestrebte Ziel darstellt. Wir verwenden ein vierstufiges Rehabilitationsprogramm und ein standardisiertes Testsystem, das uns erlaubt, in Zusammenarbeit mit den behandelnden Therapeuten die Zeitpunkte für eine stufengerechte Reintegration in den Trainingsalltag und schliesslich in den kompetitiven Sport individuell zu beurteilen.

Die VKB-Ruptur ist eine häufige Verletzung im Sport und die VKB-Plastik ist zu einem der häufigsten Prozedere in der orthopädischen Chirurgie geworden. Insbesondere der junge Sportler, der sein Leistungsniveau vor der erlittenen Verletzung wieder erreichen möchte, ist ohne Rekonstruktion kaum zu therapieren, die VKB-Plastik ist damit zu einer Standardprozedur beim verletzten Sportler geworden. An unserer Institution rekonstruieren wir in den meisten primären Fällen mit einer autologen Semitendinosussehne in einer All-inside-Technik.

Neben der Rekonstruktion des Bandes sind eine korrekte stufengerechte Rehabilitation, eine stufengerechte Belastungssteigerung und eine sorgfältige Reintegration in den Sport für eine erfolgreiche Rückkehr in den Sport unabdingbar.2–4 Wir arbeiten hierfür mit einem vierstufigen Rehabilitationsprogramm und testen den Athleten in einem standardisierten Test nach 6 und 9 Monaten, um den Rehabilitationsfortschritt zu beurteilen und die folgende Rehabilitationsstufe und schliesslich die Reintegration in den Wettkampf freigeben zu können. Das Ziel der Rehabilitation ist neben dem Wiedererlangen des vorbestehenden sportlichen Niveaus die Prävention einer Reruptur der VKB-Plastik oder einer VKB-Ruptur der Gegenseite. Die Rehabilitation zur Prävention der Reruptur dauert in unseren Händen mindestens 9 Monate.2,5 Es ist erwiesen, dass eine vollständige Rehabilitation mit Reintegration in den Sport langfristig zu einer besseren Lebensqualität führt.2

Phase 1: stationäre und frühe ambulante Phase

Die Ziele der ersten Phase sind die Reduktion von Schmerz und der Schwellung, das heißt, es werden hier primär die inflammatorischen Folgen des Eingriffs behandelt. Sie dauert individuell 1–3 Wochen postoperativ.

Die therapeutischen Maßnahmen umfassen Ruhe, Kompression, Kühlung und das intermittierende Hochlagern. Die aktive, initial assistierte Mobilisation im vollen Umfang ist vom ersten Tag an möglich, weiter wird von Beginn an ein isometrisches Quadrizepstraining durchgeführt. Eine Motorschiene (CPM) zur rein passiven Mobilisation wenden wir hingegen nur in Ausnahmefällen bei ängstlichen oder durch den Spitalaufenthalt «gelangweilten» Patienten an. Eine Stockentlastung erfolgt je nach Beschwerden für 1–2 Wochen unter entsprechender Thromboembolieprophylaxe, eine analgetische/antiphlogistische Medikation erfolgt zumindest in den ersten 3 Tagen konsequent und wird in der Folge je nach den subjektiven Beschwerden reduziert und angepasst. Sport mit Belastung der unteren operierten Extremität ist selbstverständlich nicht möglich, ein angepasstes Konditions- und Krafttraining unter Belastung der oberen Extremität kann nach Athletenwunsch geplant werden.

Diese Phase wird anhand der klinischen Beurteilung der Wundverhältnisse, Kniegelenkserguss und Weichteilschwellung abgeschlossen. Wir streben bereits hier eine nahezu volle Streckung und eine Flexion von 90° an (Abb. 1).

Phase 2: ambulante Frührehabilitation

Das Ziel der zweiten Phase ist die Steigerung der Beweglichkeit und der Koordination, sie dauert individuell von der 3. bis zur 12. Woche postoperativ.

Es erfolgt initial je nach Beschwerden eine aktiv assistierte, zum Schluss aber sicher rein aktive Mobilisation des Knies. Das isometrische Quadrizepstraining wird fortgeführt und ein Training der Flexion wie auch der Extension in offener kinematischer Kette mit Eigengewicht eingeführt. Weiter erfolgen die Gehschulung sowie ein Propriozeptions- und Koordinationstraining (beispielsweise auf dem Balanceboard).

Im Alltag ist in dieser Phase eine volle Belastung möglich, im Sport sind unter Belastung der unteren Extremität das Training auf dem Fahrradergometer mit deutlich reduzierter Belastung, Schwimmen im Crawlbeinschlag, Aquajogging sowie Jogging auf kontrolliertem Untergrund (Laufband oder Bahn) möglich. Wir schliessen diese Phase ab, wenn 15 Minuten Training auf dem Fahrradergometer oder eine entsprechende Belastung beim Jogging möglich sind. Es erfolgt selbstverständlich auch zu diesem Zeitpunkt eine klinische Beurteilung der Bandstabilität und der Beweglichkeit durch den behandelnden Operateur, bei der wir eine symmetrische Flexion und eine Extension bis 0° anstreben.

Phase 3: Muskelaufbau

Die dritte Phase fokussiert sich auf den Kraftaufbau und die Wiederaufnahme des vorbestehenden Belastungsprofils bei der Arbeit und in der Freizeit, explizit unter Ausschluss kompetitiver Belastungen oder Trainingssituationen, die diesen nahekommen. Der Athlet wird ausserdem instruiert, pivotierende Belastungen zu meiden; entsprechende Gefährdungen je nach ausgeübter Sportart werden mit dem Patienten und dem behandelnden Sporttherapeuten besprochen.

Es erfolgt ein gezielter Kraftaufbau in geschlossener und offener Kette, wobei auch die Extension in offener Kette ab dem 4.Monat nach der Rekonstruktion zunehmend mit Belastung durch Fremdgewichte trainiert wird; das isometrische Training wird fortgeführt. Wir bevorzugen ein Training gemischt in offener und geschlossener Kette und legen im Hinblick auf eine Reduktion des Rezidivrisikos grossen Wert auf eine seitensymmetrische Rehabilitation des M. quadriceps.5–7 Das neuromuskuläre Training mit Koordinationstraining – beispielsweise auf dem Balanceboard – wird fortgeführt; je nach sportlichen Zielen des Patienten werden hier erste Sprungtrainings und Trainings mit dem Ball eingeführt.

Beim Sport sollen zum Ende dieser Phase ca. 85% der vorher bestehenden Belastung erreicht sein, im Alltag soll nun eine uneingeschränkte Belastung möglich sein. Jogging ist zum Ende dieser Phase auf jedem Untergrund möglich, allerdings sind unsichere Gelände (wie nasse, wurzeldurchzogene Single Trails) zur Prävention einer Reruptur zu meiden. Je nach Trainingsabsichten des Athleten wird er entsprechend instruiert. Weiter erlauben wir klassisches Langlaufen und Schwimmen im Crawlbeinschlag. Skating und Brustbeinschlag sind bei begleitender Verletzung der medialen Bandstrukturen jedoch noch zu meiden. Das sportartenspezifische Training soll sich nach den Zielen und Ambitionen des Patienten richten und ihn durch Rehabilitationsfortschritte motivieren. So hat es beispielsweise keinen Sinn, einen Langläufer extensiv mit dem Ball arbeiten zu lassen. Hingegen sollen beim Freestyle-Athleten rotierende Sprünge eingeführt werden (Abb. 2).

Zum Abschluss dieser Phase erfolgt in unseren Händen neben der klinischen Beurteilung durch den Operateur ein standardisierter Test. Wir beurteilen hier die Einschätzung des Patienten anhand des «Knee Osteoarthritis Outcome Score» (KOOS).8 Im Hinblick auf das Erreichen der 4.Rehabilitationsphase ist hier die «Subscala 4» von besonderem Interesse.9 Durch die Physiotherapeuten erfolgen eine Messung der isokinetischen Kraft, Sprungplattentests und bei entsprechenden Resultaten abschliessend ein Single- und Triple-hop-Test.

Phase 4: Return to Sports

Das Ziel der 4. Phase ist die Wiederaufnahme der sportlichen Aktivitäten, wie sie vor dem Unfall ausgeübt wurden, mit dem Ziel der Wiedereingliederung in den Wettkampfbetrieb und in den Mannschaftssport, falls dieses Ziel denn vor dem Unfall schon bestanden hat. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass 83% der Patienten wieder sportfähig werden, aber nur 50–63% wieder Sport auf dem Niveau, wie es vor dem Unfall bestand, betreiben können.1,2,10–12

Diese Phase dauert vom 7. bis zum 12. Monat nach Trauma,2 je nach Trainings- und Rehabilitationsfortschritt kann die letzte Phase bis zum erfolgreichen Abschluss aber auch bis zu 24 Monate nach Rekonstruktion fortdauern, die biologische Einheilung des Transplantates kann bis zu 2 Jahre nach Rekonstruktion dauern.5,13

Der gezielte beidseitige Muskelaufbau der kniegelenksübergreifenden Muskulatur wie auch das neuromuskuläre Training werden fortgeführt, zudem werden nun vermehrt sportartenspezifische Übungen und Belastungssituationen, wie zum Beispiel beim Freestyle-Athleten Sprünge mit Rotationen, in die Therapie eingeführt. In unserem Setting begleitet der Therapeut den Athleten auch bei ersten Trainings in der realen Trainingsumgebung, beispielsweise den Snowboardathleten beim freien Fahren auf der Piste, um in der realen Trainingsumgebung korrigierend einwirken zu können.

Es ergibt sich daraus, dass bei entsprechenden Testresultaten ab dem 10.Monat keine Einschränkungen mehr bestehen und initial unter kontrollierten Bedingungen sämtliche Bewegungsmuster, die für den jeweiligen Sport nötig sind, freigegeben werden. Zur Beurteilung werden nach 9Monaten der KOOS, der Single- und Triple-hop-Test sowie die Krafttestung wiederholt. Ziel ist es, 90% der Leistung der unverletzten Seite zu erreichen. Bei erfolgreichem Test und entsprechender Beurteilung durch den behandelnden Therapeuten sowie Operateur ist eine volle Wiedereingliederung in den Sport möglich. Diese Beurteilung erfolgt konsequent durch das Behandlungsteam und nicht durch den Trainerstab!

Testbatterie

Die erwähnten Tests werden an unserer Klinik bei Athleten, aber auch allen anderen Patienten nach Rekonstruktion des VKB durchgeführt. Bei Athleten sowie bei isolierter Rekonstruktion des VKB erfolgen sie nach 6Monaten, bei kombinierten Rekonstruktionen und damit verzögerter Rehabilitation, beispielsweise aufgrund einer initial verlängerten Teilbelastung, erfolgt der Test individuell verzögert. Je nach Resultat und bei Athleten zur Beurteilung des Rehabilitationsfortschritts wird der Test nach 3 weiteren Monaten wiederholt.

Der Patient füllt bei uns den gesamten KOOS aus,8 zur Beurteilung bezüglich Return to Sports ist die «Subscala 4»von entscheidendem Interesse.9 Sie umfasst 5Fragen:14

Hatten Sie Schwierigkeiten letzte Woche, als Sie …

in die Hocke gingen?rannten?hüpften?sich auf Ihrem verletzten Knie umdrehten?sich hinknieten?

Die Antworten werden von 0 bis 4 Punkten gewertet, aufsteigend von keinen über wenige, einige, grosse bis sehr grosse Schwierigkeiten. Beim Athleten streben wir insgesamt 4 oder weniger Punkte an, wobei Abweichungen von mehr als 1Punkt mit dem Patienten individuell besprochen werden. Gerade in Kapitel 5 zeigen sich grosse Unterschiede bezüglich der Erwartungshaltung und der objektivierbaren Befunde.

Im Anschluss absolviert der Patient eine isokinetische Krafttestung im Seitenvergleich. Wir testen hier die Maximal- und Schnellkraft in offener kinematischer Kette bei 60° bzw. 240° pro Sekunde. Für eine vollständig abgeschlossene Rehabilitation und damit eine volle Reintegration in den vorbestehenden Trainings- und Wettkampfbetrieb sind bei Athleten Werte im Seitenvergleich von 90% der Leistung des gesunden Beines anzustreben. Beim Nichtleistungssportler sind eventuell niedrigere Werte mit den angestrebten Zielen zu korrelieren, sie werden mit dem Patienten entsprechend besprochen und die Risiken je nach Testresultat und angestrebter Sportart erklärt. Ebenso wird der Quotient der Beuge- zur Streckmuskulatur bestimmt, bei dem männliche Athleten mindestens 62,5%, Athletinnen 55% im Minimum erreichen sollen.9

Weiter absolvieren die Patienten Sprungplattentests. Wir testen hier beid- und einbeinige Counter-Movement-Sprünge sowie beidbeinige Squat-Sprünge. Bei zumindest akzeptablen Resultaten können abschliessend Single-hop- und Triple-hop-Distanzsprünge getestet werden. Wie bei der Krafttestung werden hier im Vergleich zur gesunden Seite Leistungen von mindestens 90% angestrebt, bevor eine volle Sportfreigabe erfolgen kann (Abb.3).◼

◾04

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Entgeltliche Einschaltung

Mit freundlicher Unterstützung durch XXXXXXX

Fachkurzinformation siehe Seite XXXX | FREIGABENUMMERXXXX

Abb. 3:Triple-hop-Distanzsprünge

Element not implemented: <article-left-content-boxes>Element not implemented: <quotes>Element not implemented: <author>H.-C. Frei, Davos

© Marcel Giger

© Hans-Curd Frei

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Abb. 2:Sportartenspezifische Rehabilitationsübungen, z.B. Sprünge mit Rotation

© Hans-Curd Frei

Abb. 1:Flexion 60° erster Tag nach VKB-Plastik

© Hans-Curd Frei

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