Stellungnahme der ÄKW
Beschlüsse der Landeszielsteuerungskommission
Die Ärztekammer für Wien (ÄKW) begrüßt die in der Wiener Landeszielsteuerungskommission gefassten Beschlüsse zum Ausbau des niedergelassenen medizinischen Versorgungsangebots in Wien. „Ich bin froh über das Ergebnis im Interesse der Patienten und über die Aufwertung der Tätigkeit der niedergelassenen Kassenordinationen", betont Prof. Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer für Wien. "Wir sind gerne bereit, diese Zielvorgaben gemeinsam mit dem Land und der Sozialversicherung umzusetzen“, ergänzt Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident und Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte der Ärztekammer für Wien. Wichtig sei, dass mit der Beschlussfassung schon bestehende Projekte im kommenden Jahr weitergeführt werden könnten, so etwa die seit Anfang 2019 erfolgreich laufenden Öffnungszeiten von jeweils drei Kassen-Kinderarztordinationen an allen Wochenenden und Feiertagen – alleine dadurch konnten im abgelaufenen Jahr mehr als 10000 Kinder an Wochenenden und Feiertagen kinderärztlich versorgt werden. Die finanzielle Abgeltung für längere Öffnungszeiten der Ordinationen sowie der Ausbau dieses Programms sei ein Anliegen der gesamten Ärzteschaft. Das aktuelle Ergebnis der Landeszielsteuerungskommission kann laut Steinhart auch ein Modell und Vorbild für andere Bundesländer sein. Denn da, wo Land, die regionalen Gebietskrankenkassen und Ärztekammern an einem Strang ziehen, kämen gute Projekte für die nötige Patientenversorgung heraus, um die in den einzelnen Bundesländern oft sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und lokalen Voraussetzungen bestmöglich abbilden zu können.
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Presseaussendung ÄKW, 4. Dezember 2019
Wien wird in den kommenden Jahrzehnten mit einem deutlichen demografischen Wandel konfrontiert sein. Während 2018 der Anteil der über 80-Jährigen 5% der Bevölkerung ausmachte, wird er bis 2050 auf 11% zulegen. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet das eine Zunahme der über 80-Jährigen von derzeit knapp 500000 Österreichern auf mehr als 1 Million.
Diese Veränderung wird in vielen Bereichen zu Herausforderungen führen, die verstärkt im Gesundheitswesen spürbar sein werden, da mit der Alterung der Bevölkerung auch der medizinische Versorgungsbedarf einer Gesellschaft steigt. "Damit Hand in Hand geht ein zusätzlicher Bedarf an Ärztinnen und Ärzten für die Versorgung dieser Bevölkerungsteile, der aber den Projektionen zufolge nicht ausreichend gedeckt werden wird", sagt Prof. Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer für Wien (ÄKW), anlässlich der Präsentation einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zur "Geriatrischen Versorgung in Wien im Kontext des demografischen Wandels".
Bezugnehmend auf die zu erwartende demografische Entwicklung geht das WIFO von einem Anstieg des gesamten Ärztebedarfs von 18% bis zum Jahr 2030 beziehungsweise von knapp 47% bis zum Jahr 2050 aus. Der geringste Bedarfsanstieg wird bei niedergelassenen Fachärzten, der höchste bei Spitalsärzten erwartet.
Gleichzeitig wird der ärztliche Zeitaufwand auf Basis der Bevölkerungsprognose für die Betreuung geriatrischer Patienten steigen. "Während heute 22% des ärztlichen Zeitaufwands in Krankenanstalten auf die Gruppe der über 85-Jährigen entfallen, wird dieser Anteil bis 2050 auf 34% zunehmen", betont Ulrike Famira-Mühlberger, Co-Autorin der Studie und stellvertretende Leiterin des WIFO.
Ein Kernthema der WIFO-Studie ist die zu erwartende Lücke zwischen künftigem Ärzteangebot und Ärztenachfrage. Diese sei durchaus markant und werde auch bei optimistischen Annahmen bis 2050 auf mehr als ein Zehntel der Nachfrage geschätzt, so Co-Autor Gerhard Streicher. In der niedergelassenen Allgemeinmedizin sei sie laut dem WIFO-Ökonomen mit einem Drittel am höchsten.
Allein in den letzten zehn Jahren ist die Wiener Bevölkerung um 200000 Personen gewachsen, die Zahl der Kassenärzte aber um mehr als 100 zurückgegangen, und die Zahl der Ärzte in den Gemeindespitälern stagniert. Dem müsse entgegengesteuert werden, sowohl seitens der Landespolitik als auch seitens der Bundespolitik durch die künftige Bundesregierung. Die von der ehemaligen Regierung versprochene Gesundheitsmilliarde im Zuge der Kassenfusion müsse endlich kommen, gleichzeitig müssten Maßnahmen getroffen werden, damit in Österreich Studierende auch nach Abschluss des Medizinstudiums im Land bleiben und nicht abwandern.
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Pressekonferenz ÄKW, 5. Dezember 2019
Die ÖÄK fordert bei der Gesundheits- und Medikamentenversorgung in ländlichen Regionen eine Orientierung am realen Bedarf der Menschen. Das Apothekengesetz müsse liberalisiert, der nicht mehr zeitgemäße strenge Gebietsschutz für Apotheken abgeschafft werden. "Die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen gerät immer mehr unter Druck und wir steuern, wenn hier nichts Wirksames passiert, geradewegs auf eine Versorgungskrise zu", sagte Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der ÖÄK und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien. "Die Weichen müssen dringend neu gestellt werden."
Eine zentrale Ursache dieser Entwicklung ist, dass die Gründungen neuer öffentlicher Apotheken in ländlichen Regionen zu einem Zusperren von ärztlichen Hausapotheken führen. Es gibt davon heute um mehr als 100 weniger als noch vor 20 Jahren. Allein in den Jahren 2009 bis 2018 wurden in Österreich 155 öffentliche Apotheken neu eröffnet, jedoch 62 ärztliche Hausapotheken geschlossen (Quelle sämtlicher verwendeter Zahlen: Bundeswettbewerbsbehörde). Das Apothekengesetz schreibt nämlich vor, dass in Gemeinden ärztliche Hausapotheken zusperren müssen, wenn ihr Abstand zur neu gegründeten öffentlichen Apotheke weniger als vier Kilometer beträgt.
"Und hier tritt oft ein fataler Prozess in Kraft", so Steinhart. Viele der auf dem Land neu eröffneten Apotheken geraten, nachdem sie ärztliche Hausapotheken verdrängt haben, selbst in wirtschaftliche Bedrängnis und sind vom Zusperren bedroht. Weil es dann in der Gemeinde keine Kassenarztpraxis mit Hausapotheke mehr gibt, wandern Ärztinnen und Ärzte häufig ab und es wird noch schwieriger, einen niederlassungswilligen Nachfolger zu finden. "Wenn aber niemand mehr Medikamente verschreibt, kann sie auch niemand mehr verkaufen – zum Nachteil auch der Apotheke", sagt Steinhart.
Dass die Bevölkerung Hausapotheken sehr schätzt, zeigte zuletzt eine von OGM durchgeführte Befragung von 1500 Personen, die in der ORF-Sendung "konkret" vorgestellt wurde. Demnach halten 64% der Befragten Hausapotheken für sinnvoll und nur 19% für nicht sinnvoll. In Österreich gibt es derzeit 1438 von Apothekern geführte Apotheken und 794 ärztliche Hausapotheken. "In Gemeinden mit bis zu 5000 Einwohnern wurde und wird die ärztliche und pharmazeutische Versorgung überwiegend durch Allgemeinmediziner mit ärztlicher Hausapotheke wahrgenommen", erklärt Dr. Silvester Hutgrabner, Leiter des Referates für Landmedizin und Hausapotheken der ÖÄK. Insgesamt betreiben 21% der Allgemeinmediziner mit einem Kassenvertrag eine Hausapotheke. In Gemeinden mit bis zu 1000 Einwohnern sind es 74%, in Gemeinden mit 1000 bis 5000 Einwohnern 44%.
"Wir unterstützen im Wesentlichen die Empfehlungen der Bundeswettbewerbsbehörde zu einer Liberalisierung des Medikamentenverkaufs und einer Lösung, die den heutigen Strukturen gerecht wird", so Steinhart. "Maßstab für allfällige Regelungen muss der reale Bedarf der Bevölkerung sein, und nicht das wirtschaftliche Interesse der Apothekenbranche."
Quelle:
Pressegespräch ÖÄK, 19. November 2019