Ultraschall mit 30 bis 32 Schwangerschaftswochen
Das ursprüngliche Konzept der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) sah den griffigen Titel 10-, 20-, 30- Schwangerschaftswochen(SSW)-Ultraschall vor. In der Praxis ist daraus in den letzten Jahren eher ein 12-, 22- und 30–32-SSW-Ultraschall geworden.
Die Bedeutung des dritten (30.–32. SSW) Ultraschalls wird durchaus immer wieder hinterfragt. Im vorliegenden Artikel wird die aktuelle Bedeutung dieses Ultraschall-Termins beschrieben.
Biometrie
Zuerst wird der Fet vermessen, wodurch man die korrekte Entwicklung des Feten nachweisen kann (Größe, Gewicht). Dies kann sowohl durch die Standardbiometrieparameter Kopf (biparietaler Durchmesser, frontookzipitaler Durchmesser, Kopfumfang), Abdomen (Abdomenumfang) und Oberschenkel (Femur) als auch durch die zusätzliche Messung aller langen Röhrenknochen erfolgen.
Die Beurteilung des Fruchtwassers erfolgt durch die Messung des größten Durchmessers.
Normalbefunde schließen jeweils eine pathologische Entwicklung aus.
Was kann nun mit diesen Parametern erkannt werden?
Eine sich spät manifestierende Wachstumsretardierung infolge einer Plazentainsuffizienz fällt durch eine typische Veränderung der Biometrie auf (Kopfmaße normal, Abdomenumfang zu klein, Femur kurz), häufig besteht ein Oligohydramnion.
Eine symmetrische Wachstumsretardierung (alle Maße klein) ist oft durch eine genetische Ursache bedingt, hier ist häufig die Fruchtwassermenge normal.
Eine Mikrozephalie fällt durch eine Abweichung der Kopfmaße bei normalen übrigen Maßen auf und ist ebenfalls eher eine späte Erstdiagnose.
Milde, nicht letale Formen von Skelettfehlbildungen fallen eher durch eine deutliche Verkürzung der Röhrenknochen auf, häufig besteht ein Polyhydramnion.
Eine Makrosomie entwickelt sich ebenfalls oft erst nach 30 SSW und ist durch eine Biometrie oberhalb der Norm gekennzeichnet, oft mit einem Polyhydramnion.
Normale Anatomie
Der Fet weist etwa mit 22 SSW zur Feindiagnostik eine komplett ausgebildete Anatomie auf, jedoch entwickelt sich diese weiter bzw. wird sie für den Untersucher besser sichtbar. Für den Laien wird dies besonders am Gesicht deutlich, wo man mit 30 SSW etwa vergleichbare Bilder wie zur Geburt erhält, da sich jetzt das Unterhautfettgewebe entwickelt hat (Abb. 1). Dies kann man auch an den Extremitäten sehr gut beobachten, wo es im Rahmen der Betreuung von diabetischen Schwangeren eine praktische Bedeutung hat.
Exemplarisch möchte ich das Gehirn, das fetale Herz und Abdominalorgane erwähnen.
Das Gehirn verändert im Laufe der Schwangerschaft seine Oberfläche durch eine zunehmende Gyrierung. Die ersten Schritte in diese Richtung sind mit 22 SSW durch den Nachweis der Insulae als Vorwölbung nach innen sichtbar (Abb. 2a). Die Form dieser Inseln verändert sich deutlich und mit 30 SSW sehen sie eher eckig (ähnlich einem Amboss) aus (Abb. 2b). Gleichzeitig sind jetzt noch weitere Gyri sichtbar, man erkennt diese als senkrecht zur Schädelkalotte in das Innere laufende echogene "Striche". Auch das Kleinhirn verändert seine Struktur deutlich und sieht jetzt eher streifig aus. Man kann jetzt sehr gut die beiden Hemisphären und den Kleinhirnwurm unterscheiden.
Das Herz des Feten ist jetzt etwa 3–4cm groß und man kann sehr gut die gesamte Anatomie erkennen. Insbesondere die Gefäßklappen lassen sich gut darstellen.
Im Bauchraum grenzen sich die Nieren durch die vermehrte Urinproduktion ab und sehen nicht mehr so verwaschen wie in früheren SSW aus. Ebenfalls ist der Darm jetzt sichtbar und man kann durchaus den normalen Kolonrahmen darstellen. Die Milz grenzt sich jetzt hinter dem Magen ab, und mit hochauflösenden Geräten kann man auch das Pankreas sehen. Dies sind alles Beschreibungen der normalen Anatomie, sie schließen natürlich entsprechende Fehlbildungen aus.
Erstmals sichtbare Fehlbildungen
Auch wenn die grundsätzliche Anatomie mit 22 SSW weitgehend nachweisbar ist, so können doch auch später Fehlbildungen auffallen, die sich hier erstmals manifestieren. Im Regelfall handelt es sich dabei um seltene Fehlbildungen, die jedoch durchaus die Prognose des Feten signifikant negativ beeinflussen können.
Im Gehirn wäre die Lissenzephalie zu nennen (Abb. 3). Dabei kommt es zu keiner Gyrierung, d.h., der Entwicklungsstand mit 22 SSW bleibt bestehen. Es handelt sich um ein sehr schweres Krankheitsbild, welches häufig mit Chromosomenstörungen assoziiert sein kann.
Ein Aneurysma der Vena Galeni, welches präformiert schon da war, fällt ebenfalls im Regelfall erst >30. SSW auf. Die hyperdyname Kreislaufzirkulation kann auch zu einer Kardiomegalie und durch den Steel-Effekt zu einer hypoxischen Hirnschädigung führen.
Hirnblutungen (intraventrikulär oder intraparenchymatös) können aufgrund unterschiedlicher Ursachen auch bei einem ursprünglich normal entwickelten Gehirn auftreten und insbesondere bei intraparenchymatösem Auftreten mit einer Defektheilung (Schizenzephalie) einhergehen.
Fehlerhafte Hirnentwicklungen können sich durchaus auch in atypischen Bewegungsmustern (Krämpfe) bzw. abnormalen Haltungen der Extremitäten zeigen (Kontrakturen).
Als sich spät manifestierende Herzfehler sind valvuläre Klappenstenosen (insbesondere Pulmonalis) und auch muskuläre Ventrikelseptumdefekte (VSD) zu nennen. Funktionell kann der vorzeitige Verschluss des Ductus arteriosus bei Indomethazin-Einnahme von Bedeutung sein (welcher reversibel ist). Funktionelle Veränderungen des Herzens (Kardiomyopathien) können ebenfalls auftreten, sind aber ausgesprochen selten. Am häufigsten hat man es noch mit Rhythmusstörungen zu tun, hier sind insbesondere die supraventrikulären Tachykardien zu nennen.
Da sich funktionell gesehen im Bauchraum viel verändert, ist hier eine ganze Reihe von Veränderungen zu erwarten.
Bedingt durch die größere Trinkmenge des Feten können sich nach 30 SSW typischerweise tief sitzende Darmatresien manifestieren. Im Regelfall handelt es sich bei pränataler Diagnose immer um eine Atresie. Pränatal handelt es sich so gut wie immer um einen Dünndarmileus. Ursächlich für die Atresie kann neben Chromosomenstörungen und anatomischen Fehlentwicklungen auch Mukoviszidose sein, weshalb eine entsprechende Diagnostik veranlasst werden sollte.
Auch Nierenfehlbildungen können jetzt erstmals auffallen. Insbesondere eher mittelgradige Stenosen der harnableitenden Wege sind hier zu nennen. Mit 22 SSW waren sie noch unauffällig, bedingt durch die zunehmende Urinproduktion werden diese jetzt klinisch sichtbar.
Ovarialzysten bei einem weiblichen Feten sind ebenfalls eine typische Diagnose nach 30 SSW.
Verlaufskontrollen bei Fehlbildungen
Bei jeder pränatal diagnostizierten Fehlbildung sollte man serielle Verlaufskontrollen machen, da sich die Fehlbildung mitunter verändern kann, vor allem durch den Einfluss der Funktion. Dies ist natürlich beim Herzen oder im Urogenitaltrakt eher ausgeprägt als bei Extremitätenfehlbildungen (Fehlen von Extremitäten, Klumpfuß o.Ä.).
So sind beispielsweise bei der Ebstein-Anomalie eine Verschlechterung der Hämodynamik mit Entwicklung eines Hydrops und Fruchttod möglich. Bei einem Teil der Feten mit einer Ebstein-Anomalie entwickelt sich eine zunehmende Kardiomegalie (Abb. 4).
Eine valvuläre Aortenstenose kann sich in Richtung einer linksventrikulären Funktionsstörung und letztlich eines
hypoplastischen Linksherzes entwickeln. Dies ist auch für die valvuläre Pulmonalstenose bekannt.
Die späte Erstdiagnose insbesondere muskulärer Ventrikelseptumdefekte ist bekannt und nicht selten.
Bei Nierenfehlbildungen wird man insbesondere Augenmerk auf die gesunde Niere bei einseitigen Befunden legen. Hier ist auch die Beurteilung der Fruchtwassermenge von Bedeutung, da ein Oligohydramnion auf eine Niereninsuffizienz hindeuten könnte.
Im Gehirn kann es ebenfalls zu einer nicht korrekten Weiterentwicklung kommen. So ist die Entwicklung einer Mikrozephalie noch nachgeburtlich möglich. Auch die Entwicklung einer Dandy-Walker-Malformation wurde von uns beobachtet.
Generell sollte beim Vorliegen von Fehlbildungen nicht nur das betroffene Organ, sondern der gesamte Fet komplett untersucht werden, da auch an weitergehende Entwicklungsstörungen gedacht werden muss.
Beeinflussung des geburtshilflichen Managements
Dies geschieht erheblich durch den Ultraschall. So hat die Diagnose einer Fehlbildung mitunter aus "Managementgründen" eine geplante Geburt zur Folge, um dem Kind die besten Startchancen zu geben. Hier wären typischerweise die Zwerchfellhernie oder auch die Transposition der großen Arterien zu nennen.
Die Biometrie erlaubt uns eine Einschätzung von Größe und Gewicht, was Eingang in alle entsprechenden Leitlinien gefunden hat. Hier sollte man unbedingt auch nach Faktoren wie Unterhautfettgewebe schauen.
Im Regelfall wird neben der weiterführenden Organdiagnostik auch eine Dopplersonografie der umbilikalen und uterinen Gefäße durchgeführt. Der Nachweis einer gestörten uteroplazentaren Durchblutung deutet auf gestörte Kompensationsmöglichkeiten unter der Geburt hin und sollte bei der Leitung der Geburt berücksichtigt werden, z.B. durch eine intensivere CTG(Kardiotokografie)-Überwachung.
Die pränatale Ultraschalluntersuchung erlaubt sicher die Beurteilung des plazentaren Nabelschnuransatzes und damit den Ausschluss einer Insertio velamentosa. Handelt es sich doch um eine solche, so sollte eine Vasa praevia ausgeschlossen werden, die andernfalls ebenfalls eine Bedeutung für den Geburtsmodus haben sollte. Gleiches gilt für die Diagnose einer Placenta praevia, die ebenfalls eine eher späte Diagnose ist. ◼
Autor:
PD Dr. Kai-Sven Heling
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe,
Pränataldiagnostik Friedrichstraße 147, Berlin
E-Mail: heling@feindiagnostik.de
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Literatur:
beim Verfasser
Entgeltliche Einschaltung
Mit freundlicher Unterstützung durch
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Fachkurzinformation siehe Seite XXXX | FREIGABENUMMERXXXX
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Zitatquelle mit Foto
K.-S. Heling, Berlin© XXXXX
© Kai-Sven Heling
Abb. 1: Gesichtsoberfläche eines Feten in der 32. SSW in der 3D-Sonografie. Zu diesem Zeitpunkt sehen die Feten analog zu den Kindern nachgeburtlich aus, die Gesichtszüge sind deutlich erkennbar
Abb. 2a: Darstellung eines Querschnitts des Kopfes in der 22. SSW mit dem Normalbefund des Gehirns. Beide Hemisphären, die Lateralventrikel und die Plexus choroidei sowie der knöcherne Schädel mit Schädelnähten sind sichtbar. Die Insulae wölben sich im vorderen Teil des Gehirns nach innen vor und gelten als Beginn der Gyrierung. Das Cavum septi pellucidi ist ebenfalls im ventralen Anteil zwischen den Insulae sichtbar
Abb. 2b:Darstellung des Gehirns mit 28 SSW als Normalbefund. Man erkennt deutlich die Veränderung der Insulae, die jetzt eher wie ein Amboss aussehen. Durch die voranschreitende Gyrierung erscheint die Hirnoberfläche unruhig
© Kai-Sven Heling
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Abb. 3:Fet in der 28. SSW mit Lissenzephalie. Die Hirnoberfläche ist glatt, es sind keine Zeichen einer Gyrierung erkennbar
Abb. 4:Ausgeprägte Kardiomegalie eines Feten mit Ebstein-Anomalie in der 34. SSW, wobei hier das Herz mehr als 50% der Thoraxfläche einnimmt