53. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Innere Medizin (ÖGIM)

Frühe antivirale Covid-19-Therapie

In seinem Vortrag fokussierte der Infektiologe Univ.-Prof. Dr. Robert Krause, Graz, auf die frühzeitige ambulante Behandlung von Risikopatienten mit den drei Virostatika Remdesivir, Nirmatrelvir/Ritonavir und Molnupiravir und präsentierte dazu aktuelle Daten und Therapieempfehlungen.

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie Anfang 2020 waren nur Medikamente für das klinische Setting verfügbar, damals kamen Remdesivir und Dexamethason zum Einsatz. „Inzwischen ist es möglich, ambulante Patienten früh im Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion zu behandeln. Dafür stehen die beiden oralen Wirkstoffe Nirmatrelvir/Ritonavir und Molnupiravir sowie alternativ Remdesivir zur Verfügung, wobei die i.v.Applikation einen limitierenden Faktor darstellt“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Robert Krause, Klinische Abteilung für Infektiologie, Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz, einleitend bei seinem Vortrag auf der 53. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Innere Medizin (ÖGIM).

Therapieempfehlungen im ambulanten Setting

Indiziert sind die genannten Medikamente im ambulanten Bereich für die Behandlung leichter bis mittelschwerer Covid-19-Erkrankungen bei Erwachsenen mit einem positiven Test auf SARS-CoV-2 und zumindest einem Risikofaktor für die Entwicklungeines schweren Krankheitsverlaufs. Dazu zählen u.a. maligne Erkrankungen, chronische Nieren- und Lungenerkrankungen, aber auch Adipositas und höheres Alter.1

Die entsprechenden Zulassungsstudien stellen auch die Grundlage der aktuellen Empfehlungen medizinischer Gesellschaften dar. Krause zitierte jene der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH), der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) und jene des deutschen Robert Koch-Instituts (RKI; Abb. 1).2–4

Sowohl NIH als auch ESCMID und RKI priorisieren bei nicht hospitalisierten Patienten mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf den Einsatz von Nirmatrelvir/Ritonavir (NMV-r) vor Remdesivir. Sind die beiden Wirkstoffe nicht verfügbar bzw. kontraindiziert, sollte Molnupiravir verabreicht werden.

Immunisierte Risikopatienten

Für den Einsatz der drei Wirkstoffe bei vollständig immunisierten Risikopatienten (ohne Risikofaktor für ein Impfversagen) lag mit Stand August 2022 nur eine bedingte Empfehlung der ESCMID vor.3 Ein Beispiel dafür, so Krause, wie schnell sich mittlerweile die Datenlage ändert: „Wir verfügen mittlerweile über aktuelle Studiendaten zu Nirmatrelvir, die für einen Benefit bei Risikopatienten mit Antikörpern – durch Impfung oder Immunisierung – sprechen“, so Krause.

In einem Überblick über die einzelnen Wirkstoffe erläuterte Krause die wichtigsten Ergebnisse der Zulassungsstudien und ausgewählte aktuelle Real-World-Daten.

Zulassungsstudien und aktuelle Daten

Remdesivir

Eine doppelblinde Studie untersuchte von September 2020 bis April 2021 den Einsatz von Remdesivir bei nicht hospitalisierten Patienten mit Risikofaktoren wie Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck oder Alter ab 60 Jahren.5 Die Probanden erhielten drei Tage lang eine i.v.Therapie mit Remdesivir oder Placebo. Endpunkte waren Hospitalisierung bzw. Tod bis Tag 28.Geimpfte oder Hochrisikopatienten mit erwartbarer Hospitalisierung waren ausgeschlossen.

Das Ergebnis: Bei den Remdesivir-Patienten wurden 0,7% hospitalisiert vs. 5,3% der Placebopatienten (Risikoreduktion 4,6%). Nebenwirkungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen waren unter Placebo häufiger (46,3% vs. 42,3%). „Remdesivir verhindert den schweren Verlauf bei Risikopatienten. Ein Nachteil ist die intravenöse Anwendung, die den Einsatz bei nicht hospitalisierten Patienten limitiert“, so das Resümee des Experten. Zum Einsatz bei hospitalisierten Patienten zitierte Krause die ACCT-Studie von 2020 sowie Real-World-Daten mit 28855 Patienten.6,7 Krause: „Die geringere Letalität wurde unter realen Bedingungen bestätigt, auch bei Patienten mit mechanischer Beatmung oder ECMO.“

Nirmatrelvir/Ritonavir

Die EPIC-HR-Studie mit 2246 ungeimpften Patienten mit erhöhtem Hospitalisierungsrisiko durch u.a. Übergewichtund Rauchen und einem durchschnittlichen Alter von 46 Jahren verglich von Juli bis Dezember 2021 die Gabe von NMV-r mit Placebo.8 Die Patienten wurden innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der ersten Symptome behandelt.

Der primäre Endpunkt (Tod bzw. Hospitalisierung zu Tag 28) trat unter NMV-r bei 8 Patienten, unter Placebo bei 66 Patienten auf, was einer relativen Risikoreduktion von 87,8% entspricht (p<0,001; NNT: 18). In der Placebogruppe wurden 12 Todesfälle registriert, unter NMV-r keiner. Patienten ab 65 Jahren profitierten stärker, ebenso jene mit negativem Antikörperstatus. Je höher der BMI war, desto größer fiel der Nutzen aus. Ob das Medikament innerhalb von 3 oder 5 Tagen verabreicht wurde, machte laut Subgruppenanalyse keinen signifikanten Unterschied.8

Eine israelische Studie analysierte zwischen Jänner und April 2022 die Wirksamkeit von NMV-r unter „Omikron-Bedingungen“ mit Daten von Patienten über 40 Jahren.9 Evaluiert wurden 3902 Risikopatienten, die in diesem Zeitraum NMV-r erhalten hatten. 2484 davon waren 65 Jahre oder älter. Untergruppenanalysen bewerteten die Auswirkung des SARS-CoV-2-Immunitätsstatus auf die Wirksamkeit der Therapie. Dazu wurden die Patienten in die Kategorien „seropositiv“ (Anteil von 78%) und „seronegativ“ eingeteilt.9

Der Benefit der NMV-r-Therapie zeigte sich eindeutig bei den Patienten beider Kategorien ab 65 Jahren: In dieser Altersklasse waren die Zahlen von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen aufgrund von Covid-19 signifikant niedriger als bei den SARS-CoV-2-Patienten ohne Therapie, wobei der Effekt in der nicht immunisierten Kohorte etwas größer war (HR: 0,15 vs. 0,32). Bei jüngeren Erwachsenen wurde kein signifikanter Benefit gefunden.9

Eine Auswertung aktueller US-Daten zeigte einen Benefit von NMV-r für geimpfte Patienten ab 18 Jahren.10 Analysiert wurden 1130 Patienten, die zwischen Dezember 2021 und April 2022 geimpft wurden und anschließend Covid-19 entwickelten. Der primäre Endpunkt (Notfaufnahme, Hospitalisierung, Tod) trat bei 89 (7,87%) der NMV-r-Kohorte versus 162 (14,4%) in der non-NMV-r-Kohorte ein (RR: 45%, NNT: 15). Ein interessantes Ergebnis, das laut Krause zu Diskussionen über einen breiteren Einsatz von NMV-r führen könnte, um weitere schwere Verläufe zu verhindern.

Für die Abklärung von möglichen Wechselwirkungen empfahl Krause den Liverpool „Interaction Checker“ (https://www.covid19-druginteractions.org).

Molnupiravir

Basis für die Zulassung von Molnupiravirwar eine Studie mit 1433 ungeimpften Risikopatienten, die fünf Tage lang Molnupiravir versus Placebo erhielten.11 Der primäre Endpunkt Hospitalisierung oder Tod zu Tag 29 trat bei 6,8% in der Verumgruppe vs. 9,7% in der Placebogruppe auf, die relative Risikoreduktion in der finalen Analyse betrug 30% (NNT: 33).„Diese Ergebnisse mit Molnupiravir dienten als Grundlagefür die Reihung als 2. Wahl nach Nirmatrelvir und Remdesivir in den aktuellen Empfehlungen“, so Krause. „Der Benefit fiel nichtso deutlich aus wie bei Remdesivir oder Nirmatrelvir. Es gab Patienten, die profitierten, aber auch welche, die nicht profitierten.“

Real-World-Daten mit 2661 israelischen Patienten, die Ende September 2022 publiziert wurden, ergaben eine nicht signifikante Risikoreduktion durch die Therapie, in der Subgruppenanalyse profitierten allerdings Patienten über 75 Jahre, solche mit inadäquater Impfung sowie Frauen.12

Fristen für die Therapieeinleitung

Abschließend fasste Krause die empfohlene Frist von den ersten klinischen Symptomen bis zur Therapieeinleitung zusammen, wobei hier bei allen genannten Medikamenten naturgemäß gilt: je früher, desto besser. Krause: „Bei den oralen Medikamenten umfasst die Frist fünf Tage, für Remdesivir beträgt sie bei nicht hospitalisierten Patienten sieben Tage nach Symptombeginn.“ ◼

Quelle:

„Frühe antivirale Covid-19-Therapie“, Vortrag von Univ.-Prof. Robert Krause, Graz, am 23.9.2022 im Rahmen des Pfizer-Symposiums „Covid-19: Rückblick, Status quo und Perspektiven“ bei der ÖGIM-Jahrestagung 2022

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Entgeltliche Einschaltung

Mit freundlicher Unterstützung durch Pfizer Corporation Austria GesmbH, Wien

Fachkurzinformation siehe Seite 25 | PP-PAX-AUT-0061/10.2022

Abb. 1: Antivirale Therapie in der Frühphase einer SARS-CoV-2-Infektion bei Patienten mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von Covid-19 (modifiziert nach RKI Fachgruppe COVRIIN)4

Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf (insbesondere bei Immunsuppression, Alter, fehlendem oder unvollständigem Impfschutz)*Vorschlag für den Entscheidungsprozess bei der Auswahl der antiviralen Therapie(individuelle Abwägung der möglichen Therapieoptionen, bei komplexen Fällen nach infektiologischer Beratung)Keine Indikation für antivirale FrühtherapieNeinJaSymptombeginn vor max. <5–7 Tagen (oder max. 5–7 Tage nach vermutetem Infektionszeitpunkt) Keine Indikation für antivirale Frühtherapie (ggf. Einzelfalldiskussion) NeinJaNirmaltrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) (CAVE! Medikamenteninteraktionen beachten/prüfen und ggf. pausieren oder Dosisanpassung der Komedikation vornehmen (s. Liverpool Covid-19 Interactions; covid19-druginteractions.org )1. Wahl Auswahl je nach Setting, Komorbiditäten, Komedikation etc.Remdesivir (Veklury®)(wenn i.v.Therapie über 3 Tage möglich)oderMolnupiravir (Lagevrio®)(im direkten Vergleich Unterlegenheit in Bezug auf die Wirksamkeit bedenken)2. Wahl *entsprechend Definition von STIKO und aktuellen ImpfempfehlungenVIROSTATIKAElement not implemented: <authorinfo>
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