Zanubrutinib (Brukinsa®)

Neue Strategien bei Morbus Waldenström

Inhibitoren der Bruton-Tyrosinkinase gehören zum etablierten Standard in der Therapie des Morbus Waldenström. Zanubrutinib, ein BTK-Inhibitor der nächsten Generation, zeigte in der ASPEN-Studie ein günstigeres Verträglichkeitsprofil als der erste Vertreter dieser Klasse. Aktuelle Langzeitdaten bestätigten die anhaltende Wirksamkeit und das überzeugende Sicherheitsprofil von Zanubrutinib. Im Rahmen eines DGHO-Symposiums wurde über den therapeutischen Nutzen von Zanubrutinib diskutiert.

Die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) spielt eine zentrale Rolle im B-Zell-Rezeptor(BCR)-Signalweg.1 Eine Störung dieses Signalwegs kann zu malignen B-Zell-Er- krankungen führen. Bei Morbus Walden- ström sind zwei Bruton-Tyrosinkinase(BTK)-Inhibitoren zugelassen: Ibrutinib, der erste Vertreter dieser Klasse, und seit November 2021 auch Zanubrutinib, ein BTK-Inhibitor der nächsten Generation.

Zanubrutinib: BTK-Inhibitor der nächsten Generation

Zanubrutinib ist ein hochselektiver, oraler BTK-Inhibitor zur Behandlung von Morbus-Waldenström-Patient:innen, die mindestens eine vorangegangene Therapie erhalten haben, oder zur Erstlinientherapie bei Patient:innen, die nicht für eine Chemoimmuntherapie geeignet sind.2 Indem Zanubrutinib eine kovalente Bindung mit dem Cystein 481 des aktiven Zentrums der BTK eingeht, wird der BCR-Signalweg gehemmt.3

Toxizitäten durch Off-Target-Effekte führen häufig zu Therapieabbrüchen. Die konstante und hoch selektive BTK-Inhibition durch Zanubrutinib in Blut und Gewebe ergibt ein insgesamt günstiges Nebenwirkungsprofil.4 Im Gegensatz zu Ibrutinib ist Zanubrutinib selektiver und weist we- niger Off-Target-Aktivität gegen weitere Kinasen wie EGFR, JAK3 und ITK auf.3,5–7 Zanubrutinib besitzt eine höhere orale Bio- verfügbarkeit und kann eine höhere Plas- ma-Verfügbarkeit erreichen.8 Eine nahezu vollständige BTK-Inhibierung in B-Zellen wurde im peripheren Blut und in Lymph- knoten beobachtet.2

Die empfohlene Zanubrutinib-Gesamttagesdosis beträgt 320mg, die entweder einmal oder zweimal täglich verabreicht wird. „Hinsichtlich Pharmakokinetik führt sowohl die einmalige als auch die zwei- malige Gabe von Zanubrutinib zu einem konstanten Wirkspiegel“, so Prof. Ulrich Jäger, MedUni Wien. Zanubrutinib weist vorteilhafte Eigenschaften hinsichtlich der Wechselwirkung mit Nahrungsmitteln auf.

„Kalorienreiche oder -arme Kost hat kaum Einfluss auf das pharmakokinetische Profil von Zanubrutinib. Magensäureblocker können gemeinsam mit Zanubrutinib eingenommen werden“, so der Experte weiter. Zanubrutinib wird hauptsächlich durch das hepatische Cytochrom-P450-Enzym 3A (CYP3A) metabolisiert, besondere Vorsicht ist bei gleichzeitiger Anwendung von CYP3A-Inhibitoren geboten.2 Die Halbwertszeit beträgt 2–4 Stunden.

Langzeitdaten untermauern tiefes und anhaltendes Ansprechen bei verbessertem Sicherheitsprofil

„Der klinische Verlauf von Morbus Waldenström ist durch ein langsames Wachstum gekennzeichnet“, erläuterte Prof. Dreyling, Klinikum München. „Patient:innen wollen eine gut verträgliche Therapie verabreicht bekommen. Der Genotyp spielt eine wichtige Rolle bei der Therapieentscheidung“, so Dreyling.

Zanubrutinib erwies sich im direkten Vergleich mit Ibrutinib als besser verträglich, wie die Phase-III-Studie ASPEN zeigte.5,9 Insgesamt 201 Patient:innen mit einer MYD88-Mutation (MYD88MUT) erhielten in Kohorte 1 entweder Zanubrutinib (160mg zweimal täglich) oder Ibrutinib (420mg einmal täglich). Eine zweite Kohorte untersuchte die Wirksamkeit von Zanubrutinib bei Patient:innen (n=28) mit MYD88-Wildtyp (MYD88WT). In der Kohorte 1 befanden sich im Zanubrutinib-Arm mehr Patient:innen, die ≥75 Jahre alt (33,3% vs. 22,2%) und CXCR4-mutiert (CXCR4MUT, 32,4% vs. 20,2%) waren und einen Hämoglobin-Wert ≤110g/L (65,7% vs. 53,5%) aufwiesen.

In der Primäranalyse der Kohorte 1 war unter Zanubrutinib der Anteil der Patient:innen mit einem sehr guten partiellen Ansprechen (VGPR) um etwa 50% höher als in der Vergleichsgruppe (28% vs. 19%; p=0,09).5 Dieser Trend setzte sich fort: Nach einer Nachbeobachtungszeit von etwa 3,5 Jahren betrug in der MYD88-L265P-mutierten (MYD88MUT) Gruppe die VGPR 36,6% vs. 25,3%. In der MYD88WT-Kohorte erreichten 3,8% der Patient:innen ein komplettes Ansprechen (CR), 26,9% eine VGPR und 34,6% ein partielles An- sprechen (PR). CXCR4MUT- und CXCR4-Wildtyp(CXCR4WT)-Hochrisikopatient:innen erreichten unter Zanubrutinib ein früheres und tieferes Ansprechen und wiesen ein vorteilhafteres PFS auf verglichen mit Ibrutinib (Zeit bis VGPR: 11,3 vs. 31,3 Monate; VGPR: 21,2% vs. 10,0%; PFS: 73,2% vs. 49,0%). In der Zanubrutinib- Gruppe gab es weniger unerwünschte Er- eignisse (AEs), die zum Abbruch der Be- handlung, zu Dosisreduktionen und zu Todesfällen führten, verglichen mit Ibruti- nib (8,9% vs. 20,4%; 15,8% vs. 26,5% und 3,0% vs. 5,1%). Ebenso war unter Zanubrutinib das kumulative Auftreten von Diarrhö, Vorhofflimmern, Bluthochdruck und Lungenentzündungen geringer (Tab.). Trotz einer höheren Rate an Neutropenien im Zanubrutinib-Arm waren die Infektionsraten ähnlich in beiden Armen, und mehr Patient:innen unter Ibrutinib erlitten Infektionen des Grades ≥3. Unter Zanubrutinib waren die meisten Nebenwirkungen deutlich geringer. „Obwohl die beiden Substanzen den gleichen Wirkmechanismus haben, ist Zanubrutinib hinsichtlich der Wirksamkeit etwas besser. Das ist auf die vermehrten Ibrutinib-Therapieunterbrechungen aufgrund erhöhter Toxizität zurückzuführen“, so der Experte.

Ein klassischer Patientenfall

Dr. Johannes Düll, Univ.-Klinikum Würzburg, erläuterte den klassischen Morbus-Waldenström-Patienten. „Dieser ist überwiegend männlich, weist ein medianes Alter von 72–75 Jahren auf, war mitunter Raucher und hat eine lange Krankheitsgeschichte hinter sich“, so der Experte. Etwa 90% der Patient:innen weisen eine somatische Mutation im MYD88-Gen auf, während bei etwa 30% CXCR4 mutiert ist.10,11

Ein Mitte 70-jähriger Patient erhielt Ende der 1990er-Jahre die Erstdiagnose Mor- bus Waldenström. Klinisch zeigten sich eine Lymphadenopathie und eine 30%ige Knochenmarkinfiltration (MYD88MUT CX- CRWT). Nennenswerte Komorbiditäten waren eine koronare Herzerkrankung nach Nikotinabusus und ein akutes Koronarsyndrom mit Stentimplantation. Nach einer Leukeran-Monotherapie und einer Watch-and-wait-Strategie folgte eine Rituximab-Bendamustin-Therapie bei Knochenmarkinsuffizienz mit einer partiellen Remission als bestes Ansprechen. Nach neun Jahren wurde der Patient bei wiederholter Knochenmarkinsuffizienz auf eine Ibrutinib-Behandlung eingestellt. Unter Ibrutinib kam es zu einem Vorhofflimmern. Der aktive Patient empfand die Symptome als störend, die Leistungsfähigkeit blieb aus, Ibrutinib wurde nach kardiologischer Konsultation abgesetzt. Nach Therapieabbruch ergab sich ein symptomfreier Anstieg der IgM-Konzentration. Der Patient wurde auf Zanubrutinib umgestellt. „Unter Zanubrutinib zeigte sich eine gute Krankheitskontrolle bei günstigem Nebenwirkungsprofil“, so Düll, „erstaunlicherweise war das Vorhofflimmern verschwunden.“ „Eine Umstellung von Ibrutinib auf Zanubrutinib ist ohne Pause möglich, dies kann ein Absetz- oder Rebound-Syndrom verhindern“, ergänzte Prof. Dreyling.

Ein spezieller Patientenfall

Dr.in Ulrike Nitschke, Krankenhaus Halle-Dölau, berichtete über eine Patientin Ende 80 mit ausgeprägten neurologischen Symptomen und Komorbiditäten (arterieller Hypotonus, autonomes Schilddrüsenadenom ohne Behandlungsbedürftigkeit). Die Patientin wurde im Jänner 2022 stationär aufgenommen. Bei unauffälliger Liquorpunktion zeigten sich zufallsbefundlich eine deutlich positive Eiweißelektrophorese mit ausgeprägtem Gamma-Gradienten sowie eine als mäßig einzustufende Niereninsuffizienz und eine normochrome, normozytäre Anämie (Hb 6,5mmol/L). Die Patientin wies multifokale kompakte Infiltrate beider Lungen auf sowie einzelne kleine Herdinfiltrate peribronchial. Die Erstdiagnose Morbus Waldenström MYD88WT mit Polyneuropathie, pulmonaler Manifestation und Anämie erfolgte. Im Mai 2022 erfolgte die Einstellung auf Zanubrutinib, auch aufgrund der besseren Wirksamkeit bei MYD88-mutierten Patient:innen. Rasch zeigte sich ein gutes Ansprechen bei sehr guter Verträglichkeit (über 80% Reduktion des IgM-Wertes). Die nächste Verlaufskontrolle ergab eine kardiale Dekompensation (EKG: Vorhofflimmern), Zanubrutinib wurde pausiert, es folgte eine stationäre Aufnahme. Das Ergebnis bleibt abzuwarten. „Die Patientin wies ein relevantes Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines Vorhofflimmerns auf“, so Nitschke. „Das Lebenszeitrisiko für ein altersunabhängiges Vorhofflimmern beträgt 2,5%. In der Altersgruppe der Patientin ist von einer Prävalenz von etwa 4,9% auszugehen. Bei guter Kontrolle des Vorhofflimmerns kann aus meiner Sicht ein Wiederbeginn erwogen werden“, so die Ärztin.

Fazit

Zanubrutinib ist ein hochselektiver BTK-Inhibitor der nächsten Generation.2 In der ASPEN-Studie erwies sich Zanubrutinib als effektive Substanz mit bedeutenden Sicherheitsvorteilen, insbesondere in Bezug auf kardiovaskuläre Toxizitäten.4 Zanubrutinib kann eine besser verträgliche Behandlungsoption darstellen mit flexibler Dosierung und vorteilhafter Auswirkung der BTK-Hemmung.12

Quelle:

Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, 7.–10.10.2022, Wien

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Fachkurzinformation siehe Seite 13 | 1122-BRU-PRC-113

Tab. 1:ASPEN-Studie: häufigste Nebenwirkungen. Modifiziert nach Tam CSL et al.9

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