Die Scabies
Die Skabies (Krätze von lateinisch scabies = Rauheit, Krätze; scabere = kratzen) ist eine durch die Infestation mit Sarcoptes scabiei (Krätzemilbe) verursachte, stark juckende, parasitäre Dermatose. Der kausale Zusammenhang wurde erstmalig 1687 von Bonomo und Cestoni beschrieben. Aktuell sind weltweit schätzungsweise 300 Millionen Menschen jeden Alters befallen.1 Die Prävalenz in den Entwicklungsländern beträgt 13 bis 46%, in Europa und den USA 2 bis 4%.
Erreger Sarcoptes scabiei var. Hominisist ein auf den Menschen spezialisierter, obligater Parasit, der zu den Milben (Acari) gehört, einer Unterklasse der Spinnentiere (Arachnida). Weibliche Milben werden 0,3 bis 0,5 mm, männliche 0,2 bis 0,3 mm groß.2
Der Entwicklungszyklus beginnt mit der Penetration (Dauer 20 bis 30 Minuten) begatteter adulter weiblicher Milben in die obersten Hautschichten.3, 4 Da die Sauerstoffaufnahme durch Diffusion über die Körperoberfläche erfolgt, dringen die Milben bis in das Stratum corneum – maximal bis in das Stratum granulosum – ein. Dort graben die weiblichen Milben tunnelförmige Gänge, in denen sie sich pro Tag ca. 0,5 bis 5 mm vorwärts bewegen und ein bis vier Eier legen. Nach zwei bis drei Tagen schlüpfen die Larven, schwärmen an die Hautoberfläche und entwickeln sich innerhalb von 10 bis 14 Tagen in Hautfalten und Haarfollikeln über Nymphenstadien zu geschlechtsreifen Milben. Die Begattung findet auf der Hautoberfläche statt. Während die männlichen Milben nach der Kopulation sterben, bleiben weibliche Milben vier bis sechs Wochen lebensfähig. Skabiesmilben können eine Zeit lang ohne Wirt überleben (Abb. 1).4, 5 Die Überlebenszeit hängt allerdings stark von der Umgebungstemperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit ab.
Übertragung
Zur Infestation genügt die Übertragung eines einzigen begatteten Weibchens oder mehrerer Larven beider Geschlechter. Das Risiko steigt mit der Anzahl der Milben auf der Hautoberfläche der Betroffenen.
Die Übertragung erfolgt fast immer durch direkten Haut-zu-Haut-Kontakt. Bei der „gewöhnlichen Skabies“ der immunkompetenten Normalbevölkerung finden sich in der Regel 5 bis 15 Milben pro Person. Eine Übertragung ist daher nur bei längerem (5 bis 20 Minuten) , großflächigem Kontakt wahrscheinlich. Betroffen sind meist Sexualpartner, Mitglieder einer Familie oder einer Wohngemeinschaft und pflegebedürftige Personen sowie deren Betreuer. Händeschütteln, kurze Umarmungen oder das Nebeneinandersitzen im Wartezimmer sollten kein Risiko für eine Übertragung darstellen. Eine Ausnahme ist die vorwiegend bei immunkompromittierten Personen auftretende „Scabies crustosa“ (früher als „Scabies norvegica“ bezeichnet). Hier ist die Anzahl der Krätzmilben auf der Haut sehr hoch (bis zu Millionen). Diese Form ist hochansteckend, ein kurzer Kontakt mit der besiedelten Haut oder mit milbentragenden Schuppen genügt für die Infestation.
Prinzipiell ist die Übertragung auch über unbelebte Gegenstände wie Bettwäsche, Kleidung, Möbel und Spielzeug möglich. Einer Studie zufolge wurden nur 4 von 272 bzw. 3 von 10 Probanden, die bezogene Betten (stark) infestierter Personen benutzt hatten, mit Skabies infiziert.6 Allerdings wurden lebende Milben auch in den Wohnstätten skabiesinfestierter Personen entdeckt, was die Notwendigkeit der begleitenden Hygienemaßnahmen rechtfertigt.7
Immunantwort
Nach Erstinfestation kann die Anzahl der Milben in den ersten drei bis vier Monaten auf mehrere Hundert ansteigen.6 Aufgrund der zellvermittelten Immunantwort des Wirts sowie der mechanischen Entfernung der Milben durch Waschen oder Kratzen nimmt die Zahl allerdings rasch wieder ab. Bei Ausbleiben der Immunantwort fehlt jedoch diese Kontrolle, und eine ungehemmte Besiedlung mit bis zu Millionen Milben, wie bei der oben beschriebenen Scabies crustosa, kann erfolgen. Der zellvermittelten Immunreaktion vom Spättyp gegen Milbenbestandteile und -exkremente liegen auch die typische Ekzemreaktion und der Juckreiz zugrunde, die bei Erstinfestation nach zwei bis fünf Wochen, bei Reinfestation bereits nach ein bis vier Tagen auftreten. Zudem kommt es zu einer humoralen Immunantwort mit Bildung von IgE-, IgM- und IgG-Antikörpern. Für eine protektive Immunität reichen diese Immunreaktionen jedoch nicht aus.
Klinik
Gewöhnliche Skabies
Die Primäreffloreszenzen bestehen aus oberflächlichen, kommaartig gewundenen, wenigen Millimeter bis ein Zentimeter langen Milbengängen (Abb. 2a), an deren Ende sich manchmal ein kleines Bläschen ausbildet. Zusätzlich entsteht ein Ekzem mit disseminierten, erythematösen und zum Teil krustösen Papeln, Vesikeln und Papulovesikeln als Ausdruck der zellvermittelten Immunantwort gegen Milbenbestandteile sowie -exkremente.
Skabiesmilben bevorzugen Areale mit verhältnismäßig hoher Temperatur und dünner Hornschicht. Die Prädilektionsstellen (Abb. 2b–c) sind daher die Interdigitalfalten der Hände und Füße, die Handgelenksbeuge- und Ellenbogenstreckseiten, die vorderen Axillarfalten, die Brustwarzenhöfe, die Nabelregion, die Gürtellinie, die Genitoinguinal- und Perianalregion, die Knöchelregion sowie die inneren Fußränder. Bei Erwachsenen sind Kopf, Hals, Handflächen und Fußsohlen meist ausgespart. Oft besteht ein charakteristischer, starker, generalisierter Pruritus, der in der Nacht bei Bettwärme zunimmt und sehr quälend sein kann.
Bei Säuglingen und Kleinkindern finden sich die typischen Hauterscheinungen auch am behaarten Kopf, im Gesicht, am Hals sowie an Handflächen und Fußsohlen (Abb. 3a–d). Die Effloreszenzen zeigen einen stärker exsudativen Charakter mit Ausbildung von Bläschen und Pusteln, vor allem palmoplantar, womit auch Ekzematisierung und Impetiginisierung häufiger im Kindesalter verzeichnet werden. Zudem präsentieren die Betroffenen an Rumpf, Bauch und großen Beugen oft Papeln und Knoten entsprechend einer „Scabies nodosa“ (Abb. 3e).
Sonderformen
„Gepflegte Skabies“: Bei sehr guter Hygiene ist die Zahl der Milben und der Effloreszenzen sehr gering. Der typische Juckreiz erleichtert hier die vom klinischen Aspekt her schwierige(re) Diagnosestellung.
„Scabies incognita“: Eine Vorbehandlung mit lokalen oder systemischen Steroiden kann das typische klinische Bild sowie die Symptome verschleiern.
„Scabies nodosa“: Betroffen sind vor allem Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Im Vordergrund stehen derbe, rundliche, rotbraune bis livide, 5 bis 20 mm große Papeln und Knoten vor allem im Genitoinguinal-, Perianal- und Axillarbereich. Die Knoten enthalten meist keine Milben, können aber dennoch stark jucken und sind das Ergebnis einer heftigen immunologischen Reaktion auf Ausscheidungs- und Zerfallsprodukte der Milben. Die Rückbildung kann trotz erfolgreicher antiskabiöser Therapie und topischer Steroidgabe mitunter Wochen bis Monate dauern („postskabiöse Papeln“).
„Scabies crustosa“: Der vormals gebräuchliche Terminus „Scabies norvegica“ basiert auf deren Erstbeschreibung 1848 durch Danielsson und Boeck bei immunsupprimierten Leprösen in Norwegen. Diese Sonderform kommt überwiegend bei immunkompromittierten Patienten und Personen mit geistigen oder physischen Behinderungen vor. Die Genese ist unklar; diskutiert wird eine veränderte zellvermittelte Immunantwort, bei der es vorwiegend zu einer Th2- anstelle einer Th1-Zellantwort (wie bei gewöhnlicher Skabies) kommt. Wegen der gestörten Immunitätslage können sich die Milben ungehemmt vermehren (bis zu Millionen). Somit ist die Scabies crustosa hochkontagiös.
Die typischen Primäreffloreszenzen fehlen, da sich die Milben nicht in Gänge eingraben. Stattdessen finden sich diffuse Hyperkeratosen, gelegentlich auch Krusten und Borken, auf erythematösem Grund mit fein- bis mittellamellärer Schuppung (Abb. 2d). Kopfhaut, Gesicht und Hals sind mitbetroffen, ebenso Palmae und Plantae (palmoplantare Hyperkeratosen) sowie die Nägel. Das klinische Bild erinnert an eine Psoriasis oder ein hyperkeratotisches Ekzem. Selten ist eine Erythrodermie möglich. Der Juckreiz kann wegen der verminderten zellulären Immunantwort gering sein oder fehlen. Bei ausgeprägtem Befall kann es zur bakteriellen Superinfektion kommen.
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose wird bei Vorliegen der skabiestypischen klinischen Symptome (Hautveränderungen an den Prädilektionsstellen, Juckreiz) und im Zusammenhang mit den anamnestischen Angaben über eine mögliche Exposition gestellt. Gesichert wird die Diagnose durch den mikroskopischen Nachweis von Milben, Eiern oder Kotballen (Skybala) aus Hautgeschabseln oder mittels Dermatoskopie.
Mikroskopischer Milbennachweis: Hierfür wird der Milbengang am blinden Ende bzw. über dem Milbenhügel mit einer Kanüle, Lanzette oder einem feinen Skalpell vorsichtig tangential eröffnet oder abgetragen. Der Inhalt wird auf einen Objektträger aufgebracht und nativ unter dem Mikroskop begutachtet (Abb. 4a). Bei der Scabies crustosa können die Milben in den milbentragenden Schuppen nachgewiesen werden.
Dermatoskopie: Bei positivem Milbenbefall ist eine bräunliche Dreieckskontur („kite sign“, „Winddrachen-Zeichen“), die Kopf und Brustschild der Milbe entspricht, in Verbindung mit dem lufthaltigen Milbengang („Kielwasser-Zeichen“) erkennbar (Abb. 4b).8 Der Körper der Milbe hingegen ist transparent und nicht sichtbar. Die Eier in den Gängen erscheinen wie Perlen aneinandergereiht. Diese Nachweismethode ist einfacher und zeitsparender als der mikroskopische Milbennachweis, allerdings nur bei entsprechender Erfahrung geeignet für die Sicherung der Verdachtsdiagnose. In Vergleichsstudien erwies sich der lichtmikroskopische Milbennachweis nach oberflächlicher Hautgewinnung („skin scraping“) als die Methode mit der höchsten Spezifität, eine höhere Sensitivität wurde jedoch mittels Dermatoskopie erzielt.
Weitere Nachweismethoden: Beim Klebeband-Test wird ein Stück durchsichtiges Klebeband mit genügender Klebekraft fest auf verdächtige Gangenden gedrückt, ruckartig abgezogen, auf einen Objektträger geklebt und anschließend unter dem Mikroskop auf das Vorhandensein von Milben untersucht. Bei fragiler Haut (Dermatoporose, bullöse Erkrankungen) ist diese Methode kontraindiziert.
Beim Tinten-Test können Milbengänge durch das Auftupfen von Farbstoff (z.B. aus einem Filzstift) auf die Haut und durch anschließende Entfernung der überschüssigen Flüssigkeit mit einem Alkoholtupfer als unregelmäßige Linie dargestellt werden. Die Milbengänge können auch mittels Wood-Licht dargestellt werden. Der histologische Nachweis der Skabies (Abb. 4c) ist aufgrund anderer praktikablerer Nachweismethoden ungeeignet. Er ist meist ein Zufallsbefund, wenn andere Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen wurden.
Der molekularbiologische Nachweis milbenspezifischer DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder die Aufnahme von Live-Bildern lebendiger Milben mittels konfokaler Lasermikroskopie sind in der Routinediagnostik noch nicht etabliert. Auch der serologische Nachweis spezifischer Anti-Skabiesmilben-IgE ist für eine Routinediagnostik nicht geeignet, da diese kreuzreaktiv mit Antigenen der Dermatophagoides-Milben reagieren können.
Therapie
Das primäre Ziel ist die Abtötung der Skabiesmilben, ihrer Eier und Larven. Ebenso notwendig ist es, Maßnahmen für die komplette Eradikation der Milben aus dem Umfeld zu setzen, um eine Transmission an nicht befallene Personen oder eine Reinfestation zu verhindern. Sekundäre Ziele sind die symptomatische Therapie des Juckreizes sowie möglicher Komplikationen. Obligat ist die gleichzeitige Mitbehandlung aller Kontaktpersonen (Mitglieder einer Familie oder Wohngemeinschaft, Sexualpartner, eng vertraute Personen, z.B. Großeltern, Tagesmutter, pflegebedürftige Personen und deren Betreuer, Übernachtungsgäste etc.) unabhängig von Symptomen, also auch wenn (noch) keine Hautveränderungen/kein Pruritus vorliegen.
Topische Therapie
Maßnahmen vor Durchführung der antiskabiösen Therapie: Die Nägel sollten zur Entfernung subungualer Milben gekürzt und gereinigt und evtl. vorhandene starke Körperbehaarung entfernt werden. Bei schuppiger Haut empfiehlt sich zunächst die Entfernung der Schuppen (z.B. durch ein Ölbad) und für palmoplantare Hyperkeratosen eine lokale keratolytische Behandlung (z.B. mit 3–10% Salicylvaseline). Bei stark entzündeter Haut kann vor Beginn der Therapie für zwei bis drei Tage ein kortikosteroidhaltiges Externum verwendet werden, um die Resorption des topischen Antiskabiosums zu verringern. Bei Impetiginisierung der Haut kann eine systemische Antibiose mit und ohne lokale antiseptische Therapie notwendig sein. Schwangere und Stillende müssen aufgeklärt werden, dass keines der antiskabiösen Mittel in der Schwangerschaft und Stillzeit zugelassen ist.
Durchführung der Lokaltherapie: Nach einem Ganzkörperbad oder einer Dusche sollte die Haut gut getrocknet und das Erlangen der normalen Körpertemperatur abgewartet (ca. 60 Minuten) werden. Am besten wird die Lokaltherapie abends und mit einer zweiten Person durchgeführt, um alle Körperstellen zu erreichen. Das Antiskabiosum muss gleichmäßig auf den gesamten Körper, lückenlos vom Unterkiefer abwärts, einschließlich des retroaurikulären Areals, Hals, Nacken, Handflächen und Fußsohlen und unter den Finger- und Zehennägeln, appliziert werden. Die Bereiche zwischen den Fingern und Zehen, die Handgelenke, Ellenbeugen, Achselhöhlen, äußeren Genitalien und das Gesäß sollten besonders sorgfältig behandelt werden. Falls die Hände nach Applikation gewaschen wurden, muss das Antiskabiosum direkt nach dem Abtrocknen erneut aufgetragen werden. Kopfhaut und Gesicht müssen, unter Aussparung der unmittelbaren Augen- und Mundregion, bei Kindern unter drei Jahren, bei Scabies crustosa, immunsupprimierten Patienten, älteren Menschen sowie bei Vorliegen verdächtiger Läsionen in diesen Regionen mitbehandelt werden.
Permethrin 5% ist ein synthetisches Pyrethroid mit selektiver neurotoxischer Wirkung auf Skabiesmilben. Durch Bindung an die spannungsabhängigen Natrium-Kanäle in der Nervenzellmembran kommt es zu einem kontinuierlichen Natrium-Influx in die Zelle. Das bewirkt eine Übererregbarkeit der Neuronen, was die Milben in einen Zustand der Paralyse, gefolgt von Tod, versetzt. Permethrin wirkt sowohl skabizid als auch ovozid und gilt wegen seiner hohen Wirksamkeit und guten Verträglichkeit, unabhängig vom Lebensalter, als topisches Mittel der Wahl.9 Die Einwirkzeit sollte laut Fachinformation acht bis zwölf Stunden betragen. Da es aber Berichte über verlängerte Überlebenszeiten gibt, ist eine Anwendung über mindestens zwölf Stunden anzuraten.10 Die systemischen Effekte sind wegen der geringen perkutanen Aufnahme (außer bei ekzematöser oder erosiver Haut) minimal. Lokale Nebenwirkungen umfassen lokale Hautirritationen, transiente Parästhesien und Intensivierung des Juckreizes.
Das Mittel ist ab dem dritten Lebensmonat zugelassen, allerdings muss die Dosis altersentsprechend angepasst werden. Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren erhalten die Hälfte, Kinder im Alter von zwei Monaten bis fünf Jahren ein Viertel der Erwachsenendosis. Eine aktuelle Studie zeigte auch die Möglichkeit einer unbedenklichen Off-Label-Anwendung bei Kindern unter zwei Monaten.11 Permethrin ist weder mutagen noch teratogen und daher in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht ausdrücklich kontraindiziert. Da in Tierversuchen gezeigt wurde, dass sehr geringe Mengen mit der Muttermilch ausgeschieden werden, ist aber eine Stillpause von fünf Tagen anzuraten.
Benzylbenzoat ist ein Ester aus Benzoesäure und Benzylalkohol und wird aus Perubalsam gewonnen. Es hat eine hohe akarizide und ovozide Wirksamkeit gegen Skabies, jedoch mit unbekanntem Wirkmechanismus.9 Für Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren steht eine 25%ige-Emulsion, für Kinder im Alter von einem bis zwölf Jahren eine 10%ige-Emulsion zur Verfügung. Die Anwendung ist aufwendiger als bei Permethrin, da die Applikation einmal täglich an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Abstand von etwa 24 Stunden erfolgen muss und erst am vierten Tag abgeduscht werden darf. Lokale Nebenwirkungen, wie Hautirritationen mit Brennen, Stechen, Juckreiz und allergischen Kontaktekzemen (Perubalsam), sind häufiger und stärker. Benzylbenzoat darf nicht mit den Augen, Schleimhäuten und stark irritierter Haut in Berührung kommen, übermäßige UV-Strahlung sollte vermieden werden.
Benzylbenzoat ist weder mutagen noch teratogen. Es kann in der Schwangerschaft angewendet werden, obwohl Permethrin der Vorzug gegeben werden soll. Da bislang nicht bekannt ist, ob die Substanz in die Muttermilch übergeht, wird laut Fachinformation von der Verwendung in der Stillzeit abgeraten. Bei dringender Behandlungsindikation kann jedoch auch unter Benzylbenzoat gestillt werden. Benzylbenzoat ist für Säuglinge unter einem Jahr kontraindiziert.
Crotamiton wirkt skabizid, der Wirkmechanismus ist unbekannt. Die Anwendung erfolgt, wie bei Benzylbenzoat, einmal täglich an drei aufeinanderfolgenden Tagen mit Abwaschen an Tag vier. Gelegentlich treten irritative Hautreaktionen, Rötung, Wärmegefühl, Juckreiz und allergische Kontaktekzeme als Nebenwirkungen auf. Abhängig von der verwendeten Galenik sind unterschiedliche potenzielle Kontaktallergene in den Fertigpräparaten enthalten. Bei Ingestion können Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen auftreten. Für die Anwendung bei Kindern werden keine Altersbeschränkungen angegeben. Crotamiton ist in der Schwangerschaft, in der Stillzeit und im Säuglingsalter nicht ausdrücklich kontraindiziert, obwohl Permethrin zu bevorzugen ist. Gegenanzeigen sind eine Überempfindlichkeit gegen Crotamiton sowie ein akuter nässender Hautausschlag.
Systemische Therapie
Ivermectin ist ein makrozyklisches Lacton und gehört zur Gruppe der Avermectin-Derivate. Es bindet selektiv und mit hoher Affinität an die Glutamat- und Gamma-Aminobuttersäure-(GABA-) gesteuerten Chlorid-Kanäle der Muskel- und Nervenzellen der Milben. Dadurch kommt es zur Erhöhung der Permeabilität der Zellmembran für Chloridionen und zur Hyperpolarisation der Zelle. Dies führt zur neuromuskulären Paralyse und zum Tod der Milbe. Ivermectin weist eine hohe Bioverfügbarkeit auf, wird rasch absorbiert, in der Leber vorwiegend über CYP3A4-Enzyme metabolisiert und über den Stuhl ausgeschieden. Die höchste Konzentration in Schuppen, Talg und Schweiß wurde acht Stunden nach Einnahme gemessen.
Ivermectin ermöglicht eine wirksame skabizide Therapie, in etwa vergleichbar mit Permethrin, wirkt aber nicht ovozid.12 Es wird oral in einer Dosis von 200μg/kg KG verabreicht. Davor und danach sollte eine mindestens zweistündige Nahrungskarenz eingehalten werden. Über Nebenwirkungen wie eine transiente Hypereosinophilie, Leberfunktionsstörungen, Leberenzymerhöhungen, Hyperbilirubinämie, Hämaturie und eine passagere Steigerung des Juckreizes wurde berichtet. Zu beachten ist, dass es bei gleichzeitiger Einnahme von P-Glykoprotein-Hemmern, z.B. Morphin, Carbamazepin, Terfenadin, Verapamil, zu einer gesteigerten Bioverfügbarkeit und somit zu einem höheren Risiko für unerwünschte Wirkungen kommen kann. Bei gleichzeitiger Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten kann es zur Erhöhung der INR kommen. Ivermectin ist in der Schwangerschaft kontraindiziert, da es bei einer nicht vollständig ausgebildeten Blut-Hirn-Schranke neurotoxisch sein kann. Eine Gabe bei Kindern unter 15 kg KG ist daher auch nicht zulässig. In besonderen Fällen kann diese jedoch indiziert sein, wobei sie auch bei Kindern unter 15 kg KG gut vertragen wird. Die Behandlung sollte jedoch unter stationären Bedingungen erfolgen.13
Moxidectin: eine vielversprechende zukünftige Therapieoption. Das makrozyklische Lacton aus der Gruppe der Milbemycine zeigte in vitro und in vivo eine sehr gute Wirksamkeit gegen Skabiesmilben. Aufgrund der langen Halbwertszeit von mehr als 20 Tagen (verglichen mit 14 Stunden bei Ivermectin) könnte eine Einmalgabe zur Behandlung der Scabies ausreichen.14 Tabelle 1 fasst die Therapieempfehlungen der aktuellen S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Skabies (gültig bis 30. Januar 2021) zusammen.9
Eine Wiederholung der Therapie ist angezeigt, wenn 14 Tage (oder später) nach Therapie noch Zeichen einer aktiven Infestation bestehen, etwa Auftreten neuer gangartiger Papeln oder ein positiver mikroskopischer/dermatoskopischer Nachweis lebender Skabiesmilben. Mit Ausnahme der Scabies crustosa gibt es keine Indikation für eine Skabiestherapie mit der kombinierten topischen Applikation von Permethrin und oralen Gabe von Ivermectin. Für diese Kombinationstherapie wurde bislang weder eine Überlegenheit gezeigt, noch die mögliche Toxizität untersucht.15
Begleitende Hygienemaßnahmen
Nach Auftragen der Topika sollten Kleidung, vor allem Unterwäsche und Socken, Handtücher, Bettwäsche und andere Gegenstände mit längerem Körperkontakt (Mäntel, Jacken, Schuhe, Stofftiere etc.) gewechselt und bei mindestens 60°C gewaschen werden oder, wenn dies nicht möglich ist, luftdicht in Plastiksäcke eingepackt für mindestens 72 Stunden bei über 21°C gelagert werden. Bekleidung, Bettwäsche und Handtücher sind in den nächsten fünf bis sieben Tagen täglich zu wechseln und bei mindestens 60°C zu waschen. Matratzen, Polstermöbel, Sofakissen, textile Fußbodenbeläge, Rollstühle und Kinderwagen sollten mit einem milbenabtötenden Insektizid besprüht, danach mit einem Staubsauger abgesaugt (Filter anschließend entsorgen) und für fünf Tage in Plastikhüllen eingewickelt werden.
Nachbehandlung
Auch nach erfolgreicher Behandlung können Juckreiz und Ekzeme, vor allem bei Erkrankten mit Sebostae und Ekzemneigung, noch einige Wochen anhalten, sollten aber an Intensität abnehmen. Gegebenenfalls ist eine Nachbehandlung mit pflegenden Externa, eventuell in Kombination mit einem topischen Kortikosteroid zu empfehlen. Eine Beurteilung des Therapieerfolgs ist nach etwa zwei Wochen indiziert.
Therapieversagen
Die gute Wirksamkeit von Permethrin, Benzylbenzoat, Crotamiton oder Ivermectin wurde in zahlreichen klinischen Studien, inklusive Metaanalysen, belegt.12 In-vitro-Daten zeigten allerdings in den letzten Jahren eine Zunahme der Überlebenszeit der Milben gegenüber Permethrin.10 Einzelberichte über Resistenzen (meist gegenüber Ivermectin) sind selten, die genauen Resistenzmechanismen sind allerdings noch nicht geklärt.15 Eine verbreitete Resistenz in Europa erscheint jedoch unwahrscheinlich und erklärt die erhöhte Inzidenz sowie die beobachteten Therapieversagen nicht.16 Die häufigsten Ursachen für eine aktive Skabies nach Behandlung sind laut Literatur Anwendungsfehler bei der Therapie und eine erneute Infestation durch nicht ausreichend behandelte bzw. nicht erkannte Kontaktpersonen oder inkonsequent durchgeführte Hygienemaßnahmen.
Abb. 1: Überlebenszeit von Sarcoptes scabiei var. bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen
Abb. 2: Skabies-Effloreszenzen bei Erwachenen:
a: typischer Milbengang
b-c: Prädilektionsstellen
d: Skabies crustosa
Bei Scabies besteht oft ein generalisierter Juckreiz, der nachts bei Bettwärme zunimmt.Der mikroskopische Nachweis von Milben, Eiern oder Kotballen sichert die Diagnose.Abb. 3: Skabies-Läsionen bei Säuglingen:
a-d: besonders betroffene Lokalisationen
e: noduläre Läsionen am Abdomen
Alle Kontaktpersonen müssen ebenfalls behandelt werden.Abb. 4: Diagnostische Methoden:
a: Nachweis einer Skabiesmilbe unter dem Mikroskop
b: dermatoskopischer Nachweis einer Skabiesmilbe mittels FotoFinder® (Vergrößerung 140-fach, zur Verfügung gestellt von Piv.-Doz. Dr. Tschandl und Ao. Prof. Dr. Kittler)
c: Skabiesmilbe und deren Eier in unterschiedlichen Entwicklungsstadien im Stratum corneum (histologisches Hämatoxylin-Eosin-gefärbtes Präparat)
◆
Basisschmerz
„ besteht unbehandelt mehr als 12 Stunden pro Tag nd wird mit retardierten Schmerzmedikamenten behandelt. Dieser gilt als suffizient behandelt, wenn die Schmerzstärke für mindestens zwölf Stunden pro Tag als mild angegeben wird.◆
Begleitende Hygienemaßnahmen sind essenziell.▸▸▸ OnlineDie vollständige Literaturliste finden Sie unterwww.allgemeinarzt-digital.de▸▸▸AutorenDr. Philipp Weber, Assoc. Prof. PD Dr. Alessandra Handisurya
Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für DermatologieProf. Dr. Dietrich Abeck
Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, TU MünchenInteressenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert. Auf einen BlickDerzeit besteht keine gesetzliche Meldepflicht! Um eine Weiterverbreitung zu verhindern, sollte aber eine eigenverantwortliche Meldung des Betroffenen erfolgen, vor allem an Gemeinschaftseinrichtungen bzw. an alle Kontaktpersonen. Dabei sollte dem Betroffenen unmissverständlich klargemacht werden, dass die Skabies nicht mit mangelnder Hygiene assoziiert ist, um eine Stigmatisierung zu vermeiden.
Fragen zur zertifizierten Fortbildung: „Die Scabies“ Frage 1Nach welcher Latenzzeit treten bei einer Erstinfestation gewöhnlich die ersten Hautveränderungen auf? A. nach 24 StundenB. nach 48 StundenC. nach 3 bis 7 TagenD. nach 2 bis 5 WochenE. nach 2 bis 5 MonatenFrage 2Welche Lokalisation ist bei Erwachsenen keine typische Prädilektionsstelle? A. AxillaB. PeriumbilikalregionC. PenisD. GesichtE. InterdigitalfaltenFrage 3Welche Aussage bei Skabies der Säuglinge und Kleinkinder trifft nicht zu? A. Skabiesläsionen finden sich häufiger am behaarten Kopf sowie im Gesichts- und Halsbereich.B. Skabiesläsionen finden sich häufiger an Handflächen und Fußsohlen.C. Bei Kindern kommen „Scabies nodosa“ Läsionen nie vor.D. Bläschen und Pusteln kommen häufiger vor.E. Bei Säuglingen kann es zu bakteriellen Superinfektionen kommen.Frage 4Welche Frage zur Diagnostik der Skabies trifft zu? A. Milben können in allen Papeln nachgewiesen werden.B. Die Dermatoskopie dient bei entsprechender Erfahrung der Bestätigung einer klinischen Verdachtsdiagnose.C. Die histologische Untersuchung einer Hautbiopsie ist für den Nachweis einer Skabies gut geeignet.D. Die PCR stellt den Goldstandard für den Nachweis einer Skabiesinfestation dar.E. Der Nachweis von Skabiesmilben-spezifischer IgE im Blut ist beweisend für eine Infestation.Frage 5Welche Aussage zur Therapie mit Permethrin ist korrekt? A. Permethrin ist in der Schwangerschaft und Stillzeit zugelassen.B. Die Lokaltherapie muss nur auf sichtbare Läsionen aufgetragen werden.C. Permethrin darf nie im Kopf- und Gesichtsbereich angewendet werden.D. Die Anwendung von Permethrin erfolgt täglich über einen Zeitraum von 14 Tagen.E. Permethrin wirkt sowohl skabizid als auch ovozid.Frage 6Welche Aussage zur Therapie mit Ivermectin ist korrekt? A. Die empfohlene Dosis beträgt 0,1mg/kg Körpergewicht.B. Ivermectin kann in der Schwangerschaft und Stillzeit verabreicht werden, allerdings off-label.C. Ivermectin ist für Kinder unter 15kg Körpergewicht kontraindiziert.D. Die Einnahme erfolgt zu den Mahlzeiten.E. Ivermectin wirkt sowohl skabizid als auch ovozid.Frage 7Welche Aussage zur Skabiestherapie ist korrekt? A. Alle engen Kontaktpersonen müssen gleichzeitig mitbehandelt werden, auch wenn diese keine Symptome aufweisen.B. Das Waschen der Kleidung und Bettwäsche mit 40°C ist völlig ausreichend.C. Unbehandelt brennt die Skabies nach genügend langer Zeit aus.D. Der Therapieerfolg kann gleich am Tag nach Therapieende festgestellt und attestiert werden.E. Nur eine erfolgreiche Skabiestherapie hinterlässt eine andauernde Immunität.Frage 8Welche Aussage zur Skabiestherapie trifft zu?A. Benzylbenzoat weist keine Altersbeschränkung auf.B. Während der aktiven Crotamitonbehandlung darf alle 24 Stunden ein Ölbad erfolgen.C. Die Kombination von Permethrin und Ivermectin ist die nachgewiesen effektivste Therapie der Skabies.D. Crotamiton und Benzylbenzoat gehören wie Permethrin zu den Topika der 1. Wahl.Frage 9Welche Aussage ist falsch?A. Crotamiton wirkt skabizid und ovozid.B. Ivermectin wirkt ovozid.C. Benzylbenzoat wirkt ausschließlich ovozid.D. Permethrin wirkt skabizid und ovozid .E. Die Kombination von Crotamiton und Benzylbenzoat ist wirksamer als Permethrin.Frage 10Welcher Parameter spielt bei der Diagnosestellung Skabies keine Rolle?A. AnamneseB. Klinisches BildC. DermatoskopieD. Spezifisches IgE gegenüber Sarcoptes scabieiE. Juckreiz-AnamneseSichern Sie sich Ihre CME-FortbildungspunkteNach den Fortbildungsrichtlinien der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz werden für das Absolvieren dieser CME-Fortbildung unter folgenden Voraussetzungen bis zu zwei Fortbildungspunkte vergeben:Wenigstens 70 % der Fragen korrekt beantwortet = 1 PunktSämtliche 10 Fragen wurden richtig beantwortet = 2 PunkteAuf unserem CME-Portal www.allgemeinarzt.digital/cme können Sie, neben anderen CME-Kursen, auch diesen lesen und beantworten und bekommen bei erfolgreicher Absolvierung Ihre Punkte umgehend gutgeschrieben. Nach richtiger Beantwortung erhalten Sie per E-Mail einen Link zum Download Ihres Zertifikats. Maximal bis zu einem Jahr nach Erscheinen ist die Teilnahme an dieser CME-Fortbildung möglich.Viele Ärztekammern stellen ihren Mitgliedern ein freiwilliges Fortbildungszertifikat aus, sofern innerhalb von drei Jahren 150 CME-Punkte erworben werden. Seit dem 1.1.2004 sind Vertragsärzte gemäß § 95d SGB V zur Erbringung von 250 CME-Punkten innerhalb von fünf Jahren verpflichtet.Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige Ärztekammer.Antwortbogen: „Die Scabies“ Gültig bis XX.XX.2022