Die aktuellen Möglichkeiten im Überblick

Kontinuierliche

In den letzten Jahren hat die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) das Diabetesmanagement revolutioniert. Die Verfügbarkeit eines kontinuierlichen Glukosesignals, das der Blutglukosekonzentration gut entspricht und welches mit einem Sensor über mehrere Tage gemessen werden kann, hat das Leben vieler Personen mit Diabetes mellitus erleichtert. Darüber hinaus stellt die CGM Behandlern eine Vielzahl an Zusatzinformationen zur Verfügung.

Bessere glykämische Kontrolle und Lebensqualität bei weniger Hypos

Durch kontinuierliches Glukosemonitoring bekommt man nicht nur aktuelle Glukosewerte dargestellt, man erhält auch zusätzliche Informationen über den Glukoseverlauf in Form von Trendpfeilen, die eine Prognose der nahen Zukunft (meist 15 Minuten) ermöglichen. Des Weiteren bekommen die Anwender einen guten Überblick über 24-Stunden-Verläufe, welche auch dem medizinischen Fachpersonal eine Bewertung der Güte der Stoffwechselkontrolle erlauben. Manche Systeme sind mit Alarmfunktionen ausgestattet und warnen so vor dem Auftreten von Hypo- und Hyperglykämien, sodass die Anwender rechtzeitig Maßnahmen ergreifen können. Insbesondere Personen mit Hypoglykämiewahrnehmungsstörung sollten Sensoren mit Alarmfunktion benutzen.

In klinischen Studien zeigte CGM eine Verbesserung der glykämischen Kontrolle, eine Reduktion von Anzahl und Dauer der Hypoglykämien sowie eine Verbesserung der Lebensqualität.1 Eine adäquate Schulung der Patientinnen und Patienten ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der kontinuierlichen Glukosemessung.

Nachdem die Sensorgenauigkeit über die Jahre zugenommen hatte, wurden die Systeme zur Therapiesteuerung basierend auf Sensorwerten zugelassen. Seither kam es zu einem steten Zuwachs an Anwendern und in vielen europäischen Ländern – darunter Österreich – werden CGM-Systeme nun von diversen Sozialversicherungsträgern erstattet. Während von 2010 bis 2012 nur 7% der Teilnehmer eines großen US-amerikanischen Registers (T1D Exchange Registry) ein CGM-System verwendeten, stieg der Anteil an CGM-Anwendern in den USA in den Jahren 2016–2018 auf 30%.2, 3 Eine ähnlich hohe Verbreitung zeigt sich mit 18% basierend auf aktuellen Daten aus der „Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation“ (DPV), einem Register, das deutsche und österreichische Patienten umfasst.4

Aktuell handelt es sich bei den meisten in Österreich verfügbaren Geräten um „Stand alone“-CGM-Systeme, die nicht in eine Insulinpumpe integriert sind und entweder mit dem zugehörigen Lesegerät und/oder mit dem Smartphone bedient werden können, welche auch zur Tagebuchführung genutzt werden können. Einzig die Firma Medtronic bietet zum aktuellen Zeitpunkt zwei Systeme in Kombination mit einer Insulinpumpe an, wobei unter diesen Gegebenheiten eine Verwendung des Smartphones als Lese- und Steuergerät entsprechend den aktuellen Sicherheitsrichtlinien nicht möglich ist. Die Systeme von Dexcom, Medtronic und Senseonics benötigen noch zusätzlich einen Transmitter, der die Sensorwerte auf das Lesegerät bzw. Smartphone überträgt; beim Abbott-System ist ein eigener Transmitter nicht notwendig. Bis auf das Senseonics-System können die Sensoren aller Systeme durch die Anwender selbst gewechselt werden. Bei allen Messsystemen gilt, dasseine kapilläre Kontrollmessung erfolgen soll, wenn die Sensorwerte nicht den Symptomen oder Erwartungen der Anwender entsprechen.

Im Folgenden werden aktuell und in naher Zukunft in Österreich verfügbare CGM-Systeme diskutiert (alphabetische Reihenfolge).

Abbott FreeStyle Libre

Im Jahr 2016 kam der Abbott FreeStyle Libre auf den Markt. Es handelt sich dabei um ein Flash-Glukosemonitoring-System (FGM-System), das sich von den klassischen CGM-Systemen dadurch unterscheidet, dass das System zwar kontinuierlich die Gewebsglukose misst, man den Glukosewert aber aktiv mit dem Lesegerät abrufen (= scannen oder flashen) muss. Es muss zumindest alle acht Stunden ein Scan erfolgen, da der Sensor nur für die Dauer von acht Stunden Daten speichern kann; die Daten werden mit einer 15-Minuten-Auflösung gespeichert. Das System war das erste, welches keine Kalibration benötigte, sondern bei dem eine Firmenkalibration je Charge vorab durchgeführt wird. Die Tragedauer beträgt 14 Tage. Da die Kommunikation zwischen Lesegerät und Sensor nur auf einem Abruf durch den Anwender basiert, beinhaltet dieses System keine Warnfunktion. Das System ist für eine Anwendung ab dem vierten Lebensjahr zugelassen und kann auch in der Schwangerschaft verwendet werden. Es kommt zu keinem Sensorversagen durch Röntgenstrahlung, allerdings muss der Sensor – wie alle anderen Sensoren – vor einer MRT-Untersuchung entfernt werden. An Medikamenteninterferenzen wird eine Signalstörung durch hohe Dosen Ascorbinsäure berichtet (Dosen über der täglich empfohlenen Standarddosis). Der Sensor ist in bis zu einem Meter Wassertiefe für die Dauer von bis zu 30 Minuten wasserfest. In das zugehörige Lesegerät ist ein kapilläres Glukose- und Ketonmessgerät integriert. Offiziell ist lediglich der Oberarm als Sensoranwendungsstelle zugelassen. Das System wird in Österreich für Personen mit Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 unter Verwendung von Basal- und Bolusinsulin oder Insulinpumpentherapie erstattet.5, 6 Die Sensorgenauigkeit (mittlere absolute relative Differenz = MARD) der neuesten Sensorgeneration beträgt 9,5%.

Abbott FreeStyle Libre 2

Für den Frühling 2020 wird erwartet, dass das Gerät Abbott FreeStyle Libre 2 auf den Markt kommt. Aktuell laufen noch die Verhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern. Im Gegensatz zu Deutschland wird der Abbott FreeStyle Libre 2 nicht das „Abbott FreeStyle Libre“-Systemersetzen, sondern es sollen beide Produkte – abhängig von der Indikation – zum Einsatz kommen. Das „Abbott FreeStyle Libre 2“-Systemkommuniziert mit Bluetooth-Low-Energy-Technologie und beinhaltet eine Alarmfunktion für Hypo- und Hyperglykämie und Signalverlust. Die Alarme können durch den Signalton unterschieden werden. Wenn man den aktuellen Wert wissen möchte, ist weiterhin ein Scan notwendig. Der Abbott FreeStyle Libre 2 wird wahrscheinlich den gleichen Erstattungskriterien wie andere CGM-Systeme unterliegen. Die restlichen Aspekte wie Einsatzgebiet, Interferenzen sowie Glukose- und Ketonmessfunktion sind gleich wie beim Abbott FreeStyle Libre.7 Die MARD beträgt 9,2%.

Dexcom G6

Die aktuellste Generation von Dexcom, der Dexcom G6, der 2017 auf den Markt gekommen ist, kann ebenfalls ohne Kalibrationen betrieben werden.8 Im Unterschied zum Abbott-System sind fakultative Kalibrationen aber möglich. Auch ohne Kalibration erreicht der Dexcom G6 (MARD 10%) eine ähnliche Genauigkeit wie die Vorgängerversion Dexcom G5 mit Kalibration (MARD 9%). Zu erwähnen ist eine Beeinflussung der Sensorgenauigkeit durch die Einnahme von Paracetamol in Dosen >1g. Hierbei werden falschhohe Glukosewerte angegeben. Das System ist für eine Anwendung ab dem zweiten Lebensjahr zugelassen und kann auch in der Schwangerschaft verwendet werden. Anwender können ihre Sensorglukosedaten mit bis zu fünf Followern teilen, wenn die Follower über eine Internetverbindung und die Dexcom Follow App verfügen. Der Dexcom-G6-Sensor und der Transmitter sind wasserdicht und können bis zu 24 Stunden lang bis zwei Meter unter Wasser eingetaucht werden. Jeder Sensor kann mit zuverlässiger Performance über einen Zeitraum von zehn Tagen getragen werden.

Medtronic-Systeme

Aktuell ist die Firma Medtronic am österreichischen Markt mit drei verschiedenen Systemen vertreten, über die im nächsten Abschnitt berichtet wird.

„Guardian Connect“-CGM-System

Beim „Guardian Connect“-CGM-System handelt es sich um ein „Stand alone“- CGM-System.9 Das System umfasst die Guardian Connect App, den Guardian Connect Transmitter, den Guardian Sensor 3 und das Transmitter-Ladegerät. Der Transmitter ist mit dem Ladegerät wieder aufladbar und kann somit über den Zeitraum von einem Jahr genutzt werden. Zwei mögliche Sensortragestellen mit vergleichbarer Genauigkeit sind zugelassen: Abdomen (MARD 10,6%) und Oberarm (MARD 9,1%). Das System bedarf mindestens zweier Kalibrationen täglich, bei häufigeren Kalibrationen (3–4-mal täglich) kann die Messgenauigkeit noch weiter verbessert werden.10 Zu erwähnen ist eine Beeinflussung der Sensorgenauigkeit durch die Einnahme von Paracetamol. Hierbei werden falschhohe Glukosewerte angegeben. Je nach Darreichungsform und Dosis sollten Glukosewerte nach Paracetamolgabe nicht für Therapieentscheidungen herangezogen werden.9 Das System ist für eine Anwendung bei Personen ab dem zweiten Lebensjahr zugelassen. Die zugehörige App basiert auf dem iOS-Betriebssystem; Personen, die über kein iPhone verfügen, bekommen ein geeignetes Lesegerät zur Verfügung gestellt. Über die „CareLink Connect“-Plattform können die Sensorwerte mit Vertrauenspersonen geteilt werden. Mit der zugehörigen Sugar.IQ App werden Muster in den Glukoseverläufen erkannt und Therapieempfehlungen generiert.

MiniMed 640G

Seit 2006 sind Systeme, die einen Glukosesensor und eine Insulinpumpe miteinander kombinieren, auf dem Markt. Während bei frühen Generationen lediglich der Glukosewert auf der Pumpe angezeigt werden konnte, kam es in der Zwischenzeit zu ausgefeilten Weiterentwicklungen, die in die Basalinsulinzufuhr eingreifen. Der Sensor des „MiniMed 640G“-Systems kann bis zu sieben Tage getragen werden und bedarf zweier Kalibrationen täglich.11 Die Sensorgenauigkeit entspricht der des „Guardian Connect“-CGM-Systems, wenn der Guardian Sensor 3 zur Anwendung kommt. Mithilfe der SmartGuard-Technologie wird die Basalinsulinabgabe 30 Minuten vor Erreichen einer definierten Untergrenze – abhängig von den individuellen Einstellungen – für zwei Stunden unterbrochen und somit das Auftreten einer Hypoglykämie verhindert. Diese Technologie wird auch als prädiktive Hypoglykämieabschaltung bezeichnet. Wichtig ist, dabei zu beachten, dass im Fall einer Hypoglykämieabschaltung – eine korrekte Programmierung vorausgesetzt – in den meisten Fällen keine zusätzlichen Kohlenhydrate konsumiert werden sollten, da es sonst zum Überschießen der Glukose in eine Hyperglykämie kommt.12 Das System kann ab dem zweiten Lebensjahr eingesetzt werden und ist für eine Anwendung in der Schwangerschaft zugelassen.

MiniMed 670G

Seit 2019 ist die aktuellste Entwicklung der Firma Medtronic auf dem österreichischen Markt verfügbar – das „MiniMed 670G“-System. Die Komponenten entsprechen im Wesentlichen denen des „MiniMed 640G“-Systems: Guardian Sensor 3 und Insulinpumpe mit SmartGuard-Technologie. Es handelt sich jedoch hier um das erste im Handel verfügbare „Hybrid closed loop“-System (auch bekannt unter der Bezeichnung „künstliche Bauchspeicheldrüse“). Im Unterschied zum „MiniMed 640G“-System erfolgt beim „MiniMed 670G“-System eine automatisierte Steuerung auf einen Glukosezielwert von
120mg/dl. Nach einer Einlaufzeit von zumindest 48 Stunden im manuellen Modus (Steuerung der Basalrate durch den Anwender) kann auf den Automodus mit automatisierter Basalratensteuerung umgestellt werden. Im Gegensatz zur bisher üblichen Basalrate werden bedarfsgerechte Insulinmikroboli abgegeben, die eine optimierte Insulinzufuhr ermöglichen.

Bei Verwendung dieses komplexen Systems isteine gute Patientenschulungwichtig. Das System muss adäquat kalibriert werden, Mahlzeitenboli müssen zeitgerecht abgerufen werden und eventuelle Probleme mit der Insulinzufuhr müssen rechtzeitig erkannt werden, um eine Gefährdung des Anwenders zu verhindern. Daten aus Real-World-Untersuchungen zeigen, dass unter Anwendung dieses Systems eine sehr gute Diabeteseinstellung erzielt werden kann. Die von den aktuellen Leitlinien propagierte Zeit im Glukosezielbereich von 70–180mg/dl wird in >70% der Zeit erreicht.13 Das System ist ab dem siebenten Lebensjahr zugelassen. Es sollte bei Personen mit einem Tagesinsulinbedarf von unter 8 und über 250IE nicht eingesetzt werden. In der Schwangerschaft darf das System aufgrund des für die Schwangerschaft zu hohen Glukosezielwertes von 120mg/dl jedoch nicht eingesetzt werden.

Sowohl das „MiniMed 640G“-System als auch das „MiniMed 670G“-System sind bis 3,6 Meter über einen Zeitraum von 24 Stunden wasserfest.

Senseonics Eversense XL

Beim Eversense-Sensor (Hersteller: Senseonics, USA; Vertrieb in Österreich durch Roche Diabetes Care) handelt es sich aktuell um das einzige implantierbare CGM-System mit CE-Zertifizierung, das sich auf dem Markt befindet.14 Die Sensortechnologie basiert auf Fluoreszenzemissionsmessung. Das aktuelle System kann über 180 Tage verwendet werden und zeigt über die gesamte Lebensdauer eine stabile Sensorperformance (MARD 9,4%).15 Alle 180 Tage muss der kapselförmige Sensor minimalinvasiv durch eine Ärztin/einen Arzt unter sterilen Bedingungen in Lokalanästhesie nach einem kleinen Hautschnitt implantiert werden.

Der Sensor muss am ersten Tag viermal, an allen weiteren Tagen zweimal täglich kalibriert werden. Wenn die Kalibrationen nicht wie vorgeschrieben zweimal täglich durchgeführt wurden, muss der Anwender wieder vier Kalibrationen durchführen. Das System warnt vor Hypo- und Hyperglykämien, und dies auch, wenn das Lesegerät nicht in der Nähe ist, durch Vibration des Transmitters am Körper. Aktuell ist das System bei Personen über 18 Jahre zugelassen. In der Schwangerschaft ist es nicht zugelassen. Offiziell ist auch hier lediglich der Oberarm als Sensoranwendungsstelle zugelassen. Der Sensor ist – wie auch alle anderen Sensoren – nicht MRT-tauglich, das heißt, das Sensorwechseln bzw. -setzen muss zeitlich rund um ein eventuell notwendiges MRT geplant werden. Der Transmitter muss einmal täglich über 30 Minuten geladen werden, auch ist ein täglicher Wechsel des Pflasters, das den Transmitter befestigt, notwendig. Durch den täglichen Pflasterwechsel ist die lange Haftfähigkeit des Pflasters nicht von so großer Bedeutung wie bei Sensoren, die bis zu 14 Tage mit einem Pflaster getragen werden sollen. Daher ist das Pflaster aus Silikon, besonders hautfreundlich und somit auch bei Personen mit Pflasterallergien eine überlegenswerte Alternative. Auch bei Personen, die Kontaktsportarten durchführen, Kleinkinder zu Hause haben oder viel Körperkontakt im beruflichen Umfeld ausgesetzt sind, erscheint der Eversense-Sensor als eine interessante Alternative, da durch das Systemdesign akzidentelle Sensorentfernungen reduziert werden. Das System ist wasserfest bis einen Meter über einen Zeitraum von 30 Minuten.

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Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Julia K. Mader

Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie

Medizinische Universität Graz

E-Mail: julia.mader@medunigraz.at


Dr. Daniel A. Hochfellner

Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie

Medizinische Universität Graz

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